Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2016, Az. 2 StR 544/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 14354

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:170316B2STR544.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 544/15
vom
17. März 2016
in der Strafsache
gegen

wegen räuberischen Diebstahls u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
am 17. März
2016 gemäß §
349 Abs.
4
[X.] beschlossen:

Auf
die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache
wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Kör-perverletzung, unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision hat in vollem Umfang Erfolg.
Der [X.] hat in seiner Antragsschrift vom 19.
Januar 2016 ausgeführt:
"I.
Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1
2
3
-
3
-
1.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es ob-liegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (§
261 [X.]). Der revisionsgerichtlichen Über-prüfung unterliegt nur, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlau-fen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lü-ckenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Er-fahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 22.
Oktober 2014 -
2 [X.]/14
-, juris, Rn.
8; [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., § 337 Rn.
26 ff.; [X.],
in: KK-[X.], 7.
Aufl., §
337 Rn.
29, jeweils m.
w.
Nachw.).
2.
Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung rechtli-cher Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hat sich zu seinen Motiven, nach verübtem Ladendiebstahl das von ihm mitgeführte Messer einzusetzen, dahingehend einge-lassen, er habe im ersten Fall das Messer gezogen, als auf ihn zugelaufen' sei, während im zweiten Fall 'plötzlich [X.] neben ihm gestanden' habe, der groß, kräftig und 'sehr aggressiv' gewesen sei, sich 'wie ein Verrückter' [X.] habe und so gewirkt habe, als ob er ihn angreifen wolle. In beiden Fällen habe er 'Angst um sein Leben' [X.]; an den entwendeten Pullover hingegen habe er in den Momenten des [X.]es nicht mehr gedacht (vgl. [X.]
13 [X.]). Das [X.] hat diese Einlassung insoweit als widerlegte Schutzbehauptung angesehen, als der An-geklagte der Sache nach seine Absicht, sich durch den [X.] gegen die Zeugen H.

und K.

im Be-sitz des entwendeten Pullovers zu erhalten, in Abrede ge-stellt hat (vgl. [X.]
10, 11, 18
ff. [X.]). Im Übrigen ist die [X.] allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass 'die Einlassung des Angeklagten zum Teil von seiner [X.] verzerrten Wahrnehmung geprägt' gewesen sei (vgl. [X.]
18 [X.]). Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist damit gemeint, dass der Angeklagte die Zeugen H.

und K.

aufgrund seiner Erkrankung, ei-ner schizophrenen Psychose, subjektiv -
wie von ihm ge-schildert
-
als 'erhöht bedrohlich' wahrnahm (vgl. [X.] 12, 23 ff. [X.]), obwohl dafür nach dem festgestellten objektiven Geschehensablauf kein erkennbarer Anlass bestand (vgl. [X.] 9 ff., 25 f. [X.]). Dabei hat das [X.] allerdings -
4
-
nicht bedacht, dass der
Angeklagte das Verhalten der [X.] H.

und K.

zwar realitätsentsprechend wahrge-nommen, aber diesbezüglich vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben könnte, um seine Schutzbehauptung, der [X.] sei nicht durch Besitzerhaltungsabsicht mo-tiviert gewesen, zu untermauern und einer Bestrafung we-gen räuberischen Diebstahls zu entgehen. Eine Erörterung dieser Möglichkeit musste sich aufdrängen, weil der Ange-klagte die Besitzerhaltungsabsicht, die den [X.] auch ohne die Annahme krankheitsbedingter Wahrneh-mungsverzerrungen plausibel zu erklären vermochte, zur Überzeugung der Strafkammer (auch subjektiv) wahrheits-widrig geleugnet, seine Beweggründe also jedenfalls inso-weit vorsätzlich falsch dargestellt hat ('Schutzbehauptung'). Hätte der Angeklagte das Verhalten der Zeugen H.

und K.

hingegen tatsächlich subjektiv verzerrt als 'erhöht bedrohlich' wahrgenommen und -
wie von ihm angegeben
-

