Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2018, Az. XII ZB 527/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14714

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:310118BXIIZB527.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 527/17
vom
31.
Januar
2018
in der [X.]
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2
Hat der Betroffene mehrere Personen in der Weise bevollmächtigt, dass sie ihn nur gemeinschaftlich vertreten können, können die Bevollmächtigten nur dann die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut wie ein Betreuer besorgen, wenn davon auszugehen ist, dass sie zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Dazu bedarf es einer Zusammenarbeit und Abstimmung der [X.] und damit jedenfalls eines Mindestmaßes an Kooperationsbe-reitschaft und -fähigkeit.
[X.], Beschluss vom 31. Januar 2018 -
XII ZB 527/17 -
LG Halle

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
31.
Januar
2018
durch den Vorsitzenden [X.] Dose
und
die [X.] Prof.
Dr.
[X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu
1 wird der Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.]s Halle
vom 8.
September 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Die im Jahre 1922 geborene Betroffene erteilte Ende Oktober 2003 ihrer Tochter (Beteiligte zu
1) und ihrer Schwiegertochter (Beteiligte zu
2) eine nota-rielle General-
und Altersvorsorgevollmacht. Diese kann nach §
1 des [X.] nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Die Generalvollmacht berechtigt die beiden Bevollmächtigten, umfassend im vermögensrechtlichen Bereich für die Betroffene tätig zu werden. Die Altersvorsorgevollmacht ermäch-tigt sie zu Entscheidungen unter anderem in den Bereichen der Aufenthaltsbe-stimmung
und
der Gesundheitssorge.

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Mitte September 2016 hat sich die Tochter der Betroffenen an das [X.] gewandt und beantragt, als Betreuerin für die nach ihren Angaben seit Anfang 2015 an Demenz erkrankte Betroffene bestellt zu werden, und im weite-ren Fortgang des Verfahrens auch die Bestellung eines externen Betreuers oder
Kontrollbetreuers angeregt. Ihre Schwägerin, in deren Nähe die Betroffene lebt, treffe Entscheidungen zu Fragen von Gesundheit und Finanzen der Be-troffenen stets allein und bereichere sich auf Kosten der Betroffenen.
Nach mehrfachen schriftlichen Stellungnahmen der beiden [X.] hat das Amtsgericht durch den Rechtspfleger mit Beschluss vom 22.
Juni 2017 entschieden, dass für die Betroffene kein Betreuer bestellt wird. Die Be-schwerde der Beteiligten zu
1
ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt sie weiterhin das Ziel, dass für die Betroffene eine Betreuung oder [X.] errichtet wird.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat
Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Rechtspfleger sei zur Entscheidung über die Anregung der Beteiligten zu
1 zu-ständig gewesen. Der angefochtene Beschluss sei dahin auszulegen, dass kein Kontrollbetreuer bestellt worden sei. Die Voraussetzungen einer Kontrollbetreu-ung lägen auch nicht vor. Der Gesundheitszustand der Betroffenen, die in ei-nem Heim untergebracht sei und dort die erforderliche Pflege und Versorgung erhalte, erfordere die Einrichtung einer [X.] nicht. Soweit die Tochter der Betroffenen geltend mache, Auskünfte nur teilweise oder gar nicht 2
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zu bekommen, könne sie sich auf ihre Vollmacht berufen. Das sei nicht Aufgabe eines Kontrollbetreuers. Soweit sie geäußert habe, die Beteiligte zu
2 nehme Zugriff auf das Vermögen der Betroffenen, handele es sich um einen bloßen Verdacht, der einer tatsächlichen Grundlage entbehre. Für die von der [X.] zu
2 bis einschließlich Dezember 2014 angeblich abgebuchten und [X.] 145.000

Wollen der zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkrankten Betroffenen erfolgt seien. Auch für die Befürchtung, die Tochter der Beteiligten zu
2
könne unter [X.] der ihr von der Betroffenen erteilten [X.] Gelder für sich verbrauchen, gebe es keine Anhaltspunkte. Als Mitbevollmächtigte könne die Beteiligte zu
1 zudem ihre Schwägerin und deren Tochter auf [X.] zu Lasten der Betroffenen selbst kontrollieren und Auskunftsansprüche gegen ihre Schwägerin geltend machen. Für die gemeinschaftlich geregelte Vertretung der Betroffenen wäre zwar eine gut funktionierende und auf [X.] basierende Abstimmung wünschenswert und hilfreich. Ein Defizit in dem Vertrauensverhältnis führe aber nicht dazu, dass ein Kontrollbetreuer zur Wah-rung der Rechte der Betroffenen zu bestellen sei.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das [X.] allein über die Einrichtung einer [X.] entschieden hat. Es hat dies offensichtlich zum einen daraus, dass der vorliegend tätige Rechtspfle-ger gemäß §
15 Abs.
1 Satz
2 RPflG nur insoweit zuständig ist,
und
zum ande-ren im Wege der Auslegung daraus geschlossen, dass der Beschwerde laut Nichtabhilfebeschluss des [X.] mit der Maßgabe abgeholfen wurde, es
werde kein Kontrollbetreuer bestellt.

