Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2015, Az. XII ZB 106/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2185

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[X.]:[X.]:BGH:2015:181115XIIZB106.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 106/15

vom

18. November 2015

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1896 Abs. 3, 1897 Abs. 1, 5; [X.] § 45 Abs. 2 Nr. 1
Ein Rechtsanwalt, der mit der Übernahme des [X.] gegen ein [X.] nach §
45 Abs.
2 [X.] verstoßen würde, kann nicht zum Betreuer bestellt werden (im Anschluss an
[X.]sbeschluss vom 18.
Dezember 2013

XII
ZB
460/13
Z 2014, 466).
BGH, Beschluss vom 18. November 2015 -
XII ZB 106/15 -
LG [X.]

Notariat [X.] V

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 18.
November 2015
durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke
und die Richter
Dr.
[X.], Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die [X.]
der weiteren Beteiligten zu
2
und
3 wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 2.
Februar 2015
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.]
zu-rückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
[X.]: 5

Gründe:
I.
Die 83jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Demenz vom Typ Alzheimer, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledi-gen kann. Sie hatte folgende Vollmachten erteilt:
-
Notarielle General-
und Vorsorgevollmacht vom 8.
September 2003 an ihre sechs Kinder (Beteiligte zu
2 bis
7)
in der Weise, dass jeweils zwei Kinder miteinander gemeinschaftlich vertretungsberechtigt sind,

1
2
-
3
-

-
privatschriftliche Vollmacht vom 22.
Mai 2008
an den Beteiligten zu
2 für die Wahrnehmung aller im Zusammenhang mit der Betreuung ihres Grund-besitzes erforderlichen
Aufgaben,
-
notarielle Generalvollmacht vom 6.
Juni 2008 an den Beteiligten zu
8, einen Rechtsanwalt,
für alle vermögensrechtlichen Angelegenheiten, und
-
notarielle Vollmacht
vom 16.
Juni 2008 an die Beteiligte zu
4, be-schränkt auf die persönlichen
Angelegenheiten
der Betroffenen.
In Ausübung seiner Vollmacht hatte der Beteiligte zu
2
ein Mietverhältnis gegenüber dem Mieter einer Wohnung der Betroffenen
zunächst
im Jahr
2008 wegen behaupteter Vertragsverletzungen und dann im Jahr
2012 wegen [X.] gekündigt. Die Beteiligte zu
1, eine Rechtsanwältin, bestellte sich jeweils für den Mieter und wies die Kündigungen erfolgreich zurück.
Die Beteiligten zu
2 und
3 haben durch Anwaltsschreiben vom 19.
März 2013 die an den Beteiligten zu
8 erteilte Vollmacht für die Betroffene widerrufen lassen. In dem nachfolgenden Rechtsstreit um die Herausgabe der Vollmacht-urkunde, Auskunftserteilung und Rechnungslegung erklärten sämtliche
Beteilig-ten zu
2 bis
8 vor dem Berufungsgericht zu Protokoll, dass sie beim zuständi-gen Notariat die Bestellung einer [X.] anregen
werden, und zwar vor dem Hintergrund der aus dem Rechtsstreit ersichtlich entstandenen [X.] zwischen den bevollmächtigten Kindern einerseits
und dem Beteiligten zu
8 andererseits. Gegebenenfalls möge der [X.] darüber entschei-den, die den
Kindern
und dem
Beteiligten zu
8 erteilten Vollmachten zu widerru-fen.
Das Notariat
hat eine [X.] mit dem Aufgabenkreis der Gel-tendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber ihren
Bevollmächtigten 3
4
5
6
7
8
-
4
-

sowie erforderlichenfalls Widerruf von allen oder einzelnen Vollmachten einge-richtet und die Beteiligte zu
1 als Berufsbetreuerin bestimmt.
Das [X.] hat die Beschwerden
der Beteiligten zu
2 und
3 zurückgewiesen; hiergegen richten
sich deren [X.].

II.
Die zulässigen
[X.] sind
begründet.
1. Die [X.] sind
zulassungsfrei statthaft, auch wenn sich die Beteiligten zu
2 und
3 nicht gegen die Anordnung der Betreuung als solche, sondern nur gegen die Auswahl des Betreuers im Rahmen der Einheitsent-scheidung über die Anordnung der Betreuung
wenden (vgl. [X.]sbeschluss vom 15.
September 2010

