Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2022, Az. VII R 34/19

7. Senat | REWIS RS 2022, 5377

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Gegenstand

Prozesszinsen


Leitsatz

Ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO besteht nicht für den Zeitraum, in dem während eines Klageverfahrens die Vollziehung des Steuerbescheids aufgehoben wurde und die Finanzbehörde daraufhin den Steuerbetrag an den Steuerpflichtigen zurückgezahlt hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 22.02.2019 - 4 K 53/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

… im Dezember 2011 berechnete die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in ihrer Steueranmeldung vom 14.12.2011 …Steuer in Höhe von insgesamt … € und erhob hiergegen Sprungklage zum Finanzgericht --[X.]-- (Aktenzeichen 4 K 296/11). Am 22.12.2011 zahlte die Klägerin auf die …Steuerforderung entsprechend ihrem Anteil … €.

2

Am 06.12.2013 stellte die Klägerin beim [X.] einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ([X.]) nach § 69 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O), dem das [X.] mit Beschluss vom … stattgab. Aufgrund dessen erstattete der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagte) im Mai 2014 der Klägerin die gezahlte …Steuer. Nachdem der [X.] ([X.]) mit Beschluss vom … den Beschluss des [X.] vom … aufgehoben und den Antrag auf [X.] abgelehnt hatte, zahlte die Klägerin die ihr erstattete Steuer am 24.12.2014 zurück.

3

Mit Beschluss vom … erklärte das [X.] das …Steuergesetz … für mit Art. … des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig. Daraufhin hob der Beklagte die angefochtene Steueranmeldung auf und zahlte am 19.06.2017 die entrichtete Steuer zurück.

4

Mit Bescheid vom 16.08.2017 setzte der Beklagte Prozesszinsen in Höhe von insgesamt … € fest. Diese Festsetzung bezog sich auf den [X.]raum vom 22.12.2011 bis zum 19.06.2017 abzüglich der [X.]spanne vom 19.05.2014 bis zum 24.12.2014, innerhalb derer die von der Klägerin entrichtete Steuer aufgrund der [X.] erstattet worden war.

5

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, mit der sie die Gewährung weiterer Zinsen in Höhe von … € begehrte. Das [X.] urteilte, die Versagung von weiteren Prozesszinsen sei rechtmäßig. § 236 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) liege die Erwägung des [X.] zugrunde, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die [X.] ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren. § 236 [X.] sei auf einen Ausgleich zwischen den Zinsvorteilen des Steuergläubigers und dem [X.] des Steuerpflichtigen ausgerichtet. Im Streitfall wäre eigentlich der [X.]raum vom 22.12.2011 (Entrichtung der Steuer) bis zum 19.06.2017 (Rückzahlung der Steuer) zu verzinsen. Bei dieser Betrachtung bliebe allerdings unberücksichtigt, dass die Klägerin die angemeldete Steuer während dieses [X.]raums nicht durchgängig gezahlt hatte. Auch wenn die Rückzahlung durch den Beklagten aufgrund der [X.] keine Erstattung i.S. von § 236 Abs. 1 [X.] sei, liege dieser Vorschrift doch die Erwägung zugrunde, dem Steuerpflichtigen einen Zinsanspruch nur für [X.]räume einzuräumen, in denen er die streitige Steuerforderung auch tatsächlich entrichtet gehabt habe. Der Zweck der Vorschrift, einen Ausgleich für das vorenthaltene Kapital zu gewähren, entfalle mit der Rückerstattung der Steuer. Würde die Steuer erst nach Rechtshängigkeit gezahlt, würde die Verzinsung nach § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] auch erst mit dem Tag dieser Zahlung beginnen.

