Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2017, Az. 4 AZR 576/16

4. Senat | REWIS RS 2017, 754

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Gegenstand

Korrigierende Rückgruppierung - Vertrauensschutz


Leitsatz

Eine sog. korrigierende Rückgruppierung kann wegen eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") auch dann iSv. § 242 BGB treuwidrig sein, wenn eine vorangegangene erneute Überprüfung der Eingruppierung - bei unveränderter Tätigkeit - zu einer Höhergruppierung geführt hatte.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2016 - 16 Sa 1838/15 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 1. Juli 2015 - 56 [X.] 1131/15 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. August 2014 Entgelt nach der [X.] 10 Stufe 5 TV-L zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2

Die Klägerin ist Fachinformatikerin für Anwendungsentwicklung. Seit dem 1. Mai 2004 ist sie mit gleichbleibender Tätigkeit als DV-Betreuerin bei der [X.] beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 29. April 2004 heißt es ua.:

        

§ 3   

        

(1)     

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes ([X.]) vom 31.07.2003 in der jeweiligen Fassung.

        

(2)     

Soweit in diesem Arbeitsvertrag auf einzelne Tarifvorschriften Bezug genommen wird, gelten diese in der am 01.01.2003 geltenden Fassung, soweit sich aus Absatz 1 oder 3 nichts anderes ergibt.

        

(3)     

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass Tarifverträge, die das [X.] nach dem 01.08.2003 schließt oder denen das [X.] im Falle eines Eintritts in einen Arbeitgeberverband dann unterworfen ist, die o.g. Arbeitsbedingungen gem. § 4 Abs. 5 [X.] ergänzen bzw. ersetzen.

        

…       

                 
        

§ 4     

        

Die Angestellte ist in Vergütungsgruppe [X.] der Anlage 1a zum [X.] eingruppiert.“

3

Mit Schreiben vom 17. April 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde aufgrund [X.] ab dem 1. Mai 2008 nach der [X.]. I[X.] [X.] vergütet.

4

Im Juni 2010 machte die Klägerin gegenüber der [X.] Vergütung nach der [X.]. [X.]a [X.] mit Wirkung ab dem Jahr 2006 geltend.

5

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 teilte die Beklagte der Klägerin nach Neubewertung ihrer Tätigkeit mit, sie sei rückwirkend ab dem 1. Januar 2006 in die [X.]. I[X.] Fallgr. 1 und nach einer Bewährungszeit von vier Jahren ab dem 1. Januar 2010 gem. § 23b [X.] in die [X.]. [X.]. 2 Teil II Abschnitt [X.] und [X.] der Anlage 1a zum [X.] eingruppiert. Nach Überleitung in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) erhielt die Klägerin eine Vergütung nach der [X.] 10 Stufe 5 [X.].

6

Ein von der [X.] in Auftrag gegebenes Gutachten bewertete im Jahr 2012 die Stelle der Klägerin mit der [X.] 9 Fallgr. 3 der Anlage A zum [X.] (im Folgenden [X.] 9 Fallgr. 3 [X.]). Im August 2013 beantragte die Beklagte beim Personalrat die Zustimmung zur korrigierenden [X.] der Klägerin in die [X.] 9 Fallgr. 3 [X.]. Mit Beschluss vom 12. Mai 2014 ersetzte die Einigungsstelle die vom Personalrat verweigerte Zustimmung.

7

Mit Schreiben vom 25. August 2014 teilte die Beklagte der Klägerin als Ergebnis der Überprüfung mit, sie sei in die [X.] 9 Fallgr. 3 Stufe 4 [X.] eingruppiert und erhalte eine entsprechende Vergütung ab 1. August 2014.

8

Mit ihrer im Januar 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin Ansprüche nach der [X.] 10 Stufe 5 [X.] über den 31. Juli 2014 hinaus geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die korrigierende [X.] sei unzulässig. Sie habe nicht damit rechnen müssen, dass ihr die rückwirkend ab 2006 gewährte Höhergruppierung wieder entzogen würde. Jedenfalls sei es der [X.] verwehrt, eine korrigierende [X.] in eine unter der bei ihrer Einstellung gewährten liegende [X.] vorzunehmen.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab 1. August 2014 Entgelt nach der [X.] 10 Stufe 5 [X.] zu zahlen;

        

2.    

