Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2017, Az. 4 StR 615/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12567

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Gegenstand

Konkurrierende Taten im Rahmen einer Diebstahlserie


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Juli 2016, soweit es den Angeklagten betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in 34 Fällen und des versuchten Diebstahls schuldig ist; die Einzelstrafen für die Taten II.3, 4, 6, 17, 18, 20, 23 bis 25, 33, 36, 39, 41, 42, 44, 46, 48 und 53 der Urteilsgründe entfallen;

b) im Strafausspruch dahin ergänzt, dass die [X.] für die in den Fällen [X.], 29 und 31 der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafen auf einen Euro festgesetzt wird.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Diebstahls in 52 Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seiner auf zwei Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Für eine vom [X.] angeregte deklaratorische Aufhebung des „zweiten Urteils“ ist schon deshalb kein Raum, weil sich aus dem im [X.] dokumentierten Verfahrensablauf ergibt, dass die [X.] nicht zwei unterschiedliche Urteile erlassen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 24. Januar 1984 - 1 StR 874/83, [X.], 279; Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 2 StR 285/12, [X.], 378), sondern ein und dasselbe Urteil lediglich zweimal verkündet hat. Eine diese Verfahrensweise beanstandende Verfahrensrüge ist innerhalb der [X.] des § 345 Abs. 1 StPO nicht erhoben worden.

3

2. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils kann in konkurrenzrechtlicher Hinsicht nicht unverändert bestehen bleiben, weil die Annahme selbständiger, real konkurrierender [X.] in einer Reihe der abgeurteilten Fälle rechtlicher Prüfung nicht standhält.

4

a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten [X.]. Leistet ein Mittäter für alle oder einige [X.] einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der [X.], durch die alle oder mehrere [X.] seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.; Beschluss vom 2. Juli 2014 - 4 StR 176/14, [X.], 437).

5

b) In den [X.] bis 4, [X.] und 6, [X.] bis 18, II.19 und 20, [X.] bis 25, II.32 und 33, [X.] und 36, II.38 und 39, [X.] bis 42, [X.] und 44, II.45 und 46, [X.] und 48 sowie [X.]2 und 53 der Urteilsgründe ergeben die [X.] keine individuelle, nur jeweils diese Taten fördernde Mitwirkung des Angeklagten. Nach den Feststellungen war der Angeklagte bei diesen [X.] nicht selbst am Tatort anwesend. Sein Tatbeitrag erschöpfte sich nach der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil vielmehr darin, die jeweiligen Diebestouren der [X.] hinsichtlich der Tatortörtlichkeiten und der zu entwendenden Tatobjekte zu koordinieren und die [X.] von den jeweiligen Tätern nach deren Rückkehr entgegenzunehmen. Soweit die [X.] in den genannten Fällen zum Teil telefonische Kontakte des Angeklagten mit den die Diebstähle ausführenden Tätern festgestellt hat, ergibt sich hieraus keine individuelle Förderung einzelner Taten der vor Ort agierenden Täter. Die Fälle II.2 bis 4, [X.] und 6, [X.] bis 18, II.19 und 20, [X.] bis 25, II.32 und 33, [X.] und 36, II.38 und 39, [X.] bis 42, [X.] und 44, II.45 und 46, [X.] und 48 sowie [X.]2 und 53 der Urteilsgründe, in denen die [X.] zwei, drei oder vier Diebstähle aus Kraftfahrzeugen begingen, sind daher für den Angeklagten konkurrenzrechtlich im Wege der gleichartigen Tateinheit jeweils zu einer materiell-rechtlichen Tat zusammenzufassen.

6

c) Da ergänzende tatrichterliche Feststellungen, welche eine andere Beurteilung der Konkurrenzfrage rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. [X.], Beschluss vom 28. März 2017 - 4 StR 82/17, Rn. 7). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

7

Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der Einzelstrafen in den [X.], 4, 6, 17, 18, 20, 23 bis 25, 33, 36, 39, 41, 42, 44, 46, 48 und 53 der Urteilsgründe. Die Einzelstrafen in den [X.], 5, 16, 19, 22, 32, 35, 38, 40, 43, 45, 47 und 52 der Urteilsgründe bleiben in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils als alleinige Einzelstrafen für die jeweiligen im Wege gleichartiger Tateinheit zusammengefassten Taten bestehen. Die Gesamtfreiheitsstrafe hat Bestand. Angesichts der verbleibenden 35 Einzelstrafen - darunter 32 [X.] zu zwei Jahren - kann der Senat ausschließen, dass das [X.] bei zutreffender Beurteilung des [X.] auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

8

3. Der Senat hat die von der [X.] versäumte, auch bei Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe erforderliche (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 1981 - 4 StR 599/80, [X.]St 30, 93, 96) Bestimmung der [X.] für die in den [X.]8, 29 und 31 der Urteilsgründe verhängten [X.] nachgeholt und den einzelnen Tagessatz auf das Mindestmaß von einem Euro festgesetzt (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB).

9

4. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Sost-Scheible     

        

Cierniak     

        

[X.]

        

Bender     

        

Quentin     

        

Meta

4 StR 615/16

11.04.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 13. Juli 2016, Az: 26 KLs 18/16

§ 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2017, Az. 4 StR 615/16 (REWIS RS 2017, 12567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12567

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