Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.05.2020, Az. 30 W (pat) 8/18

30. Senat | REWIS RS 2020, 80

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "VORHER NACHHAIR" – fehlende Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 000 223

(hier: Löschungsverfahren [X.]/16)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 14. Mai 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie des [X.] [X.] und der Richterin Akintche

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Markeninhaberin, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die angegriffene Wortmarke 30 2013 000 223

2

[X.]

3

wurde am 16. Januar 2013 angemeldet und am 12. März 2013 für die Waren und Dienstleistungen der

4

„Klasse 03: Augenbrauenkosmetika; Bleichmittel für kosmetische Zwecke; Enthaarungsmittel; Farbstoffe für die Kosmetik; [X.]aarfärbemittel; [X.]aarspray; [X.]aarwasser; Klebemittel für [X.]aarersatz; Klebstoffe für kosmetische Zwecke; Klebstoffe für künstliche Wimpern; Kosmetika; künstliche Nägel; künstliche Wimpern; Lotionen für kosmetische Zwecke; Mittel zur Körperpflege und Schönheitspflege; Nagelaufkleber; Nagellack; [X.]; Parfümeriewaren; Schminkmittel;

5

Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Verpflegung von Gästen in Cafés; Verpflegung von Gästen in Cafeterias;

6

Klasse 44: Dienstleistungen eines Friseursalons; Dienstleistungen von Schönheitssalons; [X.]aarimplantation; Maniküre; Tätowieren“

7

in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen.

8

Am 25. November 2016 hat die Antragstellerin beim [X.] die teilweise Löschung der angegriffenen Marke beantragt, nämlich im Umfang der Dienstleistungen der Klasse 44 „Dienstleistungen eines Friseursalons; Dienstleistungen von Schönheitssalons“. Im amtlichen Formular ist als Löschungsgrund angekreuzt, dass die angegriffene Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 [X.] eingetragen worden sei.

9

Die Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat dem Teillöschungsantrag, der ihr am 23. Dezember 2016 zugestellt worden war, mit am 15. Februar 2017 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz widersprochen.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2017 hat die Markenabteilung 3.4 die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang angeordnet und den von der Markeninhaberin gestellten [X.] zurückgewiesen. Ferner hat sie den Gegenstandswert des Verfahrens nicht auf den von der Markeninhaberin geschätzten Wert der Marke in [X.]öhe von [X.], sondern auf [X.] festgesetzt.

Zur Begründung der Löschungsanordnung hat die Markenabteilung ausgeführt, dass der Eintragung der angegriffenen Marke im Anmeldezeitpunkt das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegengestanden habe und dieses Schutzhindernis auch weiterhin bestehe. Das angegriffene Zeichen setze sich aus dem gängigen [X.] Wort „[X.]“ und einer Abwandlung des ebenfalls gängigen Begriffs „[X.]“, nämlich „[X.]“, zusammen. Die Wortfolge „[X.] [X.]“ sei im Bereich der einschlägigen Dienstleistungen häufig anzutreffen. Sie beschreibe diese Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar, stehe aber in einem engen beschreibenden Bezug zu diesen, weil Friseurdienstleistungen wie auch Dienstleistungen von Schönheitssalons häufig mit einer erheblichen Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds der Kunden einhergingen, die mit der Wortfolge „Vorher Nachher“ werblich-anpreisend angedeutet und in diesem Zusammenhang sehr häufig verwendet werde. Gerade auf diese Veränderung komme es vielen Kunden an. Da eine sichtbare Veränderung häufig wesentlicher Bestandteil der einschlägigen Dienstleistungen sei, werde vielfach eine Dokumentation dieser Veränderungen in Gestalt von „[X.] vorgenommen. Es sei insoweit auch denkbar, dass Erbringer von Friseur- und Schönheitsdienstleistungen Zusatzleistungen anböten, die mit „Vorher Nachher“ in Zusammenhang stünden, z.B., dass die Veränderung durch das Styling/die Frisur etc. für den Kunden im Rahmen eines professionellen Foto-Shootings dokumentiert werde. Ein Friseur werde aufgrund der weitreichenden optischen Veränderungen, die mit der Erbringung der Dienstleistung einhergehe, sogar als „Vorher-Nachher-Spezialist“ beschrieben. Somit stelle die Angabe „[X.] [X.]“ in Verbindung mit den gegenständlichen Dienstleistungen eine im Vordergrund stehende Sachangabe dar.

