Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.06.2020, Az. IV S 3/19 (PKH)

4. Senat | REWIS RS 2020, 3490

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Gegenstand

Bewilligung von PKH - Beiordnung eines Prozessvertreters für Verfahren mit Vertretungszwang


Leitsatz

NV: Die Bewilligung von PKH für ein Verfahren mit Vertretungszwang setzt voraus, dass sich der Antragsteller jedenfalls nach gerichtlicher Aufforderung vor Entscheidung über den PKH-Antrag so erklärt, dass ihm für den Fall der Bewilligung von PKH ein Prozessvertreter nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 oder Abs. 5 ZPO beigeordnet werden kann.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtgebührenfrei.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) beantragte am [X.] beim Beklagten (Hauptzollamt --[X.]--) die quartalsweise Zahlung der Kraftfahrzeugsteuer zu ... . Das [X.] lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 23.08.2019 ab.

2

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Telefax vom 29.08.2019 Einspruch ein. Der Antragsteller übersandte dieses mit "Widerspruch Rechtsmittel Klage" überschriebene Telefax sowie den genannten Ablehnungsbescheid am 29.08.2019 auch per Telefax an das Finanzgericht ([X.]). Auf dem Ablehnungsbescheid war handschriftlich "Klage unter PKH vorab" vermerkt. Daraufhin erfasste das [X.] sowohl ein Klageverfahren als auch ein hierauf gerichtetes Prozesskostenhilfeverfahren. Das [X.] wies die Klage mit Prozessurteil vom 01.10.2019 - 8 K 8178/19 mangels eines abgeschlossenen Vorverfahrens als unzulässig ab. Ebenso wies es mit Beschluss vom gleichen Tag den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels Erfolgsaussichten des Klageverfahrens ab.

3

Am 10.10.2019 ging beim [X.] ([X.]) ein Schreiben des [X.] vom 07.10.2019 ein, in dem es heißt, dass "die hier eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde zuständigkeitshalber übersandt" werde. Diesem [X.]-Schreiben waren verschiedene Schreiben des Antragstellers beigefügt. Der [X.] forderte den Antragsteller mit Schreiben vom [X.] auf, die auf dem amtlichen Formular abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist einzureichen. Diese Erklärung ging am 16.10.2019 beim [X.] ein.

4

Mit weiterem Schreiben des [X.] vom 16.04.2020 wurde der Antragsteller aufgefordert, bis zum 19.05.2020 eine auf amtlichem Formular aktualisierte und leserliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen sowie einen von ihm frei zu wählenden vertretungsbereiten [X.] zu benennen. Die aktualisierte Erklärung hat der Antragsteller am 22.04.2020 per Telefax eingereicht. Zugleich führt der Antragsteller in diesem Telefax aus, dass das Gericht einen Anwalt bestimmen müsse, "da auf PKH kein Steueranwalt mehr" arbeite und ihm auch kein Anwalt bekannt sei.

5

Zur Begründung seines [X.] trägt der Antragsteller u.a. sinngemäß vor, dass er vor dem [X.] keine Klage erhoben, sondern (nur) einen [X.] gestellt habe.

Entscheidungsgründe

II.

6

Der Antrag auf Gewährung von [X.] hat keinen Erfolg.

7

1. Der beschließende [X.] wertet das Vorbringen des Antragstellers als einen Antrag auf [X.]ewilligung von [X.] für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde. Dies gebietet der Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung, weil eine Auslegung der genannten Schreiben als Nichtzulassungsbeschwerde zur Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels und zur Kostenpflicht des Antragstellers führen würde ([X.] vom 25.07.2012 - X S 14/12 ([X.]), Rz 2).

8

2. Der solchermaßen ausgelegte Antrag ist zulässig. Insbesondere konnte er durch den nicht postulationsfähigen Antragsteller selbst ohne Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten wirksam gestellt werden, weil der in § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordnete [X.] nicht für [X.]-Anträge gilt (z.[X.]. [X.] vom 25.07.2012 - X S 14/12 ([X.]), Rz 3).

9

3. Der [X.]-Antrag ist allerdings unbegründet.

Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag [X.], wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht ([X.] vom 17.03.2008 - II S 24/07 ([X.]), [X.], 1176, unter II.1.).

