Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.08.2013, Az. I ZB 68/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3448

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kostenerstattung nach erfolgreichem Kostenwiderspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren: Berechnung der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren


Leitsatz

Wendet sich der anwaltlich vertretene Antragsgegner mit dem Kostenwiderspruch gegen die im Verfügungsverfahren gegen ihn ergangene Kostenentscheidung, fällt auf seiner Seite keine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 RVG-VV aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens an (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 22. Mai 2003, I ZB 38/02, WRP 2003, 1000 und Beschluss vom 26. Juni 2003, I ZB 11/03, BGHReport 2003, 1115).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des [X.] - 11. Zivilsenat - vom 14. September 2012 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin bei dem [X.] vom 6. Juli 2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden unter Zurückweisung des weitergehenden Kostenfestsetzungsantrags der Antragsgegnerin auf 581,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30. Mai 2012 festgesetzt.

Die Kosten der Rechtsmittel werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.268 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin hat wegen einer von ihr als wettbewerbswidrig angesehenen Behauptung gegen die Antragsgegnerin ohne deren vorherige Anhörung eine Beschlussverfügung erwirkt. Die Antragsgegnerin hat diese bis auf die Kostenentscheidung als endgültige Regelung anerkannt. Auf ihren zugleich eingelegten Kostenwiderspruch hat das [X.] die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt aufgehoben und die Kosten des Verfahrens gemäß § 93 ZPO der Antragstellerin auferlegt. Deren dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.

2

Die Rechtspflegerin des [X.]s hat die der Antragsgegnerin von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 1.849,80 € festgesetzt. Sie hat dabei eine 1,3-Verfahrensgebühr in nach dem Wert der Kosten berechneter Höhe und zusätzlich eine 0,8-Verfahrensgebühr nach dem Gegenstandswert des [X.] als erstattungsfähig angesehen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.] 2013, 33 = Rpfleger 2013, 116). Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Antragstellerin weiterhin gegen die Festsetzung einer nach dem Gegenstandswert des [X.] berechneten 0,8-Verfahrensgebühr der Antragsgegnerin.

3

II. Das Beschwerdegericht hat neben der Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert auch eine 0,8-Verfahrensgebühr nach dem Gegenstandswert des [X.] als erstattungsfähig angesehen, weil die Antragsgegnerin ihrem Verfahrensbevollmächtigten einen umfassenden, nicht auf die Kostenfrage beschränkten Verfahrensauftrag erteilt habe. Ein Kostenwiderspruch stehe einem sofortigen Anerkenntnis nahe, das ebenfalls eine zu erstattende 1,3-Verfahrensgebühr aus dem [X.] auslöse. In beiden Fällen werde der Antragsgegner in unberechtigter Weise mit einer prozessualen Maßnahme überzogen. Er habe daher in beiden Fällen auch das Recht, die Maßnahme anwaltlich überprüfen zu lassen, selbst wenn er sie letztlich als begründet anerkenne.

4

III. [X.] ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin lediglich eine 1,3-Verfahrensgebühr in nach dem Wert der Kosten berechneter Höhe zu erstatten.

5

1. Der Senat hat unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung entschieden, dass mit dem Kostenwiderspruch auf Seiten des Antragsgegners keine 5/10-Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 [X.] aus dem Gegenstandswert des [X.] anfällt, weil der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag, gegen eine einstweilige Verfügung nur zum Kostenpunkt Widerspruch zu erheben, allein auf die Abänderung der Kostenentscheidung abzielt ([X.], Beschluss vom 22. Mai 2003 - [X.], [X.], 1000, 1001; Beschluss vom 26. Juni 2003 - [X.], [X.]-Rep. 2003, 1115).

6

2. An dieser Sichtweise hält der Senat auch unter der Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes fest. Weder die Begründung des [X.] noch die Neuregelung des anwaltlichen Vergütungsrechts geben Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, die auch von der ganz herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum geteilt wird (vgl. [X.], [X.], 1501, 1502; [X.], [X.], 174; [X.], [X.] 2011, 621, 622; [X.]/Scharen, [X.], 6. Aufl., [X.]. 51 Rn. 56 [X.]. 171; Musielak/[X.], ZPO, 10. Aufl., § 91 Rn. 50; [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn. 13 "Kostenwiderspruch"; aA Müller-Rabe in [X.], [X.], 20. Aufl., [X.] Rn. 84).