Es handele sich bei „[X.]“ nicht um eine ungewöhnliche Abwandlung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) müssten Abwandlungen [X.] Angaben sowohl akustisch als auch visuell erkennbar sein, um selbst schutzfähig zu sein. Werde die Abwandlung als solche erkannt, sei sie unterscheidungskräftig, soweit der Abwandlung selbst ein individualisierender Charakter zukomme. Dies sei nicht der Fall, wenn der Verkehr in der Abwandlung ohne Weiteres die ihm geläufige sachbezogene oder werbeübliche Angabe wiedererkenne. Im vorliegenden Fall sei die Abwandlung zur schutzunfähigen Angabe „Vorher Nachher“ zwar deutlich erkennbar. Es gebe aber auch schon im Anmeldezeitpunkt [X.] diverse Nutzungen des Zeichens „[X.]“ im einschlägigen Bereich, so dass es sich um keine ungewöhnliche Abwandlung von „[X.] [X.]“ handle. Überdies sei die Abwandlung nur bei visueller Betrachtung wahrzunehmen. Bei akustischer Wiedergabe der Marke gehe sie unter, weil der phonetische Unterschied zwischen [e] in „-her“ und [ɛ] in „hair“ verschwindend gering sei. Zudem sei mit einer phonetisch nicht immer korrekten Aussprache des [X.] durch die inländischen Kreise zu rechnen. Aufgrund dieser phonetischen Identität bzw. hohen Ähnlichkeit erscheine auch eine Übersetzung durch die angesprochenen Kreise im Sinne von „[X.]“ – wie von der Markeninhaberin geltend gemacht – fernliegend. Auch die von der Markeninhaberin selbst vorgebrachten Beispiele von Voreintragungen zeigten, dass Wortspiele, die mit der phonetischen Ähnlichkeit von „hair“ zu anderen Begriffen spielten, üblich seien. Der angesprochene Verkehr habe dem angegriffenen Zeichen bereits im Anmeldezeitpunkt einen im Vordergrund stehenden Sachhinweis auf die einschlägigen Dienstleistungen beigemessen. Dies gelte für den aktuellen Zeitpunkt fort, denn es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die tatsächlichen Umstände geändert hätten und ein verändertes Verkehrsverständnis anzunehmen sein könnte.

Von der Frage der markenrechtlichen Schutzfähigkeit zu unterscheiden sei schließlich die Frage nach der namensmäßigen Unterscheidungskraft im Sinne von § 5 Abs. 2 [X.]. Es möge daher zutreffen, dass ein mit „[X.]“ gekennzeichneter Betrieb, der die Dienstleistungen anbiete, vom angesprochenen Verkehr als besondere Geschäftsbezeichnung im Sinne des § 5 Abs. 2 [X.] wahrgenommen werde. Aufgrund der häufigen Verwendung werde er darin jedoch keinen betrieblichen [X.]erkunftshinweis in Bezug auf die damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sehen, so dass die markenrechtliche Unterscheidungskraft fehle.

Gegen die Teillöschung ihrer Marke durch die Markenabteilung 3.4 wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die vom [X.] herangezogene Rechtsprechung des [X.] zu „Postkantoor“ vorliegend schon deshalb nicht anwendbar sei, weil diese nur kombinierte Marken betreffe, deren einzelne Wortbestandteile die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschrieben und die daher nur dann als dem Markenschutz nicht zugänglich angesehen würden, wenn der Gesamteindruck der Kombination akustisch und visuell hinreichend von dem abweiche, der durch die bloße Zusammenfügung der Einzelbestandteile entstehe. Darüber hinaus finde diese Rechtsprechung auch deshalb keine Anwendung, weil das Erfordernis einer akustischen und visuellen Abwandlung vom [X.] nicht näher begründet worden sei und zudem im Widerspruch zur markenrechtlichen Spruchpraxis in den Ländern der [X.] stehe. Weder sei es erforderlich noch gerechtfertigt, der Marke generell, also in jeglicher Wahrnehmungsform die Unterscheidungskraft abzusprechen.