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Diese Annahme ist jedoch unzutreffend. Zwar ist richtig, dass §
15 RPflG die dem Betreuungsgericht übertragenen Angelegenheiten dem [X.] vorbe-hält und hiervon in Absatz
1 Satz
2 lediglich die Verrichtungen ausnimmt, die eine Betreuung nach §
1896 Abs.
3 BGB

mithin eine
sogenannte Kontrollbe-treuung

betreffen. Gleichwohl hat der Rechtspfleger des
Amtsgerichts
in Überschreitung seiner Kompetenz über die Frage einer Betreuung insgesamt entschieden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Tenor des Beschlusses vom 22.
Juni 2017, sondern es folgt auch aus den [X.]. Danach hat "das Gerrüft, ob für die Betroffene ein
Betreuer bestellt werden muss."
Im [X.] wird zuerst ausgeführt, dass und warum die Betroffene ausreichend durch die Bevollmächtigten vertreten werde
und es einer umfängli-chen Betreuung nicht bedürfe. In einem zweiten Begründungsschritt wird dann dargelegt, dass auch die Einsetzung eines Kontrollbetreuers nicht in Betracht komme. Der sich nur mit der [X.] befassende Nichtabhilfebe-schluss konnte
der Ausgangsentscheidung insoweit keinen anderen Gehalt ver-leihen.
Unabhängig davon, dass
in einem Betreuungsverfahren wie dem [X.] mit der (Voll-)Betreuung als Gegenstand die Frage der Kontrollbetreu-ung nicht gesondert durch den Rechtspfleger verbeschieden werden kann, ist hier mithin nicht lediglich die Ablehnung der [X.] Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. Vielmehr ist dem [X.] die umfassen-de Prüfung angefallen, ob für die Betroffene eine Betreuung zu errichten ist.
b) Dies lässt sich, wie die Rechtsbeschwerde zu
Recht rügt, auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht verneinen.
Allerdings darf ein Betreuer nur bestellt werden, soweit dies
erforderlich ist (§
1896 Abs.
2 Satz
1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die 9
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Angelegenheiten
des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut
wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätz-lich entgegen
(vgl. Senatsbeschluss
vom 17.
Februar 2016

XII
ZB
498/15

FamRZ
2016, 704 Rn.
12
mwN). Hat der Betroffene jedoch mehrere Personen in der Weise bevollmächtigt, dass sie ihn nur gemeinschaftlich vertreten [X.], können die Bevollmächtigten nur dann die Angelegenheiten des [X.] ebenso gut
wie ein Betreuer besorgen, wenn davon auszugehen ist, dass sie zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Dazu bedarf es aber

wie das [X.] im Ansatz richtig erkannt hat

einer
Zusammenar-beit und Abstimmung der Bevollmächtigten und damit jedenfalls eines Min-destmaßes an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit. Anderenfalls ist das für eine wirksame gemeinschaftliche Vertretung notwendige Einvernehmen zwi-schen den Bevollmächtigten nicht herstellbar.
So aber liegt es nach den bislang getroffenen Feststellungen hier. Die von der Betroffenen im Jahre 2003 erteilte
Vollmacht berechtigt die [X.] allein zur gemeinschaftlichen Vertretung. Eine solche ist bislang jedoch nicht erfolgt, sondern die Schwiegertochter der Betroffenen
ist offensichtlich im Wesentlichen allein
als Vertreterin tätig geworden, ohne dass ein Einverneh-men mit der Tochter der Betroffenen hergestellt wurde. Zudem stellt sich das Verhältnis zwischen den beiden Bevollmächtigten als in einer Weise belastet dar, die ein einvernehmliches Handeln zum Wohl der Betroffenen als nur schwer umsetzbar erscheinen lässt. Bei dieser Sachlage hätte es gemäß §
26 FamFG jedenfalls weitergehender Ermittlungen bedurft, um die Erforderlichkeit einer Betreuung unter Verweis auf die
den beiden Beteiligten erteilte Vollmacht zu verneinen.

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3. Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß §
74 Abs.
5 FamFG aufzuheben und die Sache nach §
74 Abs.
6 Satz
2 FamFG an das [X.] zurückzuverweisen.
Dieses wird neben der
Ermittlung, ob die beiden Bevollmächtigten zu der ihnen durch die Vollmacht allein gestatteten gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind, auch zu prüfen haben, ob weitere von der Betroffenen erteilte Einzelvollmachten bestehen, die zumindest für Teilbereiche wie etwa bestimmte Bankgeschäfte einen Betreuungsbedarf entfallen lassen können.
Unabhängig davon wird das [X.] Feststellungen dazu zu treffen haben, ob bei der Betroffenen die Voraussetzungen des §
1896 Abs.
1 Satz
1 BGB vorliegen. Sofern dies der Fall ist und sich gerade für den Bereich der Vermögenssorge ergibt, dass der
Betreuungsbedarf durch eine vorhandene
Vollmacht abgedeckt wird, wird sich das [X.] zudem nochmals mit der Frage befassen müssen, ob es einer Betreuung zur Geltendmachung von
Rechten der Betroffenen gegenüber der
bevollmächtigten Person nach §
1896 Abs.
3 BGB ([X.]) bedarf. Dabei wird es in den Blick zu nehmen haben, ab welchem Zeitpunkt die Betroffene nach medizinischen Erkenntnissen nicht mehr selbst zur Kontrolle der bevollmächtigten Person in der Lage war, und zu erwägen haben, inwieweit die aktenkundigen finanziellen Verfügungen den Verdacht begründen, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. Senatsbeschluss vom 26.
Juli 2017

XII
ZB
143/17

FamRZ 2017, 1714
Rn.
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f.
mwN).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-

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tung, zur Fortbildung des Rechts
oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

[X.]

Günter

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.06.2017 -
5 [X.]/16 -

LG Halle, Entscheidung vom 08.09.2017 -
1 T
242/17 -

Meta

XII ZB 527/17

31.01.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2018, Az. XII ZB 527/17 (REWIS RS 2018, 14714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14714

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