Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.11.2016, Az. 9 AZB 41/16

9. Senat | REWIS RS 2016, 2013

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Gegenstand

Beamtete Professorin als Ärztliche Direktorin an einem Universitätsklinikum - Arbeitnehmereigenschaft


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des [X.] - Kammern [X.] - vom 3. August 2016 - 22 Ta 106/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf [X.] Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. In der [X.]auptsache streiten sie über Vergütungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche der Klägerin und über Rückzahlungsansprüche der [X.]eklagten.

2

Die Klägerin ist W 3-Professorin für [X.] an der [X.] und als solche [X.]eamtin des [X.]. Seit dem 15. Oktober 2010 ist sie aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen [X.] vom 16. September 2010 Ärztliche Direktorin und Leiterin des Instituts für [X.] bei der [X.]eklagten. Weiterhin ist sie Leiterin des [X.]ereichs [X.] des Medizinischen Versorgungszentrums des [X.] (MVZ). Im Dienstvertrag vom 16. September 2010 heißt es auszugsweise:

        

Präambel

        

… Mit der Professur für [X.] ist die Verpflichtung verbunden, das Fach in Forschung und Lehre ordnungsgemäß zu vertreten.

        

Das Universitätsklinikum F erfüllt Aufgaben in der Krankenversorgung, der Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals und darüber hinaus im öffentlichen Gesundheitswesen. Seine Einrichtungen gewährleisten in enger Zusammenarbeit mit der Universität die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre.

        

Dies vorausgeschickt wird zwischen dem Universitätsklinikum F und Frau PD Dr. … - vorbehaltlich ihrer Ernennung durch den [X.]errn Ministerpräsidenten - folgender Vertrag über die Aufgaben in der Krankenversorgung geschlossen:

        

§ 1     

        

Dienstverhältnis

        

(1)     

Frau PD Dr. … wird mit Wirkung vom 15. Oktober 2010 als Ärztliche Direktorin in der Abteilung [X.] tätig.

        

(2)     

Das Dienstverhältnis ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Neben den Regelungen dieses Vertrages finden auf das Dienstverhältnis die §§ 4, 6, 17, 20 und 32 des [X.] für die [X.]eschäftigten der Universitätsklinika Freiburg, [X.]eidelberg, Tübingen und [X.] vom 13. Juni 2006 entsprechende Anwendung …

        

...     

        
        

§ 2     

        

Stellung der Ärztlichen Direktorin

        

(1)     

Die Ärztliche Direktorin ist in ihrer ärztlichen Verantwortung unabhängig, aber den Regeln der ärztlichen Kunst und dem Gesetz verpflichtet. Im Übrigen ist sie an die Weisungen des Klinikumsvorstands gebunden. … Unberührt bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessorin, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land [X.]aden-Württemberg richten. …

        

...     

        
        

§ 3     

        

Leitungsaufgaben, Personalverantwortung

        

(1)     

Der Ärztlichen Direktorin obliegt entsprechend den [X.]estimmungen der Satzung des Universitätsklinikums die fachliche Leitung und organisatorische Führung der von ihr geleiteten Einrichtung.

        

...     

        
        

(3)     

Ungeachtet der Satzungsbestimmungen ist die Ärztliche Direktorin Vorgesetzte aller ihrer Einrichtung zugewiesenen Mitarbeiter. … In Angelegenheiten von Forschung und Lehre sind die dienstrechtlichen Vorschriften maßgeblich.

        

...     

        
        

§ 6     

        

[X.]

        

(1)     

Der Ärztlichen Direktorin obliegen für ihre Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben. Die Ärztliche Direktorin ist insbesondere für die medizinische Versorgung der Patienten verantwortlich. …

        

...     

        
        

§ 8     

        

Vergütung

        

(1)     

Die Ärztliche Direktorin erhält für ihre Tätigkeit neben ihrer beamtenrechtlichen W 3-[X.]esoldung als Universitätsprofessorin vom Universitätsklinikum eine Jahresvergütung in [X.]öhe von … des Nettoliquidationserlöses (…), den das Universitätsklinikum in dem von der Ärztlichen Direktorin geleiteten Institut aus wahlärztlicher ambulanter und wahlärztlicher stationärer [X.]ehandlung im betreffenden Jahr einnimmt …

        

(2)     

Die Ärztliche Direktorin erhält ferner eine Prämie in [X.]öhe von bis zu … des Nettoliquidationserlöses (…) für die erfolgreiche Leitung des Instituts, …

        

...     

        
        

§ 9     

        

Arbeitsunfähigkeit

        

...     

