Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.08.2017, Az. 4 StR 202/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6963

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Anforderungen an eine Verfahrensrüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht durch die nach Zurückverweisung neubefasste Strafkammer


Tenor

1. Die Revision der Nebenklägerin [X.]     gegen das Urteil des [X.] vom 20. September 2016 wird als unbegründet verworfen.

2. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des vorbezeichneten Urteils wird als unzulässig verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (in gleichartiger Idealkonkurrenz zum Nachteil der [X.]    und B.    [X.]    ) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet; von einem weiteren Tatvorwurf war der Angeklagte freigesprochen worden. Auf die Revision der Nebenklägerin [X.]     hatte der Senat dieses Urteil auf eine Verfahrensrüge hin durch Urteil vom 30. Juli 2015 aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden war. Das [X.] hat den Angeklagten nunmehr wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 15. Juli 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und wiederum Maßnahmen nach den §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin [X.]  hat der Senat mit Beschluss vom 14. Juli 2017 verworfen. Die Nebenklägerin [X.]    erhebt mit ihrer Revision eine Verfahrensrüge sowie sachlich-rechtliche Beanstandungen. Das vom [X.] hinsichtlich der Verfahrensrüge vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s begaben sich mehrere Mitglieder der [X.]    am Nachmittag des 11. November 2013 zu Fuß auf den Weg zu einer Rechtsanwaltskanzlei, nachdem es bereits am 9. und am 10. November 2013 zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der Familien [X.]     und [X.]    gekommen war, deren Ausgangspunkt ein Ehestreit des Angeklagten mit seiner damals getrennt von ihm lebenden Frau [X.].  , geborene [X.]    , war. Beim Vorbeigehen an einem von Mitgliedern der Familie [X.]   geführten [X.] kam es erneut zu einer verbalen und dann auch körperlichen Auseinandersetzung zwischen den anwesenden Mitgliedern der Familien [X.]    und [X.]    . Nachdem die Kontrahenten von Passanten getrennt worden waren, setzten [X.].    [X.]   , geborene [X.]     , ihre Mutter [X.]     und ihre Schwester Z.       [X.]    den Weg fort. Der Angeklagte, der von seiner Schwester telefonisch herbeigerufen worden war, erschien mit seinem Fahrzeug und entdeckte die Frauen auf dem Bürgersteig. Er bremste sein Fahrzeug ab, manövrierte es auf den Bürgersteig, beschleunigte wieder und fuhr mit Verletzungsabsicht auf die Nebenklägerin [X.]  zu, über deren Verhalten bei den früheren Auseinandersetzungen er sich geärgert hatte. Er erfasste [X.]    im Bereich der Hüfte mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 bis 15 km/h, woraufhin sie zu Boden stürzte. Die [X.] konnte weder feststellen, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, noch dass die Nebenklägerin [X.]    , die sich in der Hauptverhandlung auf ihr [X.]ugnisverweigerungsrecht berufen hat, ebenfalls von dem Pkw des Angeklagten erfasst wurde.

II.

3

Die Revision der Nebenklägerin [X.]     ist unbegründet.

4

1. Die Auffassung der Revision, die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]    sei rechtskräftig festgestellt, trifft aus den Gründen der Antragsschrift des [X.]s vom 23. Mai 2017 nicht zu.

5

2. Die Verfahrensrüge, mit der die Nebenklägerin die Verletzung der Aufklärungspflicht beanstandet, weil das Gericht nicht „die Mitglieder der [X.]. [X.] und die übrigen Beteiligten“ zu der Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang zeugenschaftlich vernommen hat, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] und ist damit unzulässig. Die Nebenklägerin hatte in der jetzigen Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht gemäß § 52 [X.] Gebrauch gemacht, sich jedoch mit der Verwertung ihrer früheren Aussagen einverstanden erklärt.