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr über den 31. Juli 2014 hinaus Entgelt nach [X.] 9 Stufe 5 [X.] zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Höhergruppierung der Klägerin habe auf einem Irrtum der damaligen Sachbearbeiterin beruht. Diese habe für die Eingruppierung fälschlicherweise die Tätigkeitsmerkmale des Teils II Abschnitt [X.] und [X.] der Anlage 1a zum [X.] und nicht den allgemeinen Teil herangezogen. Dabei habe sie übersehen, dass diese einen Hochschulabschluss im Fach Informatik bzw. gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen erforderten. Zudem habe sie die Arbeitsvorgänge fehlerhaft bestimmt. Die korrigierende [X.] verstoße nicht gegen [X.] und Glauben. Ein solcher Verstoß komme allenfalls bei einer wiederholten korrigierenden [X.] in Betracht. Das sei hier aber gerade nicht der Fall, sie habe die Klägerin nur höhergruppiert. Überdies habe die Klägerin ein berechtigtes Vertrauen in die mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 mitgeteilte Eingruppierung deshalb nicht entwickeln können, weil sie diese bereits mit Schreiben vom 17. Februar 2011 als falsch angegriffen habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die nach § 256 Abs. 1 ZPO als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (st. Rspr., siehe nur [X.] 17. Mai 2017 - 4 [X.] -; 21. März 2012 - 4 [X.] - Rn. 18) zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist ab 1. August 2014 weiterhin nach der [X.] 10 [X.] zu vergüten. Der Beklagten ist es entgegen der Auffassung des [X.]s nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, eine korrigierende [X.] zu vollziehen.

I. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des [X.] an das Tarifrecht der [X.] ([X.]) vom 14. Oktober 2010 und gem. dessen § 2 der [X.] sowie der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]) ab dem 1. November 2010 Anwendung. Nicht anwendbar ist entgegen der Auffassung des [X.]s hingegen der Tarifvertrag zur Übernahme des Tarifrechts des [X.] für die Beschäftigten der [X.] ([X.] BBAW) vom 30. Mai 2011.

1. Gem. § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes ([X.]) vom 31. Juli 2003 in der jeweiligen Fassung. Der vom [X.] ua. mit [X.] - [X.] ([X.]) geschlossene [X.] hat den [X.] iSv. § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ersetzt. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

2. Gem. § 2 [X.] finden die zwischen der [X.] ([X.]) und [X.] vereinbarten Tarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung, soweit der jeweilige Arbeitnehmer von dem jeweiligen Geltungsbereich erfasst wird. Danach finden sowohl der [X.] als auch der [X.] auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Beide Tarifverträge sind zwischen der [X.] und [X.] vereinbart worden. Die Klägerin ist Angestellte iSv. § 1 [X.] und Beschäftigte iSv. § 1 [X.]. Der [X.] und der [X.] sind im [X.] am 1. November 2010 in [X.] getreten (§ 17 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 [X.]).

3. Das [X.] ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde auch der [X.] BBAW Anwendung.

a) Der [X.] BBAW wurde zwischen der Beklagten und der [X.] und [X.] abgeschlossen. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel umfasst aber lediglich Tarifverträge, die das [X.], nicht jedoch solche, die die Beklagte geschlossen hat (vgl. auch [X.] 15. Juni 2016 - 4 [X.] - Rn. 18 mwN).

b) Eine Geltung der Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit kommt ebenfalls nicht in Betracht. Aus den Feststellungen des [X.]s ergibt sich nicht, dass die Klägerin tarifgebunden wäre.

