Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2017, Az. XII ZB 329/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17606

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110117BXIIZB329.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 329/16

vom

11. Januar 2017

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
a)
Das Absehen von einer erneuten persönlichen Anhörung nach §
293 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 FamFG setzt voraus, dass der Betroffene vor der erstmaligen Betreuerbestellung verfahrensfehlerfrei angehört worden ist und sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis eine persönliche Anhörung des Betroffenen
vor der erst-maligen Betreuerbestellung stattgefunden hat (im [X.] an die [X.] vom 27.
Januar 2016

XII
ZB
519/15

FamRZ 2016, 627 und vom 26.
Februar 2014

XII
ZB
503/13

FamRZ 2014, 828).
b)
Wird die Erweiterung einer [X.] auf Erkenntnisse gestützt, die das Gericht erst nach der letzten persönlichen Anhörung des Betroffenen [X.] hat, darf von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen nicht nach §
293 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 FamFG abgesehen werden.
[X.], Beschluss
vom 11. Januar 2017 -
XII ZB 329/16 -
LG Krefeld

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 11.
Januar 2017
durch [X.], die
Richter Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter und Dr.
Nedden-Boeger
und die Richterin Dr.
Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss der 7.
Zivilkammer des [X.]s Krefeld
vom 20.
Juni
2016
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene hat die Beteiligte zu
1 im August 2014 umfassend bevoll-mächtigt. Auf Anregung des [X.] hat das
Amtsgericht den Beteiligten zu
2 durch rechtskräftigen Beschluss vom 3.
November 2015 als [X.] mit dem Aufgabenkreis "Geltendmachung von Rechten gegen-über der Bevollmächtigten"
bestellt,
nachdem ein neurologisches/psychiatri-sches Fachgutachten beim Betroffenen eine mittelschwere senile Demenz fest-gestellt hatte
und zu dem Ergebnis kam, dass der Betroffene im Bereich "[X.], Aufenthaltsbestimmung, [X.], 1
-
3
-

Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Geltendmachung gegen die öffentliche Hand"
nicht alle erforderlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen vermag.
Noch im November 2015 regte der Beteiligte zu
2 die Umwandlung der [X.] in eine reguläre Betreuung an. Das Amtsgericht holte eine ergänzende Stellungnahme der Betreuungsstelle der [X.] ein und er-weiterte den Aufgabenkreis mit Beschluss vom 23.
Dezember 2015 auf die [X.]: "Geltendmachung von Rechten gegenüber der Bevollmächtigten; Rege-lung des Postverkehrs; Vermögensangelegenheiten; Vertretung gegenüber Be-hörden und Sozialversicherungsträgern".
Das [X.] hat die Beschwerde des
Betroffenen gegen die "Erwei-terung der [X.]"
zurückgewiesen. Hiergegen richtet
sich seine
Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist
ohne Zulassung statthaft (§§
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1, 293 Abs.
1 Satz
1
FamFG) und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist
auch begründet und führt
zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt, das Amtsgericht habe zu Recht die [X.] um
die Aufga-benkreise der Regelung des Postverkehrs, der Vermögensangelegenheiten und der Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern erweitert. Bei dem Betroffenen liege eine senile mittelschwere Demenz vor. Der Sachver-2
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5
6
-
4
-

ständige habe ausgeführt, dass der
Betroffene in den Bereichen Behördenan-gelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensange-legenheiten und "Geltendmachung gegen die öffentliche Hand"
nicht alle erfor-derlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen vermöge. Aufgrund des [X.] vom 18.
November 2015 und der ergänzenden Stel-lungnahme der [X.] vom 21.
Dezember 2015 lägen hinreichende [X.] dafür vor, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf des Be-troffenen nicht Genüge getan werde. So habe der [X.] berichtet, die Bevollmächtigte habe selbst angegeben, das von ihm angeforderte Vermögens-verzeichnis nicht zeitnah erstellen zu können. Auch habe er von der Tochter des Betroffenen erfahren, dass der Betroffene sein Hausgrundstück verkauft habe. In der Stellungnahme der [X.] werde darauf verwiesen, dass die Bevollmächtigte mit vielen Aufgaben überfordert sei.
Aufgrund der Ausführun-gen des Sachverständigen und der ergänzenden Angaben des Kontrollbetreu-ers und der [X.] sei das Beschwerdegericht zu der Überzeugung ge-langt, dass die Erweiterung der [X.] erforderlich sei. Der Erweite-rung stehe nicht entgegen, dass der Betroffene damit nicht einverstanden sei, da er nicht in der Lage sei, einen freien Willen zu bilden. Einer persönlichen [X.] bedürfe es nicht, da seine letzte Anhörung nicht länger als sechs Monate zurückliege. Auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers habe nicht erfolgen müssen. Schließlich sei auch die Auswahl des Kontrollbe-treuers nicht zu beanstanden. Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen sehe das Beschwerdegericht ab, da neue zusätzliche Erkenntnisse nicht zu erwarten seien.
2. Diese Ausführungen halten bereits den Verfahrensrügen der Rechts-beschwerde nicht stand.