6

a) Es wird zum einen nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behauptet, welche Angaben die genannten [X.]ugen in Bezug auf die Aussage der Nebenklägerin in der ersten Hauptverhandlung gemacht hätten (vgl. [X.], Urteile vom 23. August 1988 – 5 [X.], [X.]R [X.] § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1 und vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 223/15, [X.], 721, 723). Die Revision hat zur Begründung der [X.] lediglich das gesamte Urteil des ersten Rechtsdurchgangs wörtlich wiedergegeben und diejenigen Urteilspassagen, die die Nebenklägerin betreffen, in Fettdruck gesetzt. Was genau die [X.]ugen zur Aussage der [X.]    bekunden sollten, bleibt danach unklar. Die Revision trägt dazu im Übrigen nur vor: „Die Vernehmung der am Urteil und der Hauptverhandlung Beteiligten hätte es dem [X.] ermöglicht, zu der Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]     Feststellung zu treffen“ (Revisionsbegründung S. 23). Es fehlt überdies an der Behauptung eines bestimmten Beweisergebnisses, weil lediglich vorgetragen wird, dass „nicht von vornherein auszuschließen“ sei, dass das Gericht nach der Beweiserhebung den Angeklagten auch wegen einer Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]    verurteilt hätte (Revisionsbegründung S. 24).

7

b) Die [X.] ist aber auch deshalb nicht ordnungsgemäß erhoben, weil das Beweismittel nicht hinreichend genau bezeichnet ist. „Die Mitglieder der [X.]. Großen [X.] des [X.]s Essen“ werden nicht namentlich benannt. Soweit das Unterlassen der Vernehmung „der weiteren Beteiligten“ an Hauptverhandlung und Urteil beanstandet wird, ist der Antrag vollends unbestimmt.

8

c) Die Revision legt schließlich auch nicht dar, weshalb sich die Beweiserhebung dem neuen Tatrichter aufdrängte. Angesichts des Umstandes, dass die den verschiedenen Familien angehörigen [X.]ugen jeweils deutliche Be- bzw. Entlastungstendenzen zeigten – wobei der Ehemann der Nebenklägerin sich nicht an irgendwelche Verletzungen erinnern konnte – und neutrale [X.]ugen, die den Vorfall gesehen hatten, ein Anfahren der Nebenklägerin B.    [X.]    nicht bestätigt haben ([X.]), wären Ausführungen hierzu erforderlich gewesen. Hinzu kommt, dass die Berichterstatterin des ersten [X.] – [X.] M. –, in der Hauptverhandlung als [X.]ugin gehört wurde. Ob diese [X.]ugin auch zu den Angaben der Nebenklägerin in der früheren Hauptverhandlung befragt wurde, teilt die Revision nicht mit.

9

3. Soweit die Revision mit [X.] die Beweiswürdigung angreift (Revisionsbegründung S. 24 ff.), ist eine weitere Verfahrensrüge nicht zulässig erhoben. Ob die Hauptverhandlung zu den von der Revision behaupteten [X.] geführt hat, kann ohne eine – unzulässige (vgl. [X.]/[X.], [X.], 60. Aufl., § 261 Rn. 38a mwN) – Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden. Die auf die Sachrüge veranlasste revisionsrechtliche Prüfung der Nichtverurteilung des Angeklagten wegen einer gefährlichen Körperverletzung oder gar eines versuchten Tötungsdelikts zu Lasten der Nebenklägerin [X.]    zeigt keinen Rechtsfehler auf.

4. Soweit in der Revisionsbegründung ausdrücklich auch die Kostenentscheidung angefochten wird, hat der Senat das Rechtsmittel als - insoweit ausschließlich statthafte - sofortige Beschwerde zu behandeln (§ 464 Abs. 3 [X.]). Diese ist wegen Versäumung der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 [X.] unzulässig.

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Cierniak

      

Bender     

      

Feilcke     

      

Meta

4 StR 202/17

03.08.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 20. September 2016, Az: 22 Ks 22/15

§ 244 Abs 2 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.08.2017, Az. 4 StR 202/17 (REWIS RS 2017, 6963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6963

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