Die Schutzfähigkeit der Streitmarke könne nicht schon deshalb verneint werden, weil diese eine Abwandlung der Wortfolge „[X.] [X.]“ darstelle, selbst wenn man diese als schutzunfähig ansehe. Denn generell seien Abwandlungen [X.] Bezeichnungen – sogar wenn der Verkehr eine inhaltliche Bezugnahme auf den Fachbegriff erkenne – schutzfähig, wenn dieser ein individualisierender Charakter zukomme, was vorliegend zutreffe. Visuell und – anders als das [X.] meine – auch phonetisch werde die Abwandlung klar bemerkt. Dass die Abwandlung bereits im Anmeldezeitpunkt für die gelöschten Dienstleistungen verwendet worden sei, sei unzutreffend und werde durch die Recherche des [X.] nicht belegt. „[X.]“ sei kein gebräuchliches oder übliches Wort der [X.] Alltags- oder Werbesprache. „[X.]“ sei mit „[X.]“ zu übersetzen, so dass ganz offenkundig das Element weder in Alleinstellung noch in der Wortfolge „[X.]“ einen klaren Bedeutungsgehalt aufweise. Es handle sich vielmehr um eine ungewöhnliche Großschreibweise und eine unübliche Zusammenschreibung eines [X.] und eines [X.] Wortes und damit um ein witziges, originelles Fantasiewort. Selbst wenn das Element „[X.]“ auf Friseurdienstleistungen anspiele, so weise die angegriffene Marke im [X.]inblick auf ihren eigenschöpferischen Gehalt einen individualisierenden Charakter auf. Die bloße mögliche Assoziation an die Aussage „vorher nachher“ reiche zur Versagung der Unterscheidungskraft nicht aus.

Ohnehin zeige bereits die vom [X.] dargelegte Abfolge der Gedankenschritte, um von „[X.]“ zur Aussage „Vorher nachher“ und damit zu einem werbeüblich anpreisenden beschreibenden Sinngehalt zu kommen, dass der Verkehr die Marke nicht unmittelbar, also nicht sofort und naheliegend beschreibend auffasse. Die Schlussfolgerungen des [X.] setzten vielmehr eine analysierende Betrachtung voraus. [X.]inzu komme, dass „Vorher [X.] in vielen Dienstleistungsbereichen zu finden seien. Schließlich differenziere das [X.] rechtsfehlerhaft auch nicht zwischen den Dienstleistungen eines Friseursalons und denjenigen eines Schönheitssalons. Anhaltspunkte dafür, dass die Streitmarke ausschließlich als werbliche Anpreisung gesehen werde, seien nicht zu sehen. Die vom [X.] aufgeführten [X.] seien unbehelflich, weil sie entweder keinen Bezug zu dem in Rede stehenden Markenbegriff aufwiesen, eine kennzeichenmäßige Nutzung zeigten oder undatiert seien und daher nicht erkennen ließen, ob die Internetseiten in dieser Form tatsächlich schon vor 2013 existiert hätten.

Die Beschwerdeführerin und Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 13. Dezember 2017 aufzuheben und den Antrag auf Teillöschung der Marke 30 2013 000 223 zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die Beschwerdeführerin bereits Inhaberin einer im Jahr 2006 registrierten Wort-/Bildmarke mit der Angabe „[X.]“ gewesen sei, die aber wegen Nichtverlängerung der Schutzdauer gelöscht worden sei. Die Beschwerdeführerin habe sich mit der verfahrensgegenständlichen Marke für ein rein beschreibendes Wortzeichen entschieden und dafür ihre grafisch ausgestaltete, unterscheidungskräftige Marke aufgegeben. Bei der Angabe „[X.] her“ handle es sich nämlich um eine im kosmetischen Bereich gängige Aussage. Phonetisch sei die angegriffene Marke von dieser gängigen Bezeichnung nicht zu unterscheiden. Es gebe mehrere inländische Friseurgeschäfte mit dem gleichen Namen. Auch dies zeige, dass es sich um eine übliche und nicht unterscheidungskräftige Bezeichnung handle.