7
-
5
-

Da die wesentliche Erweiterung der [X.]
hin zu einer Be-treuung
vorliegend (auch) auf Erkenntnisse gestützt wird, die das Amtsgericht erst
nach der letzten Anhörung des Betroffenen erlangt hat, durfte das [X.] nicht ohne eine erneute persönliche Anhörung entscheiden.
a) Zwar kann das [X.] nach §
68 Abs.
3 Satz
2 FamFG von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme [X.] zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Dies setzt aber voraus, dass der Betroffene vor dem Amtsgericht verfahrensfehlerfrei angehört worden ist
([X.]sbeschluss vom 1.
Juni 2016

XII
ZB
23/16
FamRZ 2016, 1354 Rn.
17).
b) Entgegen der Auffassung des [X.] konnte das Amts-gericht von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen
jedenfalls
nicht nach §
293 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 FamFG absehen, da in der Erweiterung des Aufgabenkreises
auch
um die Regelung des Postverkehrs
nach §§
293 Abs.
2 Satz
2 FamFG, 1896 Abs.
4 BGB eine wesentliche Erweiterung liegt.
c) Nach §
293 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 FamFG bedarf es bei der Erweiterung einer Betreuung einer persönlichen Anhörung nicht, wenn die vorangegangene Anhörung nicht länger als sechs Monate zurückliegt. Dies setzt allerdings vo-raus, dass der Betroffene vor der erstmaligen Betreuerbestellung verfahrens-fehlerfrei angehört worden ist und sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, unter welchen Umständen und mit welchem Ergebnis eine persönliche Anhörung des Betroffenen vor der erstmaligen Betreuerbestellung stattgefun-den hat ([X.]sbeschlüsse vom 27.
Januar 2016

XII
ZB
519/15

FamRZ 2016, 627 Rn.
21 und vom 26.
Februar 2014

XII
ZB
503/13

FamRZ 2014, 828
Rn.
7
jeweils zu §
293 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 FamFG). Diesen Anforderungen 8
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11
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6
-

wird die Beschwerdeentscheidung insoweit noch gerecht, als
sie zur Sachdar-stellung auf die Terminsniederschrift des
Amtsgerichts vom 10.
September 2015 Bezug nimmt. Dieser lässt sich jedenfalls entnehmen, dass der Betroffene im Termin persönlich anwesend war und dass Einverständnis mit der ursprüng-lich vom Gericht angekündigten [X.] mit dem Zweck der Prüfung bestand, ob im Interesse des Betroffenen ein Widerruf der Vollmacht zu erfol-gen habe.
Wenn der Betroffene allerdings

wie hier

erstmals nach der [X.] Anhörung seine Zustimmung zur Erweiterung der Betreuung verweigert, ist stets eine erneute Anhörung erforderlich (vgl. insoweit [X.]sbeschluss vom 24.
Juni 2015

XII
ZB
98/15

FamRZ 2015, 1603 Rn.
6).
Allerdings
bedarf es einer erneuten Anhörung zur Erweiterung einer Kon-trollbetreuung grundsätzlich auch dann nicht, wenn bereits der Anhörung zur
Einrichtung der [X.] ein umfassendes Sachverständigengutachten zugrunde lag ([X.]sbeschluss vom 17.
Juli 2013

XII
ZB
311/12

FamRZ 2013, 1571
Rn.
4).
Dies kann indessen in den Fällen nicht gelten, in denen

wie hier

die Erkenntnisse, die zu einer wesentlichen Erweiterung des [X.], erst nach der Einrichtung der [X.] erlangt werden. Denn das Gericht hat im Rahmen der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach §
278 Abs.
2 Satz
3 FamFG mit dem Betroffenen auch den Umfang des Aufgaben-kreises zu erörtern.
Das Sachverständigengutachten, das vorliegend der Anhö-rung zur Einrichtung der
[X.] zugrunde lag, enthält aber insbe-sondere keinerlei Feststellungen zu einer Regelung der Postangelegenheiten des
Betroffenen. Diese wurde vielmehr erstmals mit dem Schriftsatz des [X.] vom 14.
Dezember 2015 und der ergänzenden Stellungnahme der [X.] vom 21.
Dezember 2015 angeregt.
12
13
-
7
-

3. Auch die Erweiterung der [X.] auf den Aufgabenkreis "Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern"
kann für sich genommen keinen Bestand haben. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend [X.] hin, dass regelmäßig

soweit nicht lediglich eine an sich entbehrliche Klar-stellung der sich aus dem übertragenen Aufgabenkreis der Vermögensangele-genheiten ergebenden Vertretungsberechtigung beabsichtigt ist

ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten [X.] oder gerichtlichen Verfahren hergestellt werden muss, für den die Notwen-digkeit der Bestellung eines Betreuers besteht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betroffene krankheitsbedingt dazu neigt, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen ([X.]sbeschluss vom 21.
Januar 2015

XII
ZB
324/14

FamRZ 2015, 649
Rn.
11 mwN). Hierzu hat das Beschwerdegericht keinerlei Feststellungen getroffen.
4. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben.
Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das [X.] wird nach der erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen tragfähige Feststellungen zur Erforderlichkeit der Betreuung in sämtlichen an-geordneten [X.] zu treffen haben. Der [X.] weist für das weitere Verfahren ergänzend darauf hin, dass eine Betreuung, die sich (auch) auf die Befugnis zum Widerruf erteilter Vorsorgevollmachten erstrecken soll, tragfähige Feststellungen voraussetzt, dass das Festhalten an der erteilten [X.] eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt (vgl. im Einzel-nen [X.]sbeschluss
vom
13.
Juli 2016

XII
ZB
488/15

FamRZ
2016, 1670 Rn.
13).

14
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16
-
8
-

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger

Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.12.2015 -
54 [X.] F -

LG Krefeld, Entscheidung vom 20.06.2016 -
7 T 60/16 -

17

Meta

XII ZB 329/16

11.01.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2017, Az. XII ZB 329/16 (REWIS RS 2017, 17606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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