Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2009, Az. 1 StR 597/08

1. Strafsenat | REWIS RS 2009, 3370

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 597/08 vom 26. Mai 2009 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja [X.]R: ja ______________________ StPO § 261 Zum Beweiswert einer mitochondrialen DNA-Analyse, ggf. in Kombination mit dem Ergebnis der Analyse von [X.]. [X.], [X.]. vom 26. Mai 2009 - 1 StR 597/08 - [X.] in der Strafsache gegen - 2 - wegen versuchten Mordes u.a. - 3 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 26. Mai 2009, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] am [X.] [X.] und die [X.] am [X.] Dr. Wahl, Dr. Graf, Prof. Dr. [X.], Prof. Dr. Sander, St[X.]tsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - Auf die Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird das [X.]eil des [X.] vom 20. Juni 2008 mit den Feststellungen auf-gehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurge-richt zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des tateinheitlich mit Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung begangenen versuchten Mordes freigesprochen, weil es sich von seiner [X.]chaft nicht hat überzeu-gen können. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der St[X.]tsanwaltschaft. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg. 1 [X.] 1. Nach den Feststellungen wurde die zum Tatzeitpunkt 75 Jahre alte M. K. am 24. Februar 1990 zwischen 5.15 Uhr und 5.30 Uhr (oder 2 - 5 - aber eine Stunde später) in der D. straße von [X.] von hinten gepackt und auf dem Parkplatz der dortigen Firma Minimal in eine [X.] zwischen Eingang und [X.] gezogen. Dort führte der die Geschädigte mit dem Tode bedrohende Mann gegen deren Willen stehend von hinten etwa fünf Minuten den vaginalen Geschlechtsverkehr aus, ohne zum Samenerguss zu kommen. Im [X.] schlug er der Geschädigten, die daraufhin stark blutend zu Boden ging, mehrfach mit einer Eisenstange auf den Kopf, da er sie töten wollte, damit die zuvor begangene Vergewaltigung nicht entdeckt werde. Die bewusstlos gewordene M. K. erlitt durch die Tat eine offene [X.], mehrere Frakturen der rechten Hand sowie multiple Stich- und Schnittverletzungen. Sie erwachte erst drei Tage [X.] im Krankenhaus, in dem sie noch etwa einen Monat stationär behandelt werden musste, und litt bis zu ihrem Tod am 12. Juni 2003 unter erheblichen Tatfolgen. Die [X.] kreuzt die Straßen, in denen zur Tatzeit der Angeklagte und seine Freundin [X.]ihre jeweilige Wohnung hatten. Nach der Einschätzung der Geschädigten fühlte sich die Jacke des [X.] nach [X.] an. Dieser hatte sie —ziemlich [X.] bereits kurz zuvor mit [X.] Dialekt angesprochen, nachdem er an der nahe gelegenen [X.] aus einem —vermutlich roten Auto mit flachem Heckfi ausgestiegen war. [X.] war etwas größer als die Geschädigte und trug einen [X.], braune Wildlederstiefel sowie eine blaue Jeans. 3 2. Der festgestellte Tatverlauf entspricht dem [X.]. Das Land-gericht hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass der in der Haupt-verhandlung zur Person und zur Sache schweigende Angeklagte der Täter war. 4 - 6 - a) Als auf dessen [X.]chaft hindeutende Indizien hat es allerdings [X.], dass 5 - der Angeklagte zur Tatzeit wenige Gehminuten vom [X.] entfernt wohnte, - in der Regel Jeans sowie braune Stiefel und —immer wiederfi einen Oberlippenbart trug, - seine Arbeit in einer Diskothek häufig in den frühen Morgenstunden en-dete und er dann des Öfteren von seinem Freund [X.]in dessen rotem [X.] mitgenommen sowie