Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.12.2016, Az. 4 AZR 414/14

4. Senat | REWIS RS 2016, 1207

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Gegenstand

Insolvenzforderung - Zulässigkeit der Berufung - Wert des Beschwerdegegenstands - Auslegung einer Bezugnahmeklausel - "Neuvertrag"


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 30. Juli 2013 - 6 [X.] - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des [X.], [X.], vom 18. April 2013 - 4 Ca 548/12 - wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Begründetheit einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung.

2

Die Klägerin ist bei der Schuldnerin und ihrer Rechtsvorgängerin als Krankenschwester beschäftigt. Sie erhielt bei einer monatlichen Arbeitszeit von zuletzt 120 Stunden ein Entgelt [X.]. 1.851,15 Euro brutto.

3

Im Arbeitsvertrag vom 30. September 1992 heißt es ua.:

        

„§ 2   

        

Anwendung von Tarifverträgen

        

Auf das Arbeitsverhältnis finden in der jeweils gültigen Fassung Anwendung:

        

a) der [X.] zwischen dem Bundesverband Deutscher Privatkrankenanstalten e. V. ([X.]) einerseits und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie der [X.] andererseits,

        

b) der Vergütungs- und Lohntarifvertrag zwischen dem [X.] (Landesverband der [X.]) einerseits und der Bezirksverwaltung ………. der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie dem Landesverband ………. der [X.] andererseits.

        

…       

        

§ 6     

        

Vergütung

        

1.    

Fr. M... wird in die Vergütungsgruppe KR IV (§ 4/Anlage 4 des Vergütungstarifvertrages) eingereiht. …“

4

Die Schuldnerin wechselte zum 1. Januar 1994 von einer tarifgebundenen in eine außerordentliche Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung) im [X.] in Bayern e. V. ([X.]), welcher seinerseits Mitglied im [X.] (jetzt [X.]) ist. Seit dem Wechsel in die außerordentliche Mitgliedschaft vergütet die Schuldnerin neu eingetretene Arbeitnehmer nach einem eigenen Regelwerk.

5

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses wurde die vertragliche Arbeitszeit der Klägerin mehrfach geändert. In der [X.] vom 9. Dezember 2003 heißt es ua.:

        

„Die Vertragsparteien stimmen überein, dass der § 7 - Beschäftigungszeit - des am [X.] geschlossenen Arbeitsvertrages gegenstandslos ist und durch den folgenden ersetzt wird.

        

§ 7     

        

Beschäftigungszeit

        

(1) Die Beschäftigungszeit (§ 9 des [X.]es) beginnt am 01.09.2003.

        

Frau B wird auf Ihren eigenen Wunsch mit 100 Stunden monatlich beschäftigt.

        

Weitere Paragraphen des Arbeitsvertrages vom [X.] bleiben unberührt.“

6

Die mit Schreiben vom 3. Januar 2012 geltend gemachten weiter gehenden Zahlungsansprüche auf der Grundlage der „aktuellen [X.]“ wies die Schuldnerin zurück.

7

Mit ihrer am 3. Juli 2012 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Zahlung tariflicher Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von Juli 2011 bis Juni 2012 begehrt. Nachdem das [X.] am 30. Juli 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt hatte, hat die Klägerin den Rechtsstreit gegen den Beklagten wieder aufgenommen und ihre Klage nunmehr auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle umgestellt.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr ursprünglicher Arbeitsvertrag verweise auf die im [X.] geltenden Vergütungs- bzw. Entgelttarifverträge. Ihre in § 6 des Arbeitsvertrags aufgeführte Bruttovergütung habe dem Betrag entsprochen, der ihr nach dem damaligen [X.] zugestanden hätte. Auch seien auf ihr Arbeitsverhältnis tatsächlich die für das [X.] maßgebenden Tarifverträge im Übrigen angewandt worden. Die Bezugnahmeklausel sei nicht mehr als Gleichstellungsabrede zu verstehen, sondern enthalte nach der [X.] vom 9. Dezember 2003 eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf den zwischen der [X.] ([X.]), [X.], und dem [X.] abgeschlossenen Entgelttarifvertrag Nr. 3 ([X.] Nr. 3 [X.]).