7

a) Entgegen der Ansicht des [X.] lässt sich die Situation bei einem auf die Kosten beschränkten Widerspruch nach einer im [X.] erlassenen einstweiligen Verfügung nicht mit der Situation vergleichen, die bei einem Anerkenntnis nach Erhebung einer Hauptsacheklage besteht.

8

aa) Die Beschränkung des Widerspruchs auf die Kostenentscheidung enthält einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht, ohne den der Antragsgegner die mit dem Kostenwiderspruch erstrebte Vergünstigung des § 93 ZPO nicht in Anspruch nehmen könnte, wobei dies für die gebührenrechtliche Beurteilung ohne Belang ist ([X.], [X.], 1000, 1001; [X.]-Rep. 2003, 1115). Einem Anerkenntnis nach Klageerhebung steht dies nicht gleich. Ein Anerkenntnisurteil kann nur unter Mitwirkung - in Form einer ausdrücklichen Erklärung - des Beklagten ergehen. Mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung im [X.] ist dagegen bereits eine Entscheidung über den Gegenstand des [X.] getroffen, ohne dass es dazu einer Erklärung des Antragsgegners bedarf (vgl. [X.], [X.], 1501, 1502).

9

bb) Mit dem auf die Kosten beschränkten Widerspruch wird der Streitstoff des Widerspruchsverfahrens festgelegt und zugleich hierauf begrenzt (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., § 55 Rn. 9 mwN). Die Prüfung, ob der Widerspruch unbeschränkt oder nur auf die Kosten beschränkt eingelegt werden soll, ist dem Erlass der Verfügung nachgelagert, dem Widerspruchsverfahren aber vorgelagert. Die für diese Tätigkeit anfallenden Anwaltskosten rechnen daher nicht zu den im Widerspruchsverfahren gesondert zu erstattenden Kosten ([X.], [X.], 1000, 1001; [X.]-Rep. 2003, 1115).

b) Die Rechtslage unter der Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist mit der nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vergleichbar. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 in Verbindung mit der Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV [X.] sind dieselben wie die, unter denen früher gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die seinerzeitige Prozessgebühr angefallen ist. Dasselbe gilt für die Voraussetzungen, unter denen die Gebühr bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags zu vermindern ist (vgl. § 32 Abs. 1 [X.] einerseits und Nr. 3101 Nr. 1 VV [X.] andererseits). Auch ansonsten hat die Neuregelung des anwaltlichen Vergütungsrechts keinen Einfluss auf die Frage, welche Gebühren im Falle eines [X.] nach einer im [X.] ergangenen einstweiligen Verfügung entstehen und erstattungsfähig sind.

c) Unerheblich ist daher auch nach dem nunmehr geltenden Recht, ob die Antragsgegnerin ihrem Prozessbevollmächtigten ein uneingeschränktes Mandat erteilt hatte. Eine diesem daraus erwachsene 0,8-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Ziffer 1 VV [X.] wäre nicht erstattungsfähig. Entgegen der Ansicht des [X.] betrifft dies auch die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. Solche Kosten sind nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ([X.], [X.], 1000, 1002; [X.]-Rep. 2003, 1115; [X.], [X.], 1092). An dieser Beurteilung ist auch nach der Ablösung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz festzuhalten.

IV. Danach ist die Entscheidung des [X.] auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin aufzuheben, soweit dieses die Festsetzung einer 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Gegenstandswert des [X.] im Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des [X.]s bestätigt hat. Der Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegnerin ist unter Abänderung der von der Rechtspflegerin des [X.]s getroffenen Entscheidung insoweit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                           Pokrant                       Schaffert

                     [X.]                          [X.]

Meta

I ZB 68/12

15.08.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 14. September 2012, Az: 11 W 1552/12, Beschluss

§ 91 Abs 1 S 1 ZPO, § 93 ZPO, Nr 3101 Nr 1 RVG-VV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.08.2013, Az. I ZB 68/12 (REWIS RS 2013, 3448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3448

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

4 W 22/23

4b O 12/22

I ZB 68/12

14 O 36/22

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.