Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2002, Az. IX ZR 66/99

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1414

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:26. September [X.] dem [X.]:[X.]: neinKO § 30 Nr. 2Zu den Anforderungen an die Widerlegung der vermuteten Selbstbegünstigungsab-sicht eines [X.]es, dessen Finanzamt in der Krise ein [X.]guthaben des [X.], sowie der vermuteten Begünstigungsabsicht des Ge-meinschuldners und ihrer Kenntnis, wenn die [X.] dem Gemeinschuldner nach [X.] erlaubt, den geschuldeten Betrag an das Finanzamt zu überweisen.[X.], [X.]eil vom 26. September 2002 - [X.] - [X.] 2 -Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 26. September 2002 durch [X.] Kreft und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des [X.] Oberlandesgerichts Celle vom 1. Juli 1998 aufgehoben.Die Berufung des Beklagten gegen das [X.]eil der [X.] vom 30. Mai 1997 wird zurückgewiesen.Die Kosten der Rechtsmittelzüge werden dem Beklagten auferlegt.Von Rechts [X.]:Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der [X.] (fortan: Gemeinschuldnerin). Diese hatte gegenüberdem beklagten [X.] Steuerschulden. Am 31. Mai 1995 stellte das [X.](im folgenden: Finanzamt) gegen die Gemeinschuldnerin Konkursantrag.Diesen Antrag nahm das Finanzamt etwa einen Monat später wieder zurück,nachdem der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin in seiner Anhörung vordem Konkursgericht geltend gemacht hatte, auf die erheblich höhere Forderungdes Finanzamts einen Abschlag in Höhe von 6.000 DM gezahlt zu haben. Am6. September 1995 stellt das Finanzamt wegen Zahlungsunfähigkeit der [X.] 3 -meinschuldnerin erneut Konkursantrag und machte Steuerschulden in [X.] 27.465,05 DM geltend. Am 21. Dezember 1995 ordnete das Konkursgerichtdie [X.] des Vermögens der Gemeinschuldnerin an. Am [X.] 1995 wurde dem Konto der Gemeinschuldnerin bei der [X.]bank (im folgenden: [X.]) ein Betrag von 104.841,67 [X.]. Am 2. Januar 1996 sprach der Geschäftsführer der [X.] beim Finanzamt vor und machte geltend, daß er Zahlungseingänge er-warte; er unterzeichnete einen auf den 8. Januar 1996 vordatierten Scheck über62.940,42 DM. Daraufhin nahm das Finanzamt am 4. Januar 1996 den [X.] zurück. Der Scheck wurde von der [X.] im Ergebnis nicht eingelöst.Am 22. Januar 1996 hob das Konkursgericht die [X.] auf. Am [X.] erließ das Finanzamt wegen rückständiger Steuerforderungen in Höhe von65.870,11 DM eine der [X.] am 23. Januar 1996 zugestellte Pfändungs- [X.], mit der das Konto der Gemeinschuldnerin [X.]. Im [X.]punkt der Zustellung wies es ein Guthaben von 112.692,23 [X.]. Dies teilte die [X.] dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin am [X.] Tage mit und gab ihm Gelegenheit, den vom Finanzamt verlangten [X.] dieses zu überweisen. Der Geschäftsführer unterzeichnete daraufhin einenentsprechenden Überweisungsauftrag. Diesen führte die [X.] am 25. [X.] aus. Am 15. Februar 1996 wurde das Konkursverfahren auf den am6. November 1995 gestellten Antrag des Gläubigers [X.] hin eröffnet. [X.] Bericht vom 30. April 1996 schätzte der Kläger die Konkursforderungenauf 291.000 [X.] Kläger verlangt von dem beklagten [X.] aus dem Gesichtspunkt [X.] Zahlung von 65.870,11 DM nebst Zinsen. Das [X.]gerichthat der Klage bis auf einen Teil des [X.] stattgegeben. Das [X.] -fungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger [X.] des landgerichtlichen [X.]eils.Entscheidungsgründe:Die Revision ist begründet.[X.] Berufungsgericht hat gemeint, der Beklagte habe bewiesen, daß erweder vom Konkursantrag des Gläubigers [X.]noch von einer Zahlungsein-stellung der Gemeinschuldnerin gewußt habe. Das Finanzamt habe aus derAufhebung der [X.] den Schluß ziehen müssen, daß die Gemein-schuldnerin weder überschuldet noch zahlungsunfähig sei und sich keine [X.] zur Eröffnung eines Konkursverfahrens ergeben habe. Eine An-fechtung nach § 30 Nr. 2 KO scheitere daher ebenso wie eine Anfechtung nach§ 30 Nr. 1 KO.I[X.] Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein Anfech-tungsanspruch des [X.] nach § 30 Nr. 2 KO läßt sich mit der Begründungdes Berufungsgerichts nicht ablehnen.