Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.12.2022, Az. 5 StR 155/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2022, 8380

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Tenor

1. Die Revision des Angeklagten [X.]     gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021 wird mit der Maßgabe verworfen, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 18.154,48 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

2. Auf die Revision der Angeklagten [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 19 Fällen sowie des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges schuldig ist,

b) dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 54.731,73 Euro gegen die Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

3. Auf die Revision des Angeklagten [X.]     gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021 wird

a) das Verfahren in den Fällen [X.] bis 123 der Urteilsgründe eingestellt, soweit es ihn betrifft; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 30 Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen schuldig ist,

[X.]) dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 54.035,70 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

4. Auf die Revision der Angeklagten [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 21 Fällen schuldig ist,

b) dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 28.688,58 Euro gegen die Angeklagte die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

5. Dem Angeklagten [X.]    wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Anbringung der Verfahrensrüge aus dem [X.] vom 3. Januar 2022 gewährt.

Auf die Revision des Angeklagten [X.]    gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021 wird

a) das Verfahren in den Fällen [X.] bis 57 der Urteilsgründe eingestellt, soweit es ihn betrifft; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 89 Fällen, des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen schuldig ist,

[X.]) dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 282.528,04 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

6. Auf die Revision des Angeklagten [X.]    gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021 wird

a) das Verfahren im [X.] der Urteilsgründe eingestellt, soweit es ihn betrifft; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 18 Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in einem Fall schuldig ist,

[X.]) dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 18.534,60 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

7. Die Revision des Angeklagten           P.    gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021 wird mit der Maßgabe verworfen, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 81.128,16 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

8. Auf die Revision des Angeklagten       G.     wird das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2021

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 33 Fällen schuldig ist,

b) dahingehend klargestellt, dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 31.635,29 Euro gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet ist.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

9. Die Beschwerdeführer [X.], [X.]    und [X.]    haben die verbleibenden, die übrigen Beschwerdeführer die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

- den Angeklagten [X.]     wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 145 Fällen, versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten,

- die Angeklagte [X.]     wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 22 Fällen sowie versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten,

- den Angeklagten [X.]     wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 34 Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten,

- die Angeklagte [X.]     wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten,

- den Angeklagten [X.]    wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 113 Fällen, versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren,

- den Angeklagten [X.]    wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 19 Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten,

- den Angeklagten           [X.]wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 21 Fällen sowie gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten,

- den Angeklagten        [X.]wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 38 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten.

2

Die Gesamtfreiheitsstrafen der Angeklagten [X.], [X.]     , [X.]     , [X.]    , [X.],           [X.]    und       [X.]     hat das [X.] zur Bewährung ausgesetzt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es bei allen Angeklagten jeweils sechs Monate der Strafe als vollstreckt erklärt.

3

Daneben hat das [X.] „die Einziehung“ folgender Beträge angeordnet:

- 18.154,48 Euro bei dem Angeklagten [X.]    ,

- 54.731,73 Euro bei der Angeklagten [X.]    ,

- 54.035,70 Euro bei dem Angeklagten [X.]    ,

- 28.688,58 Euro bei der Angeklagten [X.]     ,

- 282.528,04 Euro bei dem Angeklagten [X.]    ,

- 18.534,60 Euro bei dem Angeklagten [X.]    ,

- 81.128,16 Euro bei dem Angeklagten            [X.]    und

- 31.635,29 Euro bei dem Angeklagten        [X.].

4

Die Revisionen der Angeklagten [X.]     und            [X.]    sind unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revisionen der Angeklagten [X.] , [X.]     , [X.]     , [X.]   D.    , [X.]    und        [X.]     erzielen mit der Sachrüge den jeweils aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind auch diese Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Bei allen Angeklagten war eine Klarstellung der Einziehungsanordnung veranlasst.

[X.]

5

Hinsichtlich der Angeklagten [X.]     und           [X.]    hat die Nachprüfung des Urteils keinen sie benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Die Verfahrensrügen des Angeklagten [X.]     dringen aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen nicht durch.

I[X.]

6

Die Revisionen der Angeklagten [X.]     und [X.]geben lediglich Anlass zu einer geringfügigen Teileinstellung der gegen sie geführten Verfahren.

7

1. Der [X.] hat das Verfahren gegen den Angeklagten [X.]     in den Fällen [X.] bis 123 der Urteilsgründe und gegen den Angeklagten [X.]    im [X.] der Urteilsgründe auf Antrag des [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. Bei diesen Fällen ist den bislang getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen, durch welche [X.]ndlungen sich die Angeklagten an den jeweiligen Betrugstaten beteiligt haben sollen.