'Angst um sein Leben' gehabt, spräche dies wiederum für die Richtigkeit seiner weiteren Einlassung, in den Momen-ten des [X.]es nicht mehr an den entwendeten Pullover gedacht zu haben. Denn wenn sich der Angeklagte in Lebensgefahr wähnte, könnte die Abwehr dieser Gefahr durchaus das allein bestimmende Handlungsmotiv gebildet haben und der Erhalt des Besitzes an dem gestohlenen Pullover demgegenüber vollends in den Hintergrund [X.] sein. Diesen Gesichtspunkt hat das [X.] eben-falls übergangen, obwohl sich eine Erörterung aufgrund der Angaben der Zeugen H.

und K.

aufgedrängt hätte (vgl. [X.]
16 f. [X.]: 'psychisch
auffällig und psychopathisch', 'seltsam und auffällig', 'nicht mehr Herr seiner Sinne', 'un-gewöhnlich aggressiv'). Die Beweiswürdigung ist insofern lücken-
und somit rechtsfehlerhaft, was zur Aufhebung des Schuldspruchs führt.
II.
Darüber hinaus tragen die (rechtsfehlerhaft) getroffenen Fest-stellungen weder den Schuldspruch noch belegen sie die Voraussetzungen
für die Anordnung der Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63 StGB.
1.
Den Feststellungen zufolge hat der Angeklagte lediglich ei-nen Diebstahl verübt und, auf frischer Tat betroffen, mit sei--
5
-
nem Messer zunächst dem Zeugen H.

gedroht und [X.] einen Stich in Richtung des Zeugen K.

geführt, um sich im Besitz des gestohlenen Pullovers zu erhalten (vgl. [X.]
9 ff. [X.]). Es liegt daher nur eine einheitliche Tat des schweren räuberischen Diebstahls (§§
242 Abs.
1, 252, 250 Abs.
2 Nr.
1 StGB) in Tateinheit mit versuchter gefährli-cher Körperverletzung vor und nicht -
wie das [X.] angenommen hat (vgl. [X.]
20 [X.])
-
schwerer räuberischer Diebstahl in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
2.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §
63
StGB darf nur angeordnet werden, wenn zwei-felsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Bege-hung der [X.] aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die [X.] hierauf beruht (vgl. [X.], Beschluss vom 26.
März 2015 -
2
StR 37/15
-, juris Rn.
4 m. w. Nachw.). Das Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellun-gen.
a) [X.] ist im [X.] an das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr.
R.

davon ausgegangen, dass die psychische Erkrankung des
[X.] sich nicht bereits bei dem Diebstahl des [X.], sondern lediglich bei dem
nachfolgenden Messer-einsatz gegen die Zeugen H.

und K.

ausgewirkt habe. Denn dabei sei seine 'Kritik-
und Urteilsfähigkeit' insofern beeinträchtigt gewesen, als er die Zeugen H.

und K.

'krankheitsbedingt verzerrt als erhöht be-drohlich' wahrgenommen habe; infolge dessen sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen (vgl. [X.] 12, 23 ff. [X.]).
b) Eine Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten wie der 'Kri-tik-
und Urteilsfähigkeit' mag zu einer Verminderung der Einsichtsfähigkeit führen, die allerdings nur dann die An-wendung von §
21 StGB rechtfertigt, wenn -
wozu sich die Urteilsgründe nicht verhalten
-
dem Angeklagten auch tatsächlich die [X.] fehlte (vgl. Fischer, StGB, 63.
Aufl., § 21 Rn.
3 ff. m. w. Nachw.). Inwiefern daraus eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit, d. h. -
6
-
der Fähigkeit des Angeklagten, sein Verhalten nach [X.] vorhandenen Einsicht in das Unrecht der Tat zu
rich-ten (vgl. Fischer, a.a.[X.], §
20 Rn.
4, 44 m. w. Nachw.), resultieren sollte, erschließt sich indes nicht und hätte [X.] näherer Darlegung bedurft."

Der Senat tritt diesen zutreffenden Ausführungen bei. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung
und Entscheidung.
[X.] Eschelbach Ott

Zeng Bartel

4

Meta

2 StR 544/15

17.03.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2016, Az. 2 StR 544/15 (REWIS RS 2016, 14354)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14354

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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