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] zur Insolvenztabelle laufende Nr. 194 eine Insolvenzforderung [X.]. 7.304,54 Euro brutto zusteht.

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, die [X.] vom 9. Dezember 2003 sei nur auf Wunsch der Klägerin an die wöchentliche Arbeitszeit angepasst worden. § 2 des ursprünglichen Arbeitsvertrags sei nicht Gegenstand der Vertragsänderung gewesen. Der Satz, nach dem weitere Paragrafen des Arbeitsvertrags unberührt bleiben sollten, sei lediglich floskelhaft aufgenommen worden. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass nach dem 1. Januar 1994 nur Arbeitsverträge ohne [X.] abgeschlossen worden seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, den Wert des Streitgegenstands auf 547,84 Euro festgesetzt und die Berufung nicht zugelassen. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die - von ihm für zulässig gehaltene - Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] war de[X.]alb aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

I. Die Revision ist nicht schon de[X.]alb begründet, weil die Berufung des Beklagten unzulässig gewesen wäre.

1. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung nur zulässig, wenn der Wert des [X.] 600,00 [X.] übersteigt. Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des [X.] glaubhaft zu machen (§ 64 Abs. 5 Halbs. 1 ArbGG).

Das Arbeitsgericht ist unter Zugrundelegung einer geschätzten Quote von [X.] von einem Wert des Streitgegenstands von 547,84 [X.] ausgegangen und hat die Berufung nicht zugelassen. Der Beklagte hat hingegen glaubhaft gemacht, dass der Wert des [X.] 3.652,27 [X.] beträgt.

a) Der Wert einer Klage auf Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle richtet sich nach § 182 [X.]. Danach ist der Betrag maßgebend, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Dieser ist nach gerichtlichem Ermessen zu schätzen (vgl. nur [X.] 5. August 2013 - 1 Ta 217/13 -; [X.] 3. Mai 2012 - 5 Ta 3/12 -; [X.] 1. März 2010 - 1 Ta 16/10 -). Maßgebend ist dabei die Sicht des über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels entscheidenden Berufungsgerichts (vgl. [X.] 16. Mai 2007 - 2 [X.] - Rn. 7; 13. Februar 1984 - 7 AZB 22/83 -).

b) Der Beklagte hat in der Berufungsschrift vorgetragen, laut Bericht des Insolvenzverwalters habe die zu erwartende Quote - anders als vom Arbeitsgericht geschätzt - mindestens [X.] betragen. Diese Angabe hat die Klägerin nicht bestritten.

2. Der Statthaftigkeit der Berufung steht die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nicht entgegen (zur Bindungswirkung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung vgl. [X.] 4. Juni 2008 - 3 [X.] -; 16. Mai 2007 - 2 [X.] - Rn. 6 mwN; grundlegend 2. März 1983 - 5 [X.] - [X.]E 44, 13; kritisch [X.][X.] ArbGG 5. Aufl. § 64 Rn. 9; [X.]/[X.] Stand November 2016 § 64 Rn. 32 ff.). Die Schätzung des Arbeitsgerichts war offensichtlich unzutreffend. Das Arbeitsgericht hat die zu erwartende Quote mangels tatsächlicher Anhaltspunkte unter Heranziehung allgemeiner Erfahrungswerte geschätzt. Das [X.] durfte der Streitwertbemessung demgegenüber die in der Berufungsinstanz von dem Beklagten - erstmals - vorgetragene und von der Klägerin nicht bestrittene Quote von [X.] zugrunde legen. Der danach zutreffende Wert übersteigt 600,00 [X.].

II. Das [X.] hat die Klage in der Sache zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht eine Arbeitsvergütung nach § 611 BGB iVm. §§ 2 und 6 des Arbeitsvertrags vom 30. September 1992 sowie § 2 [X.] Nr. 3 [X.] als Insolvenzforderung iSv. §§ 174 ff. [X.] iHv. 7.304,54 [X.] zu.

