Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.03.2021, Az. 28 W (pat) 67/20

28. Senat | REWIS RS 2021, 8103

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "EVONIC/EVONIK KRAFT FÜR NEUES (Unionsbildmarke)" – Einrede mangelnder Benutzung – Benutzungsschonfrist – außerkennzeichenrechtliche und vertragliche Ansprüche sind nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens – zur Kennzeichnungskraft – Prägung durch einen Wortbestandteil – klangliche Identität - Warenidentität – Verwechslungsgefahr – zur Anordnung der Aussetzung der Verfahren über weitere Widersprüche - entsprechende Anregung seitens eines Beteiligten ist nicht gesetzeswidrig


Tenor

In der [X.]

gegen

betreffend die Markeneintragung 30 2017 031 601

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 8. März 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] [X.] und des [X.] Kruppa

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

2

[X.]

3

ist am 30. November 2017 angemeldet und am 23. Januar 2018 als Wortmarke für die nachfolgenden Waren in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden:

4

[X.]: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, [X.]ontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und [X.]ontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Mechaniken für geldbetätigte Apparate; [X.], DVDs und andere Aufzeichnungsträger; Registrierkassen; Rechenmaschinen; Datenverarbeitungsgeräte; [X.]omputer; [X.]omputersoftware; Feuerlöschgeräte;

5

[X.]lasse 12: Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser;

6

[X.]lasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; [X.]opfbedeckungen.

7

Gegen diese Eintragung, die am 23. Februar 2018 veröffentlicht worden ist, hat die Widersprechende am 18. Mai 2018 aus insgesamt vier Marken Widerspruch eingelegt, u. a. auch aus ihrer [X.]smarke …

Abbildung

8

Die am 10. Juli 2017 angemeldete und am 17. Januar 2018 eingetragene Marke beansprucht Schutz für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen in den [X.]lassen 1 bis 45, darunter u. a. für Waren der

9

[X.]: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film -, optische, [X.], Mess-, Signal-, [X.]ontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, Apparate für wissenschaftliche Forschung und Labor, Unterrichtsapparate und Simulatoren, Mess-, Erkennungs- und Überwachungsinstrumente, -vorrichtungen sowie -regler, Navigations-, Orientierungs-, Standortverfolgungs-, Zielverfolgungs- und [X.]artierungsgeräte, optische Geräte und Ausrüstung, Magnete, [X.] und Entmagnetisierungs-vorrichtungen, Verstärkungsgeräte und [X.]orrektoren, Sicherungs-, Sicherheits-, Schutz- und Signalgeräte sowie -Ausrüstung, Tauchausrüstung, Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und [X.]ontrollieren von Elektrizität, Geräte für physikalische Reaktionen mittels Elektrizität, Apparate, Instrumente und [X.]abel für Elektrizität, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Magnet-aufzeichnungsträger, Schallplatten, [X.], DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger, informationstechnologische und audiovisuelle Geräte, aufgezeichnete Daten, Mechaniken für geldbetätigte Apparate, Registrierkassen, Rechenmaschinen, Hardware für die Datenverarbeitung, [X.]omputer, [X.]omputersoftware, Feuerlöschgeräte, Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser [X.]lasse enthalten;

[X.]lasse 12: Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser, Fahrzeuge und Beförderungsmittel, Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser [X.]lasse enthalten;

[X.]lasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, [X.]opfbedeckungen, Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser [X.]lasse enthalten.

Das [X.], Markenstelle für [X.]lasse 12, hat die Eintragung der angegriffenen Marke mit Beschluss vom 18. Juni 2020 auf Grund des Widerspruchs aus vorgenannter [X.]smarke … vollständig gelöscht und das Verfahren hinsichtlich der drei weiteren Widersprüche bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den vorliegend verfahrensgegenständlichen Widerspruch ausgesetzt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, soweit der Inhaber der angegriffenen Marke hinsichtlich der in Rede stehenden Widerspruchsmarke die [X.] erhoben habe, sei diese nicht zulässig. Die Eintragung der angegriffenen Marke sei am 23. Februar 2018 veröffentlicht worden. Die ältere [X.]smarke sei am 17. Januar 2018 eingetragen worden, so dass die fünfjährige [X.] der Widerspruchsmarke noch nicht abgelaufen sei (§ 158 Abs. 5 i. V. m. 43 Abs. 1 Satz 1 a. F. [X.], Art. 18 [X.]).

Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke darüber hinaus das Vorliegen einer rechtsmissbräuchliche [X.] gerügt habe, sei dieser Einwand im Widerspruchsverfahren ausgeschlossen, da das registerrechtliche Widerspruchsverfahren als summarisches Verfahren auf die möglichst schnelle Erledigung einer Vielzahl von Fällen ausgerichtet sei. Für Fragen, wie zum Beispiel zum Rechtsmissbrauch, die über die Erörterung markenrechtlicher Übereinstimmungen hinausgingen, sei im Widerspruchsverfahren kein Raum.

Die angegriffenen Waren der [X.]lassen 9, 12 und 25 richteten sich überwiegend an allgemeine Verkehrskreise, zum Teil aber auch den Fachverkehr, soweit zum Beispiel die Waren der [X.] "Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, [X.]ontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente" betroffen seien. Die Waren und Dienstleistungen der [X.]lassen 1 bis 45 der Widerspruchsmarke richteten sich zum Teil an allgemeine und zum Teil an spezialisierte Verkehrskreise. Soweit der Fachverkehr betroffen sei, könne von einem erhöhten Aufmerksamkeitsgrad ausgegangen werden. Bezüglich allgemeiner Verkehrskreise sei dieser eher durchschnittlich.

Die angefochtenen Waren der [X.] "Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, [X.]ontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und [X.]ontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen; Rechenmaschinen; [X.]omputer; [X.]omputersoftware; Feuerlöschgeräte" und die Waren der Widerspruchsmarke der [X.] "Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, [X.]ontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und [X.]ontrollieren von Elektrizität, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, Mechaniken für geldbetätigte Apparate, Registrierkassen, Rechenmaschinen, [X.]omputer, [X.]omputersoftware, Feuerlöschgeräte" seien identisch. Die Waren "[X.], DVDs und andere Aufzeichnungsträger" der jüngeren Marke umfassten die Waren "[X.], DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger" der älteren Marke, so dass sie identisch seien. Die Waren "Datenverarbeitungsgeräte" auf Seiten der angegriffenen Marke und die Waren "Hardware für die Datenverarbeitung" auf Seiten der Widerspruchsmarke seien ebenfalls identisch. Zwischen den angegriffenen Waren der [X.]lasse 12 "Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser" und den Waren der [X.]lasse 12 "Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser, Fahrzeuge und Beförderungsmittel" der älteren Marke bestehe Identität. Die angefochtenen Waren der [X.]lasse 25 "Bekleidungsstücke; Schuhwaren; [X.]opfbedeckungen" und die Waren der [X.]lasse 25 "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, [X.]opfbedeckungen" der angreifenden Marke seien auch identisch.

Die [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke sei in Verbindung mit den identischen Waren der [X.]lassen 9, 12 und 25 von Haus aus durchschnittlich, da sie insoweit nicht beschreibend und damit unterscheidungskräftig sei.

Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Identität der Waren in den [X.]lassen 9, 12 sowie 25 halte die angegriffene Marke den danach erforderlichen deutlichen Abstand insbesondere in klanglicher Hinsicht nicht ein. Vorliegend werde der Gesamteindruck der älteren Marke durch den Bestandteil "[X.]" klanglich geprägt. Die Wortfolge "[X.] [X.]" trete schon deswegen zurück, da sie sich rechts unterhalb des Wortes "[X.]" befinde und kleiner gehalten sei. Zudem sei sie in Verbindung mit den Waren der [X.]lassen 9, 12 und 25 anpreisend bzw. beschreibend, da werbend darauf hingewiesen werde, dass die betreffenden Waren Stärke bzw. [X.] für etwas Neuartiges beinhalteten. Die grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke trete ebenso in den Hintergrund. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass in klanglicher Hinsicht die [X.]ennzeichnungskraft der Wortelemente die der Bildelemente übertreffe, weil ein Durchschnittsverbraucher zur Bezugnahme auf die fraglichen Waren eher den Namen der Marke nenne, als ihr Bildelement zu beschreiben. [X.]langlich seien der prägende Bestandteil "[X.]" der älteren Marke und die angegriffene Marke "[X.]” identisch, die lediglich durch den letzten [X.]onsonanten "[X.]” von dem Wort "[X.]” abweiche, das stattdessen den [X.]onsonanten "[X.]” enthalte. Beide Begriffe würden jedoch identisch ausgesprochen werden.

