Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2003, Az. VI ZR 259/02

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3238

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/02Verkündet am:6. Mai 2003Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB § 823 Aa; ZPO § 286 Aa) Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise begründet einenärztlichen Behandlungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des [X.] kommt es insoweit nicht [X.]) Wird aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein weiterer Eingriff erforder-lich, der dem Patienten bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart gebliebenwäre, hat der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff ein-zustehen. Dabei umfaßt seine Einstandspflicht regelmäßig auch die Folgen einesFehlers des nachbehandelnden Arztes.[X.], Urteil vom 6. Mai 2003 - [X.]/02 - [X.] Erfurt- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und [X.][X.], Wellner, Pauge und Stöhrfür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats [X.] Oberlandesgerichts in [X.] vom 26. Juni 2002 aufge-hoben.Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin nimmt die [X.] wegen behaupteter ärztlicher Behand-lungsfehler auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht [X.] weiterer immaterieller Schäden in Anspruch. Sie suchte wegen [X.] den Zweitbeklagten, einen Gynäkologen, auf, um ein intrauterinesPessar ([X.]) entfernen zu lassen. Der ambulant vorgenommene Versuch, [X.] mittels Faßhäkchen zu entfernen, war erfolglos. Deshalb wurde [X.], den Eingriff stationär unter Narkose vorzunehmen. In der Frauenklinik [X.] wurde die Klägerin, die selbst Kinderärztin ist, über die [X.] der Laparoskopie, der Pelviskopie, einer eventuell erforderlichen [X.] 3 -rotomie und die gegebenenfalls durchzuführende Ausschabung der Gebärmut-ter mit der Entfernung des [X.] aufgeklärt. Der am 27. Mai 1994 unter [X.] den [X.] zu 1 und 2 vorgenommene Eingriff hatte ebenfalls [X.]. Das [X.] konnte weder mittels Kürette, noch mittels Faßhäkchen oderFaßzange entfernt werden. Die [X.] wurde nach etwa 35 Minuten ab-gebrochen. Wegen unmittelbar danach auftretender starker Schmerzen im [X.] erhielt die Klägerin Antibiotika und Schmerzmittel. Am 30. Mai 1994wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen. Da die [X.] nicht nachließen, suchte die Klägerin am 1. Juni 1994 die FrauenärztinDr. P. auf. Diese wies sie in eine Klinik in [X.] ein, wo sie zunächst mit Antibiotikabehandelt und ihr schließlich der Uterus entfernt wurde. Untersuchungen erga-ben, daß dieser perforiert worden war.Die Klägerin hat geltend gemacht, zu dieser Perforation sei es bei [X.] am 27. Mai 1994 gekommen, als die [X.] zu 1 und 2 entgegendem medizinischen Standard wiederum Faßhäkchen verwendet hätten. [X.] alle Versuche, das [X.] zu entfernen, fehlgeschlagen seien, hätte die [X.] unter Sicht, nämlich mittels Hysteroskopie und einer Laparoskopie wei-tergeführt werden müssen; dann wäre die Perforation erkannt und die spätereEntfernung des Uterus vermieden worden.Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vomerkennenden Senat zugelassenen Revision, mit der sie ihr Begehren in [X.] -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist der Auffassung, es sei bereits fraglich, ob über-haupt ein Behandlungsfehler hinsichtlich des Eingriffs selbst oder bezüglich derpostoperativen Versorgung nachgewiesen sei. Nach den Ausführungen [X.] Prof. Dr. S. habe die von den [X.] zu 1 und 2 gewählteVorgehensweise zur Entfernung des [X.] den Regeln der ärztlichen Kunst