6

Die Klägerin begründet ihre --vom [X.] zugelassene-- Revision unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision (Aktenzeichen …) und ergänzt, das [X.] habe § 236 [X.] verfehlt angewendet und damit ihren Zinsanspruch unzutreffend verkürzt. § 236 Abs. 1 Satz 1 [X.] nehme hinsichtlich des Beginns der [X.] nur einen möglichen Anknüpfungszeitpunkt in Bezug, nämlich den Tag der Rechtshängigkeit. Weder diese Regelung noch § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] knüpften daran an, welche Partei die Mittel tatsächlich in Besitz habe. Die Rechtshängigkeit der Klage bleibe von einer Zahlung bzw. Erstattung der gezahlten (vermeintlichen) Steuer unberührt. Der Gesetzgeber habe eine die Berechnung erschwerende Unterbrechung der [X.] nicht vorgesehen. Zudem könne der Steuerpflichtige bei mehrfacher Gewährung einer [X.] Zinsmonate "verlieren", indem jede Erstattung kurz vor Vollendung eines weiteren vollen Zinsmonats (§ 238 [X.]) vollzogen würde. Somit habe die zwischenzeitliche Rückzahlung der …Steuer aufgrund der vorübergehenden [X.] bereits nach dem Wortlaut des § 236 Abs. 1 [X.] keine Auswirkungen auf den [X.]. Aufgrund des abschließenden Katalogs der [X.] seien Analogien im Zinsrecht der [X.] ausgeschlossen. Darüber hinaus habe § 236 [X.] ein Begünstigungsziel, während eine analoge Heranziehung des § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu Lasten des Steuerpflichtigen gehe. Die Entstehungsgeschichte des § 236 Abs. 1 Satz 1 [X.] spreche gegen eine teleologische Reduktion, weil der Gesetzgeber eine pauschalierende und einfach umzusetzende Entschädigung für den Steuerpflichtigen habe normieren wollen. Darüber hinaus lägen die Fälle des § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] und der zwischenzeitlichen Rückzahlung ohne Erfüllungswirkung nicht gleich, weil die zwischenzeitliche Erstattung nicht zum Erlöschen des [X.] führe. Ferner hätte das [X.] darlegen müssen, dass der Fall der Gewährung von [X.] durch die Verwaltung, anders als der in § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] geregelte Fall, dass der Steuerpflichtige die Steuer freiwillig mit Tilgungswirkung bezahle, habe ungeregelt bleiben können. § 69 Abs. 6 Satz 1 [X.]O eröffne dem Gericht jederzeit die Möglichkeit, auf Basis einer neuen Würdigung der Zweifel an der Rechtslage eine [X.] zu gewähren oder im gegenteiligen Fall aufzuheben. In Ansehung dieser Vorschrift erscheine eine ausdrückliche gesetzliche Regelung geboten, wenn der Gesetzgeber eine Reduktion in "Hin- und Herzahlkonstellationen" hätte regeln wollen. Auch die Tatsache, dass der Steuerbürger damit belastet sei, die Mittel liquide vorzuhalten für den Fall, dass eine erneute Einforderung durch den Staat erfolge, lasse eine Verzinsung über den [X.]raum der vorübergehenden [X.]-Gewährung hinaus nicht unbillig erscheinen. Außerdem spreche das bisherige Verständnis der Rechtsprechung in Bezug auf das Zinssystem der [X.] gegen die vom [X.] vorgenommene einschränkende Auslegung von § 236 Abs. 1 [X.]. Die Verkürzung des [X.]s stelle darüber hinaus bei einem nichtigen Steuergesetz einen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. Denn mit den zwischenzeitlich aufgrund der gewährten [X.] ausgekehrten Mitteln habe nicht im üblichen Maße gewirtschaftet werden können. Der Beklagte differenziere nicht hinreichend zwischen der vom Gesetzgeber angeordneten Soll-Verzinsung und einer grundsätzlich denkbaren, aber nicht vom Gesetzgeber normierten Ist-Verzinsung. In einem Soll-Verzinsungssystem komme es gerade nicht auf die Verfügbarkeit der Mittel an.

7

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des Bescheids vom 16.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.04.2018 zu verpflichten, ihr weitere Prozesszinsen in Höhe von … € zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er nimmt ebenfalls auf sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren Bezug und ergänzt, Regelungsinhalt des § 236 [X.] sei, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und die damit entgangenen Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die [X.] ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung als Nachteilsausgleich zu gewähren. Eine solche Situation liege im Fall der Zahlung an den Steuerpflichtigen nicht vor. Im Ergebnis sei die Klägerin so zu stellen, als hätte sie auf die Steuerschuld nicht gezahlt. Würden [X.]räume, in denen der Steuerpflichtige die faktische Überlassung des Kapitals erstreite, nicht aus der Prozesszinsberechnung herausgerechnet, dränge sich die Frage auf, ob die lediglich auf einen Nachteilsausgleich angelegte Begünstigungsvorschrift dadurch zu ungewollten Bereicherungseffekten führte.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf [X.] gemäß § 236 Abs. 1 [X.] für den [X.]raum zusteht, in dem ihr die …Steuer aufgrund einer [X.] (vorübergehend) erstattet worden war.

1. Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 [X.] der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich § 236 Abs. 3 [X.] vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung gemäß § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] mit dem Tag der Zahlung.

a) Eine Verzinsungspflicht für zu erstattende Beträge aufgrund einer Aufhebung, Rücknahme oder Änderung des Bescheids oder aufgrund einer unrechtmäßigen Beitreibung war bereits in § 132 i.V.m. §§ 128, 129 der Reichsabgabenordnung ([X.]) i.d.F. vom 13.12.1919 --[X.] 1919-- geregelt. Eine spezielle Regelung für [X.] auf [X.] war noch nicht vorgesehen (vgl. [X.], 1993, 2021 ff.). § 132 [X.] 1919 entsprach einem "vielfach geäußerten Bedürfnis und der Billigkeit". In den Fällen der §§ 128 und 129 [X.] 1919 sollten die Zinsen von der Entrichtung an gerechnet werden (Begründung zum Entwurf der Reichsabgabenordnung, Drucks Nr. 759 der [X.], S. 110).

Die in § 132 [X.] 1919 getroffene Regelung wurde im Wesentlichen unverändert in § 155 [X.] i.d.[X.] übernommen (vgl. [X.] 1931, 161, 182) und durch § 21 Nr. 1 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.10.1934 gestrichen (vgl. [X.] 1934, 925, 929).

In dem Entwurf eines Steueränderungsgesetzes vom 04.03.1961 ([X.]/2573), der u.a. das Steuersäumnisgesetz (StSäumG) und Änderungen zur [X.] enthielt, waren Regelungen zu [X.] enthalten, die im Gesetzgebungsverfahren angenommen wurden. In § 4 StSäumG wurde lediglich allgemein geregelt, dass Erstattungsansprüche nur dann zu verzinsen sind, wenn dies in den Steuergesetzen vorgeschrieben ist --entsprechend § 233 [X.]-- (vgl. BTDrucks 2573, S. 11; Art. 16 des Steueränderungsgesetzes 1961 [X.] 1961-- vom 13.07.1961, [X.] 1961, 981, 993). Allerdings wurde zugleich ein geänderter § 155 [X.] eingefügt (vgl. [X.]/2573, S. 12 f.; Art. 17 StÄndG 1961 vom 13.07.1961, [X.] 1961, 981, 995). Die Vorschrift entsprach im Wesentlichen dem heute gültigen § 236 [X.], wobei § 155 [X.] die Überlegung zugrunde lag, dass eine allgemeine Verzinsung von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen wegen der damit verbundenen Verwaltungserschwerung zur damaligen [X.] nicht durchführbar war. Die Einführung einer Regelung für [X.] erschien lediglich gerechtfertigt und als ohne erheblichen Verwaltungsaufwand durchführbar für Fälle, in denen sich eine Steuererstattung infolge eines vor den Gerichten schwebenden Rechtsmittelverfahrens längere [X.] hinauszog. Umgekehrt wurde auch eine Regelung für den Fall für angemessen erachtet, dass infolge eines Rechtsmittelverfahrens der geschuldete Betrag der Finanzverwaltung längere [X.] vorenthalten wurde. Durch die Einführung einer Art von [X.] sollte diesen Härten abgeholfen werden (vgl. Begründung zu Art. 11 StÄndG 1961, [X.]/2573, S. 33, 35 und 36 f.). Die Zahlung von [X.] bezog sich auf etwaig zu viel entrichtete Steuerbeträge, wenn die Steuerschuld nach Rechtshängigkeit herabgesetzt wurde (vgl. Begründung zu § 66 des Entwurfs einer Finanzgerichtsordnung vom 02.08.1963, [X.]/1446, S. 51, der § 155 [X.] entsprach).

