Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 6 AZR 868/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 1365

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Gegenstand

Inkongruente Deckung - Zahlung über das Konto der Ehefrau


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 29. Juli 2013 - 10 [X.] 1111/12 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung des der [X.] im Wege einer mittelbaren Zuwendung über das Konto der Ehefrau des späteren Schuldners gezahlten [X.] für März 2008 im Wege der Insolvenzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das auf Eigenantrag des Schuldners vom 13. Mai 2008 am 27. Juni 2008 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, das am 20. Januar 2011 in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde. Die Beklagte war Arbeitnehmerin des Schuldners, der im Frühjahr 2008 noch ca. 20 weitere Arbeitnehmer beschäftigte.

3

Am 3. März 2008 leitete der frühere Geschäftspartner des Schuldners die Zwangsvollstreckung aus einem am 8. Februar 2008 geschlossenen Schuldanerkenntnis über 820.000,00 Euro, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, ein. Am 26. März 2008 wurde vom Geschäftskonto des Schuldners ein Betrag von 100.000,00 Euro mit dem Verwendungszweck „Löhne“ auf ein privates Girokonto seiner Ehefrau überwiesen. Der Schuldner war nie Inhaber dieses Kontos und hatte seit Eröffnung im [X.] zu keiner [X.] Vollmacht über dieses Konto. Am 28. März 2008 überwies die Ehefrau des Schuldners ua. das [X.] der [X.] für März 2008 von 1.290,66 Euro, das dieser am Ende des Monats März 2008 gutgeschrieben wurde.

4

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 die Anfechtung der Zahlung des Entgelts für März 2008. Dieses Schreiben ging der [X.] nicht zu. Am 30. Dezember 2011 beantragte der Kläger bei dem [X.] den Erlass eines Mahnbescheids. Den Anspruch bezeichnete er wie folgt:

        

„Anspruch auf Rückgewähr auf Grund Insolvenzanfechtung des über das Konto der H M für den Monat März 2008 gezahlten Arbeitsentgeltes i. H. v. 1.290,66 [X.] netto (vgl. Aufforderungsschr. v. 21.12.2011)“.

5

Das Arbeitsgericht erließ den Mahnbescheid zunächst nicht, weil die angegebene Adresse im Zuständigkeitsbezirk des [X.] liegt. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 10. Januar 2012 innerhalb der gewährten Frist von einem Monat diese Bedenken unter Hinweis auf § 48 Abs. 1a ArbGG ausgeräumt hatte, erließ das Arbeitsgericht den Mahnbescheid am 12. Januar 2012. Dieser konnte unter der angegebenen Anschrift nicht zugestellt werden. Auf das ihm am 3. Februar 2012 zugegangene Schreiben des Arbeitsgerichts vom 25. Januar 2012 übermittelte der Kläger nach Einholen einer Auskunft des Einwohnermeldeamts am 13. Februar die Anschrift der [X.], unter der der Mahnbescheid am 16. Februar 2012 zugestellt wurde. Die Beklagte erhob am 23. Februar 2012 Widerspruch.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.290,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2008 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Zahlung habe keine inkongruente Deckung bewirkt. Zudem habe der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter den Arbeitnehmern erklärt, sie würden durch die geplante Betriebsfortführung keinen Schaden erleiden, weil sie über das Insolvenzgeld für drei Monate abgesichert seien. Diesen selbstgesetzten Vertrauenstatbestand habe er nicht durch die spätere Anfechtung torpedieren dürfen. Auch sei die Masse nicht geschmälert, sondern vermehrt worden, weil die Beklagte weitergearbeitet habe. Ohne die angefochtene Zahlung bzw. ohne das vom Kläger in Aussicht gestellte Insolvenzgeld hätte sie gekündigt. Die Beklagte hat Verjährungseinrede erhoben.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat Erfolg. Mit der Begründung des [X.] konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht entscheiden, ob der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt ist. Dazu bedarf es noch der Feststellung des [X.], ob der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Der Kläger hat die mittelbar über das Konto der Ehefrau des Schuldners bewirkte Erfüllung des ([X.] für März 2008 und damit eine Rechtshandlung des Schuldners angefochten. [X.] ist die Beklagte. Das hat der [X.] in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 12) ausgeführt.

II. Die Begründung des [X.], die Beklagte habe das Entgelt für März 2008 auf dem erfolgten Zahlungsweg beanspruchen können, weil nur eine geringfügige, die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigende Abweichung vorliege, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie trägt dem Grundgedanken des § 131 [X.] nicht hinreichend Rechnung. Die Befriedigung erfolgte nicht in der geschuldeten Art und war damit inkongruent.

1. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der [X.] zunächst auf seine Ausführungen in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 14 bis 29).

2. Die Argumente der Beklagten geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten verlangt [X.] nicht, dass der Schuldner einseitig die Erfüllungsart wechselt. Ausreichend ist bereits die nicht mehr verkehrsübliche Abweichung vom normalen Zahlungsweg (vgl. [X.] 20. Januar 2011 - [X.]/10 - Rn. 17). Eine solche liegt hier vor. Zwar trifft es zu, dass arbeitsvertraglich nicht festgelegt war, über welches Konto die Gehaltszahlung zu erfolgen hatte. Die Beklagte weist auch zu Recht darauf hin, dass [X.] nicht schon dadurch begründet wird, dass das Entgelt überwiesen wird, also die Bank als Dritte eingeschaltet wird. Es mag auch sein, dass viele Ehegatten ein Konto führen, über das Zahlungen des anderen Ehegatten mit abgewickelt werden. Das ist hier jedoch nicht relevant. Die Erfüllung des [X.] wäre nur kongruent gewesen, wenn sie über das Konto erfolgt wäre, über das nach einer anfechtungsfest getroffenen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien die Gehaltszahlung im März 2008 üblicherweise vorzunehmen war. Das muss während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht stets dasselbe Konto und kann auch das Konto eines [X.] sein. Die Vereinbarung muss nicht ausdrücklich getroffen werden, sondern kann konkludent erfolgen (vgl. [X.] 21. November 2013 - 6 [X.] 159/12 - Rn. 16, [X.]E 146, 323). Eine Vereinbarung mit dem Schuldner, wonach ihr Entgeltanspruch über das Konto von dessen Ehefrau zu erfüllen war, behauptet die Beklagte jedoch nicht. Sie hatte darum keinen Anspruch auf den vom Schuldner für das Entgelt für März 2008 gewählten Erfüllungsweg. Die Abweichung vom geschuldeten Erfüllungsweg entsprach auch nicht mehr der Verkehrssitte oder Handelsbräuchen. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 17, 25) verwiesen.

b) Die Beklagte missversteht den [X.], wenn sie annimmt, er gehe davon aus, dass „Arbeitslohn im [X.] stets ein Bargeschäft“ und damit nicht nach § 131 [X.] anfechtbar sei. Er hat auch nicht angenommen, dass „im Insolvenzgeldzeitraum stets ein Bargeschäft vorliegt“. Anlass, auf die Kritik des [X.] des [X.] an dieser Rechtsprechung ([X.] 10. Juli 2014 - [X.]/13 -) einzugehen, bietet der vorliegende Fall daher nicht.

aa) Insolvenzgeld wird für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis gezahlt ([X.] 29. Januar 2014 - 6 [X.] 345/12 - Rn. 43). Für das Bargeschäft sind dagegen nach der Rechtsprechung des [X.]s die letzten drei Monate der Arbeitsleistung vor der Entgeltzahlung maßgeblich (seit [X.] 6. Oktober 2011 - 6 [X.] 262/10 - Rn. 17, [X.]E 139, 235). Diese unterschiedlichen Bezugspunkte führen dazu, dass auch nach der Rechtsprechung des [X.]s eine Zahlung im Insolvenzgeldzeitraum nicht zwingend ein Bargeschäft ist und umgekehrt ein Bargeschäft auch außerhalb des [X.] vorliegen kann. Wäre die Zahlung zB am 27. März 2008 auf das für Dezember 2007 geschuldete Entgelt erfolgt, läge auch nach der Rechtsprechung des [X.]s hinsichtlich der vom 1. bis 26. Dezember 2007 erbrachten Arbeitsleistung kein Bargeschäft mehr vor, obwohl die Zahlung im Insolvenzgeldzeitraum, der sich vom 27. März 2008 bis einschließlich 26. Juni 2008 erstreckte (zur Fristberechnung Voelzke in [X.]/[X.] Aufl. Stand Oktober 2014 K § 165 Rn. 91), vorgenommen worden wäre. Wäre die Zahlung am 26. März 2008 für das am 29. Februar 2008 fällige Entgelt für Februar 2008 erfolgt, läge dagegen nach der Rechtsprechung des [X.]s ebenso wie nach der des [X.] des [X.] (vgl. [X.] 10. Juli 2014 - [X.]/13 -) zwar ein Bargeschäft vor. Die Zahlung wäre aber vor dem Insolvenzgeldzeitraum erfolgt.

bb) Die angefochtene Zahlung ist zwar Ende März 2008 auf das für diesen Monat geschuldete Entgelt erfolgt, so dass der für ein Bargeschäft notwendige enge zeitliche Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung gegeben ist. Das [X.] des § 142 [X.] kommt der Beklagten dennoch nicht zugute, weil die Leistung inkongruent war ([X.]Rspr. seit [X.] 24. Oktober 2013 - 6 [X.] 466/12 - Rn. 38).

