Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.05.2023, Az. 25 W (pat) 568/22

25. Senat | REWIS RS 2023, 4811

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2022 002 157.5

(hier: Antrag auf Akteneinsicht)

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 25. Mai 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, der Richterin [X.] sowie der Richterin Dr. Rupp-Swienty, LL.M.,

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin hat am 7. Februar 2022 das Zeichen

2

[X.]

3

als Wortmarke für verschiedene Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 37 angemeldet.

4

Die Anmeldung wurde mit Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 36, vom 22. Juli 2022 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes gemäß § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 22. März 2022 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26. August 2022 Beschwerde ein.

5

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 4. April 2022 Antrag auf Einsicht in die Akte der Markenanmeldung 30 2022 002 157.5 gestellt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass sie Inhaberin der Wortmarke "manage to green" mit der Registernummer [X.] 018 002 533 sei, die für Dienstleistungen der Klassen 36, 37 und 42 eingetragen sei. Es bestehe die dringende Vermutung, dass die Markenanmeldung 30 2022 002 157.5 die Kennzeichenrechte der Antragstellerin an ihrer Unionsmarke verletze, da die [X.] Markenanmeldung zumindest teilweise identische [X.] betreffe. Der Antragstellerin sei aufgrund der bislang öffentlich abrufbaren Informationen nur teilweise bekannt, worauf sich die [X.] Markenanmeldung genau beziehe. Ob es sich tatsächlich um identische oder ähnliche Dienstleistungen handele, sei bislang nicht erkennbar. Die Kenntnis der Akten sei daher erforderlich, damit die Antragstellerin genauer prüfen könne, in welchem Umfang ihre Rechte verletzt seien, um diese sodann wahren und verteidigen zu können.

6

Mit Beschluss vom 22. Juli 2022 hat das [X.], Markenstelle für Klasse 36, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, dem Akteneinsichtsgesuch stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach § 62 Abs. 1 [X.] Einsicht in die Akten von angemeldeten Marken zu gewähren sei, wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werde. Durch die Anmeldung der [X.]n Marke für zumindest teilweise identische [X.] bestehe die dringende Vermutung, dass die Kennzeichenrechte der Antragstellerin an ihrer Unionsmarke verletzt würden. Die Akteneinsicht könne Kenntnisse vermitteln, die für die Antragstellerin von Bedeutung und für ihr künftiges Handeln maßgeblich sein könnten, so dass ein Interesse tatsächlicher und wirtschaftlicher Art gegeben sei. Die Akteneinsicht sei auch nach § 62 Abs. 4 [X.] nicht ausgeschlossen, da keine Rechtsvorschrift entgegenstehe oder das schutzwürdige Interesse der Antragsgegnerin offensichtlich nicht überwiege, zumal von ihrer Seite in der gewährten Frist nichts vorgetragen worden sei.

7

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer weiteren Beschwerde vom 26. August 2022. Sie trägt vor, bei zutreffender Prüfung der Sach- und Rechtslage hätte das [X.] zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Antrag auf Akteneinsicht nicht stattgegeben werden könne, weil es an einem berechtigten Interesse fehle. Ein solches sei nicht glaubhaft gemacht worden. Zudem sei durch Beschluss vom 22. Juli 2022 die Markenanmeldung zurückgewiesen worden. Damit sei – jedenfalls derzeit – ausgeschlossen, dass die Kenntnis des Akteninhalts für das künftige Verhalten der Antragstellerin bei der Wahrnehmung oder Verteidigung ihrer Rechte bestimmend sein könne. Der Antrag auf Akteneinsicht sei der Antragsgegnerin nicht zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt worden, so dass diese nicht habe erfolgen können.

8

Die Beschwerdeführerin stellt in vorliegendem, den [X.] betreffenden Beschwerdeverfahren den Antrag,

9

den Beschluss vom 22. Juli 2022 aufzuheben, mit welchem dem Antrag auf Akteneinsicht stattgegeben wurde, sowie die angemeldete Marke einzutragen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