ent-sprochen, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sichum den zweiten Versuch gehandelt habe. Eine dabei eingetretene Perforationdes Uterus sei als schicksalhaft zu betrachten und habe von dem [X.] unbedingt bemerkt werden müssen. Das Absehen von der ursprünglichgeplanten Laparoskopie sei nicht zu beanstanden.Ein Behandlungsfehler liege auch nicht in dem Unterlassen einer Hystero-skopie. Zwar habe der Sachverständige Prof. Dr. S. zunächst erklärt, es sei un-verständlich, warum die [X.] zu 1 und 2 nach dem erfolglosen [X.] unter Einsatz eines [X.] unter Sicht weiter operiert hätten. [X.] habe komplikationslos vorgenommen werden können und seivon der Aufklärung und Einwilligung der Klägerin gedeckt gewesen. Seine ur-sprüngliche Einschätzung habe der Sachverständige bei seiner mündlichen [X.] jedoch dahingehend relativiert, daß die [X.] zu 1 und 2 gegebe-nenfalls entweder wegen Unsicherheit über die Reichweite der erklärten Einwil-ligung übergroße Vorsicht hätten walten lassen oder mit dem neuen Instru-mentarium des [X.] angesichts des zur damaligen [X.] in den neuenBundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Gerätebestan-des noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien und daher nicht ohne [X.] in dem laufenden Eingriff die [X.]smethode hätten wechseln wollen.Im Hinblick darauf sei der Abbruch des Eingriffs jedenfalls nicht grob fehlerhaft- 5 -gewesen. Auch sei der Klägerin durch das Unterlassen der Hysteroskopie- abgesehen von der Notwendigkeit eines dritten Eingriffs - noch kein (gravie-render) Nachteil entstanden.Die Perforation des Uterus sei für dessen spätere Entfernung nicht ur-sächlich gewesen. Durch die Wahl einer neuen Ärztin und die Einweisung in [X.] in [X.] habe die Klägerin eine selbständige Kausalkette in Gang gesetzt, diejeglichen eventuell anzunehmenden Verursachungsbeitrag der [X.] zu 1und 2 aus der vorangegangenen Behandlung überholt habe. Als [X.] sie die Bedeutung der aufgrund ihrer damaligen Beschwerden nicht [X.] und mit ihrer Einwilligung vorgenommen [X.] gekannt.[X.] Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung überwie-gend nicht stand.1. Das Berufungsgericht hat Bedenken, die Perforation des Uterus auf ei-nen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen. Nach den Ausführungen [X.] Prof. Dr. S. in seinen schriftlichen Gutachten komme es zudieser Komplikation bei der Phase des Sondierens bzw. Aufdehnens des [X.] in etwa 0,5 % aller operativ angegangenen Fälle. Die Verwen-dung eines [X.] ändere hieran nichts, da dieses wegen des [X.] ebenfalls eine Aufdehnung des [X.]es auf [X.] mm und die Sondierung erforderlich mache. Die bei dem Uterus der Klägerinfestgestellte Perforation am Übergang zwischen [X.] und -körperhabe an der typischen Stelle gelegen, an welcher in der Regel beim Sondierenund Aufdehnen das Durchstoßen der Gebärmutterwand vorkomme. [X.] -wäre mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Perforation auch dann erfolgt,wenn bei dem Eingriff von Anfang an ein Hysteroskop verwendet worden wäre.Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Die Revisionrügt mit Recht, das Berufungsgericht habe hierzu unter Beweis gestellten Sach-vortrag der Klägerin übergangen. Diese hatte nämlich unter Hinweis auf medi-zinische Fachliteratur vorgetragen, daß bei primärer Anwendung eines Hystero-skops die Wahrscheinlichkeit einer Perforation lediglich 0,1 % betrage. [X.] sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt.Es hätte die abweichende Erklärung von Prof. Dr. S. nicht unbesehen über-nehmen dürfen, sondern wäre gehalten gewesen, diesen Widerspruch - etwadurch gezielte Nachfrage bei der mündlichen Anhörung des gerichtlichen Sach-verständigen - abzuklären (vgl. Senatsurteile vom 2. Juni 1987 - [X.] -VersR 1987, 1238; vom 2. März 1993 - [X.] - [X.], 749 f.; [X.] Dezember 1993 [X.] [X.], 480, 482; vom 10. Mai 1994- VI ZR 192/93 - [X.], 984 f.; vom 22. Februar 2000 - [X.]