(1) Allerdings weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass sich dieses Verständnis des § 142 [X.] aus dessen Wortlaut nicht unmittelbar erschließt. Gemäß § 142 [X.] ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 [X.] gegeben sind. Danach scheint eine Anfechtung bei einem unmittelbaren und gleichwertigen Austausch von Leistung und Gegenleistung, wie er hier vorliegt, nur unter den Voraussetzungen des § 133 [X.] möglich zu sein (HK-[X.]/[X.] 7. Aufl. § 142 Rn. 8; [X.] in [X.] [X.] § 142 Rn. 8; [X.] FS G. Fischer 2008 S. 447, 453). Auch lag der erstmals in der Insolvenzordnung erfolgten Kodifizierung des von der Rechtsprechung entwickelten [X.]s die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, die Vorschrift entspreche dem geltenden Grundsatz, dass [X.] nicht der Anfechtung kongruenter und inkongruenter Deckung unterlägen, so dass eine Anfechtung eines solchen Geschäfts nur bei einer Absichtsanfechtung in Betracht komme ([X.]. 12/2443 S. 167 zu § 161 [X.] unter Bezug auf § 148 [X.], in dem noch eine Absichtsanfechtung vorgesehen war; Zwanziger [X.] 2014, 2391). Mit dieser Annahme des Gesetzgebers hat sich der Neunte Zivilsenat des [X.] in seiner grundlegenden, noch zur Konkursordnung ergangenen Entscheidung vom 30. September 1993 (- [X.] - zu IV 2 a der Gründe, [X.]Z 123, 320), an der er auch für § 142 [X.] festgehalten hat (seit Urteil vom 7. März 2002 - [X.]/01 - zu III 3 der Gründe, [X.]Z 150, 122), nicht auseinandergesetzt. Er hat allein auf die Passage der amtlichen Begründung abgestellt, dass aus der Verknüpfung „für die“ folge, dass Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung verknüpft sein müssten. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass eine Anfechtung wegen inkongruenter Deckung möglich bleibt. Das Erfordernis einer Parteivereinbarung hat in § 142 [X.] nur die Funktion, Leistung und Gegenleistung aufeinander zu beziehen. Auch eine Leistung, die nicht in jeder Hinsicht dem Vertragsinhalt entspricht, kann aber auf die Gegenleistung bezogen und gleichwertig sein. Sie ist dann „für sie“ erbracht, wie es § 142 [X.] voraussetzt ([X.] in [X.] [X.] § 142 Rn. 8).

(2) Die Anwendung des § 142 [X.] ist jedoch entsprechend seinem Normzweck im Wege der teleologischen Reduktion auf kongruente Deckungen zu beschränken (vgl. HK-[X.]/[X.] 7. Aufl. § 142 Rn. 9; ähnlich [X.] in [X.] [X.] § 142 Rn. 9 f.). Deshalb hat sich der [X.] der Rechtsprechung des [X.] angeschlossen und hält daran fest.

(a) Mit der teleologischen Reduktion, die zu den von [X.] wegen anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört ([X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 190/12 - Rn. 33), wird der ausgehend vom Gesetzeszweck zu weit gefasste Wortlaut auf den Anwendungsbereich reduziert, der der ratio legis entspricht ([X.]/[X.] Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl. S. 210 f.; [X.] Juristische Methodenlehre 4. Aufl. S. 224 f.).