1. die Beschwerde zurückzuweisen sowie

2. der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Sie trägt vor, der Antrag der Beschwerdeführerin sei unzulässig, soweit er auf die Vornahme der Markeneintragung gerichtet sei. Gegenstand dieses Verfahrens sei nicht ein Antrag auf Eintragung einer Marke, sondern auf Akteneinsicht. Dieser sei zum Zeitpunkt, als er gestellt wurde, zulässig und begründet gewesen. Der weitere Beschluss vom 22. Juli 2022, mit dem die Markenanmeldung zurückgewiesen worden sei, liege der Antragstellerin nicht vor. Es sei ihr auch nicht bekannt, ob hiergegen ein Rechtsmittel erhoben worden sei. Deshalb könne sie sich hierzu erst erklären, wenn sie Einsicht in die Verfahrensakte genommen habe. Insofern bestehe auch unter diesem Aspekt ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht. Sollte die Marke nicht eingetragen werden, würde die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklären. Es werde bestritten, dass der Antrag auf Akteneinsicht der Antragsgegnerin nicht zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt worden sei. Selbst wenn dem so wäre, sei das Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht nicht entfallen. Die Beschwerde sei deshalb auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Der Senat hat seine vorläufige Auffassung zur Sach- und Rechtslage den Beteiligten mit Schreiben vom 24. Januar 2023 mitgeteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den der Akteneinsicht stattgebenden Beschluss vom 22. Juli 2022 sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 36, vom 22. Juli 2022, mit dem dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Akteneinsicht stattgegeben wurde. Die Zurückweisung der Anmeldung des Wortzeichens "[X.]" durch einen weiteren Beschluss vom 22. Juli 2022 ist deshalb nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

1. Das [X.] hat mit zutreffender Begründung das berechtigte Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht gemäß § 62 Abs. 1 [X.] bejaht.

Hierfür genügt ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse. Dieses ist schon dann gegeben, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt, das auch tatsächlicher Art sein kann und im Allgemeinen dann vorliegen wird, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis des Akteninhalts beeinflusst werden kann. Es ist nicht stets erforderlich, dass das Interesse nicht auf andere Weise befriedigt werden kann und deshalb die Einsichtnahme in die Akten notwendig ist. Ob das geltend gemachte Interesse berechtigt ist, ist durch Abwägung der Belange des Antragstellers und des durch die Akteneinsicht Betroffenen zu ermitteln (vgl. BPatG 30 W (pat) 4/15 - [X.] MEDIATION m. w. N.)

a) Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 19. Dezember 2018 angemeldeten Unionswortmarke "manage to green" (Registernummer [X.] 018 002 533), die für Dienstleistungen der Klassen 36, 37 und 42 eingetragen ist. Sie entspricht vom Wortlaut her dem von der Beschwerdeführerin am 7. Februar 2022 und damit später angemeldeten Wortzeichen "[X.]" (Aktenzeichen 30 2022 002 157.5). Die Antragstellerin kann als unbeteiligte Dritte Informationen zu dieser Anmeldung ausschließlich der Veröffentlichung gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 [X.] entnehmen. Diese umfasst allerdings nicht die von einer Anmeldung umfassten Waren oder Dienstleistungen. Lediglich die in einer Anmeldung genannte Leitklasse und die etwaigen weiteren darin angegebenen Waren- bzw. [X.] werden gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 8 [X.] veröffentlicht. Insofern kann die Antragstellerin zwar feststellen, dass eine identische Wortfolge als Marke beim [X.], 36 und 37 angemeldet wurde. Welche Dienstleistungen jedoch konkret mit der Anmeldung beansprucht werden, erfährt sie durch das Register und/oder durch eine weitere Veröffentlichung erst dann, wenn das angemeldete Zeichen als Marke eingetragen (§ 41 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] i. V. m. § 25 Nr. 18 i. V. m. § 27 Abs. 3 [X.]) oder die Anmeldung zurückgenommen (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) bzw. rechtskräftig zurückgewiesen wurde (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall:

Die Antragsgegnerin hat gegen den ihre Anmeldung zurückweisenden Beschluss des [X.] vom 22. Juli 2022 Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde. Somit kann die Antragstellerin nur durch Einsicht in die Verfahrensakte des [X.] von dem Dienstleistungsverzeichnis der angemeldeten Marke Kenntnis nehmen. Weiterhin dient die Akteneinsicht dazu, dass sich die Antragstellerin über den Verfahrensstand der Anmeldung unterrichtet. Sie benötigt diese Informationen, um prüfen zu können, ob und ggf. wie sie das Recht aus ihrer Unionsmarke wahrnimmt oder verteidigt. So besteht für einen unbeteiligten Dritten gemäß § 37 Abs. 6 Satz 1 [X.] die Möglichkeit, während des Anmeldeverfahrens schriftliche Bemerkungen beim [X.] einzureichen.