Im Ergebnis bestehe angesichts der identischen Waren in den [X.]lassen 9, 12 und 25, der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der hochgradigen Ähnlichkeit der Marken die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Insgesamt sei daher die Eintragung der angegriffenen Marke vollumfänglich zu löschen gewesen.

Hiergegen wendet sich der Inhaber der angegriffenen Marke mit seiner Beschwerde vom 5. August 2020. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er verfüge über prioritätsältere Markenrechte. Er verweist in diesem Zusammenhang auf eine am 28. Januar 2008 eingetragene [X.] Wortmarke [X.] mit der Registernummer …, die u. a. Schutz für Bekleidungsstücke in [X.]lasse 25 beansprucht habe und deren Eintragung jedoch auf Antrag der Widersprechenden durch das [X.] gelöscht worden sei. Auf seine Beschwerde hin sei die Löschung durch das [X.] bestätigt worden. Die von ihm hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde habe der [X.] als unzulässig verworfen. Gegen diese Entscheidung habe er nachfolgend Verfassungsbeschwerde erhoben. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung des Inhabers der angegriffenen Marke vom 19. Januar 2021 Bezug genommen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

1. den Beschluss des [X.]es, Markenstelle für [X.]lasse 12, vom 18. Juni 2020 aufzuheben, sowie hilfsweise

2. dem [X.] nach Art. 267 A[X.] folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

a) Trifft es zu, dass das [X.] München eine innerstaatliche Instanz nach Art. 13 [X.] ist?

b) Trifft es zu, dass der [X.]läger nach Art. 13 [X.] das Recht hat, beim [X.] rechtswirksam eine Beschwerde nach Art. 13 i. V. m. Art. 6 [X.] (Recht auf faires Verfahren) und/oder Beschwerde nach Art. 13 i. V. m. Art. 2 4. ZP [X.] (Freizügigkeit) und/oder Beschwerde nach Art. 13 i. V. m. Art. 3 7. ZP [X.] (Recht auf Entschädigung bei Fehlurteilen) zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben?

c) Trifft es zu, dass in einem Markenwiderspruchsverfahren der Einwand der rechtsmissbräuchlichen [X.] in analoger Anwendung der Vorschrift des § 43 [X.] (Einrede einer fehlenden Benutzung) zu berücksichtigen ist, und obschon die Widerspruchsmarken noch in der [X.] seien, in analoger Anwendung der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des [X.] (u. a. 2. Beschwerdekammer des [X.] in der Entscheidung vom 13.02.2014 - [X.]/2013-2) die Benutzungseinrede des [X.] gem. Art 42 Abs. 2 und 3 [X.] und Regel 22 Abs. 2 [X.] zu prüfen ist?

Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren den Antrag gestellt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass ältere Markenrechte des Beschwerdeführers für vorliegendes Verfahren ohne Bedeutung seien. Die Eintragung der von ihm ins Feld geführten Marke … sei rechtskräftig gelöscht worden. Zudem sei sie nicht für den Beschwerdeführer eingetragen gewesen. Die Marken der Widersprechenden seien entgegen seiner Aussage nicht rechtsmissbräuchlich angemeldet worden. Insbesondere handele es sich bei der Widerspruchsmarke … nicht um eine [X.], zumal die Widersprechende keine identische Marke zuvor angemeldet habe. Zwischen ihr und der angegriffenen Marke bestehe [X.], da der Gesamteindruck der älteren Marke durch ihren Wortbestandteil "[X.]" geprägt werde. Eine Vorlage an den [X.] sei nicht erforderlich, da die aufgeworfenen Fragen hierfür nicht geeignet seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das [X.] die Eintragung der angegriffenen Marke auf Grund des Widerspruchs aus der [X.]smarke … gelöscht, da sich die beiden in verwechslungsfähiger Art und Weise gemäß § 125 b Nr. 1, § 158 Abs. 3 [X.] i. V. m. § 42 Abs. 1, 2 Nr. 1 [X.] a. F. i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gegenüberstehen.

Die Frage, ob [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der [X.]ennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. [X.] GRUR 2020, 52 - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; [X.] 2019, 1058 - [X.]NEIPP). Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind ([X.] 2020, 870 - [X.]/INJEX).