- 5 -Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht davon auszu-gehen, daß die Pfändungs- und Überweisungsverfügung dem Beklagten einrechtsbeständiges Absonderungsrecht an dem gepfändeten Guthaben vermit-telte. Die Verfügung erfolgte nach dem von dem Gläubiger [X.] gestelltenAntrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens. Das dadurch erwirkte [X.] war inkongruent (vgl. [X.]Z 136, 309, 311 ff; [X.], [X.]. v. 11. [X.] - [X.], NJW 2002, 2568). Gemäß § 30 Nr. 2 KO sind Rechts-handlungen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des [X.] und dem [X.] eine inkongruente Sicherung gewähren, an-fechtbar, sofern er nicht beweist, daß ihm zur [X.] der Handlung weder [X.] und der Eröffnungsantrag noch eine Absicht des [X.], ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, bekannt war. [X.] hat lediglich als bewiesen angesehen, daß das Finanzamt desbeklagten [X.]es die Zahlungseinstellung und den Eröffnungsantrag des Gläu-bigers [X.] nicht kannte. Daß ihm auch eine Begünstigungsabsicht der Ge-meinschuldnerin nicht bekannt war, hat es nicht festgestellt. Freilich fehlen [X.] für die Annahme, daß die Gemeinschuldnerin an der [X.] des beklagten [X.]es beteiligt war. Indessen istes bei einer durch Zwangsvollstreckung erlangten Deckung in einem solchenFall nach Sinn und Zweck des Gesetzes geboten, nicht auf die Absicht [X.], sondern auf diejenige dessen abzustellen, der die Masseverkürzt hat, hier also auf die Absicht des beklagten [X.]es. Deshalb ist nachder Rechtsprechung des [X.] in den Fällen, in denen ein Gläu-biger nach der Zahlungseinstellung oder nach einem Antrag auf Eröffnung [X.] im Wege der Zwangsvollstreckung eine inkongruente Dek-kung erlangt, die subjektive Anfechtungsvoraussetzung einer Kenntnis von [X.] des Gemeinschuldners nur dann nicht gegeben, wennder Gläubiger im [X.]punkt des Wirksamwerdens der angefochtenen [X.] 6 -handlung der Überzeugung war, das Vermögen des [X.] vollen Befriedigung aller seiner Gläubiger aus oder der Gemeinschuldnerwerde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer [X.] erhalten ([X.]Z 128,196, 203; [X.], [X.]. v. 21. März 2000 - [X.], [X.], 898). Zu [X.] dieser sogenannten Selbstbegünstigungsabsicht (vgl. [X.]/K.Schmidt, [X.] 17. Aufl. § 30 KO Anm. 21) verhält sich das Beru-fungsurteil nicht. Schon deshalb kann es keinen Bestand haben.II[X.] Berufungsurteil ist mithin aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). [X.], der die Parteien auf den Gesichtspunkt der Begünstigungsabsicht aus-drücklich hingewiesen hat, kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zurEndentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.).1. Der Beklagte kann nicht nachweisen, daß er (das Finanzamt) zur [X.]der Zustellung der Pfändungs- und [X.] am 23. Januar 1996der sicheren Überzeugung war, das Vermögen der Gemeinschuldnerin [X.] vollen Befriedigung aller ihrer Gläubiger aus oder die Gemeinschuldnerinwerde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer [X.] erhalten.a) Der Beklagte hat behauptet, das Finanzamt sei von [X.] ausgegangen. Unbestritten hat er vorgetragen, daß die [X.] gegenüber dem Finanzamt mehrfach nicht eingehalten habe.Vollstreckungsversuche des Vollziehungsbeamten des Finanzamts seien ohneErgebnis geblieben. Der ein halbes Jahr vor der Zahlung gestellte erste [X.] des Finanzamts habe nicht zu einer vollständigen Befriedigung ge-- 7 -führt, sondern nur zu einer Teilzahlung; die Zahlungszusagen aus jenem [X.] habe die Gemeinschuldnerin ebenfalls nicht eingehalten. Er [X.] Kenntnis von den innerbetrieblichen Verhältnissen der Gemeinschuldne-rin gehabt. Eine Betriebsprüfung sei nicht erfolgt. Steuererklärungen seien [X.] verzögert worden. Die letzte habe die Gemeinschuldnerin für 1992 ab-gegeben. Ihre Ankündigung vom 2. Januar 1996, in Zukunft ihre [X.] wieder von einem Steuerberater fertigen zu lassen, habe sich nachRückfrage bei dem von der Gemeinschuldnerin benannten Steuerberater alsunrichtig erwiesen. Die fälligen Steuerschulden seien von höchstens 22.000 [X.], 27.465,05 DM im September 1995 und 62.940,42 DM zum [X.] auf schließlich 65.870,11 DM gestiegen.Aufgrund dieser Umstände ist nicht davon auszugehen, daß es an dergemäß § 30 Nr. 2 KO zu vermutenden Selbstbegünstigungsabsicht