        
        

(2)     

Im Falle einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit wird die Vergütung nach § 8 Absatz 1 dieses Vertrags zunächst weiter gezahlt, längstens bis zum Ablauf des 3. Kalendermonats nach [X.]eginn der Arbeitsunfähigkeit. Im Übrigen gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz in der jeweiligen Fassung.

        

§ 10   

        

Urlaub, Kongresse, Dienstreisen und andere Abwesenheiten

        

Die Ärztliche Direktorin unterliegt keiner konkreten Dienstzeitenregelung. Für Urlaub, die Teilnahme an [X.] und für Dienstreisen finden die für [X.]eamte des Landes [X.]aden-Württemberg geltenden Vorschriften Anwendung. …

        

§ 11   

        

Vertragsdauer, Kündigung

        

(1)     

Der Vertrag tritt am 15.10.2010 in [X.].

        

(2)     

Der Vertrag kann, soweit Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen, mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden.

        

(3)     

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages nach § 626 [X.]G[X.] aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

        

(4)     

Der Vertrag endet ohne Kündigung

                 

-       

mit [X.]eendigung des [X.]eamtenverhältnisses zum Land [X.]aden-Württemberg bei der Universität F;

                 

-       

mit Ablauf des Monats, in dem die Ärztliche Direktorin in den Ruhestand versetzt wird;

                 

-       

bei einem beamtenrechtlichen Verbot zur Führung der Dienstgeschäfte.“

3

Mit ihrer am 5. April 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von der [X.]eklagten aus dem Dienstvertrag die Zahlung von Vergütung i[X.]v. 14.166,66 Euro brutto nebst Zinsen, die Leistung von Abschlagszahlungen auf eine Prämie i[X.]v. 3.000,00 Euro brutto nebst Zinsen, die Zahlung eines nicht gezahlten Prämienanteils i[X.]v. 5.115,39 Euro brutto sowie die Feststellung, dass die [X.]eklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung im Wege der Verrechnung einbehaltener Vergütung i[X.]v. 13.576,87 Euro hat. Ferner begehrt sie Auskunft über bestimmte Vergütungsmodelle und die Feststellung, dass die [X.]eklagte zu Schadensersatzleistungen wegen der Nichtvereinbarung eines bestimmten Vergütungsmodells verpflichtet ist.

4

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet. Es handele sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber. Dies folge bereits aus § 1 Abs. 2 des [X.]. Die [X.]eklagte habe von ihrer nach § 11 des Gesetzes über die [X.]sklinika Freiburg, [X.]eidelberg, [X.] und [X.] idF vom 15. September 2005 ([X.]) bestehenden [X.]efugnis, [X.]eamte zu haben, im Fall der Klägerin keinen Gebrauch gemacht, sondern mit ihr ausdrücklich einen Dienstvertrag bürgerlich-rechtlicher Natur geschlossen.

5

Die [X.]eklagte ist der Auffassung, es liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor, weshalb der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei. Der Dienstvertrag sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag iSd. § 54 Satz 2 VwVfG. Er konkretisiere die Einzelheiten über die Ausführung von Tätigkeiten der Klägerin, für die sie bereits als [X.]eamtin bestellt worden sei. Dies ergebe sich aus § 53 Abs. 1 des Gesetzes über die [X.]ochschulen in [X.] vom 1. Januar 2005 (L[X.]G). § 1 Abs. 2 des [X.] habe keine konstitutive [X.]edeutung.

6

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Der sofortigen [X.]eschwerde der Klägerin hat es nicht abgeholfen. Das [X.] hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt und die Rechtsbeschwerde für die [X.]eklagte zugelassen.

7

II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der [X.]eklagten ist unbegründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.]uchst. a ArbGG zulässig. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis.

8

1. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht öffentlich-rechtlicher, sondern bürgerlich-rechtlicher Natur.

