Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.06.2015, Az. 10 AS 2/15

10. Senat | REWIS RS 2015, 9737

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Gegenstand

Rechtsweg - Beschluss ohne Gründe - Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung


Tenor

Das [X.] ist zuständig.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt von dem [X.]eklagten die Zahlung von 2.194,96 Euro aus zwei Rechnungen vom 3. April 2012 und vom 22. Mai 2012 über diverse [X.]aumaterialien, die dieser für sein Eigenheim gekauft haben soll. Zwischen den Parteien bestand bis Ende Mai 2012 ein Arbeitsverhältnis. Durch [X.]eschluss vom 5. Februar 2015 hat das [X.] den Rechtsstreit unter Hinweis auf §§ 13, 17a Abs. 2 [X.] an das [X.] verwiesen. Der [X.]eschluss ist rechtskräftig.

2

Das [X.] hat nach Anhörung der Parteien durch [X.]eschluss vom 24. April 2015 eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt und den Rechtsstreit dem [X.] zur [X.]estimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es hat ausgeführt, der Verweisungsbeschluss sei objektiv willkürlich und daher nicht bindend. Er enthalte keine [X.]egründung und auch aus der Akte ergäben sich keine Anhaltspunkte, die eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen rechtfertigen könnten.

3

II. Die Voraussetzungen für die Durchführung des [X.]estimmungsverfahrens liegen vor.

4

1. Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.], § 48 Abs. 1 ArbGG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Auch ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss, der nicht hätte ergehen dürfen, ist grundsätzlich einer weiteren Überprüfung entzogen. Nur bei krassen Rechtsverletzungen kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen [X.]indungswirkung ausnahmsweise in [X.]etracht. In diesen Fällen wird das zuständige Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bestimmt, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist ([X.] 12. Juli 2006 - 5 [X.]/06 - Rn. 5 f. mwN). Erforderlich ist, dass es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die [X.]indungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der infrage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder dass die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, der Rechtsstreit werde von diesem nicht prozessordnungsgemäß betrieben, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 [X.] vor ihm anhängig ist. Die Zuständigkeitsbestimmung erfolgt durch denjenigen obersten Gerichtshof des [X.], der zuerst darum angegangen wird.

5

2. Das für die weitere Sachbehandlung zuständige Gericht ist das [X.]. Der Verweisungsbeschluss vom 5. Februar 2015 ist für das [X.] nicht bindend. Der [X.]eschluss ist wegen einer krassen Rechtsverletzung offensichtlich unhaltbar. Die Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] führt zu einer nicht mehr hinnehmbaren Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand [X.] entzogen werden darf.

6

a) Das [X.] hat zwingendes Verfahrensrecht verletzt, weil es den Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 [X.] nicht mit einer [X.]egründung versehen hat. Die Gründe des [X.]eschlusses beschränken sich auf die Angabe der §§ 13, 17a Abs. 2 [X.]. Dies genügt ersichtlich nicht (vgl. [X.]SG 18. Juli 2012 - [X.] 12 SF 5/12 S - Rn. 7). Auch wenn die fehlende [X.]egründung des [X.]eschlusses nicht zur Nichtigkeit dieser Entscheidung führt ([X.] 31. August 2010 - 3 [X.] - Rn. 12), liegt doch bereits in dieser groben Missachtung der nicht zur Disposition des einzelnen Richters stehenden [X.]egründungspflicht nach § 17a Abs. 4 Satz 2 [X.] regelmäßig eine krasse Rechtsverletzung, welche die Durchbrechung der gesetzlichen [X.]indungswirkung ausnahmsweise rechtfertigt. Die [X.] geben Aufschluss über die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, auf denen der Verweisungsbeschluss beruht. Sie sind damit notwendiger Ausgangspunkt für die [X.]eantwortung der Frage, ob sich das verweisende Gericht bei seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise dann gelten, wenn dem Akteninhalt mit ausreichender Sicherheit und für die [X.]eteiligten erkennbar entnommen werden kann, dass die Verweisung nicht auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. [X.]SG 18. Juli 2012 - [X.] 12 [X.] - aaO).

7

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Verweisungsbeschluss des [X.] offensichtlich unhaltbar. Aus den darin angegebenen §§ 13, 17a [X.] erschließt sich die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten nicht einmal ansatzweise. Auch dem Akteninhalt kann nicht mit ausreichender Sicherheit entnommen werden, dass die Verweisung nicht auf sachfremden Erwägungen beruht. Das [X.] hat den Verweisungsbeschluss zwar erst gefasst, nachdem die Klägerin - ohne jede [X.]egründung - mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2014 die Verweisung an das [X.] beantragt und der [X.]eklagte mit Schriftsatz vom 22. Januar 2015 mitgeteilt hatte, dagegen bestünden keine Einwände. Der Akteninhalt gibt jedoch keinerlei Aufschluss darüber, welche sachlichen und rechtlichen [X.]eweggründe das [X.] zu seiner [X.]eschlussfassung veranlasst haben.

8

c) Das [X.] ist daher an den Verweisungsbeschluss nicht gebunden. Das für die weitere Sachbehandlung zuständige Gericht ist das [X.]. Dieses hat den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] unter allen in [X.]etracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    [X.]rune    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

10 AS 2/15

16.06.2015

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend ArbG Nürnberg, 24. April 2015, Az: 15 Ca 1417/15, Beschluss

§ 48 Abs 1 ArbGG, § 17a Abs 2 S 1 GVG, § 17a Abs 2 S 3 GVG, § 17a Abs 4 S 2 GVG, § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.06.2015, Az. 10 AS 2/15 (REWIS RS 2015, 9737)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2523 REWIS RS 2015, 9737


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 10 AS 2/15

Bundesarbeitsgericht, 10 AS 2/15, 16.06.2015.


Az. 15 Ca 1417/15

ArbG Nürnberg, 15 Ca 1417/15, 24.04.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 AV 6/21 (Bundesverwaltungsgericht)

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Referenzen
Wird zitiert von

6 AV 6/21

7 Ca 582/18

1 SHa 22/18

7 Ca 2973/16

2 Ta 667/17

12 Ta 601/17

3 AV 1/21

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