des [X.] fehlte. Das Finanzamt mußte vielmehr nach der Lebenserfahrung davonausgehen, daß die Gemeinschuldnerin als gewerbliches Unternehmen nebenden Steuerschulden weitere Schulden gegenüber anderen Gläubigern hatte. [X.] die offenen Steuerforderungen kontinuierlich angestiegen waren, [X.] Gemeinschuldnerin Teilzahlungen geleistet und das Finanzamt mit Voll-streckungsmaßnahmen und zwei Konkursanträgen innerhalb von weniger alsfünf Monaten erheblichen Druck ausgeübt hatte, hätte dieses allenfalls dann derÜberzeugung gewesen sein können, die Gemeinschuldnerin werde in der [X.], alle ihre Gläubiger zu befriedigen, wenn es Einblick in die Verhältnisse [X.] gehabt hätte (vgl. hierzu [X.], [X.]. v. 15. Dezember 1994- IX ZR 24/94, NJW 1995, 1090, 1093, insoweit in [X.]Z 128, 196 ff nicht ab-gedruckt). Dies traf nicht zu. Deshalb konnte der Beklagte nicht ausschließen,daß die Gemeinschuldnerin zur vollen Befriedigung ihrer sämtlichen Gläubigernicht in der Lage [X.] 8 -b) An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn das Finanzamt die Be-hauptung der Gemeinschuldnerin vom 2. Januar 1996, sie sei nicht zahlungs-unfähig und erwarte weitere Zahlungseingänge, geglaubt haben sollte. [X.] ließ nicht den Schluß zu, die Gemeinschuldnerin sei in der Lage, sämtli-che Gläubiger zu befriedigen. Daß das Finanzamt aus Äußerungen des [X.]und seiner Mitarbeiter geschlossen haben will, die Gemeinschuldnerin sei nichtkonkursreif gewesen, steht der Annahme, das Finanzamt habe keinen genü-genden Überblick über die wirtschaftliche Gesamtsituation der [X.] gehabt, ebenfalls nicht entgegen. Schließlich vermag ein bloßer durch [X.] des [X.] als Sequester im Dezember 1995 vermittelter "[X.] Krise der Gemeinschuldnerin sei behoben, vor dem Hintergrund der [X.] des Finanzamts eine feste Überzeugung des Beklagten, die Ge-meinschuldnerin könne ihre Verbindlichkeiten vollständig erfüllen, nicht zu [X.] Die durch die Überweisung der Gemeinschuldnerin bewirkte Erfüllungder Steuerforderungen ist ebenfalls nach § 30 Nr. 2 KO anfechtbar. Denn sieerfolgte im Rahmen der von dem Beklagten ergriffenen Zwangsvollstreckungs-maßnahmen. Dies ergibt sich aus der Aussage der Zeugin T. vor dem [X.]gericht. Danach hatte die [X.] die Gemeinschuldnerin über [X.] und [X.] unterrichtet und ihr Gelegenheit gege-ben, die Überweisung selbst vorzunehmen, weil die [X.] 14 Tage [X.] gehabthätte, ihrer Verpflichtung aus der Verfügung nachzukommen. Eine in der [X.] zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehendenZwangsvollstreckung ist inkongruent ([X.]Z 136, 309, 312 ff; [X.], [X.]. v.7. Februar 2002 - [X.], NJW 2002, 1574, 1576; v. 11. April 2002- [X.], NJW 2002, 2568, 2569). Eine Inkongruenz ist erst recht zu be-- 9 -jahen, wenn die Befriedigung - wie im Streitfall - im Rahmen einer bereits [X.] Zwangsvollstreckung in ein [X.]konto in der Weise erfolgt, daß die[X.] dem Kontoinhaber gestattet, von dem gepfändeten Konto eine Überwei-sung an den Pfändungsgläubiger vorzunehmen.Der Beklagte ist nicht in der Lage, die Vermutung, die Gemeinschuldne-rin habe mit [X.] gehandelt und der Beklagte habediese Absicht gekannt, zu widerlegen. Aufgrund der unstreitigen Umstände istauszuschließen, daß die Gemeinschuldnerin bei der Ausführung des [X.] der sicheren Überzeugung war, ihr Vermögen reiche zur voll-ständigen Befriedigung aller ihrer Gläubiger aus oder sie werde die dafür erfor-derlichen Mittel in absehbarer [X.] erhalten (vgl. [X.]Z 128, 196, 202; [X.],[X.]. v. 26. Juni 1997 - [X.], [X.], 1509, 1510). Daß das Finanz-amt die danach anzunehmende Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerinnicht gekannt hätte, kann der Beklagte nicht beweisen. Aufgrund der dem Fi-nanzamt bekannten Umstände konnte dieses nicht von einer hinreichend siche-ren Aussicht der Gemeinschuldnerin ausgehen, alle ihre Gläubiger in absehba-rer [X.] befriedigen zu können. Insoweit gelten ähnliche Erwägungen wie [X.], 1.KreftGanter[X.][X.]Bergmann

Meta

IX ZR 66/99

26.09.2002

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2002, Az. IX ZR 66/99 (REWIS RS 2002, 1414)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1414

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