/99 -VersR 2000, 766 f. und vom 27. März 2001 - [X.], 859 f.).Das gilt um so mehr, als die Einschätzung von Prof. Dr. S. auch im [X.] zu den Ausführungen in dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle einge-holten Gutachten. Darin heißt es, von Operateuren, die mit der Hysteroskopievertraut seien, werde zunehmend primär die [X.]-Entfernung unter Sicht [X.], insbesondere, wenn sonographisch - wie hier - eine Dislokation [X.] worden sei. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Einwand der Kläge-rin nachgehen müssen, daß die Gefahr einer Perforation bei einem Eingriff oh-ne Hysteroskop fünfmal höher sei und ein solches Vorgehen deshalb einen Be-handlungsfehler nahelege.2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, auch das Absehen von einemWechsel zur Hysteroskopie während des Eingriffs sei nicht behandlungsfehler-haft gewesen. Als der Versuch, das [X.] auf andere Weise zu entfernen, erneut- 7 -fehlgeschlagen sei, hätten die [X.] zu 1 und 2 zwar sofort zur Hyste-roskopie schreiten dürfen und dies gegebenenfalls unter Rücksichtnahme aufdie Klägerin und zur Vermeidung eines weiteren Eingriffs auch tun sollen. [X.] sei ihnen insoweit allenfalls die Notwendigkeit eines weiteren [X.] Narkose. Diesem Umstand mißt das Berufungsgericht aber keine Bedeu-tung zu, weil darauf die Entfernung des Uterus nicht beruhe. Dagegen wendetsich die Revision mit [X.]) Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung, daß in dem Unter-lassen einer Hysteroskopie kein ärztlicher Behandlungsfehler liege, mit den [X.] Prof. Dr. S. bei seiner mündlichen Anhörungim Berufungsverfahren, bei der dieser seine beiden in erster Instanz erstattetenschriftlichen Gutachten erläutert hat. In seinem ersten schriftlichen Gutachtenhatte er unter anderem ausgeführt, bei dem zweiten Versuch zur Entfernungdes [X.] hätte die Hysteroskopie in das Behandlungskonzept aufgenommenwerden müssen. In seinem Ergänzungsgutachten heißt es dazu, er sei sich mitdem (von der Krankenkasse beauftragten Gutachter) Dr. K. dahingehend einig,daß das Hysteroskop hätte benutzt werden müssen; es sei "[X.] die [X.] zu 1 und 2 nicht sofort zur Hysteroskopie geschritten [X.], um der Klägerin einen neuen Eingriff mit neuer Narkose zu ersparen. [X.] den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat [X.] sich in diesem Sinne zunächst auch bei seiner mündlichenAnhörung geäußert und sodann erklärt, diese aus genereller Erfahrung [X.] und Gutachter geschöpfte Einschätzung in seinen beiden Gutachtensei aber bei näherem Bedenken zu relativieren.Dieser Unklarheit in den Ausführungen des Sachverständigen in seinenschriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung hätte das [X.] nachgehen müssen (vgl. Senatsurteile vom 17. September 1985 -VI ZR 12/84 - [X.], 1187, 1188; vom 9. Juni 1992 - [X.] -- 8 -VersR 1992, 1015, 1016; vom 29. September 1992 - VI ZR 234/91 - [X.], 245, 247 und vom 27. September 1994 - [X.] - [X.], 196). Wenn es aus der Erklärung des Sachverständigen, die schriftlichgeäußerte Einschätzung sei zu relativieren, folgern wollte, dieser verneinenunmehr das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, hätte es ihn gezielt in dieserRichtung befragen müssen. Den Entscheidungsgründen läßt sich nicht entneh-men, inwieweit dies geschehen ist. Mündliche Erklärungen von Sachverständi-gen sind gem. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO grundsätzlich im Protokoll festzustellen.Bei einer wiederholten Anhörung oder bei einer mündlichen Erläuterung einesschriftlichen Gutachtens sind jedenfalls die Erklärungen zu protokollieren, dieinhaltlich von früheren Aussagen abweichen. Davon darf im Einverständnis mitden Parteien nur abgesehen werden, wenn die an sich zu protokollierende [X.] in einem Berichterstattervermerk hinreichend klar und vollständig nieder-gelegt wird, damit eine revisionsrechtliche Nachprüfung darüber möglich ist, obdas Berufungsgericht den Sachverständigen in diesem wichtigen Punkt richtigverstanden hat (vgl. hierzu [X.]Z 40, 84, 86; Senatsurteile vom 24. [X.] - VI ZR 295/85 - [X.], 290, 291 und vom 27. September 1994- [X.] - aaO; [X.], Urteile vom 5. Juli 1972 - [X.], 1673 und vom 24. Oktober 1990 - [X.] - NJW 1991, 1547,1548 f.). Die von seiner schriftlichen Beurteilung abweichenden mündlichen [X.] Prof. Dr. S. sind weder protokolliert noch ineinem Berichterstattervermerk festgehalten worden. Bei dieser Sachlage siehtdie Revision zu Recht einen durchgreifenden Verfahrensfehler gem. § 286 [X.], daß das Berufungsgericht in dem Absehen von einer Hysteroskopie kei-nen Behandlungsfehler gesehen hat, ohne zu diesem Punkt weitere Feststel-lungen zu treffen, zumal die schriftliche Beurteilung des Sachverständigen so-wohl mit dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle eingeholten Gutachten alsauch mit der Einschätzung des von der Krankenkasse beauftragten [X.]. [X.] -b) Mit Recht weist die Revision auch darauf hin, daß die von dem Sach-verständigen Prof. Dr. S. in seiner mündlichen Erläuterung angeführten Um-stände, wonach die [X.] zu 1 und 2 möglicherweise Zweifel über denUmfang der von der Klägerin erklärten Einwilligung gehabt hätten oder im Um-gang mit dem Hysteroskop noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien,nicht geeignet sind, einen ärztlichen Behandlungsfehler zu verneinen. Der ersteGesichtspunkt spielt für die Frage eines Behandlungsfehlers keine Rolle und istdem Parteivorbringen auch nicht zu entnehmen. Bei dem zweiten Aspekt hatdas Berufungsgericht den auch im Arzthaftungsrecht maßgeblichen objekti-vierten zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff im Sinne des § 276 Abs. 1 S. [X.] verkannt (vgl. Senatsurteil [X.]Z 113, 297, 303). Hiernach hat der [X.] für sein dem medizinischen Standard zuwiderlaufendes Vorgehenauch dann haftungsrechtlich einzustehen, wenn dieses aus seiner persönlichenLage heraus subjektiv als entschuldbar erscheinen mag (Senatsurteil vom13. Februar 2001 - [X.]/00 - VersR 2001, 646). Aus diesem Grund kannein Behandlungsfehler auch nicht mit der Erwägung des [X.]. Dr. S. verneint werden, möglicherweise seien die [X.] zu 1 und 2 mitdem Instrumentarium des [X.] angesichts des zur damaligen [X.] inden neuen Bundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Ge-rätebestandes noch nicht hinreichend vertraut gewesen und hätten daher [X.] weiteres in dem laufenden Eingriff die [X.]smethode wechseln [X.]. Wenn das Krankenhaus, wovon das Berufungsgericht ausgeht, über [X.] verfügte, hätte dieses bei dem Eingriff bei Bestehen einer [X.] Indikation eingesetzt werden müssen (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni1988 - VI ZR 217/87 - [X.], 80 und vom 30. Mai 1989 - [X.]/88 -[X.], 851, 852). Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorge-hensweise bedeutet eine Abweichung von dem haftungsrechtlich maßgebli-chen Standard eines Facharztes (vgl. Senatsurteil vom 21. November 1995- [X.]1/94 - [X.], 330 f.) und begründet einen ärztlichen Behand-lungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes kommt- 10 -es insoweit nicht an (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - [X.]/00 -aaO).3. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein etwaiger Behandlungs-fehler sei jedenfalls nicht als ein grober Fehler zu bewerten, der so weit vomanerkannten medizinischen Standard abweiche, daß er einem Arzt in einer ver-gleichbaren Situation schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Bei dieser Beur-teilung stützt sich das Berufungsgericht wiederum auf die nicht protokollierteund auch nicht in einem Berichterstattervermerk festgehaltene mündliche Er-läuterung des Sachverständigen Prof. Dr. S.. Dieser habe erklärt, im Falle derKlägerin wäre keine ambulante, sondern nur eine operative Hysteroskopie [X.] gekommen, die zur [X.] des Eingriffs im Jahre 1994 spezielle [X.] und Erfahrungen erfordert habe, über die die [X.] zu 1 und 2 [X.] möglicherweise noch nicht verfügt hätten. Dies hätte weiterer [X.] entsprechende Nachfragen bedurft. Die Aussage des [X.] nämlich nicht hinreichend deutlich erkennen, ob er damit zum Ausdruckbringen wollte, daß die angesprochenen speziellen Kenntnisse und Erfahrun-gen seinerzeit möglicherweise noch nicht zum medizinischen Standard einesFacharztes zählten und nur bei einer zusätzlichen Spezialisierung zu erwartenwaren oder ob nur die [X.] zu 1 und 2 möglicherweise nicht über dieseKenntnisse und Erfahrungen verfügten. Sollte letzteres gemeint gewesen sein,würde dies der Annahme eines groben Behandlungsfehlers nicht entgegenste-hen, da im Arzthaftungsrecht - wie dargelegt - der allgemeine objektivierte zivil-rechtliche Fahrlässigkeitsbegriff gilt (vgl. Senatsurteil [X.]Z 113, 297, aaO), beidem es auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes nicht an-kommt (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - [X.]/00 - aaO).4. [X.], ein etwaiger Behandlungsfehler sei fürdie spätere [X.] jedenfalls nicht ursächlich geworden und der Klä-- 11 -gerin sei durch das Absehen von einer Hysteroskopie kein gravierender Nach-teil entstanden. Auch diese Erwägungen sind nicht frei von [X.]) Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht hin-reichend gewürdigt, daß bei (späterem) Einsatz eines [X.] nach [X.] des gerichtlichen Sachverständigen die Chance bestanden hätte,eine zuvor erfolgte Perforation zu erkennen und dies nach Einschätzung [X.] eine möglicherweise uteruserhaltende Versorgung erlaubt hätte,kann sie allerdings keinen Erfolg haben. Sie übersieht, daß sich der gerichtlicheSachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht mit diesem [X.] auseinandergesetzt haben. In den Entscheidungsgründen des an-gefochtenen Urteils ist dazu im einzelnen ausgeführt, daß nach Beurteilung [X.] die später erfolgte [X.] aufgrund der Perforationnicht indiziert gewesen sei. Bei der postoperativen Versorgung sei ebenfallskein Fehler gemacht worden. Medizinisch Notwendiges sei nicht unterlassenworden. Gegen diese tatrichterliche Würdigung ist aus revisionsrechtlicher Sichtnichts zu erinnern.b) Dem Berufungsgericht kann aber darin nicht gefolgt werden, daß [X.] für das Absehen von einer Hysteroskopie deswegen haftungsrecht-lich nicht einzustehen hätten, weil den [X.] zu 1 und 2 insoweit allenfallsdie Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs unter Narkose vorzuwerfen sei unddie spätere [X.] darauf nicht beruhe. Mit Recht macht die [X.], daß nach Lage der Dinge sowohl bei primärem Einsatz eines Hyste-roskops als auch bei einem Wechsel zur Hysteroskopie