Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2009, Az. VII ZR 31/09

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 448

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]
vom 24. November 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 529, 531 Abs. 2 Nr. 3 [X.] kann sich ein Bestreiten nicht dadurch für das Berufungsverfahren vorbe-halten, dass sie einen Sachverhalt lediglich "für die erste Instanz" unstreitig stellt. [X.], Beschluss vom 24. November 2009 - [X.] - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 24. November 2009 durch [X.] Dr. [X.], [X.] Kuffer, die Richterin [X.], [X.] Eick und [X.] beschlossen: Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Re-vision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 26. Januar 2009 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO). Gegenstandswert: 28.541,90 • Gründe: Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unbegründet. 1 1. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten restlichen Werklohn. Der [X.] fordert widerklagend die Zustimmung der Klägerin zur Löschung von Vormerkungen für die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek. Er hat u.a. mit einer Vertragsstrafe aufgerechnet und wegen Mängeln Zurückbe-haltungsrechte geltend gemacht. Das [X.] hat den Beklagten unter [X.] der weitergehenden Klage zur Zahlung von 16.772,77 • nebst Zinsen und zur Zahlung weiterer 6.540 • Zug um Zug gegen Beseitigung von Mängeln verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat es die [X.] - 3 - derklage insgesamt abgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. 3 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich u.a. dagegen, dass das Berufungsgericht das zweitinstanzliche Bestreiten der der [X.] zugrunde liegenden Mengen und Massen nicht zugelassen hat. Nach anfängli-chem Streit über die abgerechneten Mengen und Massen haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen [X.] erklärt, sie seien sich dahin einig, "dass in ein Urteil als der Klägerin an sich zustehende Forderung eine solche von [X.] [X.] einzusetzen ist und damit der [X.] abgegolten ist und zwar für diese Instanz". Das [X.] hat den der Klägerin zustehenden restlichen Werklohn auf der Grundlage dieser Einigung der Parteien ermittelt. In der Berufungsinstanz hat der Beklagte die Mengen und Massen erneut bestritten. Das Berufungsgericht hat dies als neuen Vortrag gewertet und diesen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde vertritt die Auffassung, die Festlegung eines Sachverhalts lediglich für die erste Instanz ergebe nur dann einen Sinn, wenn der Sachverhalt in veränderter Form in der zweiten Instanz wieder aufge-rufen werden könne. Die erste Instanz dürfe daher auch nicht mit Zustimmung der Parteien einen Sachverhalt fixieren und damit gleichzeitig der unterlegenen Partei in der Berufungsinstanz die Möglichkeit abschneiden, dieses Ergebnis in Frage zu stellen. Sie sieht insoweit Klärungsbedarf. 4 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. 5 Ein Grund die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO) besteht nicht. 6 a) Soweit das Berufungsgericht das Vorbringen des Beklagten, mit dem er sich gegen die von der Klägerin abgerechneten Mengen und Massen ge-7 - 4 - wandt hat, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat, bedarf es der Zulas-sung weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch zur Fort-bildung des Rechts. Die vom Berufungsgericht dargestellte Rechtslage ergibt sich unter Berücksichtigung der Funktion des Berufungsverfahrens ohne [X.] aus dem Gesetz. 8 Die Berufung hat durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 ([X.] I S. 1887) einen Funktionswechsel erfahren. Sie ist nicht mehr vollwertige zweite Tatsacheninstanz, sondern dient in erster Linie der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf korrekte Anwendung des mate-riellen Rechts sowie auf Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen [X.] etwaiger Fehler. Die Reform hat zur Folge, dass sich die Rekonstruktion des entscheidungserheblichen Sachverhalts noch mehr auf die erste Instanz konzentriert. Die Konzentration der Tatsachenfeststellungen in erster Instanz wird dadurch bewirkt, dass das Berufungsgericht grundsätzlich an die fehlerfrei gewonnenen Erkenntnisse der ersten Instanz gebunden wird und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen sind, soweit dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Von den Parteien und ihren Pro-zessbevollmächtigten wird erwartet, dass sie mit aller Sorgfalt in der ersten In-stanz vortragen, um so die Konzentration der Tatsachenfeststellungen in der ersten Instanz zu verwirklichen (vgl. BT-Drucks. 14/4772, [X.], 64, 100 f.). Unterbreiten die Parteien dem Gericht einen unstreitigen Sachverhalt und legt das erstinstanzliche Gericht deshalb diesen Sachverhalt seiner Ent-scheidung zugrunde, hat das Berufungsgericht ebenfalls davon auszugehen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die unstreitigen Tatsachen ([X.], Urteil vom 19. März 2004 - [X.], [X.] 158, 295, 299, 300). Neue, von dem unstreitigen Vortrag abweichende Tatsachen sind vom Berufungsgericht nur zu berücksichtigen, soweit dies zulässig ist, § 529 9 - 5 - Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Vortrag des Beklagten zu den Mengen und Massen gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen ist. Nachdem der Beklagte die Mengen und [X.] unstreitig gestellt hat, war sein Bestreiten in zweiter Instanz ein neues [X.]. Maßgebend ist, ob das Bestreiten bei der gebotenen Sorgfalt bereits in erster Instanz hätte erfolgen können. Bei dieser Prüfung dürfen die Anforderungen zwar nicht überspannt werden, jedoch ist auch auf den Zweck der Bestimmung des § 531 Abs. 2 ZPO Bedacht zu nehmen, dass der ent-scheidungsrelevante Sach- und Streitstoff bereits in erster Instanz vollständig unterbreitet werden soll (BT-Drucks. 14/4722, [X.] f.). Mit dieser Zweckbe-stimmung wäre es nicht vereinbar, wenn die Parteien einen Sachverhalt erstin-stanzlich mit dem wirksamen Vorbehalt unstreitig stellen könnten, das anfängli-che Bestreiten in der Berufungsinstanz wieder aufnehmen zu können. Die vom Gesetzgeber gewollte Konzentration der Tatsachenfeststellung auf die erste Instanz zwingt die Parteien, grundsätzlich bereits in erster Instanz alles vorzu-tragen, was aus ihrer Sicht für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist. Sie dürfen nicht aus prozesstaktischen Gründen auf einen derartigen Vortrag verzichten. Tun sie es dennoch, stellt dies eine Nachlässigkeit dar, welche die Berücksichtigung dieses Vorbringens im Berufungsverfahren ausschließt. Ob das [X.], wenn es in der mündlichen Verhandlung eine Eini-gung der anwaltlich vertretenen Parteien darüber protokolliert, dass für die erste Instanz Vortrag unstreitig gestellt wird, darauf hinweisen muss, dass der mit dieser Einigung möglicherweise verfolgte Zweck, im Berufungsverfahren den Streit über die unstreitig gestellten Tatsachen wieder aufzunehmen, nicht er-reichbar ist, kann dahinstehen. Soweit die Ausführungen der Nichtzulassungs-beschwerde so zu verstehen sein sollten, dass die Nichterteilung eines ent-sprechenden richterlichen Hinweises beanstandet wird, rechtfertigt dies die [X.] - 6 - lassung der Revision wegen fehlerhafter Anwendung des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht, da die [X.] nicht hinreichend ausgeführt ist. 11 b) Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeig-net wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Re-vision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, zweiter Halbsatz ZPO). [X.] Kuffer [X.] Eick [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 07.11.2007 - 4 O 297/98 - [X.], Entscheidung vom 26.01.2009 - 12 U 1494/07 -

Meta

VII ZR 31/09

24.11.2009

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2009, Az. VII ZR 31/09 (REWIS RS 2009, 448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 448

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.