a) Der Antragsteller hat keine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem [X.] vertretungsberechtigte Person oder [X.] 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO erhoben. Einem [X.]eteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem [X.] unterliegt, innerhalb der Rechtsmittelfrist wirksam zu erheben, kann jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die [X.]ewilligung der [X.] zur Einlegung des Rechtsmittels schafft, also einen entsprechenden Antrag stellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Rechtsmittelgericht einreicht und zumindest in laienhafter Weise Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund darlegt (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-[X.]eschlüsse vom 15.04.2014 - V S 5/14 ([X.]), Rz 6; vom 24.11.2009 - II S 21/09 ([X.]), [X.]/NV 2010, 455, unter 2.). Nach Auffassung des beschließenden [X.]s setzt die [X.]ewilligung von [X.] für Verfahren mit [X.] --wie hier gemäß § 62 Abs. 4 FGO für das [X.]eschwerdeverfahren vor dem [X.]-- zudem voraus, dass sich der Antragsteller jedenfalls nach gerichtlicher Aufforderung vor Entscheidung über den [X.]-Antrag so erklärt, dass ihm für den Fall der [X.]ewilligung von [X.] ein [X.] beigeordnet werden kann. Dies ergibt sich aus § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 ZPO, wonach für Verfahren mit [X.] dem Antragsteller ein vertretungsbereiter [X.] nach seiner freien Wahl beizuordnen ist (§ 121 Abs. 1 ZPO) oder der Vorsitzende, sollte der Antragsteller keine derartige Person finden, auf Antrag eine [X.]eiordnung vornimmt (§ 121 Abs. 5 ZPO). Die [X.]eiordnung eines [X.]s erfolgt daher nicht voraussetzungslos, sondern erfordert u.a. die Mitwirkung des Antragstellers. [X.] eine [X.]eiordnung mangels Mitwirkung des Antragstellers aus, bestehen für die Rechtsverfolgung schon deshalb keine hinreichenden Erfolgsaussichten, weil --unabhängig von einem möglichen Erfolg in der [X.] dem [X.] nicht entsprochen werden kann.

b) So verhält es sich im Streitfall. Dem Antragsteller ist weder nach § 121 Abs. 1 ZPO noch nach § 121 Abs. 5 ZPO ein [X.] beizuordnen. Der [X.] muss daher nicht entscheiden, ob die Gewährung von [X.] in Verfahren mit [X.] sogar voraussetzt, dass der Antragsteller dem Gericht innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vertretungsbereiten [X.] benennt (so Oberverwaltungsgericht für das [X.], [X.]eschluss vom 14.03.2001 - 12 [X.] 1962/00; anderer Ansicht Verwaltungsgerichtshof [X.]aden-Württemberg, [X.]eschluss vom 13.02.2002 - 7 S 887/01) oder den Antrag auf [X.]eiordnung eines Notanwalts stellt (vgl. dazu [X.] vom 26.10.1998 - VII S 23/98, [X.]/NV 1999, 629).

aa) § 142 Abs. 1 und Abs. 2 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO schreibt zwingend vor, dass dem Antragsteller bei [X.]ewilligung von [X.] für Verfahren mit [X.] ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet werden muss ([X.] vom 09.12.2004 - VII S 29/03 ([X.]), [X.]/NV 2005, 380). Diese [X.]eiordnung bedarf keines besonderen Antrags. Findet der Antragsteller keinen vertretungsbereiten [X.], muss er eine Notvertretung beantragen (§ 121 Abs. 5 ZPO). Dies setzt voraus, dass der Antragsteller dem [X.] substantiiert darlegt und glaubhaft macht, dass er zumindest eine gewisse Zahl zur Vertretung befugter Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat (z.[X.]. [X.] vom [X.] ([X.]), Rz 19).

bb) Im Streitfall scheidet eine [X.]eiordnung nach § 121 Abs. 1 ZPO schon wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers aus. Er hat dem [X.] bei Einreichung seines [X.]-Antrags keinen vertretungsbereiten [X.] mitgeteilt. Ebenso ist er der Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 16.04.2020 nicht nachgekommen, bis zum 19.05.2020 eine derartige Person seiner Wahl zu benennen.

cc) Eine [X.]eiordnung nach § 121 Abs. 5 ZPO kommt ebenfalls nicht in [X.]etracht. Der Antragsteller hat zwar in dem Telefax vom 22.04.2020 sinngemäß die [X.]eiordnung eines Notanwalts beantragt. Er hat dem [X.] aber schon nicht substantiiert darlegt, dass er zumindest eine gewisse Zahl zur Vertretung befugter Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat. Vielmehr hat er vorgetragen, dass "auf [X.] kein Steueranwalt mehr" arbeite und ihm auch kein Anwalt bekannt sei. Danach hat er von vornherein keine Anstrengungen unternommen, einen beiordnungsbereiten [X.] zu finden.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtgebührenfrei.

Meta

IV S 3/19 (PKH)

23.06.2020

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 1. Oktober 2019, Az: 8 K 8178/19, Urteil

§ 62 Abs 4 FGO, § 142 Abs 1 FGO, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 121 Abs 1 ZPO, § 121 Abs 5 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.06.2020, Az. IV S 3/19 (PKH) (REWIS RS 2020, 3490)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3490

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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