(b) Der Zweck des [X.]s gebietet die Beschränkung des § 142 [X.] auf Fälle kongruenter Deckung. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist ausschlaggebender Grund für die von ihm als „Ausnahmeregelung“ bezeichnete Bestimmung des § 142 [X.], dass der Schuldner, der sich in der Krise befindet, bei wirtschaftlicher Betrachtung vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen wäre, wenn selbst wertäquivalente [X.] angefochten werden könnten. Das soll das [X.] verhindern ([X.]. 12/2443 S. 167 zu § 161 [X.]). Diesem eingeschränkten Zweck widerspräche es jedoch, wenn auch inkongruente Deckungen privilegiert wären. Es besteht kein Anlass, Handlungen des Schuldners, durch die er seine vertraglichen Verpflichtungen nicht in der geschuldeten Weise erfüllt, in der Krise zu begünstigen. Im Hinblick auf den die Insolvenzordnung beherrschenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, den § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] in die kritische Phase der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorverlagern (vgl. [X.] 27. Februar 2014 - 6 [X.] 367/13 - Rn. 24), ist es, wie gerade der vorliegende Fall eindrücklich belegt, nicht gleichgültig, ob eine Deckung vereinbarungsgemäß gewährt wird oder nicht. Die Beklagte hatte zwar mit ihrer Arbeitsleistung im Wege der Vorleistung eine Gegenleistung erbracht, die in ihrem Wert der später erhaltenen Zahlung entsprach. Aus anfechtungsrechtlicher Sicht wurde sie durch die angefochtene Zahlung aber einseitig begünstigt, weil durch den gewählten Zahlungsweg der zur Befriedigung ihrer Forderung aufgewandte Betrag dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen und erst so sichergestellt wurde, dass die Forderung überhaupt erfüllt werden konnte (vgl. insoweit zutreffend [X.] 30. September 1993 - [X.] - zu IV 2 a der Gründe, [X.]Z 123, 320). Gerade bei derartigen Handlungen, die den Verdacht begründen, dass der Schuldner ungerechtfertigte Prioritäten setzen wollte, soll § 131 [X.] eine erleichterte Anfechtung ermöglichen (vgl. [X.] 27. Februar 2014 - 6 [X.] 367/13 - Rn. 25; vgl. HK-[X.]/[X.] 7. Aufl. § 142 Rn. 9).

3. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass sie erkannte, dass es sich bei der Zahlung des [X.] für März 2008 um eine Leistung des Schuldners handelte (vgl. zu diesem Erfordernis [X.] 21. November 2013 - 6 [X.] 159/12 - Rn. 13, [X.]E 146, 323).

III. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

1. Die Beklagte erlangte die inkongruente Deckung Ende März 2008 und damit im zweiten Monat vor dem am 13. Mai 2008 beim Insolvenzgericht eingegangenen Eigenantrag. Auch die erforderliche Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 [X.] liegt vor. Das ergibt sich aus den Ausführungen des [X.]s in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 32 bis 39). Soweit die Beklagte geltend macht, die Masse sei nicht geschmälert, sondern bereichert worden, weil sie gekündigt hätte, wenn der Kläger sie im Insolvenzgeldzeitraum auf eine beabsichtigte Anfechtung hingewiesen hätte, beruft sie sich auf einen hypothetischen Geschehensablauf, der bei der objektiven Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich unbeachtlich ist.

2. Ohne Erfolg wendet die Beklagte auch Entreicherung ein. Als [X.] ist sie gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.] unmittelbar der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 [X.] unterworfen. Aufgrund dieser Rechtsfolgenverweisung ist der Rückzahlungsanspruch als rechtshängiger Anspruch zu behandeln. Auf Entreicherung kann sich die Beklagte darum nicht berufen ([X.] 19. Mai 2011 - 6 [X.] 736/09 - Rn. 21).

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen begründet, das der Anfechtung entgegenstünde.

a) Die von der Beklagten insoweit herangezogene Rechtsprechung ([X.] 10. Januar 2013 - [X.]/11 - Rn. 17 ff.) ist nicht einschlägig.

aa) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der vorläufige Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand gesetzt hat und der Empfänger der Leistung demzufolge nach [X.] und Glauben damit rechnen durfte, ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr entziehbares Recht erhalten zu haben (zuletzt [X.] 25. April 2013 - [X.]/12 - Rn. 36). Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der vorläufige Verwalter Verträgen vorbehaltlos zustimmt, die der Schuldner mit dem Gläubiger nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen geschlossen und in denen er im Zusammenhang mit an den Schuldner zu erbringenden Leistungen des Gläubigers Erfüllungszusagen für Altverbindlichkeiten gegeben hat. Wegen der Einbindung des vorläufigen Verwalters in den Vertragsschluss darf der Gläubiger davon ausgehen, die als Erfüllung geleisteten Zahlungen endgültig behalten zu dürfen ([X.] 10. Januar 2013 - [X.]/11 - Rn. 18; MünchKomm[X.]/[X.] 3. Aufl. § 129 Rn. 46 bis 46c). Stimmt der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt dagegen Erfüllungshandlungen des Schuldners zu, die nicht im Zusammenhang mit neuen Vertragsschlüssen stehen, sondern mit denen dieser gesetzliche Ansprüche oder bereits bestehende Altverbindlichkeiten erfüllt, bleibt die Handlung im Allgemeinen anfechtbar ([X.] 10. Januar 2013 - [X.]/11 - Rn. 17).