9

a) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird ([X.] 29. Oktober 1987 - [X.] 1/86 - zu III 1 der Gründe; 10. April 1986 - [X.] 1/85 - zu III 1 der Gründe; [X.] 11. Juni 2003 - 5 [X.] - zu II 2 der Gründe; [X.]VerwG 26. Mai 2010 - 6 A 5.09 - Rn. 17; [X.]G[X.] 14. Juli 2011 - III [X.]/10 - Rn. 12). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die [X.]eteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient ([X.] 29. Oktober 1987 - [X.] 1/86 - aaO; 10. April 1986 - [X.] 1/85 - aaO; [X.]VerwG 26. Mai 2010 - 6 A 5.09 - aaO). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann aber auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. [X.] sind öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an [X.]oheitsträger wendet ([X.] 10. Juli 1989 - [X.] 1/88 - zu 3 der Gründe; [X.]VerwG 26. Mai 2010 - 6 A 5.09 - aaO; 2. Mai 2007 - 6 [X.] 10.07 - Rn. 4). Für die Abgrenzung eines öffentlich-rechtlichen von einem privatrechtlichen Vertrag kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrags bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist ([X.] 10. April 1986 - [X.] 1/85 - aaO; [X.]VerwG 26. Mai 2010 - 6 A 5.09 - aaO; [X.]G[X.] 20. Mai 2009 - XII Z[X.] 166/08 - Rn. 7). Dabei ist für den [X.] zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einer Privatperson typisch, dass er an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt tritt (vgl. § 54 Satz 2 VwVfG).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] den Rechtsstreit zu Recht als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit behandelt.

aa) Vorliegend haben die Parteien eine eindeutige Rechtsformwahl getroffen und darin ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, privatrechtlich tätig zu werden (vgl. [X.] 12. Dezember 2000 - 9 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe). Als rechtliche Grundlage für ihre Zusammenarbeit haben sie ausdrücklich einen zivilrechtlichen Vertrag vereinbart. Sie haben in § 1 Abs. 2 des [X.] ihr Dienstverhältnis als „bürgerlich-rechtlicher Natur“ bezeichnet.

bb) Der Annahme eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Klägerin als beamtete Professorin des [X.] gemäß § 53 Abs. 1 L[X.]G verpflichtet ist, im [X.]sklinikum Aufgaben der Krankenversorgung und sonstige Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens und der Schulen für nichtärztliche medizinische [X.]erufe zu erfüllen. Zwar ergibt sich die Verpflichtung der Klägerin, im [X.]sklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen, nach § 53 Abs. 1 L[X.]G als unmittelbare Dienstpflicht aus ihrer Stellung als [X.]sprofessorin. Die Tätigkeit der Klägerin als Ärztliche Direktorin (Abteilungsleiterin) ist nicht von der Verpflichtung aus § 53 Abs. 1 L[X.]G umfasst. Durch die [X.]estellung zur Abteilungsleiterin wurde ein von der Ernennung zur Professorin separates Dienstverhältnis begründet, das bürgerlich-rechtlich ausgestaltet werden durfte.

(1) Gemäß § 4 Abs. 1 [X.] erfüllt das [X.]sklinikum die bisher der [X.] in der Krankenversorgung, der Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals und darüber hinaus im öffentlichen Gesundheitswesen obliegenden Aufgaben. Es gewährleistet in enger Zusammenarbeit mit der [X.] die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre. Die Erfüllung dieser Aufgaben obliegt dem [X.]sklinikum dabei als eigene hoheitliche Aufgabe. Es wahrt die der [X.] eingeräumte Freiheit in Forschung und Lehre und stellt sicher, dass die Mitglieder der [X.] die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Grundrechte und die Freiheiten nach § 3 Abs. 2 bis Abs. 4 L[X.]G wahrnehmen können.

(2) Die [X.]auptaufgaben der [X.]ochschulen, insbesondere der [X.]en als wissenschaftliche [X.]ochschulen, liegen auf dem Gebiet der Forschung und Lehre (vgl. § 2 Abs. 1 [X.]RG, § 2 Abs. 1 L[X.]G). Diese Aufgaben nehmen sie als eigene Angelegenheiten wahr (Selbstverwaltungsangelegenheiten). Daneben können der [X.]ochschule weitere Aufgaben übertragen werden (Auftragsangelegenheiten), die über den [X.]ereich der Forschung und Lehre hinausgehen, die jedoch mit den [X.]auptaufgaben der [X.]ochschule in Forschung, Lehre und Studium zusammenhängen müssen (§ 2 Abs. 9 Satz 2 [X.]RG). Die Krankenversorgung stellt eine derartige Aufgabe dar, die der [X.] vom Staat zusätzlich übertragen werden kann. Ihre Übertragung auf die [X.] ist durch die medizinische Forschung und Lehre begründet und bedingt; sie stellt jedoch eine Zusatzaufgabe dar, die in beträchtlichem Maße über den rein wissenschaftlichen [X.]ereich hinausgeht ([X.]VerfG 8. April 1981 - 1 [X.]vR 608/79 - zu [X.] 1 a der Gründe, [X.]VerfGE 57, 70). Im Fachbereich [X.]umanmedizin überschneiden sich Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung. In der täglichen Praxis lässt sich kein scharfer Trennungsstrich zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit eines medizinischen [X.]ochschullehrers in Forschung und Lehre einerseits und seiner Arbeit in der Krankenversorgung an seiner Klinik andererseits ziehen. Die in der Krankenversorgung gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für die Forschung und Lehre im medizinischen [X.]ereich, sowohl auf diagnostischem wie auf therapeutischem Gebiet; akademische Lehre in der Medizin lässt sich ohne Demonstration am Krankenbett kaum durchführen. In der täglichen Praxis des medizinischen [X.]ochschullehrers werden sich daher seine wissenschaftlichen Aufgaben und seine Aufgaben in der Krankenversorgung oft vermischen. [X.]ieraus folgt, dass das Grundrecht des medizinischen [X.]ochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auf Wissenschaftsfreiheit auch bei seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung nicht gänzlich ausgeklammert werden darf. Vielmehr muss ihm Rechnung getragen werden, soweit Forschung und Lehre in die Aufgabe der Krankenversorgung übergreifen ([X.]VerfG 8. April 1981 - 1 [X.]vR 608/79 - zu [X.] 3 der Gründe, aaO).

