Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2011, Az. 2 StR 362/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2459

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]
vom
12.
Oktober 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
besonders schweren Raubes

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12.
Oktober 2011 ge-mäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.]s
[X.] vom 14.
April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s
[X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.]
hat den Angeklagten
wegen schweren Raubes zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben
Jahren und unter Einbeziehung der Einzelstra-fen aus einem Urteil des [X.]s
Essen vom 29.
Mai 2009 zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von neun
Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
1.
Gegenstand
der Verurteilung ist ein Überfall am 16.
Januar 2003 auf ein Juweliergeschäft in [X.], bei dem fünf
zum Teil
mit scharfen Pistolen bewaffnete Täter Schmuck und Uhren im Wert von knapp 100.000
Euro [X.]. Am [X.] ließen die Täter u.a. eine Umhängetasche zurück, an deren 1
2
-
3
-
auf den Tragriemen aufgesetzter Handytasche eine DNA-Spur festgestellt [X.], "die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte"
(UA
9).
2.
Der Angeklagte
hat die Tat bestritten. Für die DNA-Spur auf der [X.] habe er keine Erklärung. Er habe sich 2002/2003 überwiegend im [X.] Raum aufgehalten, sei [X.] im August/September 2002 am [X.]er Hauptbahnhof umgestiegen, jedoch nicht in die [X.] gegangen.
Das [X.]
hält die Beteiligung des Angeklagten
an dem Überfall für erwiesen. Es stützt sich dabei vor allem auf die DNA-Spur auf der [X.]. Der Einlassung des Angeklagten, der das Entstehen der Spur nicht ha-be erklären können und wollen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Nach der "festen Überzeugung der Kammer"
könne der Angeklagte, wäre er nicht am Überfall beteiligt gewesen, das Vorhandensein der Spur durchaus erklären; auf Erinnerungslücken oder auf Nichtwissen könne er sich nicht berufen. Darüber hinaus sprächen weitere Indizien für die Beteiligung des Angeklagten
an dem Überfall. So habe er sich zur fraglichen Zeit nach seiner eigenen Einlassung immerhin in der [X.]er Grenzregion aufgehalten, spreche die [X.] -
nach Zeugenangaben hätten die Täter mit einem [X.] bzw. osteuropäischen Dialekt gesprochen
-
und die Täter hätten insbesondere auch Uhren der Marke "[X.]"
entwendet, die "in [X.] beliebt"
seien. Schließlich sei der Angeklagte
wegen eines gleichartigen Delikts -
Überfall unter Waffeneinsatz auf einen Juwelier
in [X.] im Mai 2003
-
in [X.] zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
3.
Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt
gleicherma-ßen beanstandete Beweiswürdigung
hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine 3
4
5
-
4
-
Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie mög-lich sind ([X.]St 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder
lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte [X.] verstößt ([X.] 4
StR
285/10 vom 28.
Oktober 2010; st. Rspr.).

Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfa-cher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt
die Revision zu Recht, dass das [X.]
zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten
auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein "Gutachten des [X.] vom [X.] in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009"
verweist (UA
11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von [X.] um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsan-forderungen in den Urteilsgründen geringer
sind,
als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist,
und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landge-richts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den [X.] neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung be-durft, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte
als Spurenleger in [X.] kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es re-gelmäßig jedenfalls eines
Seltenheitswertes
im Millionenbereich, um
die Über-zeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Ange-klagten
herrührt ([X.] NStZ 2009, 285).
Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landge-richt
sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten ent-6
7
-
5
-
scheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang verstand sich [X.] von Gegenstand und Ort, an dem die Spur sichergestellt wurde, nicht von selbst. Das [X.] stützt sich dabei entscheidend
auf die Erwägung, dass der Angeklagte
das Vorhandensein der Spur nicht plausibel erklären "konnte
bzw. wollte"
(UA 11). Insoweit kann dahinstehen, ob dies
-
wie der Generalbun-desanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat
-
bereits deshalb als [X.] zu beurteilen ist, weil die im Urteil wiedergegebenen Angaben des Ange-klagten nicht als Teileinlassung, sondern als
pauschales Bestreiten zu werten sind, mithin das [X.] unzulässigerweise aus seinem Schweigen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen hat (vgl. etwa [X.] NStZ 2007, 417; 2009, 705).
Jedenfalls hätte sich das [X.]
mit Rücksicht auf den allenfalls ge-ringen Beweiswert des von ihm für ausschlaggebend
erachteten Umstandes damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit die Spur möglicherweise auf andere Weise als durch
unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall an die Umhängetasche gelangt sein konnte. Dazu hätte es weiterer Feststellungen und Erörterungen im Urteil bedurft. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Schlussfolgerung des [X.]s
auf ei-ner tragfähigen Grundlage beruht, hätte die Kammer -
worauf der Generalbun-desanwalt
zutreffend hinweist
-
etwa mitteilen müssen, um welche Art von [X.] es sich handelt und an welcher Stelle der Tasche diese gesichert wurde. Namentlich die Feststellung des [X.] -
z.B. Fingerspur oder Haar des Angeklagten
-
hätte indiziell dafür sein können, ob die DNA-Spur auf die Anwesenheit des Angeklagten
am [X.] hinweist oder auch ohne Verbin-dung zum Tatgeschehen dorthin gelangt sein konnte. Für die Frage des [X.] zwischen der DNA-Spur und der Tat konnte schließlich von [X.] sein, ob an der Tasche weitere DNA-Spuren von anderen Personen gefunden wurden.
8
-
6
-
4.
Das Urteil beruht auf den erörterten
Lücken bei der Beweiswürdigung. Das [X.]
hat den weiteren von ihm angegebenen Indizien für die Anwe-senheit des Angeklagten zur Tatzeit am [X.], die zudem sämtlich nur einen schwachen Beweiswert besitzen, ausdrücklich nur ergänzende und keine ent-scheidende Bedeutung beigemessen (UA
12).

Fischer

Appl

Schmitt

Krehl

Eschelbach

9

Meta

2 StR 362/11

12.10.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2011, Az. 2 StR 362/11 (REWIS RS 2011, 2459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2459

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