Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.09.2014, Az. 1 StR 389/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3126

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR
389/14

vom
4. September
2014
in der Strafsache
gegen

wegen schweren räuberischen Diebstahls u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am
4. September 2014 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2014 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben
a)
soweit der Angeklagte wegen schweren räuberischen Dieb-stahls verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.].

Gründe:
I.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls und wegen eines weiteren Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren zwei Monaten verurteilt.
1. Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

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Der Angeklagte, der seinen Lebensunterhalt aus dem Diebstahl kleintei-liger Elektroartikel bestritt, entwendete zunächst am 14. Dezember 2013 gegen 16.55 Uhr aus den Geschäftsräumen eines [X.] in [X.] ein Par-fum, ein [X.] und
vier Speicherkarten im Gesamtwert von 99,85
Euro.
Am 18. Januar 2014 entwendete er sodann gegen 14.45 Uhr aus dem M.

markt
in [X.] 17 Speicherkarten im Gesamtwert von 637,92
Euro. Bei dieser Tat führte er wissentlich ein scharfes Taschenmesser
sowie eine Schere bei sich. Im Kassenbereich wurde der Angeklagte, der die Ware in sei-nem Jackenärmel verborgen hielt, von einem Detektiv gestellt. Nach den Fest-stellungen des [X.] wollte er nun "mitsamt seiner Diebesbeute fliehen" und versuchte dabei, "den Detektiv zur Seite zu stoßen" (UA S.
4). Dieser hielt ihn jedoch mit erheblichem Kraftaufwand fest und verbrachte ihn nach einem kurzen Gerangel unter Mithilfe eines anderen Mitarbeiters in das Detektivbüro. Auch dort versuchte der Angeklagte, "sich zu entreißen und mit der Beute zu fliehen" (UA S.
5), was nur unter Mithilfe eines dritten Mitarbeiters des [X.] verhindert werden konnte.
In beiden Fällen beabsichtigte der Angeklagte, die entwendeten Spei-cherkarten gewinnbringend weiter zu verkaufen, um sich dadurch eine Einnah-mequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
2. Das [X.] hat die Tat vom 14. Dezember 2013 als gewerbsmä-ßig begangenen Diebstahl gewertet und den Angeklagten insoweit unter An-wendung des Strafrahmens aus §
243 Abs.
1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Tat vom 18. Januar 2014 hat es als schweren räuberischen Diebstahl, qualifiziert durch das Merkmal des Beisichführens ei-nes gefährlichen Werkzeugs (§
250 Abs.
1 Nr.
1 StGB), gewertet und gegen 3
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den Angeklagten deswegen unter Anwendung des Strafrahmens aus §
250 Abs.
1 StGB eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen des am 14. Dezember 2013 begangenen Diebstahls weist -
auch vor dem Hintergrund des gegen die An-nahme gewerbsmäßiger Begehung gerichteten Revisionsvorbringens
-
aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 24. Juli 2014 zutreffend dargelegten Gründen keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
III.
Demgegenüber hält die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Die [X.] enthalten hinsichtlich der subjektiven Tatseite durchgreifende Rechtsfehler.
1. Die von der [X.] getroffenen Feststellungen tragen die An-nahme der für §
252 StGB erforderlichen Besitzerhaltungsabsicht nicht.
Der Täter eines räuberischen Diebstahls muss in [X.] handeln; dies bedeutet, dass die Gewaltanwendung oder Drohung zum Ziel haben muss, sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten (vgl. [X.], 299). Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund des Täters für die Gewaltanwendung oder den Einsatz des [X.] sein (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Juli 2005 -
4 [X.], [X.], 340 [X.]). Eine bloße Fluchtabsicht genügt jedoch nicht (vgl. [X.], aaO).
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Bereits die von der [X.] gefundene Formulierung, der [X.] habe "mitsamt seiner Diebesbeute fliehen" wollen, lässt offen, ob es dem Angeklagten gerade auch auf die Erhaltung der Beute ankam, oder ob er ledig-lich fliehen wollte und hierbei die Beute -
ohne dies in seine subjektive Vorstel-lung aufzunehmen
-
mitnahm. Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit dem späteren Geschehen im Büro des Detektivs getroffene Feststellung, der Ange-klagte
habe versucht, "sich zu entreißen und mit der Beute zu fliehen". Die Flucht unter (objektiver) Mitnahme der Beute begründet die für den Tatbestand des §
252 StGB erforderliche Besitzerhaltungsabsicht nicht ohne weiteres, sondern legt sie allenfalls nahe ([X.], aaO; [X.], StGB, 61.
Aufl., §
252 Rn.
9 [X.]).
2. Die Annahme einer Besitzerhaltungsabsicht fände im Übrigen auch keine Grundlage in der Beweiswürdigung der [X.].
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem [X.] Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder [X.] des Angeklagten zu bilden hat (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
April 2014 -
1 [X.]; Urteil vom 1.
Oktober 2013
-
1 StR 403/13 [X.]. [X.]). Das Re-visionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. aaO [X.]).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beweiswürdigung der [X.] jedenfalls als lückenhaft, denn die [X.] lassen nicht erkennen, woraus die [X.] den Schluss gezogen hat, der -
die Um-12
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stände des Geschehens im Kassenbereich insgesamt bestreitende
-
[X.] habe sich durch die Anwendung von Gewalt gegen den Kaufhausdetektiv den Besitz der entwendeten Speicherkarten erhalten wollen. Allein aus dem
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erwiesenen
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Umstand, dass er sich seiner Beute nicht entledigte, sondern diese bis zum Eintreffen der Polizei im Büro des Kaufhausdetektivs bei sich trug, lässt sich eine Besitzerhaltungsabsicht nicht ableiten ([X.], aaO,
Rn.
9 [X.]).
3. [X.] unterliegt deshalb mit den hierzu getroffenen Feststellungen der Aufhebung. Dies zieht
die Aufhebung der hierfür verhängten [X.] und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

Raum Graf Jäger

Cirener

Mosbacher

16

Meta

1 StR 389/14

04.09.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.09.2014, Az. 1 StR 389/14 (REWIS RS 2014, 3126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3126

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