Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2023, Az. 2 StR 338/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 7856

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Gegenstand

Strafverurteilung wegen versuchten Betrugs u.a.: Irrtumserregung gegenüber einer Person bei Online-Bestellungen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2023

a) aufgehoben

aa) im Schuldspruch hinsichtlich der Fälle [X.], 22 – 25, 27 – 47 der Urteilsgründe,

bb) im [X.] sowie

cc) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit er über einen Betrag von 7.898,30 € hinausgeht,

b) hinsichtlich der verbleibenden Fälle im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Betrugs in 14 Fällen, des versuchten Betrugs in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, der falschen Verdächtigung in zwei Fällen, der Fälschung beweiserheblicher Daten in zwei Fällen und der Beleidigung in drei Fällen schuldig ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in 48 Fällen, wobei er in 47 Fällen gewerbsmäßig handelte, es in sieben dieser Fälle beim Versuch blieb und er in einem dieser Fälle tateinheitlich eine Urkundenfälschung beging, wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen, Fälschung erheblicher Daten in zwei Fällen, Beleidigung in drei Fällen sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine [X.] getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2

Der Schuldspruch hält nur teilweise rechtlicher Nachprüfung stand.

3

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung im [X.] 2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4

Nach den Feststellungen des [X.]s teilte der Angeklagte am 15. Februar 2020 einem Rechtsanwalt, der mit der Durchsetzung von Ansprüchen gegen ihn beauftragt war, telefonisch auf dem Anrufbeantworter in dessen Büro mit: „Der nächste Bote, der hier auf meinem Grundstück steht, fährt mit dem Krankenwagen weg. Das verspreche ich Ihnen...Du Wichser!“.

5

Nach dem zur Tatzeit geltenden § 241 Abs. 1 StGB machte sich wegen Bedrohung nur strafbar, wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht. Zwar kann dem Telefonanruf ohne Weiteres die Androhung einer rechtswidrigen Tat gegen die körperliche Unversehrtheit entnommen werden, was für die Verwirklichung des § 241 Abs. 1 StGB nach der seit 3. April 2021 geltenden Neufassung ausreichend wäre. Darin aber eine Drohung mit einem Verbrechen zu sehen, liegt, jedenfalls ohne nähere Erläuterung, fern. Vielmehr liegt in dem Vorgehen des Angeklagten eine (versuchte) Nötigung des Rechtsanwalts, diesen von der Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn abzubringen. Der [X.] kann mit Blick auf § 265 Abs. 1 StPO den Schuldspruch nicht selbst umstellen und hebt ihn deshalb auf. Die Feststellungen können bestehen bleiben, sie sind von dem Rechtsfehler nicht berührt.

6

2. Auch der Schuldspruch wegen Betrugs bzw. versuchten Betrugs in den Fällen [X.] – 25, 27 – 47 der Urteilsgründe weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

7

a) Nach den Feststellungen des [X.]s bestellte der Angeklagte in diesen Fällen in der [X.] vom 7. Oktober 2021 bis 20. November 2021, zum Teil unter eigenem Namen, zum Teil unter fiktiven Namen, über das [X.] in verschiedenen Online-Shops Waren, die ihm größtenteils auch geliefert wurden. Warum einzelne Bestellungen nicht ausgeliefert wurden, lässt sich – mit Ausnahme von [X.] 26 der Urteilsgründe, in dem dies eine Bonitätsprüfung verhinderte – den Urteilsgründen nicht entnehmen. Der Angeklagte hatte zu keinem [X.]punkt vor, die bestellte Ware zu bezahlen.

8

b) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen (versuchen) Betruges nicht. Das [X.] hat zwar festgestellt, dass der Angeklagte teilweise über die Person des Bestellers und in allen Fällen über seine Zahlungsbereitschaft getäuscht hat. Ob dies aber zu einem entsprechenden Irrtum einer mit der Abwicklung der Bestellung in den Online-Shops betrauten Person geführt hat oder lediglich ein Datenverarbeitungsvorgang ausgelöst worden ist, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht, auch nicht im Gesamtzusammenhang, entnehmen.

9

Da sich weitere Feststellungen hierzu treffen lassen, kommt eine grundsätzlich in Betracht zu ziehende Wahlfeststellung zwischen Betrug und Computerbetrug (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2008 – 4 [X.], [X.], 1394; Beschluss vom 31. Januar 2019 – 4 StR 471/18) nicht in Betracht. Der [X.] hebt deshalb den Schuldspruch in den genannten Fällen auf.

c) Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] für den Fall, dass die Abwicklung der Bestellvorgänge automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person erfolgt sein sollte, darauf hin, dass insbesondere bei einer Buchung unter „eigenem Namen“ genauere Feststellungen zu Zahlungs- und Bestellmodalitäten und zum Vorliegen eines konkreten vermögensrelevanten [X.] zu treffen sind (vgl. [X.]St 47, 160 (163) = NJW 2002, 905; [X.], Beschluss vom 12. Oktober 2022 – 4 [X.], [X.], 161 f.). Sollten die Bestellungen von natürlichen Personen bearbeitet worden sein, ist festzustellen, ob und gegebenenfalls welche irrigen Vorstellungen die Personen hatten, die die Verfügungen getroffen haben (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 [X.], [X.], 644). Für die konkurrenzrechtliche Bewertung ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass bei einem zeitlichen Zusammenhang von mehreren am selben Tag vorgenommenen Bestellungen die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2023 – 2 StR 98/23 mwN). Zudem ist in den Fällen, in denen der Angeklagte an verschiedenen Tagen bei demselben Onlineanbieter bestellt hat, in den Blick zu nehmen, ob es dabei zu einer mehrfachen Nutzung eines Kundenkontos mit dort gespeicherten unrichtigen beweiserheblichen Daten gekommen ist (vgl. [X.] aaO; [X.], Beschluss vom 6. April 2021 – 1 StR 67/21, NStZ-RR 2014, 214) oder ob es sich jeweils um bloße Einzelbestellungen ohne Rückgriff auf ein vorhandenes Konto gehandelt hat.

3. Hinsichtlich der im Übrigen vom Angeklagten verwirklichten, rechtsfehlerfrei festgestellten Straftaten war der Schuldspruch entsprechend dem Antrag des [X.] abzuändern. Dem [X.] ist bei der Abfassung der Urteilsformel – wie es bereits in den Urteilsgründen dargelegt ist – ein Zählfehler bei den Betrugstaten unterlaufen, den der [X.] in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO berichtigen konnte. Zudem hatte die Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung (als bloßes Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betrugs) im Tenor zu entfallen.

II.

Die (teilweise) Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem [X.] seine Grundlage. Im Übrigen hat die Überprüfung des Strafausspruchs Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.

III.

Soweit der Schuldspruch in den Fällen [X.], 22 – 25, 27 – 47 der Urteilsgründe aufgehoben worden ist, führt dies auch zur Aufhebung der Entscheidung über die Einziehung des Wertes von in diesen Fällen erlangten Taterträgen. Die [X.] hat deshalb nur Bestand, soweit sie hinsichtlich des in den Fällen [X.], 4 und 8 – 19 [X.] einen Betrag von 7.898,30 € erfasst.

Krehl     

  

Eschelbach     

  

Ri[X.] [X.] ist an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

  

  

  

  

Krehl

  

Schmidt     

  

Lutz     

  

Meta

2 StR 338/23

24.10.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 3. Mai 2023, Az: 21 KLs 2/23

§ 263 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2023, Az. 2 StR 338/23 (REWIS RS 2023, 7856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7856

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 67/21

2 StR 98/23

2 StR 658/13

4 StR 134/22

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