an der nahe dem Tat-ort gelegenen [X.] abgesetzt wurde, - er während des Ermittlungsverfahrens darauf gedrängt hat, der Polizei zu erklären, dass eine ggf. von ihm stammende Blutspur durch den [X.] eines zuvor auf ihn verübten Überfalls zum [X.] auf dem Gelände der Firma Minimal gelangt sein könnte, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt seitens des Vernehmungsbeamten von der dortigen tatsächlichen [X.] noch nichts mitgeteilt worden war, - er im Zusammenhang mit diesem Überfall wahrheitswidrig angegeben hat, seine Nase sei ihm durch [X.]wieder eingerenkt [X.], - die —eher seltenefi mitochondriale DNA (mtDNA) des Angeklagten mit zwei an der Kleidung [X.] gefundenen Schamh[X.]ren des [X.] übereinstimmt und - der Angeklagte u.a. wegen eines Gewaltdelikts (räuberischer Angriff auf Kraftfahrer in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub) vorbestraft ist. - 7 - b) Diese Umstände hat das [X.] jedoch im Rahmen einer Ge-samtwürdigung als nicht ausreichend bewertet, eine Verurteilung des Angeklag-ten zu tragen, auch wenn —das [X.] bei der Polizei und die Ent-stellung des Sachverhalts bezüglich der Nasenverletzung – den Angeklagten [X.] belasteten. —Wohnort, Kleidung, Ausstiegsstelle und Autofarbe könn-ten auf bloßem zufälligem Zusammentreffen beruhen.fi Die Einschätzungen der Geschädigten zu Größe, Alter und Aussehen des [X.] hätten —nicht überzeu-gendfi mit dem äußeren Erscheinungsbild des Angeklagten zur Tatzeit —in [X.] gebracht werdenfi können. Die —Tatkonstellation inklusive der Lichtverhält-nissefi habe —eine Einschränkung des [X.] bedingt. Der Angeklagte habe einen —fränkischen Zungenschlagfi, während die Geschädigte einen [X.]n Dialekt beschrieben habe, der —vom Angeklagten nicht gebrauchtfi worden sei. Darüber hinaus habe der Angeklagte —bei dem angebli-chen Überfall auf ihn – wohl eine [X.] getragen, —während M. K. eine Lederjacke ertastetefi. Schließlich hat das [X.] das Er-gebnis der mitochondrialen [X.] als —nur begrenzt [X.] eingestuft. 6 I[X.] Die Beweiswürdigung des [X.] hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 7 1. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an [X.] [X.]chaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsge-richt in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsge-richt angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden [X.]. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatgericht ge-8 - 8 - troffene Feststellung —lebensfremdfi erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des [X.]s, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lücken-haft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie wider-sprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfah-rungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.]. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06 -; [X.] NJW 2005, 1727; [X.] NStZ-RR 2003, 371). Aus den [X.]eilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Ge-samtwürdigung eingestellt wurden (vgl. [X.] NStZ-RR 2003, 206, 207; [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11 und 24, Überzeugungsbildung 30; [X.] NStZ 2000, 48). 