§ 155 [X.] wurde durch § 162 Nr. 24 [X.]O i.d.F. vom 06.10.1965 aufgehoben (vgl. [X.] 1965, 1477, 1499) und anstelle dieser Vorschrift § 111 [X.]O geschaffen (vgl. [X.] 1965, 1477, 1491). Eine inhaltliche Änderung erfolgte nicht.

Wenige Jahre später sollte nach § 218 des Entwurfs einer Abgabenordnung vom [X.] die materielle Vorschrift des § 111 [X.]O ohne sachliche Änderungen in die [X.] übernommen werden ([X.] 23/71, S. 57 und 172; vgl. auch bereits Begründung zum Gesetzentwurf einer Abgabenordnung, [X.], S. 172, Gesetzentwurf der Fraktionen [X.], [X.] vom 25.01.1973, BTDrucks 7/79, S. 58, und Gesetzentwurf der Bundesregierung eines [X.] des [X.], BTDrucks 7/2852, S. 27, 48). Die Gewährung von [X.] bezog sich --auch hier-- auf Überzahlungen (vgl. [X.] 23/71, S. 171). Die endgültige Normierung erfolgte --nach einer zwischenzeitlichen Regelung der [X.] in § 4b StSäumG (Art. 3 und Art. 4 Nr. 3 des [X.] des [X.], [X.] 1975, 1509 ff., 1532, 1533)-- durch § 236 [X.] i.d.F. vom 16.03.1976 --[X.] 1977-- (vgl. [X.] 726/75, S. 64). Mit dem Inkrafttreten der [X.] 1977 am 01.01.1977 wurde § 236 Abs. 1 bis 3 [X.] 1977 in der noch heute in § 236 Abs. 1 bis 3 [X.] enthaltenen Fassung eingeführt (vgl. [X.] 1976, 613, 667; vgl. auch [X.] 726/75, S. 64). Für die [X.] nach dem 31.12.1976 entstehen [X.] somit nach dieser Vorschrift (vgl. Art. 97 § 15 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14.12.1976, [X.] 1976, 3341, 3383).

Zusammenfassend ergibt sich aus den Materialien zur Entstehungsgeschichte und Entwicklung des § 236 [X.], dass der Gesetzgeber von Anfang an die Verzinsung auf gezahlte Beträge beschränken und die Gewährung von [X.] als eine Billigkeitsregelung für die Fälle vorsehen wollte, in denen dem Steuerpflichtigen während eines gerichtlichen Verfahrens ein entrichteter Betrag --möglicherweise für einen längeren [X.]raum-- vorenthalten bleibt, weil die Erhebung der Klage gemäß § 69 Abs. 1 [X.]O keinen Suspensiveffekt hat. Demzufolge besteht die Pflicht zur Verzinsung gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 [X.] bis zum Auszahlungstag.

b) Auch in der Literatur ist § 236 [X.] von Anfang an als eine Regelung verstanden worden, die einen geldwerten Ausgleich für den Vermögensschaden gewährt, der dem obsiegenden Kläger dadurch erwachsen ist, dass er den Anspruch des [X.]s ohne Rücksicht auf die von ihm im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Rechtmäßigkeit seiner Festsetzung erhobenen Einwendungen erfüllen muss ([X.]/Kutter/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 236 [X.], S. 622). Die Ursache der Verzinsung ist die Zahlung der festgesetzten Steuer, die unabhängig von der Einlegung des Rechtsbehelfs gefordert werden kann. [X.] oder Schadensersatzansprüche werden durch die Verzinsungsregelung in § 236 [X.] nicht ausgeschlossen (zu § 4b StSäumG: [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, [X.]entar zur Reichsabgabenordnung, 1.-6. Aufl., § 4b StSäumG Rz 3; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 236 Rz 2; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.]O, § 236 Rz 1 f.; [X.] in [X.], § 236 [X.] Rz 5). Durch die Gewährung von [X.] sollen somit Härten ausgeglichen werden, die sich durch die Verzögerung der Erstattung bei gerichtlichen Verfahren ergeben [X.], [X.] Steuer-[X.]ung [X.] 1961, 194, 200). Der Normzweck des § 236 [X.] wird darin gesehen, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten für die [X.] ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren (Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 236 Rz 1, m.w.N.; [X.] in [X.] [01.01.2015], § 236 [X.], Rz 1, m.w.N.; [X.] in [X.], [X.] § 236 Rz 5, mit Verweis auf die [X.]-Urteile vom 16.05.2013 - II R 20/11, [X.], 320, [X.], 770, und vom [X.], [X.], 405, [X.], 598, m.w.N.).