b) Die Antragsgegnerin hat demgegenüber das berechtigte Interesse der Antragstellerin verneint, da die Markenanmeldung zurückgewiesen worden sei. Es sei deshalb ausgeschlossen, dass die Kenntnis des Akteninhalts für die künftige Wahrnehmung der Rechte der Antragstellerin bestimmend sein könne. Hierzu ist auszuführen, dass – wie bereits dargelegt – die Markenanmeldung aufgrund der Beschwerde noch nicht rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Zudem kann die Antragstellerin unter Berücksichtigung des Umstands, dass die [X.] 36 und 37 übereinstimmen, annehmen, dass von der Anmeldung 30 2022 002 157.5 umfasste Dienstleistungen sachliche Berührungspunkte zu Dienstleistungen ihrer Marke [X.] 018 002 533 aufweisen. Die darüber hinaus bestehende Identität der beiden Wortfolgen begründet somit nicht nur ein Interesse der Antragstellerin zu prüfen, ob Rechte aus ihrer eigenen Marke geltend zu machen sind, sondern auch zu erfahren, warum die Anmeldung 30 2022 002 157.5 zurückgewiesen wurde.

2. Gründe für einen Ausschluss der Akteneinsicht gemäß § 62 Abs. 4 [X.] liegen nicht vor. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass das schutzwürdige Interesse der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 4 Nr. 1 [X.] das Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht offensichtlich überwiegt (§ 62 Abs. 4 Nr. 2 [X.]). Dies ist nur in Ausnahmefällen anzunehmen, in denen der Schutz besonders sensibler Daten den Ausschluss der Akteneinsicht im Ganzen oder hinsichtlich einzelner Schriftstücke rechtfertigt. Denkbar ist dies bei personenbezogenen Daten, die Rückschlüsse auf die Gesundheit oder persönliche Lebenssituation des Betroffenen zulassen, oder bei [X.] (vgl. BPatG 30 W (pat) 4/15). Derartige besonders schutzwürdige Daten befinden sich nicht in der [X.]. Ein darauf beruhendes Interesse an der Verwehrung der Akteneinsicht hat die Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

Der Umstand, dass aus der [X.] Rückschlüsse auf die Eintragbarkeit der angemeldeten Wortfolge "[X.]" gezogen werden können, rechtfertigt es ebenfalls nicht, die Akteneinsicht auszuschließen, zumal diese auch der Prüfung der Erfolgsaussichten eines etwaigen sich auf die Anmeldung stützenden Angriffs auf die Marke der Antragstellerin dient (vgl. hierzu auch BPatG 30 W (pat) 4/15).

3. Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, der Antrag auf Akteinsicht sei ihr nicht zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt worden. In der Akte des [X.]es befindet sich ein Schreiben vom 18. Mai 2022, mit dem ihr der Antrag auf Akteneinsicht vom 4. April 2022 samt Anlage (Registerauszug zur Marke [X.] 018 002 533) übersandt und sie dazu aufgefordert werden sollte, sich innerhalb eines Monats nach Empfang des Schreibens zu dem [X.] zu äußern. Aus der Akte ergibt sich jedoch nicht, wann das Schreiben abgeschickt worden oder der Antragsgegnerin zugegangen ist. Selbst wenn sie das Schreiben vom 18. Mai 2022 nicht erhalten haben sollte, wäre die damit einhergehende Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Zustellung des die Akteneinsicht gewährenden Beschlusses vom 22. Juli 2022 und die sich daran anschließende Möglichkeit, im Beschwerdeverfahren zu dem [X.] Stellung zu nehmen, geheilt.

4. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind der Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. In [X.] entspricht es regelmäßig der Billigkeit, diese Verpflichtung dem Unterlegenen aufzuerlegen (ständige Rechtsprechung: z. B. BPatG 26 W (pat) 14/10; 29 W (pat) 23/18; 27 W (pat) 57/18). Gründe für eine Abweichung von diesem Grundsatz sind vorliegend nicht ersichtlich oder geltend gemacht worden.

Meta

25 W (pat) 568/22

25.05.2023

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.05.2023, Az. 25 W (pat) 568/22 (REWIS RS 2023, 4811)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4811

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