XII
ZB
166/10
FamRZ 2010, 1897 Rn.
10
mwN).
Die Befugnis zur Einlegung der Rechtsbeschwerde im Interesse der [X.] steht den Beteiligten zu
2 und
3 zu, weil sie als deren Abkömmlinge
im [X.] Rechtszug an dem Verfahren beteiligt worden sind (§
303 Abs.
2 Nr.
1 FamFG).
2. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer [X.] gemäß §
1896 Abs.
3 BGB werde von keinem Beteiligten in Abrede gestellt. Die ausgewählte Betreuerin sei auch geeignet. Deren
Vorschlag, die Kompetenzen der Bevollmächtigten klar zu regeln und dazu nur die drei im Jahr
2008 erteilten Vollmachten bestehen zu lassen, die im Jahr
2003 erteilte Vollmacht hingegen widerrufen zu wollen, begründe selbst
dann keine Zweifel an ihrer Eignung, wenn dies einer

unterstellten

Absprache
aller Bevollmächtigten, es sollten entweder sämtliche Vollmachten oder keine Vollmacht widerrufen werden, in-9
10
11
-
5
-

haltlich nicht entspreche.
Weder der Widerruf noch das [X.] sämtli-cher Vollmachten entspräche nämlich dem Wohl der Betroffenen.
Der Eignung der Beteiligten zu
1 als Betreuerin
stehe auch nicht entge-gen, dass diese in den Jahren 2008 und 2012 den
Mieter einer Wohnung der Betroffenen gegen diese vertreten habe. Die Übernahme der [X.] stelle keinen Verstoß gegen §
43
a Abs.
4 [X.] dar. Zur Wahrnehmung wi-derstreitender Interessen komme es nicht, weil sie als [X.]in nur die Rechte der Betroffenen gegen deren Bevollmächtigte und nicht gegen deren Mieter vertrete. Da eine Vertretung des Mieters und der Betroffenen in [X.] ausgeschlossen sei, könne auch kein Interessenkonflikt im Sinne des §
1897
Abs.
5 BGB entstehen.
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die Auswahl der Beteiligten zu
1 zur Betreuerin
rechtsfehlerhaft ist.
a) Gemäß §
1897 Abs.
1 BGB bestellt das Betreuungsgericht eine natür-liche Person
zum Betreuer, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten [X.] die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.
Schlägt der [X.] niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist bei der [X.] auf persönliche Bindungen des Volljährigen sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen

1897 Abs.
5
BGB).
Allerdings muss das Betreuungsgericht bereits bei seiner
Auswahlent-scheidung nach §
1897 Abs.
1, 5 BGB berücksichtigen, ob ein als Betreuer vor-geschlagener Rechtsanwalt mit der Übernahme des [X.] gegen ein Tätigkeitsverbot nach §
45 Abs.
2 [X.] verstoßen würde; einen solchen [X.] gegen anwaltliche Berufspflichten muss das Betreuungsgericht von [X.] unterbinden und von der Bestellung des vorbefassten
Rechtsanwalts 12
13
14
15
-
6
-

absehen (vgl. [X.]sbeschluss vom 18.
Dezember 2013

XII
ZB
460/13

FamRZ
2014, 466
Rn.
9 mwN).
Gemäß
§
45 Abs.
2 Nr.
1 [X.] ist dem Rechtsanwalt eine Tätigkeit als Betreuer in solchen Angelegenheiten untersagt, mit denen er bereits gegen den Träger des zu verwaltenden Vermögens als Rechtsanwalt befasst war. Diese Vorschrift bezweckt zum einen die vorbeugende Vermeidung von Interessenkol-lisionen, die das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit gefährden könn-ten,
und soll zum anderen verhindern, dass der Rechtsanwalt die [X.] für denselben Mandanten außerhalb berufsrechtlicher Pflichten in einer für die anwaltliche Rechtspflegefunktion abträglichen Weise fortsetzt ([X.]sbeschluss vom 18.
Dezember 2013

XII
ZB
460/13

FamRZ 2014, 466 Rn.
10 mwN). Die Tätigkeitsverbote des §
45 [X.] knüpfen somit abstrakt an die Vorbefassung an und gelten ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall ein konkreter Interessenkonflikt besteht (vgl. [X.]/Kilian [X.] 4.
Aufl. §
45 Rn.
42).
b) Deshalb
kommt eine Bestellung der Beteiligten zu
1 zur
Betreuerin nicht in Betracht, nachdem sie als
anwaltliche Vertreterin des Mieters einer Wohnung der Betroffenen zuvor bereits gegen die Betroffene als Trägerin des verwalteten Vermögens befasst war.
Das anwaltliche Tätigkeitsverbot und die daraus resultierende fehlende Eignung der Beteiligten
zu
1
bestehen
auch für die Wahrnehmung einer
Kon-trollbetreuung
gemäß §
1896 Abs.
3 BGB. Unabhängig davon, dass es auf [X.] Interessenskonflikte nicht ankommt, liegen
solche hier vor. Denn
die Inte-ressen
der zuvor vertretenen Partei
können ohne weiteres
davon beeinflusst werden, welche Vorsorgevollmachten die Beteiligte zu
1 als [X.]in bestehen lässt und welche sie widerruft und wie sie ihr Weisungsrecht (vgl. 16
17
18
-
7
-

§
665 BGB) gegenüber den Bevollmächtigten in Bezug auf das noch laufende Mietverhältnis ausübt.
4. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen bleiben. Da der [X.] nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Land-gericht zurückzuverweisen.

Dose

Weber-Monecke

[X.]

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
Notariat [X.] V, Entscheidung vom 06.05.2014 -
V [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 02.02.2015 -
3 T 120/14 -

19

Meta

XII ZB 106/15

18.11.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2015, Az. XII ZB 106/15 (REWIS RS 2015, 2185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2185

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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