Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2014, Az. II ZB 4/14

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2748

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II
ZB
4/14

vom

23. September 2014

in dem Verfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] §§ 29, 709
Für eine [X.] bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich kein Notgeschäftsführer zu bestellen.

[X.], Beschluss vom 23. September 2014 -
II ZB 4/14 -
OLG [X.] am Main

AG [X.] am Main

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Der II.
Zivilsenat des [X.] hat am 23.
September 2014
durch [X.]
Dr. Bergmann
und
die
Richterin
Caliebe
sowie
die Richter Dr.
Drescher, Born und
Sunder
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Be-schluss des 20. Zivilsenats des [X.]s [X.] am Main vom 30. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdever-fahrens.

Gründe:
I.
Am 27. Dezember 1995 haben F.

M.

, dessen Ehefrau A.

M.

sowie deren vier Kinder, die Beteiligten zu 1 bis 4, zur Bewirtschaftung dreier [X.] in F.

die M.

GbR gegründet. F.

M.

und seine Ehefrau waren jeweils mit 2%, die Kinder jeweils mit 24% beteiligt. Der [X.] lautet auszugsweise:

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ührung und Vertretung
1.
Zur Geschäftsführung und Vertretung ist ausschließlich der Gesell-schafter F.

M.

berufen. Soweit dieser ver-hindert sein sollte, wird dieser, sofern er nicht einen Dritten mit schriftlicher Vollmacht zu seinem Vertreter bestimmt, was diesem vorbehalten sein soll, von seiner Ehefrau, der Erschienenen zu 2. in seiner Geschäftsführerstellung vertreten. Eine Vertretung durch an-dere Familienangehörige, mit Ausnahme der Erschienenen zu 2., ist nicht möglich.

§ 9 Tod eines [X.]ers
9.1.
Durch den Tod eines [X.]ers wird die [X.] nicht aufgelöst. Sie wird mit den oder dem Erben des verstorbenen [X.] fortgesetzt, soweit es sich um Verwandte gerader Linie oder Adoptivkinder handelt und die verbleibenden [X.]er nicht mit 3/4-Mehrheit beschließen, dass diese abzufinden sind.

F.

M.

hatte zu seinen Lebzeiten die laufenden Geschäfte der GbR auf die Beteiligte zu 1 übertragen und diese u.a. bevollmächtigt, in seinem Namen Mietverträge abzuschließen und aufzuheben sowie den Inhalt der [X.] nach eigenem Ermessen zu gestalten; weiterhin hatte er sie mit einer Konto-
und Depotvollmacht ausgestattet, die insbesondere auch das auf den Namen von F.

M.

eingerichtete Unterkonto 21 bei der D.

Bank umfasste, auf das die Mieter der verwalteten [X.] seit Jahrzehnten die Miete gezahlt hatten.
Am 2. September 2008 ist F.

M.

verstorben. In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten über die Frage, auf welches Konto die Mieter der [X.] ihre Mieten zahlen sollen, wer verfügungsberechtigt über die [X.] Mieten ist und wer zur Vertretung der [X.] berufen ist, sowie zu 2
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einer Vielzahl von Gerichtsprozessen zwischen den Beteiligten. Der Beteiligte zu 4 erstritt ein rechtskräftiges Teilurteil des Landgerichts [X.] vom 30.
Januar 2010, in dem die Beteiligten zu 1 bis 3 und A.

M.

verurteilt wur-den, einen Antrag auf Eröffnung eines Girokontos auf den Namen der GbR als Kontoinhaberin bei gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung aller Gesell-schafter der GbR zu stellen, und die Mieter der Wohnungen der [X.], die Mieten nur noch auf das neu zu eröffnende Girokonto zu leisten. Die [X.]er konnten keine von [X.] getragene Einigung über diese Punkte erzielen, so dass eine Vielzahl von Mietern dazu übergegangen ist, die Mieten bei dem Amtsgericht zu hinterlegen oder an die Beteiligte zu 1 bar zu zahlen.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2012 wurde der Beteiligte zu 4 aus der [X.] ausgeschlossen. Über seine Klage auf Feststellung der [X.] dieses Beschlusses ist bisher nicht entschieden.
Am 28. August 2013 hat die Beteiligte zu 1 beim Amtsgericht [X.] am Main beantragt, der [X.] einen Notgeschäftsführer analog § 29 [X.] zu bestellen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Dagegen haben die Beteiligte zu 1 und -
wegen der fehlenden Anordnung einer Kosten-erstattung
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die Beteiligten zu 2 bis 4 Beschwerde eingelegt. Während des Be-schwerdeverfahrens verstarb A.