8

Die Teileinstellung des Verfahrens zieht eine entsprechende Korrektur der Schuldsprüche nach sich: Diese reduzieren sich beim Angeklagten [X.]     um vier Fälle und beim Angeklagten [X.]um einen Fall des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Zugleich entfallen die jeweils verhängten Einzelstrafen. Die gegen die beiden Angeklagten festgesetzten Gesamtstrafen bleiben hiervon unberührt. Angesichts der jeweils verbleibenden Einzelstrafen schließt der [X.] aus, dass das [X.] die Gesamtfreiheitsstrafe ohne die weggefallenen Sanktionen milder bemessen hätte. So hat der Angeklagte [X.]     weiterhin allein für vier Taten jeweils die [X.] von neun Monaten Freiheitsstrafe verwirkt sowie für weitere 25 Taten Freiheitsstrafen von je sieben Monaten, das heißt in gleicher Höhe wie die entfallenen Strafen. Beim Angeklagten [X.]verbleiben neben der [X.] von elf Monaten eine Freiheitsstrafe von neun Monaten und weitere 14 Freiheitsstrafen in der Höhe der weggefallenen Sanktion von sieben Monaten.

9

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg. Die sachlich-rechtliche Prüfung des Urteils fördert keinen sie [X.] Rechtsfehler zutage. Den Verfahrensrügen beider Angeklagter bleibt aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen der Erfolg versagt.

II[X.]

Hinsichtlich der Angeklagten [X.] , der Angeklagten [X.]     und des Angeklagten       [X.]    hat die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils ergeben, dass das [X.] bei einzelnen Fällen von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung ausgegangen ist. Aus deren Korrektur resultieren jeweils eine Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall von Einzelstrafen. Im Übrigen hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen lassen; auch die von der Angeklagten [X.]     erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen keinen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen verschafften sich die Angeklagten unter Leitung und Koordination des Angeklagten [X.]     über einen längeren Zeitraum regelmäßige Einkünfte, indem sie zum Schein in wechselnden Rollen untereinander Arbeitsverhältnisse begründeten und auf dieser Basis Sozialleistungen verschiedener Sozialleistungsträger in Anspruch nahmen, etwa Krankengeld, Arbeitslosengeld oder die Erstattung von in Wahrheit nicht oder nur zum Schein vorgenommenen Lohnfortzahlungen.

a) Für die Angeklagte [X.] ist zu den Fällen [X.] und 59, 62 und 63 sowie 142 bis 145 der Urteilsgründe Folgendes festgestellt:

Bei den Fällen [X.] und 59 der Urteilsgründe vereinnahmte der Angeklagte [X.]    aufgrund der Anträge vom 30. Juni 2005 (Fall [X.]) und vom 1. August 2005 ([X.]) von der geschädigten [X.]             jeweils Zahlungen zur Erstattung von Aufwendungen des Arbeitgebers bei Krankheit. Die Angeklagte [X.] fungierte als angebliche Arbeitnehmerin (Baggerführerin), wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, sich ab dem 20. Juni 2005 krankschreiben zu lassen.

Bei den Fällen II[X.]62 und 63 der Urteilsgründe erlangte der Angeklagte [X.]    von derselben Geschädigten erneut Erstattungen für Aufwendungen des Arbeitgebers bei Krankheit aufgrund seiner Anträge vom 5. März 2006 (Fall II[X.]62) und vom 30. März 2006 (Fall II[X.]63). Auch hier übernahm die Angeklagte [X.] die Rolle der Arbeitnehmerin, nun als vorgebliche Bürokauffrau, wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, sich ab dem 20. Februar 2006 krankschreiben zu lassen.

In den Fällen II[X.]142 und 143 der Urteilsgründe stellte der Angeklagte [X.]   D.    bei der geschädigten [X.]            unter dem Datum des 9. Dezember 2006 (Fall II[X.]142) und des 10. Dezember 2006 (Fall II[X.]143) – letztlich erfolglos – Anträge auf Erstattung angeblicher Arbeitgeberaufwendungen nach dem [X.] bei Mutterschaft. Der Angeklagten [X.]  kam wiederum die Rolle der Arbeitnehmerin zu, diesmal als „Managerin und Beraterin im Auslandsdienst“, wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie und der Angeklagte [X.]   D.    den Abschluss eines entsprechenden Arbeitsvertrags bestätigten.