9 2. Hieran gemessen, unterliegt die landgerichtliche Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn das [X.] hat nicht hinrei-chend dargelegt, weshalb als Ergebnis seiner Gesamtabwägung —die [X.], die dem Angeklagten zugute kamen bzw. seine [X.]chaft nicht zur Überzeugung der Kammer belegtenfi, überwogen. Es ist vielmehr zu besorgen, dass das [X.] einigen entlastenden Umständen zu großes Gewicht (a. bis c.) und dem Ergebnis der mitochondrialen [X.] einen zu geringen Beweiswert (d.) zugemessen hat. 10 a) Das [X.] hat bei den Erwägungen zur Täterbeschreibung durch die Geschädigte seine Bewertung, deren Angaben seien schon [X.] - 9 - lich der Größe des [X.] nicht genügend konstant gewesen, nicht belegt. [X.] führt es aus, die Geschädigte habe den Täter in der Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin am 5. März 1990 auf ca. 1,70 m geschätzt, gegenüber ihrer Tochter, die sie im Krankenhaus mehrfach besucht hat, geäußert, der [X.] habe die Größe des behandelnden Arztes (1,72 m) gehabt, und in einer po-lizeilichen Vernehmung am 27. März 1991 angegeben, der Täter sei etwas grö-ßer als sie selbst (1,60 m) gewesen. Eine relevante Abweichung der [X.] lässt sich dem nicht entnehmen. Dies gilt auch deshalb, weil die Ge-schädigte die Größe des [X.] - wie das [X.] ausdrücklich festgestellt hat - nach eigenem Bekunden nur geschätzt, sich also nicht auf eine genau be-stimmte Körperlänge festgelegt hat. In diesem Zusammenhang führt das [X.] zudem aus, dass der etwa 1,78 m große Angeklagte - wäre er der Täter gewesen - die Geschädigte —deutlich, nämlich um fast einen Kopf überragtfi hätte, weil er —unter Berücksich-tigung, dass der Täter auch noch Stiefeletten trug, die ihn um wenige Zentime-ter erhöhtenfi, —wohl mehr als 1,80 m groß gewesenfi wäre. Bei dieser verglei-chenden Berechnung bleibt außer Betracht, dass die sich auf dem Weg zur [X.] befindliche Geschädigte nahe liegend ebenfalls Schuhe trug. 12 b) Dem landgerichtlichen Ergebnis, der von der Geschädigten als —nie-derbayerischfi, aber auch als —bayerischfi beschriebene Dialekt des [X.] sei —vom Angeklagten nicht gebrauchtfi worden, liegt keine umfassende Beweis-würdigung zugrunde. Insoweit hat das [X.] ausdrücklich auf das letzte Wort des Angeklagten abgestellt. Diesem sei —jedenfalls zu [X.], dass der Angeklagte —keine ausgeprägte [X.] Mundart sprichtfi. Diese Formulierung lässt die Deutung zu, dass es sich um eine [X.] gehandelt hat, die zumindest Anklänge an den [X.]n [X.] - 10 - lekt aufwies. Ob das letzte Wort insoweit überhaupt aussagekräftig gewesen ist, kann allerdings nicht beurteilt werden, da dessen Umfang nicht mitgeteilt wird. Außerdem verdeutlicht das [X.] nicht, ob ihm bei seiner Einschätzung bewusst war, dass innerhalb der mehr als 18 Jahre, die seit der Tat bis zur Hauptverhandlung verstrichen sind, sprachliche Modifikationen erfolgt sein [X.]. Schließlich bleibt bei der Gesamtwürdigung außer Betracht, dass die als glaubwürdig angesehene Zeugin [X.]bekundet hat, der Ange-klagte —habe in der [X.] gemischt niederbayerisch, aber eher mehr fränkisch gesprochenfi, und auch der Zeuge [X.] hat, die [X.] sei —ein bisschen bayerisch und ein bisschen frän-kischfi gewesen. Zudem besorgt der Senat, dass das [X.] bei der Würdigung der Angaben der Geschädigten zur Mundart des [X.] von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Während es namentlich bei den Angaben zur Größe und zur Barttracht des [X.] nachvollziehbar (vgl. [X.]R StPO § 261 Identifi-zierung 16) als verständlich angesehen wird, dass die Geschädigte —während der Vergewaltigung auf derartige Details nicht achtete, sondern von der grau-envollen Situation gefangen warfi, nimmt das [X.] ohne Weiteres an, dass —Worte, vernommen in beängstigender Lage, – sehr wohl im Gedächtnis haften bleibenfi können. Einer Begründung dieser divergierenden Einschätzung hätte es bereits deshalb bedurft, weil Menschen generell zu [X.] geringer befähigt sind als zu visueller und speziell bei [X.] die Differenzierungsmöglichkeiten im Allgemeinen zusätzlich begrenzt sind (vgl. [X.], [X.] der [X.]