(3) In [X.] sind Medizinische Fakultät (Forschung und Lehre) und [X.]sklinikum (Krankenversorgung) rechtlich getrennt (sog. „Kooperationsmodell“). Der (notwendigen) Verknüpfung von Forschung und Lehre einerseits und Krankenversorgung als wichtige Grundlage für die Forschung und Lehre im medizinischen [X.]ereich andererseits trägt § 53 Abs. 1 L[X.]G Rechnung, dem zufolge das wissenschaftliche Personal der [X.] gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet ist, im [X.]sklinikum Aufgaben der Krankenversorgung und sonstige Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens zu erfüllen. Diese Verpflichtung umfasst jedoch nicht die Tätigkeit als Abteilungsleiter. Die [X.]estellung von Abteilungsleitern erfolgt unabhängig von der Ernennung zum [X.]sprofessor. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfolgen [X.]estellung und Abberufung von Abteilungsleitern durch das [X.]sklinikum im Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät. Medizinische [X.]ochschullehrer mit der Funktion eines Abteilungsleiters in einem [X.]sklinikum stehen danach in einem doppelten Dienstverhältnis. Als [X.]sprofessoren sind sie in der Regel [X.]eamte des [X.], deren [X.] sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 L[X.]G bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem separat begründeten Dienstverhältnis zum [X.]sklinikum. § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] regelt dabei nicht die Rechtsform des durch die [X.]estellung zum Abteilungsleiter begründeten Dienstverhältnisses. Dem [X.] lässt sich kein Verbot entnehmen, das der [X.]estellung zum Abteilungsleiter zugrunde liegende Dienstverhältnis in der Organisations- und [X.]andlungsform des Privatrechts auszugestalten. Durch § 11 Abs. 1 [X.] wird dem [X.]sklinikum das Recht eingeräumt, [X.]eamte zu haben. § 12 [X.] bezieht sich auf die [X.]eschäftigung von Arbeitnehmern. Die Möglichkeit, Mitarbeiter im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu beschäftigen, erwähnt das [X.] demgegenüber nicht.

2. Das privatrechtlich ausgestaltete Dienstverhältnis der Parteien ist als Arbeitsverhältnis und nicht als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der [X.]eklagten.

a) Arbeitnehmer sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer [X.]erufsausbildung [X.]eschäftigten. § 5 Abs. 1 ArbGG liegt der allgemeine nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung [X.], fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist ([X.] 8. September 2015 - 9 AZ[X.] 21/15 - Rn. 13). Dementsprechend ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen ([X.] 8. September 2015 - 9 AZ[X.] 21/15 - aaO; 17. Juli 2007 - 9 [X.] 1031/06 - Rn. 19, [X.]E 123, 255). Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis vorliegt, ist grundsätzlich anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, wobei der objektive Geschäftsinhalt den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen ist. Durch Parteivereinbarung kann die [X.]ewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des [X.] nicht eingeschränkt werden ([X.] 8. September 2015 - 9 AZ[X.] 21/15 - aaO; 18. März 2014 - 9 [X.] 694/12 - Rn. 17). Allerdings gelten die dargestellten Grundsätze zur Ermittlung des Rechtsverhältnisses grundsätzlich nur für solche Fälle, in denen die Parteien ihr Rechtsverhältnis gerade nicht als Arbeitsverhältnis bezeichnet haben, sondern etwa als freies Mitarbeiter- oder Dienstverhältnis. [X.]aben die Parteien dagegen ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen ([X.] 8. September 2015 - 9 AZ[X.] 21/15 - aaO mwN).