Ausgehend von vorgenannten Grundsätzen stehen sich die [X.] in Bezug auf alle Waren der angegriffenen Marke in verwechslungsfähiger Art und Weise gegenüber.

a) Zutreffend hat das [X.] in seinem angegriffenen Beschluss ausgeführt, dass die seitens des Inhabers der angegriffenen Marke gegen die vorstehend in Rede stehende Widerspruchsmarke erhobene Nichtbenutzungseinrede nicht greift.

Die Eintragung der angegriffenen Marke ist am 23. Februar 2018 veröffentlicht worden. Die prioritätsältere Widerspruchsmarke ist am 17. Januar 2018 eingetragen worden, so dass die fünfjährige [X.] des § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] a. F. i. V. m. § 158 Abs. 5 i. V. m. § 125 b Nr. 4 [X.] i. V. m. Art. 18 [X.] noch nicht abgelaufen ist. Auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch (März 2021) ist die Frist noch nicht abgelaufen (§ 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] a. F. i. V. m. § 158 Abs. 5 i. V. m. § 125 b Nr. 4 [X.] i. V. m. Art. 18 [X.]).

b) Der Einwand des Inhabers der angegriffenen Marke, die Widerspruchsmarke sei rechtsmissbräuchlich wiederholt angemeldet worden, greift vorliegend nicht. Außerkennzeichenrechtliche Ansprüche wie insbesondere solche des [X.] sind nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ([X.] 1996, 775 - [X.]). Auch vertragliche Ansprüche können nicht im Widerspruchsverfahren durchgesetzt werden (vgl. [X.] [X.], 23. Edition, Stand 01.10.2020, § 42, [X.]. 91). Entsprechend verhält es sich bezüglich des vorliegend in Rede stehenden Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Auflage, 2020, § 42, [X.]. 72).

c) Die Widerspruchsmarke verfügt von Hause aus mangels beschreibenden Sinngehalts über durchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft. Anhaltspunkte, die für eine Steigerung sprechen würden, sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.

d) Die von den [X.] jeweils beanspruchten Waren sind identisch. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen des [X.]es verwiesen, welche der Senat teilt und sich zu eigen macht.

e) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im [X.]lang, im (Schrift-) Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Markenähnlichkeit genügt dabei regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.]. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. [X.] GRUR 2020, 52 - [X.] [Roslagspunsch/[X.]]; [X.] 2020, 870 - [X.]/INJEX).

Vorliegend erweisen sich in klanglicher Hinsicht die sich gegenüber stehenden Marken

[X.]

und

Abbildung

als identisch.

Im Ergebnis zutreffend hat das [X.] angenommen, dass der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke durch ihren Bestandteil "[X.]" geprägt wird. Der Gesamteindruck einer zusammengesetzten Marke wird durch eine oder mehrere [X.]omponenten geprägt, wenn aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise alle anderen [X.] weitgehend in den Hintergrund treten und damit vernachlässigt werden können. Die Feststellung, ob ein Element prägende Bedeutung hat, ist grundsätzlich anhand der Gestaltung der Marke selbst zu treffen (vgl. [X.] 2019, 1058 - [X.]NEIPP).

Der [X.] "[X.]" dominiert den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke allein schon aufgrund seiner Größe und Positionierung. Das weitere Wortelement "[X.] [X.]" ist nur ca. ein Drittel so hoch und befindet sich unterhalb des Begriffes "[X.]". Hinzu kommt, dass es die vorliegend verfahrensrelevanten Waren der [X.]lassen 9, 12 und 25 anpreist respektive beschreibt. Der Ausdruck "[X.] [X.]" weist werbend darauf hin, dass die betreffenden Waren [X.] bzw. Stärke für etwas Neuartiges beinhalten, sich mithin als zukunftsweisend darstellen. [X.] beschreibenden und kennzeichnungsschwachen [X.]omponenten kommt neben kennzeichnungsstärkeren jedoch regelmäßig keine maßgebliche Bedeutung im Gesamteindruck zu (vgl. [X.], a. a. [X.], § 9, [X.]. 446). Demzufolge ist davon auszugehen, dass sich die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer nicht auf die Wortfolge richten wird.

Die dem [X.] "[X.]" vorangestellte stilisierte Darstellung des Buchstabens "E" wird der angesprochene Verkehr ebenfalls vernachlässigen, da für den Vergleich von Wort-/Bildmarken miteinander bzw. von Wort-/Bildmarken mit Wortmarken in klanglicher Hinsicht der Erfahrungssatz gilt, dass sich der Verkehr regelmäßig an dem Wortbestandteil orientiert (vgl. [X.], a. a. [X.], § 9, [X.]. 397).