II. Maßgebend für die Eingruppierung sind weiterhin §§ 22, 23 [X.] iVm. Anlage 1a. Die ursprünglich nur als vorübergehend angesehene Überleitung der Angestellten entsprechend der Anlage 2 zum [X.] im Sinne einer formalen Zuordnung der bisherigen Vergütungsgruppen des [X.]/[X.] zu den neuen [X.]n des [X.] ist mit Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung zum [X.] am 1. Januar 2012 als grundsätzlich dauerhaft bestimmt worden (§ 29a Abs. 2 [X.]). Eine Überprüfung und ggf. Neufeststellung der mit der Überleitung erfolgten Eingruppierungen sollte danach für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit nicht mehr stattfinden. Nach der Protokollerklärung zu § 29a Abs. 2 [X.] gilt die Zuordnung zu der [X.] des [X.] nach der Anlage 2 oder 4 [X.] als Eingruppierung im Sinne dieser Bestimmung. Unstreitig ist die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit unverändert geblieben.

[X.]. Die Klägerin hat über den 31. Juli 2014 hinaus Anspruch auf Vergütung nach der [X.] 10 Stufe 5 [X.]. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin objektiv unzutreffend eingruppiert ist und die Beklagte die objektive Fehlerhaftigkeit der Eingruppierung ausreichend dargetan hat. Die von ihr im August 2014 vorgenommene korrigierende [X.] verstößt jedenfalls gegen [X.] und Glauben (§ 242 BGB).

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann es im Einzelfall gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) als Ausprägung des Grundsatzes von [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn sich der Arbeitgeber auf eine Fehlerhaftigkeit der bisherigen tariflichen Bewertung beruft. Ein solches Verhalten ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Seite - bewusst oder unbewusst - für die andere ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist. Ein solches Vertrauen kann auch durch Umstände begründet werden, die nach der Eingruppierung eingetreten sind. [X.] Vertrauen kann sich zudem aus der Gesamtschau einzelner Umstände ergeben, von denen jeder für sich allein keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen kann ([X.] 23. September 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 16; 23. August 2006 - 4 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 119, 205).

a) Eine wiederholte korrigierende [X.] des Arbeitnehmers bei unveränderter Tätigkeit und [X.] ist danach regelmäßig treuwidrig und deshalb von Rechts wegen ausgeschlossen. Der Vollzug einer korrigierenden [X.] durch den Arbeitgeber beinhaltet dessen Eingeständnis, sich bei der vormaligen tariflichen Bewertung der Tätigkeit des Arbeitnehmers geirrt zu haben. Da die nunmehr gewonnene Erkenntnis des Arbeitgebers, wie der Arbeitnehmer [X.] eingruppiert ist, für dessen Vergütung maßgebend sein soll, misst er ihr ein höheres Maß an Richtigkeitsgewähr bei als der vorherigen, jetzt korrigierten Eingruppierung. Diese Wertung ist nur dann berechtigt, wenn der Arbeitgeber nunmehr die Eingruppierung des Arbeitnehmers mit besonderer Sorgfalt überprüft hat. Davon darf der Arbeitnehmer, der für dieselbe Tätigkeit geringer bezahlt werden soll, ausgehen. Er muss daher nicht damit rechnen, der Arbeitgeber werde die nunmehrige, die Beseitigung eines - angeblichen - [X.] beinhaltende Korrektur selbst erneut in Frage stellen ([X.] 23. September 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 17; 23. August 2006 - 4 [X.] - Rn. 17, [X.]E 119, 205).

b) [X.] in die Richtigkeit der vom Arbeitgeber vorgenommenen Eingruppierung kann auch durch den Vollzug eines [X.] bestärkt werden, da dieser über die Prüfung der Bewährung hinaus erneut diejenige der Erfüllung der Eingruppierungsvoraussetzungen als solcher erfordert ([X.] 23. August 2006 - 4 [X.] - Rn. 19, [X.]E 119, 205; 14. September 2005 - 4 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe). Die wiederholte Überprüfung der Richtigkeit der Eingruppierung schafft damit notwendigerweise mit jeder Bestätigung ein noch größeres schützenswertes Vertrauen des Arbeitnehmers.

c) Schließlich kann auch ein anderweitiges Verhalten des Arbeitgebers als vertrauensbegründendes Element in Betracht kommen, wenn es auf eine besondere Bestätigung der Eingruppierung gerichtet ist ([X.] 17. November 2016 - 6 [X.] - Rn. 47).