b) Vorliegend haben die Parteien durch den Dienstvertrag vom 16. September 2010 ein Arbeitsverhältnis vereinbart.

aa) Ein Ärztlicher Direktor ist zwar bei seiner rein ärztlichen Tätigkeit selbstständig. Denn insoweit, also bei der [X.]ehandlung seiner Patienten, darf ihm aus Gründen der ärztlichen Standesethik der Krankenhausträger keine Weisungen erteilen und kann es regelmäßig auch tatsächlich aus Mangel an Sachkenntnis nicht. Die notwendige Freiheit des Ärztlichen Direktors bei der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit steht aber der Annahme eines abhängigen Anstellungsverhältnisses nicht entgegen. Die Frage, ob ein Ärztlicher Direktor in einem abhängigen Arbeitsverhältnis oder in einem selbstständigen Dienstverhältnis zum Krankenhausträger steht, lässt sich nicht allgemein, sondern nur aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob der Ärztliche Direktor, wenn er auch in der Ausübung seines ärztlichen [X.]erufs eigenverantwortlich ist, im Übrigen bei seiner Tätigkeit im Wesentlichen vom Krankenhausträger persönlich abhängig und an dessen Weisungen gebunden ist (vgl. [X.] 27. Juli 1961 - 2 [X.] 255/60 - zu II der Gründe mwN, [X.]E 11, 225).

bb) Diese Voraussetzungen erfüllen die Regelungen des [X.] der Parteien. Die Klägerin ist nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 zwar in ihrer ärztlichen Verantwortung unabhängig, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des [X.] im Übrigen aber an die Weisungen des [X.] gebunden. Ihr Vorgesetzter ist gemäß § 2 Abs. 2 des [X.] der Leitende Ärztliche Direktor. Die [X.]eklagte hat sich in § 5 Abs. 1 des [X.] vorbehalten, im Rahmen ihres Direktionsrechts zur [X.]estimmung des [X.] und der dazu zur Verfügung stehenden Ressourcen im [X.]enehmen mit der Klägerin sachlich gebotene strukturelle und organisatorische Änderungen vorzunehmen. Außerdem ist die Klägerin in die [X.]etriebsorganisation der [X.]eklagten eingegliedert. Ihr obliegt entsprechend den [X.]estimmungen der Satzung des [X.]sklinikums die fachliche Leitung und organisatorische Führung der von ihr geleiteten Einrichtung (§ 3 Abs. 1 des [X.]), und sie ist Vorgesetzte aller ihrer Einrichtung zugewiesenen Mitarbeiter (§ 3 Abs. 3 Satz 1 des [X.]). Ferner ist sie gemäß § 9 Abs. 2 des [X.] gehalten, die für Arbeitnehmer geltenden Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall gemäß § 5 EFZG einzuhalten. Für ein Arbeitsverhältnis spricht schließlich auch, dass die Parteien in § 1 Abs. 2 Satz 2 des [X.] die für Arbeitnehmer geltenden §§ 4, 6, 17, 20 und 32 des [X.] für die [X.]eschäftigten der [X.]sklinika Freiburg, [X.]eidelberg, [X.] und [X.] vom 13. Juni 2006 ([X.]) für anwendbar erklärt haben. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist die Klägerin verpflichtet, Anordnungen der Arbeitgeberin nachzukommen. Dass die Klägerin gemäß § 10 Satz 1 des [X.] keiner konkreten Dienstzeitenregelung unterliegt, steht bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Merkmale der Annahme eines Arbeitsverhältnisses ebenso wenig entgegen wie die punktuelle [X.]ezugnahme auf beamtenrechtliche [X.]estimmungen. Insgesamt betrachtet ist sie in den [X.]etrieb der [X.]eklagten eingebunden und unterliegt deren arbeitsrechtlichem Weisungsrecht.

III. Die [X.]eklagte hat entsprechend § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    [X.]rühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Zimmermann    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

9 AZB 41/16

22.11.2016

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Freiburg (Breisgau), 11. Mai 2016, Az: 1 Ca 109/16, Beschluss

§ 46 HSchulG BW, § 53 Abs 1 HSchulG BW, § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst a ArbGG, § 5 Abs 1 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.11.2016, Az. 9 AZB 41/16 (REWIS RS 2016, 2013)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2013

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