M.

. Das [X.] hat die [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihren Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers weiter.
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II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Das [X.] (OLG [X.], [X.], 875) hat ausgeführt, eine analoge Anwendung von § 29 [X.] auf Personengesellschaften sei, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, nicht möglich. Die
Bestellung eines Dritten zum organschaftlichen Vertreter der Personengesellschaft entspreche nicht de-ren Leitbild, nach der die Vertretung nur einem [X.]er als geborenem [X.]sorgan zustehen könne. Jedenfalls für den hier vorliegenden Fall einer begrenzten Familiengesellschaft bürgerlichen Rechts sei eine Abwei-chung von diesem Grundsatz zu verneinen. Dem stehe auch § 6 Abs. 1 des [X.]svertrags nicht entgegen, weil die dort ermöglichte Geschäftsfüh-rung einer Person, die nicht [X.]er sei, keine organschaftliche Stellung verschaffe und nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Regelung nach dem Tod von F.

und A.

M.

noch Fortbestand haben solle. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass den von der Beteiligten zu 1 befürchteten [X.] nicht weit überwiegend durch die von den Beteiligten zu 2 bis 4 vorge-schlagene Einsetzung einer professionellen Hausverwaltung begegnet werden könne.
2.
Der Beschluss hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren stand.
a)
Die Erstbeschwerde war zulässig. Die Beteiligte zu
1 ist [X.]. Nach § 59 Abs. 1 und 2 FamFG steht die Beschwerde einem Antragstel-ler zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die [X.] zu 1 hat den Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers gestellt und ist durch die Ablehnung in ihren Rechten verletzt.
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Der Antrag auf Bestellung eines [X.]s eines Vereins nach § 29 [X.] kann von einem Vereinsmitglied als Beteiligtem gestellt werden. Ein [X.],
das einen solchen Antrag gestellt hat, ist gegen die Ablehnung der Bestellung eines [X.]s beschwerdeberechtigt, weil es in eigenen Rech-ten beeinträchtigt wird (vgl. [X.], [X.] 2013, 127, 128). Das [X.] Mitglied hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Handlungsfähigkeit des Vereins und ist, sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt, zur Mitwir-kung bei der Bestellung des Vorstands berufen.
Wenn wie hier eine entsprechende Anwendung der [X.]sbestel-lung auf einen anderen Verband in Frage steht, gilt Entsprechendes. Die [X.] zu 1 hat als [X.]erin ein Interesse an der Handlungsfähigkeit der [X.] und ist zur Mitwirkung an der Geschäftsführung bzw. an der Über-tragung der Geschäftsführung berufen, §§ 710, 709 Abs. 1 [X.].
b)
Zu Recht hat das [X.] die Bestellung eines [X.] für die [X.] entsprechend § 29 [X.] abgelehnt. Für eine [X.] bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich kein Notgeschäftsführer zu bestellen, jedenfalls wenn sie keine Publikumsgesellschaft ist (Erman/
Westermann, [X.], 14. Aufl., § 29 Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], Bearbeitung 2005, § 29 Rn. 5; MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 29 Rn. 4; [X.] [X.]/[X.] Stand: 01.02.2014, § 29 Rn. 2; Soergel/Hadding, [X.], 13. Aufl., § 29 Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], 73. Aufl., § 29 Rn. 1; [X.] in jurisPK-[X.], 6. Aufl., § 29 Rn. 2; [X.] in jurisPK-[X.], 6. Aufl., § 709 Rn. 10; vgl. zur KG [X.], Urteil vom 9. Dezember 1968 -
II ZR 33/67, [X.]Z 51, 198, 200). Für die entsprechende Anwendung der Regelung des § 29 [X.] [X.] die rechtlichen Voraussetzungen. Eine Analogie ist zulässig, wenn das [X.] eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachver-10
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halt in rechtlicher Hinsicht soweit
mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der [X.] wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen [X.]esvorschrift, zu dem gleichen [X.] gekommen (st. Rspr., vgl. etwa [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 -
IX ZR 65/09, [X.]Z 184, 101 Rn.
32; Urteil vom 12. Januar 2010 -
XI [X.], [X.], 319 Rn. 32 mwN).
aa)
Es fehlt bereits eine planwidrige Regelungslücke. Der [X.] überbrückt bei der juristischen Person eine vorübergehende Handlungsunfähig-keit beim Fehlen eines ordentlich bestellten Vorstands. Der Wegfall der Ge-schäftsführungsbefugnis bei einem geschäftsführenden [X.]er
oder sein Wegfall machen die [X.] bürgerlichen Rechts dagegen auch beim Fehlen von Vorkehrungen im [X.]svertrag nicht handlungsunfähig, weil dafür Regelungen im Gesetz vorhanden oder von der Rechtsprechung entwi-ckelt worden sind.
Der Wegfall des (einzigen) geschäftsführungsberechtigten Gesellschaf-ters durch Tod führt zur [X.] der verbliebenen [X.]er (§ 709 Abs. 1 [X.]). Bei Entziehung der Geschäftsführungsbe-fugnis oder Amtsniederlegung gilt Entsprechendes; ggf. bleibt es bei der Ge-schäftsführungsbefugnis der übrigen [X.] [X.]er (vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 712 Rn. 20 mwN). Dass sich die verbleibenden [X.]er blockieren können, ist in der Gesamtgeschäfts-führungsbefugnis als dem gesetzlichen Regelfall bei der [X.] bürgerli-chen Rechts angelegt und begründet daher keine Regelungslücke.