1. Nach § 6 iVm. § 2 des Arbeitsvertrags vom 30. September 1992 hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung nach der [X.] 8 Anlage 1 zu § 2 [X.] Nr. 3 [X.] in Höhe des aktuellen [X.]. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel enthält eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf den [X.] Nr. 3 [X.]. Das ergibt deren Auslegung.

a) Der Arbeitsvertrag vom 30. September 1992 ist - ebenso wie die [X.] vom 9. Dezember 2003 - ein Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind (zu den Maßstäben [X.]. nur [X.] 14. Dezember 2011 - 4 [X.] - Rn. 29 mwN). Die Auslegung von typischen Vertragsklauseln ist der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (st. Rspr. des [X.], zB 19. März 2003 - 4 [X.] - zu I 2 a der Gründe, [X.]E 105, 284; 19. Oktober 2004 - 9 [X.] - zu III der Gründe, [X.]E 112, 214). Das gilt auch für dynamische [X.]n ([X.] 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 24, [X.]E 122, 74).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist der [X.] Nr. 3 [X.] von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel erfasst.

aa) Dessen wirksamer Inbezugnahme steht nicht entgegen, dass der [X.] ([X.]) sowie die entsprechende Bezirksverwaltung bzw. der entsprechende [X.] nicht ausdrücklich in der Bezugnahmeklausel genannt werden. Das hat das [X.] zutreffend erkannt. Die Parteien haben in der Revision insoweit auch keine Rüge erhoben.

bb) Die Bezugnahmeklausel umfasst über ihren Wortlaut hinaus auch die Tarifverträge, die der [X.] mit der [X.] [X.], [X.], abgeschlossen hat.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] handelt es sich bei einer Bezugnahmeklausel, die - wie hier - auf bestimmte Tarifverträge „in der jeweils gültigen Fassung“ verweist, regelmäßig um eine sog. kleine dynamische [X.], die sich zumindest auch auf die in Bezug genommenen ändernden Tarifverträge bezieht (vgl. nur [X.] 22. Februar 2012 - 4 [X.] - Rn. 19; 7. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 24).

(2) Der [X.] Nr. 3 [X.] ist ein den ursprünglich in Bezug genommenen Vergütungstarifvertrag ändernder Tarifvertrag. Einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf es de[X.]alb nicht.

(a) Dem steht nicht entgegen, dass nunmehr die [X.] [X.] Tarifvertragspartei ist. Am 1. Juli 2001 verschmolzen fünf [X.]en, darunter die [X.] und die [X.], zur [X.] [X.]. Diese ist dadurch als Tarifvertragspartei an die Stelle der Gründungsgewerkschaften getreten, deren vor der Verschmelzung abgeschlossene Tarifverträge nach § 95 der Satzung für [X.] als Rechtsnachfolger unverändert fortgalten (vgl. dazu [X.] 11. Mai 2005 - 4 [X.]/04 - zu I 2 c der Gründe, [X.]E 114, 332). Die nunmehr von der [X.] [X.] abgeschlossenen Tarifverträge sind danach die ursprünglichen Tarifverträge ändernde Tarifverträge und damit von der Bezugnahmeklausel umfasst.

(b) Der [X.] Nr. 3 [X.] ist auch nicht de[X.]alb ein gänzlich anderes Tarifwerk, weil die Bezugnahmeklausel auf den „Vergütungs- und Lohntarifvertrag“ verweist. Bei den Entgelttarifverträgen handelt es sich lediglich um eine - sprachliche und inhaltliche - Zusammenfassung der Vergütungs- und [X.]. Eine weiter gehende - grundsätzliche - Änderung des bi[X.]erigen Tarifsystems und der bi[X.]erigen Tarifwerke ist mit der Neufassung nicht verbunden gewesen.

c) Entgegen der Auffassung des [X.] handelt es sich bei der Bezugnahmeklausel nicht um eine sog. Gleichstellungsabrede, die eine unbedingte zeitdynamische Verweisung ausschließen könnte.