2. Die Annahme des [X.]s, die von der Beklagten vorgenommene [X.] verstoße nicht gegen [X.] und Glauben (§ 242 BGB), ist vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar, da es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs handelt. Die Überprüfung ist darauf beschränkt, ob das Berufungsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung keine Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt hat ([X.] 23. September 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 18; 11. Februar 2004 - 4 [X.] - zu I 3 c aa der Gründe mwN, [X.]E 109, 321).

3. Selbst diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des [X.]s nicht stand. Das Berufungsgericht hat die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht rechtsfehlerfrei berücksichtigt und ist somit von einem unzutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen.

a) Noch zutreffend hat das [X.] bei seiner Prüfung zwischen einem Verstoß gegen [X.] und Glauben (§ 242 BGB) in der Form des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) auf der einen und der Verwirkung auf der anderen Seite unterschieden, wobei die Verwirkung überwiegend als besondere Fallgruppe widersprüchlichen Verhaltens angesehen wird ([X.]/Looschelders/Olzen (2015) § 242 BGB Rn. 300; MüKoBGB/[X.] § 242 Rn. 356; [X.]/[X.] 76. Aufl. § 242 BGB Rn. 87). Es ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine wiederholte korrigierende [X.] des Arbeitnehmers bei unveränderter Tätigkeit und [X.] regelmäßig treuwidrig und deshalb von Rechts wegen ausgeschlossen ist.

b) Rechtsfehlerhaft hat es hingegen angenommen, der dem Arbeitnehmer zu gewährende Vertrauensschutz hänge davon ab, ob die vorherige, in der Sache vertrauensschaffende [X.] des Arbeitgebers auf eine korrigierende [X.] oder auf eine Höhergruppierung gerichtet war.

aa) Ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens im Sinne eines „venire contra factum proprium“ ist nach der Senatsrechtsprechung das erhöhte Maß an Richtigkeitsgewähr bei einem erneut vorgenommenen [X.] und einer -entscheidung ([X.] 23. September 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 17 mwN). Dabei bezieht sich die vertrauensbegründende Sorgfalt und Kompetenz nicht allein auf die Mitteilung der maßgebenden Vergütungsgruppe innerhalb der jeweiligen Vergütungsordnung. Sie erfasst auch die vom Arbeitgeber aufgrund einer Bewertung vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit sowie die von ihm angenommene Erfüllung der Anforderungen des konkreten [X.] ([X.] 20. März 2013 - 4 [X.] - Rn. 20). Der durch eine solche - erneute - Überprüfung der Eingruppierung begründete Vertrauenstatbestand erlangt nicht dadurch mehr Gewicht, dass dieser im Rahmen einer [X.] gesetzt wird. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zu jedem Zeitpunkt bei einer anstehenden - routinemäßigen oder anlassbezogenen - Überprüfung der bisherigen Eingruppierung eine in jeder Hinsicht korrekte Bewertung vorzunehmen. Der Arbeitnehmer darf auf diese Sorgfalt und das Ergebnis der Überprüfung vertrauen. Das mit dem erneuten [X.] verfestigte Vertrauen ist nach einer Herabgruppierung nicht größer oder anders zu beurteilen als nach einer Höhergruppierung. Alles andere würde dem Arbeitgeber eine größere Sorgfalt bei der Feststellung einer niedrigeren als der einer höheren [X.] unterstellen. Hiervon kann und darf gerade nicht ausgegangen werden, zumal der öffentliche Arbeitgeber - wie hier die Beklagte als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts - Haushaltsvorgaben und Kontrollen durch den Landesrechnungshof unterliegt. Deshalb darf ein Arbeitnehmer auch bei einer Höhergruppierung annehmen, der Arbeitgeber habe seine Eingruppierung mit besonderer Sorgfalt - erneut - geprüft.

bb) Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen durfte die Klägerin auf die Richtigkeit ihrer Eingruppierung in die [X.] 10 [X.] vertrauen.