In den Fällen II[X.]144 und 145 der Urteilsgründe reichte der Angeklagte [X.]   D.    entsprechende Anträge vom 10. Dezember 2006 (Fall II[X.]144) und vom 13. Januar 2007 (Fall II[X.]145) bei der Geschädigten A.                    ein, nachdem die Angeklagte [X.]  wegen des Misserfolgs der in den Fällen II[X.]142 und 143 der Urteilsgründe gestellten Anträge nunmehr bei dieser Krankenkasse versichert worden war. Die Tathandlung der Angeklagten bestand hierbei allein darin, dass sie mit den Angeklagten [X.]     und [X.]   D.    übereinkam, diese Anmeldung vorzunehmen.

b) Für die Angeklagte [X.]     ist zu den Fällen II[X.]87 und 88 der Urteilsgründe festgestellt, dass der Angeklagte       [X.]     von der geschädigten S.          aufgrund seiner Anträge vom 4. Dezember 2006 (Fall II[X.]87) und vom 6. Januar 2007 (Fall II[X.]88) jeweils Zahlungen zur Erstattung von Aufwendungen des Arbeitgebers bei Mutterschaft erhielt. Die Angeklagte [X.]     fungierte als angebliche Arbeitnehmerin, wobei ihre Tathandlung allein darin bestand, gemeinsam mit dem Angeklagten        [X.]     am 30. November 2006 bzw. am 1. Dezember 2006 einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu einer Tätigkeit als Managerin zu fertigen.

c) Für den Angeklagten        [X.]     ist zu den Fällen II[X.]29 bis 32, 50 und 51 sowie 76 und 77 der Urteilsgründe Folgendes festgestellt:

In den Fällen II[X.]29 bis 32 der Urteilsgründe vereinnahmte der Angeklagte [X.]   D.    aufgrund der Anträge vom 18. Februar 2006 (Fall II[X.]29), vom 5. März 2006 (Fall II[X.]30), vom 30. März 2006 (Fall II[X.]31) und vom 16. Mai 2006 (Fall II[X.]32) von der geschädigten [X.]                 jeweils Zahlungen zur Erstattung von Aufwendungen des Arbeitgebers bei Krankheit. Der Angeklagte       [X.]     fungierte als angeblicher Arbeitnehmer (Manager bzw. [X.]), wobei seine Tathandlung allein darin bestand, sich ab 2006 bei der Geschädigten zu versichern.

In den Fällen II[X.]50 und 51 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte [X.]      Arbeitslosengeld von der geschädigten [X.]  aufgrund seiner Anträge vom 30. November 2005 (Fall II[X.]50) und vom 12. Juli 2006 (Fall II[X.]51), wobei er zwecks Nachweises der nach § 123 SGB III aF erforderlichen zwölfmonatigen Anwartschaftszeit das frühere Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Angeklagten       [X.]    behauptete. Dessen Tathandlung bestand allein darin, eine auf den 16. Januar 2006 datierte Arbeitsbescheinigung zu unterzeichnen.

In den Fällen II[X.]76 und 77 der Urteilsgründe wurde dem Angeklagten [X.]   D.    von der Geschädigten [X.].          aufgrund entsprechender Anträge für die Zeiträume vom 25. Januar bis 4. Februar 2005 (Fall II[X.]76) sowie vom 26. April 2005 bis 7. Juli 2005 (Fall II[X.]77) Krankengeld gezahlt, wobei er ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Angeklagten       [X.]    behauptete. Dessen Tathandlung bestand allein darin, am 18. Februar 2007 eine Arbeitsbescheinigung zu unterschreiben.

2. Das [X.] hat alle genannten Fälle als selbständige, durch die betreffenden Angeklagten jeweils in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangene Taten angesehen. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, kommt es nicht darauf an, wie sich die Taten für andere Tatbeteiligte konkurrenzrechtlich darstellen; vielmehr ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 15. September 2021 – 5 [X.]/21; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.). Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten [X.]. Leistet ein Mittäter für alle oder einige [X.] einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche [X.]ndlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der [X.], durch die alle oder mehrere [X.] seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer [X.]ndlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben ([X.], Beschlüsse vom 25. Juni 2019 – 3 StR 130/19, [X.]R StGB § 46 Abs. 3 Wohnungseinbruchdiebstahl 1; vom 3. November 2021 – 3 [X.]/21).

Danach erweist sich das Verhalten der Angeklagten innerhalb der genannten Gruppen von Fällen jeweils als [X.] im Sinne einer natürlichen [X.]ndlungseinheit (vgl. zu deren Voraussetzungen [X.], Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 [X.], [X.], 276; Beschluss vom 27. September 2017 – 4 StR 235/17; [X.], StGB, 69. Aufl., Vor § 52 Rn. 3 ff. mwN).