bb) Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe als vorläufiger Insolvenzverwalter behauptet, die Arbeitnehmer würden „durch die geplante Fortführung keinen Nachteil erleiden, da sie über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert seien“. Sie folgert daraus, sie habe darauf vertrauen dürfen, dass sie den ohne Mitwirkung des [X.] für März 2008 erhaltenen Lohn behalten dürfe. Sie leitet das schutzwürdige Vertrauen also nicht aus einer vom vorläufigen Insolvenzverwalter genehmigten Rechtshandlung des Schuldners, sondern aus einer eigenen Erklärung des [X.] her. Das könnte jedoch allenfalls - unter hier nicht dargelegten Umständen - eine persönliche Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters begründen (vgl. dazu [X.] 25. Juni 2009 - 6 [X.] 210/08 -), nicht aber die Anfechtbarkeit ausschließen.

b) Darüber hinaus steht die behauptete Erklärung des [X.] in keinem erkennbaren Zusammenhang mit einer berechtigten Annahme der Beklagten, das vor dem Eigenantrag vom Schuldner gezahlte Entgelt für März 2008 behalten zu dürfen. Die Beklagte erhielt unstreitig für ihre Weiterarbeit über eine Insolvenzgeldvorfinanzierung Entgelt und schöpfte dabei den Insolvenzgeldzeitraum aus. Mehr stellte der Kläger auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht in Aussicht.

4. [X.] (§ 146 Abs. 1 [X.] iVm. § 214 Abs. 1, §§ 194 ff. [X.]) hat keinen Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 1 [X.], §§ 195, 199 Abs. 1 [X.] am 31. Dezember 2011 eintretende Verjährung wurde durch den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gehemmt.

a) Der durch die unrichtige Adressierung des [X.] erforderliche Schriftwechsel zwischen Mahngericht und dem Kläger führte nicht zu einer rechtserheblichen Verzögerung der Zustellung. Zwar wurde der Mahnbescheid der Beklagten nicht mehr vor Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt. Die Zustellung erfolgte jedoch „demnächst“ iSd. § 167 ZPO. Die Verzögerung der Zustellung durch die Angabe der unzutreffenden Anschrift der Beklagten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Das hat der [X.] in seinen Entscheidungen vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 46 und - 6 [X.] 870/13 - Rn. 17 bis 19) ausgeführt und nimmt darauf Bezug.

b) Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids war auch hinreichend individualisiert. Das hat der [X.] in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 48 bis 50) begründet.

5. Der Rückforderungsanspruch ist auch nicht verwirkt. Insoweit wird auf die Ausführungen des [X.]s im Urteil vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 52 f.) verwiesen.

IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das [X.] hat keine Feststellungen zu der für § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erforderlichen und von ihm als streitig angesehenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners iSv. § 17 Abs. 2 [X.] im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung getroffen. Dies wird es unter Beachtung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.] 6. Oktober 2011 - 6 [X.] 262/10 - Rn. 23 ff., [X.]E 139, 235; [X.] 7. November 2013 - [X.]/13 - Rn. 11; 18. Juli 2013 - [X.] - Rn. 7 ff.) nachzuholen haben. Sollte es die Zahlungsunfähigkeit bejahen, wird es bei seiner Entscheidung über die Zinsen zu beachten haben, dass der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens dem geltend gemachten Zinsanspruch nicht entgegensteht. Das bloße Ausschöpfen der Verjährungsfrist begründet keinen Rechtsmissbrauch (vgl. [X.] 27. November 2008 - 6 [X.] 632/08 - Rn. 29, [X.]E 128, 317). Es wird weiter berücksichtigen müssen, dass der [X.] ab Insolvenzeröffnung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Nach der geltenden Rechtslage entsteht das Anfechtungsrecht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird zugleich der [X.] fällig, weil die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (vgl. [X.] 1. Februar 2007 - [X.]/04 - Rn. 20, [X.]Z 171, 38). Der Zinslauf des [X.] (§ 143 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 [X.]) beginnt darum am Tag nach der Insolvenzeröffnung ([X.]Rspr. seit [X.] 27. Februar 2014 - 6 [X.] 367/13 - Rn. 39 f.).

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Sieberts    

        

    Steinbrück    

                 

Meta

6 AZR 868/13

13.11.2014

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 24. Juli 2012, Az: 12 Ca 226/12, Urteil

§ 131 Abs 1 Nr 2 InsO, § 129 InsO, § 142 InsO, § 146 InsO, § 167 ZPO, § 204 Abs 1 Nr 3 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 195 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 6 AZR 868/13 (REWIS RS 2014, 1365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1365

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