Die Verzinsung läuft bis zum Auszahlungstag, d.h. bis zu dem Tag, an dem die Zahlungsmittel beim Steuerpflichtigen eingehen (zu § 4b StSäumG: [X.], [X.]entar zur Reichsabgabenordnung, 1.-6. Aufl., § 4b StSäumG Rz 12; [X.], [X.], 194, 201; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 236 Rz 23; [X.] in [X.] [01.01.2015], § 236 [X.], Rz 14; [X.] in [X.], [X.] § 236 Rz 33). Ein Anspruch nach § 236 [X.] entsteht nur dann, wenn der Steuerpflichtige Leistungen erbracht hat, die die Erfüllung der Steuer bewirken sollten ([X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 236 Rz 23). Da nach dem Wortlaut des § 236 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur der zu erstattende Betrag zu verzinsen ist, kommt die Anwendung der Vorschrift in den Fällen nicht in Betracht, in denen die festgesetzte Steuer vor ihrer Herabsetzung aufgrund einer [X.] (§ 69 Abs. 3 Satz 4 [X.]O, § 361 Abs. 2 Satz 4 [X.]) zurückgezahlt worden ist (Loose in Tipke/[X.], § 236 [X.] Rz 23) und aus diesem Grund nicht mehr erstattet werden kann.

c) Schließlich spricht auch die bisher zu § 236 [X.] ergangene Rechtsprechung dafür, die Vorschrift dahingehend einschränkend auszulegen, dass [X.] nicht für einen [X.]raum zu gewähren sind, in dem der gezahlte Steuerbetrag vorübergehend erstattet worden ist.

Denn die Rechtsprechung sieht den Zweck der Vorschrift ebenfalls darin, dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die [X.] ab Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren (vgl. [X.]-Urteile vom 16.11.2000 - XI R 31/00, [X.], 1, [X.], 119, unter [X.]; in [X.], 405, [X.], 598, und in [X.], 320, BStBl 2013, 770, Rz 17). Zu § 111 [X.]O a.F. hatte der erkennende [X.] in einem obiter dictum ausgeführt, dass die Ursache einer Verzinsung die Zahlung von Abgaben ist, die unabhängig von der Einlegung eines Rechtsbehelfs gefordert werden kann (vgl. [X.]sbeschluss vom 08.02.1972 - VII B 170/69, [X.], 508, [X.] 1972, 429).

Die Rechtsprechung des [X.] zu § 233a [X.] steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Zwar sollen nach dem Urteil des [X.]. [X.]s vom 19.04.2005 - [X.] R 12/04 ([X.]E 209, 409, [X.] 2005, 683) auch Beträge, die dem Steuerpflichtigen aufgrund einer [X.] erstattet worden sind, als "zu erstattende Beträge" i.S. des § 233a Abs. 3 Satz 3 [X.] anzusehen sein. Doch ist diese Entscheidung zu § 233a [X.] ergangen und kann daher nicht ohne weiteres auf § 236 [X.] übertragen werden. … Vor allem aber geht der [X.] auch für den Anwendungsbereich des § 233a [X.] davon aus, dass die Zinsen nur für solche [X.]en gezahlt werden sollen, in denen der [X.] tatsächlich einen Liquiditätsvorteil erlangt hat und der Steuerschuldner tatsächlich nicht über das Geld verfügen konnte.