Somit sind die angegriffene Marke "[X.]" und die prägende [X.]omponente "[X.]" der Widerspruchsmarke miteinander zu vergleichen. Da die beiden letzten Buchstaben, also "[X.]" auf Seiten der jüngeren Marke und "[X.]" auf Seiten der älteren Marke gleich ausgesprochen werden, besteht klangliche Identität.

Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der [X.] sowie der klanglichen Identität der maßgeblichen Markenbegriffe liegt [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vor, was die vollständige Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke rechtfertigt.

2. Ebenfalls ist die Anordnung der Aussetzung der Verfahren über die weiteren Widersprüche wegen der bereits erfolgten Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der [X.]smarke 016 976 755 gemäß Ziffer 2 des Tenors des angegriffenen Beschlusses vom 18. Juni 2020 nicht zu beanstanden.

Der Beschwerdeführer hat sich im Amtsverfahren ausweislich der Ausführungen in seinem Schreiben vom 5. Dezember 2018 ausdrücklich gegen die Anregung der Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 13. November 2018 gewandt, die Verfahren über die weiteren Widersprüche auszusetzen. Insofern geht der Senat davon aus, dass sich die Beschwerde auch gegen die Aussetzungsanordnung richtet.

Gemäß § 43 Abs. 3 [X.] kann das Verfahren über weitere Widersprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Eintragung der angegriffenen Marke ausgesetzt werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke bereits wegen einer anderen Widerspruchsmarke angeordnet worden ist. Es liegt hierbei im Ermessen des [X.]s, die erfolgversprechendste Widerspruchsmarke auszuwählen und diese allein als Grund für die Löschung heranzuziehen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 43, [X.]. 107). Eine entsprechende Anregung seitens eines Beteiligten ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht gesetzeswidrig. Für die Anordnung der Aussetzung bedarf es zwar keines Antrags und keiner Anregung. Den Beteiligten ist es jedoch nicht verwehrt, die Aussetzung zu beantragen oder eine solche anzuregen, um die Markenstelle an diese Möglichkeit zu erinnern. Demzufolge entspricht die in dem angegriffenen Beschluss getroffene Aussetzungsanordnung den rechtlichen Vorgaben.

3. Soweit der Beschwerdeführer hilfsweise eine Vorlage an den [X.] zwecks [X.]lärung dreier konkreter Fragen beantragt hat, ist diesem Begehren nicht nachzukommen.

Gemäß Art. 267 A[X.] entscheidet der [X.] im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der [X.].

Die beiden ersten vom Beschwerdeführer vorformulierten Vorlagefragen sind bereits nicht entscheidungserheblich (vgl. hierzu [X.]arpenstein, [X.], [X.]: 71. EL, August 2020, Art. 267 A[X.], [X.]. 25). Der Beschwerdeführer hat vorliegend in zulässiger Weise eine Beschwerde gegen einen für ihn nachteiligen Beschluss des [X.]es eingelegt. Nur die darin angesprochenen Punkte sind hier verfahrens-gegenständlich, nicht jedoch etwaige Fragen im Zusammenhang mit der Freizügigkeit oder der Entschädigung bei Fehlurteilen.

Auch die dritte vom Beschwerdeführer vorformulierte Vorlagefrage ist unzulässig, da sie weder die Auslegung der Verträge, noch die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der [X.] zum Gegenstand hat. Die Vorlagefrage betrifft die Auslegung nationalen Rechts im konkreten Fall. Fragen zum nationalen Recht können jedoch kein statthafter Gegenstand des [X.] sein (vgl. [X.], [X.]/A[X.], 3. Auflage, 2018, Art. 267 A[X.], [X.]. 14).

4. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Beschwerdeführer keinen hierauf gerichteten Antrag gestellt hat und die Durchführung einer solchen auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit geboten war (§ 69 Nr. 1 und Nr. 3 [X.]).

Meta

28 W (pat) 67/20

08.03.2021

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 125b Nr 1 MarkenG, § 158 Abs 3 MarkenG, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 43 Abs 1 S 1 MarkenG vom 25.10.1994, § 158 Abs 5 MarkenG, § 125b Nr 4 MarkenG, Art 18 EUV 2017/1001

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.03.2021, Az. 28 W (pat) 67/20 (REWIS RS 2021, 8103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8103

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