. [X.]. 1395, 1398). 14 c) Soweit das [X.] in seiner zusammenfassenden Würdigung [X.], der Angeklagte habe —bei dem angeblichen Überfall auf ihn – wohl eine 15 - 11 - [X.] getragen, —während [X.] eine Lederjacke ertastetefi, beruht dies ebenfalls nicht auf einer erschöpfenden Auswertung der maßgebli-chen Umstände. Die angestellten Überlegungen, —Leder und Jeansstoff fühlen sich unterschiedlich [X.], so dass —die als lebenstüchtig beschriebene [X.]diese Verschiedenheit bemerkt hättefi, lassen wiederum die beängsti-gende [X.] außer [X.]. Abgesehen davon, dass nicht mitgeteilt wird, bei welcher Gelegenheit und wie lange die Geschädigte das Material der Jacke hat erfühlen können, hätte erörtert werden müssen, ob deren [X.] auch insofern eingeschränkt gewesen sein könnte. Ferner hatte der Ange-klagte gegenüber der Polizei zwar angegeben, er hätte —im Winter eine Jeans-jacke besessenfi, zugleich aber bestätigt, zu seiner Kleidung hätte auch eine schwarze Lederjacke gehört. d) Soweit das [X.] das Ergebnis der mitochondrialen [X.] als —nur begrenzt [X.] eingestuft und es daher als —kein durchschlagendes Indiz für die [X.]chaft des Angeklagtenfi angesehen hat, genügen die [X.]eilsgründe den an die diesbezügliche Beweiswürdigung zu stel-lenden Anforderungen ebenfalls nicht. 16 Ihnen lässt sich insoweit entnehmen, dass den beiden an der Kleidung der Geschädigten gesicherten Schamh[X.]ren zum Zeitpunkt der aktuellen Un-tersuchung keine Wurzel mehr angehaftet und deshalb keine [X.] zur Verfügung gestanden habe. Es sei daher auf die mitochondriale DNA zurück-gegriffen worden. Die Untersuchung habe für beide H[X.]re dieselbe Sequenz erbracht, die wiederum mit derjenigen des Angeklagten übereingestimmt habe. Eine Sequenz mitochondrialer DNA sei jedoch nicht einzigartig, sondern werde - von Mutationen abgesehen - in ihrer Gesamtheit von einer Mutter auf ihre [X.] und dann wiederum von den Töchtern weitergegeben. Die Häufigkeit einer 17 - 12 - Sequenz werde daher anders als bei der [X.] durch einen Abgleich mit einer Datenbank bestimmt. Für die westeurasische Bevölkerung existiere eine Datenbank in [X.], in der zum Zeitpunkt des [X.]eils 3.830 Individuen er-fasst gewesen seien. Die vom [X.] beauftragte Sachverständige hat dargelegt, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Sequenz werde in der Datenbank vorhanden sein, umso geringer ist, je seltener sie in der Bevölkerung gegeben sei. Die Sequenz des Angeklagten sei in der Datenbank bislang nicht erfasst, weswegen sie —eher seltenfi sei. [X.]) Das [X.] hat die Datenbank in [X.], die —die gesamte westeurasische Bevölkerung erfassen, also eine Zielgruppe von vielen Millionen Individuen a[X.]ildenfi soll, als —nicht [X.] angesehen. Mit 3.830 Daten-sätzen lasse sich —keine Wahrscheinlichkeit herleiten, auf die – eine Verurtei-lung gestützt werden könntefi. Diese Einschätzung begegnet in zweifacher Hin-sicht rechtlich erheblichen Einwänden: 18 Zum einen deutet die vom [X.] gewählte Formulierung darauf hin, dass es an den Beweiswert, der einem belastenden Indiz zukommen muss, zu hohe Anforderungen gestellt hat. Insofern ist es nämlich nicht erforderlich, dass schon ein einzelnes Beweisanzeichen für sich allein dem [X.] die volle Gewissheit verschafft, weil für die gerichtliche Überzeugung bei - wie hier - mehreren auf die entscheidungserhebliche Tatsache hindeutenden Indizien die Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände maßgebend ist (vgl. [X.] NJW 2008, 2792, 2794). Für diese können aber auch Umstände, die nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine entscheidungserhebliche Tatsache be-gründen, herangezogen werden (vgl. [X.] 1975, 34). 