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Soweit etwa im Hinblick auf den Ausschluss des geschäftsführungs-
und vertretungsbefugten [X.]ers rechtliche Unsicherheiten bestehen, kann die Geschäftsführungs-
und Vertretungsbefugnis durch eine einstweilige Verfü-gung vorläufig geregelt werden. Wenn ein dringender Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die [X.] oder ihr Vermögen besteht, die keinen [X.] bis zu einer Entscheidung der [X.]er duldet, bedarf es ebenfalls keines Notgeschäftsführers. Jeder [X.]er hat entsprechend §
744 Abs.
2 [X.] die Befugnis zu den Maßnahmen, die zur Erhaltung eines zum Ge-sellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes oder der [X.] selbst notwendig sind (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 1955 -
IV ZR 185/54, [X.]Z 17, 181, 183).
bb)
Auch die von der Beteiligten zu 1 behauptete zeitweilige Geschäfts-unfähigkeit des Beteiligten zu 3 führt nicht zu einer ungeregelten Situation. Der Gefahr der Mitwirkung eines Mitgesellschafters, die sich nachträglich als un-wirksam herausstellt, kann durch die Bestellung eines Betreuers für den ge-schäftsunfähigen [X.]er und einen Einwilligungsvorbehalt (§
1903 [X.]) begegnet werden (vgl. [X.]/[X.], [X.], 73. Aufl., § 1903 Rn.
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mwN). Wenn in gerichtlichen Verfahren wegen der Eilbedürftigkeit ein Zuwarten mit Nachteilen verbunden wäre, kann vor der Betreuerbestellung ein Prozess-pfleger nach § 57 ZPO bestellt werden.

Bergmann
Caliebe
Drescher

Born
Sunder

Vorinstanzen:
AG [X.] am Main, Entscheidung vom 20.11.2013 -
72 AR 2050/13 -

OLG [X.] am Main, Entscheidung vom 30.01.2014 -
20 W 368/13 -

Meta

II ZB 4/14

23.09.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2014, Az. II ZB 4/14 (REWIS RS 2014, 2748)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2748

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II ZB 4/14

IX ZR 65/09

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