(1) Mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 korrigierte die Beklagte die bisherige Eingruppierung der Klägerin in der Weise, dass sie ihr - nach erneuter, eingehender Prüfung - ab dem 1. Januar 2006 eine - höhere - Vergütung nach der [X.]. IVb [X.] und unter Berücksichtigung eines [X.] ab dem 1. Januar 2010 nach der [X.]. [X.] zuerkannte. Dies führte nach der Anlage 2 zum [X.] iVm. § 17 Abs. 1, § 39 Abs. 1 [X.] mit Wirkung zum 1. November 2010 zu einer Überleitung in die [X.] 10 [X.].

(2) Das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin wurde dadurch noch verstärkt, dass die Beklagte die von ihr am 2. Dezember 2010 korrigierte Eingruppierung nicht nur einmal einer Überprüfung unterzogen hat. So hatte sie die ursprüngliche Eingruppierung bereits im Zusammenhang mit dem [X.] im [X.] erneut geprüft. Eine weitere Prüfung erfolgte, nachdem die Klägerin im Juni 2010 ihre Höhergruppierung in die [X.]. [X.] ab dem 1. Januar 2006 geltend gemacht hatte. Diesem Begehren kam die Beklagte im Dezember 2010 nur teilweise nach, indem sie ab dem 1. Januar 2006 eine Eingruppierung in die [X.]. IVb [X.] und erst ab dem 1. Januar 2010 unter Berücksichtigung eines weiteren [X.] eine Eingruppierung in die [X.]. [X.] annahm. Angesichts dieses Verlaufs durfte die Klägerin umso mehr darauf vertrauen, die Beklagte habe ihre Eingruppierung in jeder Hinsicht gründlich geprüft. Der Umstand, dass die Klägerin diese Eingruppierung ihrerseits für zu niedrig und damit unzutreffend hielt, ist insoweit ohne Belang.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten war für die Klägerin nicht erkennbar, dass die erneute [X.] aus deren Sicht nur eine vorläufige war. Insbesondere erfolgte die Beauftragung des Gutachtens erst zeitlich nachfolgend. Diese vermochte das durch die - erneute - [X.] aus dem [X.] begründete Vertrauen nicht mehr nachträglich wieder zu beseitigen.

dd) Auf die Dauer des nicht erschütterten Vertrauens kommt es im Streitfall nicht an. Für die Annahme einer [X.]widrigkeit in der Erscheinungsform des „venire contra factum proprium“ ist - anders als bei dem Unterfall der Verwirkung - in erster Linie das bisherige - aktive - Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Korrektur der Eingruppierung maßgebend (vgl. auch [X.] 23. September 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 19). Das „[X.]“ kann allenfalls einen zusätzlichen, das Vertrauen verstärkenden, Gesichtspunkt darstellen. Soweit früheren Entscheidungen des Senats ([X.] 23. August 2006 - 4 [X.] - Rn. 15, [X.]E 119, 205; 14. September 2005 - 4 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe) Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte, hält der Senat hieran nicht fest.

4. Die Klägerin hat auch Anspruch auf die begehrte Stufe 5 der [X.] 10 [X.], die sie bereits im August 2014 erreicht hat. Davon gehen auch die Parteien aus.

5. Der Hilfsantrag fällt aufgrund des Erfolgs der Klägerin mit dem Hauptantrag nicht zur Entscheidung an.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

        

    Eylert    

        

    Klose    

        

    Rinck    

        

        

        

    Widuch    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 576/16

13.12.2017

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 1. Juli 2015, Az: 56 Ca 1131/15, Urteil

Entgeltgr 10 TV-L, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2017, Az. 4 AZR 576/16 (REWIS RS 2017, 754)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 754

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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