Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2013, Az. 3 StR 212/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3635

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 212/13
vom
6.
August 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 2. auf dessen Antrag

am 6.
August 2013 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 10.
April 2013 aufgehoben. Die Fest-stellungen mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffgehalt der eingeführten Betäubungsmittel bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu zwei Gesamtfrei-heitsstrafen verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

1
-
3
-
1. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach
veranlasste der Angeklagten einen anderen jeweils dazu, in die [X.] zu fahren, dort "mindestens 500 Gramm Marihuana" mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils "mindestens 1,5%" THC (Wirkstoff demnach mindestens 7,5 g THC) zu erwerben und nach [X.] einzuführen. Hier entnahmen beide der [X.] jeweils Marihuana zum Eigenverbrauch. Der Rest wurde auf Wei-sung des Angeklagten von dem anderen gewinnbringend verkauft. Damit ist eine Anstiftung zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht belegt, da der zum Eigenverbrauch verwendete Anteil nicht zum gewinnbringenden Verkauf dienen sollte und die zum Handeltreiben bestimmte Menge deshalb unter dem Grenzwert von 7,5 g THC ([X.], Urteil vom 18.
Juli 1984

3 [X.], [X.]St 33, 8) lag.
2. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Es liegt vielmehr nahe, dass in einer erneuten Hauptverhandlung weitere, den bisherigen Schuldspruch tragende
Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des [X.] getroffen werden können, die das [X.] bislang rechtsfehlerhaft nicht getroffen hat.
Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des [X.] werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt. Hierzu bedarf es deshalb konkreter Feststellungen. Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, muss das Tatgericht unter Berücksichtigung der anderen ausreichend sicher festgestellten Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) die Wirkstoffkonzentration

notfalls unter Anwendung des [X.]

durch eine "Schätzung"
festlegen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2011

4 [X.], [X.], 339 mwN). Hierauf darf auch dann nicht verzichtet 2
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4
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4
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werden, wenn das Urteil

wie hier

auf einer Verständigung beruht. Auch in diesen Fällen gilt die aus dem verfassungsrechtlich verankerten [X.] folgende Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen den wahren Sachverhalt

die materielle Wahrheit

zu erforschen (§ 244 Abs.
2 StPO, vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 19.
März 2013

2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, [X.], 1058; [X.], Beschluss vom 15.
April 2013

3 StR 35/13, juris). Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu le-gen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des [X.] beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte

unter Umständen aufgrund einer Verständigung

geständig gezeigt hat. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Rich-tigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stim-mig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt ([X.] aaO Rn.
7 mwN).
Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Das [X.] nimmt ohne weitere Erörterungen einen Mindestwirkstoffgehalt an, der mit 1,5% THC gera-de noch ausreicht, um die Voraussetzungen des §
30 Abs.
1 Nr.
4 BtMG zu erfüllen. Er entfernt sich indes weit von den üblicherweise festzustellenden Wirkstoffgehalten (vgl. dazu [X.], BtMG, 4.
Aufl.,
Einleitung Rn.
146), ohne dass der Sachverhalt dazu einen Anhaltspunkt geben würde. Vielmehr sind die Betäubungsmittel in ihrer Qualität von den Konsumenten erkennbar niemals beanstandet worden.
Die sonstigen Urteilsfeststellungen sind von diesem Aufklärungsmangel nicht betroffen und können daher

mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffge-5
6
-
5
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halt

aufrechterhalten
bleiben. Über die Qualität der Betäubungsmittel muss dagegen erneut verhandelt und entschieden werden.
3. Rechtsfehlerhaft ist das Urteil auch insoweit, als es das [X.] unterlassen hat zu prüfen, ob gegen den Angeklagten die Unterbringung in [X.] (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl die Feststellungen dazu drängten. Danach wollte der Angeklagte mit den Taten "seinen eigenen [X.] finanzieren" (UA S.
10) und "seine Betäubungsmittel-abhängigkeit befriedigen" (UA S.
15). Der Angeklagte ist erst in jüngster [X.]

erkennbar für eine Tat während der Verbüßung einer seiner Vorstrafen

we-gen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bestraft worden. Er ist jetzt "gewillt, eine Drogentherapie zu absolvieren" (UA S.
17).
Danach hätte es der Erörterung bedurft, ob bei dem Angeklagten ein Hang zum Konsum berau-schender Mittel im Übermaß vorliegt und die anderen Voraussetzungen für eine Unterbringung gegeben sind. Auch dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
4. Zuletzt gibt das Urteil Anlass zu folgendem Hinweis:
Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die [X.] des Angeklagten zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe durch das Amtsge-richt [X.] am 11.
Mai 2010 eine Zäsur darstellt. Es hat deshalb

wie sich allerdings erst aus den Urteilsgründen ergibt

wegen drei der hier verfahrens-gegenständlichen, vor der Zäsur liegenden Taten unter Einbeziehung der [X.] eine Gesamtstrafe und hinsichtlich der anderen sechs Taten eine weitere
7
8
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6
-
Gesamtstrafe gebildet. Der neue Tatrichter wird bereits in der [X.] die Anzahl der Taten zum Ausdruck bringen müssen, aus deren Einzel-strafen jeweils die Gesamtstrafen gebildet worden sind.

[X.]

Pfister

Mayer

Gericke
Spaniol

Meta

3 StR 212/13

06.08.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2013, Az. 3 StR 212/13 (REWIS RS 2013, 3635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3635

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