3. Der [X.] hat deshalb bei den betroffenen Angeklagten den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich geändert. Dieser reduziert sich bei der Angeklagten [X.] um drei Fälle, bei der Angeklagten [X.]     um einen Fall und beim Angeklagten        [X.]     um fünf Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges, bei der Angeklagten [X.] zudem um einen Fall des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten jeweils nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

4. Die Änderung des Schuldspruchs führt bei jedem der drei Angeklagten in den betroffenen Gruppen von Fällen zum Wegfall von Einzelstrafen und zur Festsetzung jeweils einer neuen Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.

a) Bei der Angeklagten [X.] entfallen die für die Fälle II[X.]59, 63, 143 und 145 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der [X.] setzt für das Geschehen der Fälle [X.] und 59 die für Fall [X.] verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle II[X.]62 und 63 die für Fall II[X.]62 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle II[X.]142 und 143 die für Fall II[X.]142 verhängte Strafe und für dasjenige der Fälle II[X.]144 und 145 die für Fall II[X.]144 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest.

b) Bei der Angeklagten [X.]     entfällt die für Fall II[X.]88 der Urteilsgründe verhängte und im Urteil in der Tabelle zur Bestimmung der Strafhöhen offenbar versehentlich nicht erwähnte Einzelstrafe. Der [X.] setzt für das Geschehen der Fälle II[X.]87 und 88 die für Fall II[X.]87 verhängte Strafe als neue Einzelstrafe fest.

c) Bei dem Angeklagten        [X.]     entfallen die für die Fälle II[X.]30 bis 32, 51 und 77 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der [X.] setzt für das Geschehen der Fälle II[X.]29 bis 32 die für Fall II[X.]29 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle II[X.]50 und 51 die für Fall II[X.]50 verhängte Strafe und für dasjenige der Fälle II[X.]76 und 77 die für Fall II[X.]76 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest.

In allen Fällen ist auszuschließen, dass das [X.] für die jeweiligen Geschehnisse bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung niedrigere Einzelstrafen bestimmt hätte.

5. Der Gesamtstrafausspruch wird hierdurch bei keinem der Angeklagten berührt. Der [X.] kann angesichts der verbleibenden Einzelstrafen jeweils ausschließen, dass das [X.] allein aufgrund der geänderten [X.] und des Wegfalls einiger Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei – wie hier – unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 28. April 2020 – 3 [X.] Rn. 9 mwN). Bei der Angeklagten [X.] verbleiben die beiden [X.]n von je zehn Monaten Freiheitsstrafe, zwei Freiheitsstrafen von je acht Monaten und u.a. elf Freiheitsstrafen von je sechs Monaten, bei der Angeklagten [X.]     die [X.] von neun Monaten Freiheitsstrafe und u.a. neun Freiheitsstrafen von je sieben Monaten sowie bei dem Angeklagten        [X.]    die [X.] von neun Monaten Freiheitsstrafe und u.a. 25 Freiheitsstrafen von je sieben Monaten.

IV.

Auch für den Angeklagten [X.]    führt die Sachrüge zu einer Korrektur des Schuldspruchs und zum Wegfall von Einzelstrafen aufgrund einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung durch das [X.]. Eine weitere Änderung des Schuldspruchs resultiert aus einer teilweisen Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO; auch sie lässt weitere Einzelstrafen entfallen. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen. Die erhobene Verfahrensrüge, für deren Anbringung dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einzuräumen war, hat aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen keinen Erfolg.

1. Dem Angeklagten war ausnahmsweise auf seine Kosten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Anbringung der Verfahrensrüge aus dem [X.] vom 3. Januar 2022 zu gewähren (vgl. Antragsschrift des [X.]).

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat ergeben, dass das [X.] bei einzelnen Fällen von einer unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung ausgegangen ist. Deren Korrektur gebietet eine Änderung des Schuldspruchs und führt zum Wegfall von Einzelstrafen.

a) Nach den Feststellungen verschaffte auch der Angeklagte [X.]   D.    unter Leitung und Koordination des Angeklagten [X.]     über einen längeren Zeitraum sich und anderen Mitangeklagten regelmäßige Einkünfte, indem er gemeinsam mit Mitangeklagten zum Schein in wechselnden Rollen Arbeitsverhältnisse einging und auf dieser Basis Sozialleistungen verschiedener Sozialleistungsträger in Anspruch nahm oder deren Inanspruchnahme durch Mitangeklagte ermöglichte.