19 - 13 - Das [X.]eil lässt zum anderen nicht erkennen, ob das [X.] bei [X.] Bewertung von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Dies gilt namentlich im Hinblick darauf, dass die [X.]er Datenbank nach den Angaben der Sachverständigen mit —Prüfungsmechanismenfi und —Sicherheits-regularienfi versehen ist und von mehreren Instituten getragen wird. Insofern wird aber vom [X.] nichts Näheres mitgeteilt. Dies wäre jedoch [X.] gewesen. Zwar bedarf es bei ständig wiederkehrenden Sachverständigen-fragen, die wegen ihrer Häufigkeit in der gerichtlichen Praxis allen Beteiligten geläufig sind, regelmäßig keiner näheren Erörterung, sofern - wie [X.] bei der Daktyloskopie, der Blutalkoholanalyse oder bei der Bestimmung von Blutgruppen - standardisierte Untersuchungsmethoden verwendet werden. Um eine solche handelt es sich aber bei der mitochondrialen DNA-Analyse bislang nicht, so dass die Anknüpfungstatsachen nachvollziehbar hätten mitgeteilt wer-den müssen (vgl. [X.] NStZ 2000, 106, 107 m.w.N.). 20 In diesem Zusammenhang wird zudem nicht deutlich, ob auch die Sach-verständige die Repräsentativität der Datenbank skeptisch beurteilt hat. [X.] könnte sprechen, dass infolge der - grundsätzlich - unveränderten Verer-bung der mitochondrialen Sequenzen in der weiblichen Linie die Erfassung [X.] relativ geringen Zahl von unterschiedlichen Datensätzen ausreichend sein könnte, um eine wesentlich größere Gesamtmenge von Individuen repräsenta-tiv darzustellen. Sollte jedoch die Sachverständige, deren Kompetenz das [X.] nicht in Zweifel gezogen hat und der es an anderer Stelle aus-drücklich gefolgt ist, die Datenbank als repräsentativ eingestuft haben, wäre dies in den [X.]eilsgründen näher darzulegen gewesen. Zwar ist es einem Tat-gericht unbenommen, bei seiner Beweiswürdigung von der Ansicht eines Sach-verständigen abzuweichen. Dann muss es aber die Argumente des Sachver-ständigen, dessen Rat es bei der Beauftragung für erforderlich hielt, so weit 21 - 14 - erörtern und mit eigenen Gründen so widerlegen, dass ersichtlich wird, dass es das von ihm nunmehr beanspruchte bessere Sachwissen auf dem zur Erörte-rung stehenden Teilbereich des fremden Wissensgebietes zu Recht für sich in Anspruch nimmt (vgl. [X.] NStZ-RR 2006 242, 243; [X.], [X.]. vom 20. März 2008 - 4 StR 5/08). Hieran würde es fehlen. [X.]) [X.] begegnet es auch, dass das [X.] —die Maßgeblichkeit der Sammlung von mtDNA-Sequenzenfi durch das weibli-che [X.] als —getrübtfi angesehen hat. Zwar trifft die zur [X.] angeführte Überlegung, dass sich hierdurch bestimmte Sequenzen lokal konzentrieren können, grundsätzlich zu. Es wäre jedoch - worauf der [X.] zu Recht hingewiesen hat - zu erörtern gewesen, ob dieser [X.] im konkreten Fall überhaupt bedeutsam sein kann. Dies wäre in Betracht gekommen, wenn die vom [X.] erwogene Konzentration namentlich in [X.] und Umgebung hätte festgestellt werden können. Zum Lebenslauf der Mutter (oder früherer weiblicher Vorfahren) des im fränkischen Lauf a. d. [X.] geborenen Angeklagten enthält das [X.]eil jedoch keine Angaben. Ein Tat-gericht ist aber nicht gehalten, einen Umstand zugunsten des Angeklagten zu unterstellen, für den ein realer Anknüpfungspunkt fehlt, bei dem es sich folglich nur um eine abstrakt-theoretische Möglichkeit handelt (vgl. [X.], [X.]