das [X.] nach [X.] aller Gutachter entfernt worden wäre und damit der Eingriff gelungen undein weiterer Eingriff nicht notwendig gewesen wäre. Davon geht ersichtlich auchdas Berufungsgericht aus. Es verkennt jedoch, daß die Entfernung des [X.] dem zusätzlichen Eingriff beruht, welcher der Klägerin bei korrektem medi-zinischen Vorgehen erspart geblieben wäre. War das Absehen von einer Hyste-- 12 -roskopie behandlungsfehlerhaft, kommt es für die gem. § 287 ZPO zu beurtei-lende Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler undEntfernung des Uterus als Folge des in dem zusätzlichen weiteren Eingriff lie-genden [X.] nicht darauf an, ob den [X.] zu 1 und 2 auch dieUterusperforation oder deren Nichterkennen als Behandlungsfehler anzulastenwären.Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der [X.] auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Klägerin habein freier Verantwortung durch die Wahl einer neuen Ärztin, die Einweisung ineine andere Klinik und ihre Zustimmung zur [X.] eine selbständigeKausalkette in Gang gesetzt, die jeglichen eventuell anzunehmenden Ursa-chenbeitrag der [X.] zu 1 und 2 aus der vorangegangenen [X.] habe. Das Berufungsgericht übersieht, daß es zu diesem Gesche-hensablauf nicht gekommen wäre, wenn die Entfernung des [X.] durch Einsatzeines [X.] gelungen und der Klägerin deswegen ein weiterer Eingrifferspart geblieben wäre. Eine haftungsrechtliche Zuordnung der [X.] käme selbst dann in Betracht, wenn diese - nach Beurteilung des gericht-lichen Sachverständigen medizinisch nicht indizierte - Maßnahme der Klägerinvon der Frauenärztin Dr. P. fehlerhaft angeraten worden wäre, denn [X.] des Arztes für einen Behandlungsfehler umfaßt regelmäßigauch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes, wenn die Nach-behandlung durch den Fehler des erstbehandelnden Arztes mit veranlaßt [X.] ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1986 - [X.] - VersR 1986,601, 602 f. und vom 20. September 1988 - [X.] - [X.], 1273,1274). Die Grenze, bis zu welcher der Erstschädiger dem Verletzten für [X.] einer späteren fehlerhaften ärztlichen Behandlung einzustehen hat, [X.] aller Regel erst dann überschritten, wenn es um die Behandlung einerKrankheit geht, die mit dem Anlaß für die Erstbehandlung in keinem innerenZusammenhang steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt- 13 -in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhal-ten zu stellenden Anforderungen außer acht gelassen oder derart gegen alleärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, daß der eingetretene Scha-den seinem Handeln [X.] allein zugeordnet werden muß(Senatsurteil vom 20. September 1988 - [X.] - aaO m.w.[X.]). Dazu ist [X.] nichts festgestellt.c) Im übrigen käme eine Einstandspflicht der [X.] auch in Betracht,wenn ihnen, wie das Berufungsgericht meint, lediglich die Vornahme einesweiteren Eingriffs in Narkose anzulasten wäre. Auch ein solcher Eingriff wäreeine Körperverletzung, für die die [X.] haftungsrechtlich einzustehenhätten. Bei dieser Sachlage hätte die Klage nach den bisher getroffenen Fest-stellungen jedenfalls nicht in vollem Umfang abgewiesen werden dürfen.[X.] alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. [X.] ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] -zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen nachgeholt [X.].Müller [X.] [X.]

Meta

VI ZR 259/02

06.05.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.05.2003, Az. VI ZR 259/02 (REWIS RS 2003, 3238)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3238

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