In den Fällen II[X.]2 bis 20 der Urteilsgründe erhielt der vormalige Mitangeklagte        [X.].    von der Geschädigten AO.         jeweils Krankengeldzahlungen aufgrund seiner zwischen September 2003 und Dezember 2004 sukzessive an insgesamt 19 verschiedenen Tagen gestellten Anträge, wobei er jeweils wahrheitswidrig behauptete, beim Angeklagten [X.]   D.    als Bauleiter versicherungspflichtig beschäftigt zu sein. Dessen Tathandlung bestand für alle Fälle allein darin, einmalig die Meldung des        [X.].    zur Sozialversicherung zu veranlassen.

In den Fällen II[X.]50 und 51 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte [X.]      Arbeitslosengeld von der Geschädigten [X.]  aufgrund seiner Anträge vom 30. November 2005 (Fall II[X.]50) und vom 12. Juli 2006 (Fall II[X.]51), wobei er zwecks Nachweises der nach § 123 SGB III aF erforderlichen zwölfmonatigen Anwartschaftszeit u.a. das frühere Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Angeklagten [X.]    behauptete. Dessen Tathandlung bestand allein darin, eine auf den 16. Januar 2006 datierte Arbeitsbescheinigung zu unterzeichnen.

b) Das [X.] hat alle genannten Fälle als selbständige, durch den Angeklagten jeweils in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangene Taten angesehen. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sich nach den bereits oben unter Ziffer II[X.]2 dargestellten Grundsätzen das Verhalten des Angeklagten innerhalb der Fälle II[X.]2 bis 20 sowie der Fälle II[X.]50 und 51 jeweils als [X.] im Sinne einer natürlichen [X.]ndlungseinheit erweist.

c) Der Schuldspruch gegen den Angeklagten war daher zu ändern; er reduziert sich in Ansehung der genannten Fälle um insgesamt 19 Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

d) Die Änderung des Schuldspruchs führt in den beiden Gruppen von Fällen zum Wegfall von Einzelstrafen und zur Festsetzung jeweils einer neuen Einzelstrafe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. Es entfallen die für die Fälle II[X.]3 bis 20 sowie II[X.]51 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Der [X.] setzt für das Geschehen der Fälle II[X.]2 bis 20 die für Fall II[X.]2 verhängte Strafe, für dasjenige der Fälle II[X.]50 und 51 die für Fall II[X.]50 verhängte Strafe jeweils als neue Einzelstrafe fest.

3. Der [X.] hat das Verfahren gegen den Angeklagten [X.]    in den Fällen II[X.]53 bis 57 der Urteilsgründe auf Antrag des [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. In diesen Fällen ist den bislang getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen, durch welche [X.]ndlungen sich der Angeklagte an den jeweiligen Betrugstaten beteiligt haben soll.

Die Teileinstellung des Verfahrens zieht eine weitere Korrektur des Schuldspruchs nach sich. Dieser reduziert sich nochmals um fünf Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges. Zugleich entfallen die in den jeweiligen Fällen verhängten Einzelstrafen.

4. [X.] bleibt vom Wegfall der – unter Berücksichtigung der Verfahrenseinstellung – insgesamt 24 Einzelstrafen unberührt. Der [X.] kann angesichts der verbleibenden 89 Einzelstrafen ausschließen, dass das [X.] allein aufgrund der geänderten [X.] und des Wegfalls einiger Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Es verbleiben die beiden [X.]n von je einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe, sieben weitere Freiheitsstrafen von elf Monaten und zahlreiche Freiheitsstrafen in Höhe von – wie bei den weggefallenen – sieben oder neun Monaten. Hinsichtlich des Wegfalls der Strafen für die Fälle II[X.]3 bis 20 sowie II[X.]51 der Urteilsgründe kommt auch hier hinzu, dass eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist.

V.

Die [X.] waren bei allen Angeklagten dahingehend klarzustellen, dass jeweils die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73a StGB) angeordnet ist (vgl. Antragsschrift des [X.]).

V[X.]

Der nur geringfügige Erfolg der Rechtsmittel der Angeklagten [X.], [X.]    , [X.], [X.]    , [X.]     und        [X.]    rechtfertigt jeweils keine Kostenermäßigung (§ 473 Abs. 4 StPO).

Cirener     

  

Gericke     

  

Mosbacher

  

[X.]     

  

Werner     

  

Meta

5 StR 155/22

06.12.2022

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Chemnitz, 30. Juni 2021, Az: 4 KLs 353 Js 19706/07

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.12.2022, Az. 5 StR 155/22 (REWIS RS 2022, 8380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8380

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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