. vom 20. Oktober 2004 - 1 [X.]). 22 cc) Der Senat kann daher nicht prüfen, ob das [X.] den Umstand, dass die mitochondriale DNA des Angeklagten mit derjenigen der gesicherten Schamh[X.]re übereinstimmt und von der Sachverständigen als —eher seltenfi angesehen wurde, mit dem zutreffenden Beweiswert in seine Gesamtwürdigung eingestellt hat. Dies erscheint zweifelhaft, zumal das [X.] in diesem Zu-sammenhang ausgeführt hat, die Einschätzung der Sachverständigen beruhe 23 - 15 - —auf einer wissenschaftlichen Herangehensweise. Für einen [X.] wä-ren - hier nach Ansicht des [X.] nicht gegebene - —andere Kriterien an-zulegen, unter anderem eine Bevölkerungsabgrenzung und die Größe des [X.], die in ein charakteristisches Vergleichsmaterial Eingang findenfi müssten. Diese Erwägung ist schon für sich genommen ohne nähere Erläute-rung, welche fehlt, kaum verständlich. Die vorgenommene Gegenüberstellung lässt zudem besorgen, das [X.] könnte nicht hinreichend bedacht ha-ben, dass es sich bei seiner Beweiswürdigung über gesicherte wissenschaftli-che Erkenntnisse nicht hinwegsetzen darf (vgl. [X.]R StPO § 261 Erfahrungs-satz 3 bis 5). II[X.] Auf diesen Beweiswürdigungsmängeln kann das [X.]eil beruhen. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei ihrer Vermeidung die Überzeugung von der [X.]chaft des Angeklagten gewonnen hätte. Jedenfalls in ihrer Gesamtheit führen sie deshalb dazu, dass die Sache erneut verhandelt und entschieden werden muss. 24 Dabei wird das für die Bestimmung des Beweiswertes der mitochondria-len DNA-Analyse maßgebliche Vergleichsmaterial einer sorgfältigen Bewertung bedürfen. Insofern wird sich die Beauftragung eines biostatistischen Sachver-ständigen empfehlen (vgl. [X.] NStZ 2000, 106, 107; s. auch [X.]St 38, 320, 322 f.). Sollte dieser auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnis-standes keine statistisch verlässlich abgesicherte Quantifizierung vornehmen können, würde dies nicht dazu führen, dass dem Ergebnis der mitochondrialen Untersuchung jeglicher Beweiswert abzusprechen wäre. Dieses wäre vielmehr 25 - 16 - mit der ihm zukommenden Ungewissheit in die Gesamtwürdigung einzustellen (vgl. [X.] StV 1996, 251 zu untersuchten Faserspuren). Ferner wird zu bedenken sein, dass - wie sich aus den [X.]eilsgründen ergibt - eines der beiden Schamh[X.]re ursprünglich eine Wurzel hatte, die vom [X.] zur Untersuchung der [X.] verwendet, hierbei allerdings verbraucht wurde. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit zu der Prüfung haben, ob das dabei erzielte Ergebnis noch mit der [X.] des Angeklagten verglichen werden kann, auch wenn das damals genutzte D1S80-System seit mehr als elf Jahren nicht mehr verwendet und produziert wird. Inso-fern wird es nahe liegen, sich der Hilfe des [X.] zu bedienen. 26 - 17 - Sollte der genannte Vergleich durchgeführt werden können, wird der [X.] nachzugehen sein, ob die Untersuchungsergebnisse der [X.] einer-seits und der mitochondrialen DNA andererseits im Sinne der Produktregel der-gestalt voneinander unabhängig sind (vgl. hierzu [X.]St 38, 320, 323; [X.] NStZ 1992, 601, 602), dass sie als Faktoren - mit der Folge eines ggf. deutlich gesteigerten Beweiswertes - miteinander kombiniert werden können. 27 [X.] Wahl Graf [X.] Sander

Meta

1 StR 597/08

26.05.2009

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2009, Az. 1 StR 597/08 (REWIS RS 2009, 3370)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3370

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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