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die - widerlegbare - Vermutung, es gehe einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Beschäftigten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel sollte lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss seien im Falle der normativen Gebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge [X.] in aller Regel als sog. [X.] auszulegen. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde de[X.]alb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, sie ende also dann, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei (st. Rspr., [X.]. nur [X.] 23. Februar 2011 - 4 [X.] - Rn. 17 f. mwN).

bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche [X.], die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die [X.] lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf [X.] an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind ([X.] 14. Dezember 2005 - 4 [X.] - Rn. 24 ff., [X.]E 116, 326; 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 29 ff., [X.]E 122, 74; bestätigt durch [X.] 26. März 2009 - 1 [X.] - und 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -). Bei Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind („Altverträge“), kommt die Anwendung der früheren [X.] jedoch dann nicht - mehr - zum Tragen, wenn sie nach dem 31. Dezember 2001 geändert worden sind. Dabei kommt es für die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handelt, maßgebend darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist. Nur wenn dies der Fall ist, wird die jeweilige Klausel von der Vertragsänderung erfasst ([X.] 8. Juli 2015 - 4 [X.] - Rn. 26; 24. Februar 2010 - 4 [X.] - Rn. 25 mwN). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende [X.] erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. [X.] 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 49). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „[X.]“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ([X.] 18. November 2009 - 4 [X.] - Rn. 25, [X.]E 132, 261).

cc) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe handelt es sich im Streitfall um einen sog. Neuvertrag.

(1) Entgegen der Auffassung des [X.] haben die Arbeitsvertragsparteien mit dem Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2003 nicht lediglich die Arbeitszeit verändert. Mit der weiteren Formulierung „Weitere Paragraphen des Arbeitsvertrages vom [X.] bleiben unberührt“ haben sie vielmehr deutlich gemacht, dass sie sämtliche vorherigen Vereinbarungen und damit auch die bi[X.]erige Bezugnahmeklausel in ihre rechtsgeschäftliche Willensbildung einbezogen haben.

(2) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Schuldnerin ihre tarifgebundene Mitgliedschaft im [X.] bereits neun Jahre vor der Vertragsänderung beendet hatte. Selbst wenn sich die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in diesem Zeitraum geändert haben sollten, haben die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich die ursprüngliche Vertragsklausel und gerade nicht die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zum Gegenstand ihrer Willensbildung gemacht (anders im Sachverhalt in [X.] 19. Oktober 2011 - 4 AZR 811/09 -).

(3) Ein abweichendes Verständnis der Vertragsklausel im Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2003 ist auch nicht de[X.]alb geboten, weil die Schuldnerin mit den Arbeitnehmern, die nach ihrem Wechsel in eine außerordentliche Verbandsmitgliedschaft in das Unternehmen eingetreten sind, andere Arbeitsvertragsbedingungen vereinbart hat. Selbst wenn die Klägerin hiervon Kenntnis gehabt haben sollte, musste sie die angebotene Vertragsänderung nach dem objektiven [X.] nicht dahin gehend verstehen, dass die Bezugnahmeklausel entgegen dem Wortlaut des Vertragstextes nicht novelliert werden sollte. Vereinbarungen, die der Arbeitgeber mit neu eingetretenen Arbeitnehmern trifft, lassen nicht ohne Weiteres den Schluss zu, die Arbeitgeberin wolle auch im Verhältnis zu den bi[X.]erigen Arbeitnehmern nicht an den vertraglichen Abreden festhalten. Dies gilt umso mehr, wenn sie - wie hier - in einem Zeitpunkt, zu dem sie ihre tarifgebundene Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bereits beendet hatte, einen Änderungsvertrag unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bi[X.]erigen vertraglichen Regelungen schließt und die Gelegenheit gerade nicht dazu nutzt, die Bezugnahmeklausel an die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.

2. Die [X.] stehen der Klägerin unter Zugrundelegung der [X.] des [X.] Nr. 3 [X.] auch der Höhe nach zu. Insoweit hat der Beklagte keine Einwände erhoben. Weiter gehende Ansprüche, die sich für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 aus dem am 12. Dezember 2011 abgeschlossenen [X.] Nr. 4 [X.] ergeben könnten, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

III. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Klose    

        

    Rinck    

        

        

        

    Lippok    

        

    Krüger    

                 

Meta

4 AZR 414/14

07.12.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bamberg, 18. April 2013, Az: 4 Ca 548/12, Urteil

§ 182 InsO, § 611 BGB, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 46 Abs 2 S 1 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.12.2016, Az. 4 AZR 414/14 (REWIS RS 2016, 1207)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1207

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Referenzen
Wird zitiert von

1 Ca 1446/21

10 Sa 125/22

5 Sa 295/17

3 Sa 281/17

4 Ca 3038/18

3 TaBV 79/16

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