d) Der Sinn und Zweck des § 236 [X.] besteht also darin, dem Steuerpflichtigen einen Ausgleich dafür zu gewähren, dass er über den gezahlten Betrag nicht verfügen kann, weil er diesen aufgrund des fehlenden Suspensiveffekts der Klage zu zahlen hat (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Wird dem Steuerpflichtigen der gezahlte Betrag jedoch aufgrund der [X.] des [X.] zumindest vorübergehend zurückgezahlt, wird er dadurch in die Lage versetzt, über das Geld zu verfügen und damit zu wirtschaften, weshalb sich die vorübergehende Erstattung einer Steuer positiv auf die Liquidität des Steuerpflichtigen auswirkt. Eine Verzinsung auch für diesen [X.]raum würde demnach zu einer Überkompensation führen und stünde daher im Widerspruch zum Sinn und Zweck der Regelung und zu den Motiven des Gesetzgebers. Dass der Steuerpflichtige damit rechnen muss, nach Abschluss des Klageverfahrens die Abgaben möglicherweise wieder --endgültig-- zahlen zu müssen, führt zwar dazu, dass er das Geld nicht langfristig anlegen bzw. völlig frei darüber verfügen kann. Allerdings zielt § 236 [X.] nicht darauf ab, einen Schaden vollständig zu ersetzen, sondern aus Billigkeitsgründen Härten abzumildern. Sofern dem Steuerschuldner ein darüber hinaus gehender Schaden entsteht, muss er diesen auf dem Zivilrechtsweg geltend machen.

2. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen hat die Klägerin keinen weiteren Anspruch auf die Gewährung von [X.] gemäß § 236 [X.], weil ihr die entrichtete …Steuer aufgrund der [X.] für den streitgegenständlichen [X.]raum vom 19.05.2014 bis zum 24.12.2014 erstattet worden war.

a) Der zu verzinsende [X.]raum begann im Streitfall gemäß § 236 Abs. 1 Satz 2 [X.] mit dem 22.12.2011, dem Tag der Zahlung. Nachdem die …Steuer am 24.12.2014 erneut gezahlt worden war, begann der Lauf des zu verzinsenden [X.]raums erneut.

Die Berechnung des Zinsbetrags durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] betragen die Zinsen für jeden Monat einhalb Prozent. Der zu verzinsende Betrag wird gemäß § 238 Abs. 2 [X.] auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag abgerundet. Ausgehend von einem entrichteten Betrag in Höhe von … € ergibt sich somit ein zu verzinsender Betrag von … €. Der zu verzinsende [X.]raum beträgt insgesamt 65 volle Monate ([X.]raum vom 22.12.2011 bis zum 19.06.2017) abzüglich 7 volle Monate ([X.]raum der [X.] vom 19.05.2014 bis zum 24.12.2014), insgesamt also 58 Monate. Unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 0,5 % pro zu verzinsendem vollem Monat ergibt sich somit ein Zinsanspruch in Höhe von … €.

b) Dass dadurch der zu verzinsende [X.]raum im Streitfall in zwei Teile geteilt worden ist, und zweimal gemäß § 238 Abs. 1 Satz 2 [X.] angefangene Monate außer Ansatz geblieben sind, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Wie unter 1. ausgeführt, dient die Gewährung von [X.] nicht einem vollständigen Ersatz des dem Steuerschuldner entstanden Schadens, sondern soll nur die Härten ausgleichen, die durch die Zahlung trotz Rechtshängigkeit der Klage entstehen. Einer Billigkeitsregel ist eine gewisse Pauschalierung immanent.

c) Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrem Einwand durchdringen, die Verkürzung des [X.] stelle bei einem nichtigen Steuergesetz einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dar. Die Klägerin stellt maßgeblich darauf ab, dass sie mit den aufgrund der gewährten [X.] ausgekehrten Mitteln nicht in dem üblichen Maße habe wirtschaften können. Diese --behauptete-- Einschränkung betrifft allerdings lediglich das Vermögen, welches an sich nicht in den Eigentumsschutz einbezogen ist (vgl. Papier/Shirvani in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. z. GG, Art. 14 Rz 277).

Darüber, ob der Klägerin möglicherweise Amtshaftungsansprüche zustehen können, hat der [X.] nicht zu entscheiden. Hierfür sind die ordentlichen Gerichte zuständig (Art. 34 Satz 3 GG, § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 71 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 34/19

17.05.2022

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 22. Februar 2019, Az: 4 K 53/18, Urteil

§ 69 FGO, § 236 AO, § 238 AO, § 233a AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2022, Az. VII R 34/19 (REWIS RS 2022, 5377)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5377

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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