Zusammen mit der Terminsladung vom 11. März 2020 sind den Verfahrensbeteiligten Rechercheunterlagen des Senats übermittelt worden. Im Rahmen der Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

[X.].

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg, denn die Marke [X.] ist im angegriffenen Umfang entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] eingetragen worden. [X.] 3.4 des [X.] hat die Löschung der Markeneintragung für die Dienstleistungen aus der Klasse 44 wegen Nichtigkeit daher zu Recht angeordnet (§§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 54 [X.]).

A) Da der Löschungsantrag am 25. November 2016 gestellt worden ist, ist gemäß § 158 Abs. 8 [X.] auf das vorliegende Verfahren § 50 Abs. 2 [X.] in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.

Dem in ihrer Begründung konkret auf die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] gestützten und auch ansonsten nach §§ 54, 50 [X.] zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdegegnerin hat die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 S. 2 [X.] widersprochen, so dass die Voraussetzungen zur Durchführung des Löschungsverfahren gemäß § 54 Abs. 2 S. 3 [X.] vorliegen.

B) Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 [X.] gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von [X.] zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 [X.] verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das [X.] sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke ([X.], 565 (Nr. 10) – smartbook; [X.] 2014, 483 (Nr. 22) – test; [X.] 2013, 1143 (Nr. 15) – Aus Akten werden Fakten) bestanden hat als auch – soweit es um die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-9 [X.] geht – im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen, nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BPatG [X.] 2006, 155 – Salatfix).

In Beachtung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Löschung der Marke [X.] für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen nach §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1[X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft vor.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.] 2015, 1198 ([X.]) – [X.]; BG[X.] [X.] 2020, 411 (Nr. 10) – #darferdas? [X.]; [X.] 2018, 301 (Nr. 11) – [X.]; [X.] 2016, 934 (Nr. 9) – [X.]; jeweils m. w. N.). Denn die [X.]auptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.] 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; [X.] 2010, 228 (Nr. 33) – Vorsprung durch Technik; [X.] – #darferdas? [X.]; a. a. O. – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein [X.] begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] – [X.]). Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung nicht nur umfassend, sondern auch streng sein muss, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (vgl. zuletzt [X.] [X.] 2019, 11 94 (Rn. 28) – #darferdas?); entsprechendes gilt im Löschungsverfahren. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.] 2004, 428 (Nr. 53) – [X.]; [X.] (Nr. 15) – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des [X.]andels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 376 (Nr. 11) – grill meister).

[X.]iervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.] 2004, 674 ([X.]) – Postkantoor; BG[X.] [X.] 2017, 186 (Nr. 30 und [X.]) – [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.] 2014, 569 (Nr. 14) – [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 9) – Starsat).

2. Diesen vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt und genügte die angegriffene Marke für die Dienstleistungen der Klasse 44 „Dienstleistungen eines Friseursalons; Dienstleistungen von Schönheitssalons“ bereits zum Anmeldezeitpunkt im Januar 2013 nicht. Denn das beschwerdegegenständliche Zeichen [X.] vermittelt den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich die gängige, werblich anpreisende Sachaussage „[X.]her“ in einer abgewandelten Form, wobei die Art der Abwandlung ihrerseits werbeüblich und abgegriffen ist.

a) Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, dass sich die Streitmarke nicht in der bloßen Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe erschöpft. Vielmehr handelt es sich zunächst um eine ungewöhnliche Kombination, denn dem [X.] Adverb „Vorher“ folgt das in der [X.] Sprache nichtexistierende Wort „[X.]“. Das im zweiten Wort enthaltene Element „hair“ ist zwar – vor allem im Kontext mit den hier in Rede stehenden Dienstleistungen – ohne weiteres als [X.] Wort für „[X.]aare“ zu erkennen, so dass der [X.], dass die Dienstleistungen sich irgendwie mit [X.] befassen. Im Sinne von „Vorher-[X.]e“ ergibt sich allerdings keine sinnvolle Aussage, erst recht weist die Marke in einer solchen Bedeutung weder einen beschreibenden noch sonstigen Sachbezug zu den relevanten Dienstleistungen auf.

b) Allerdings wird das hier angesprochene allgemeine Publikum in der Angabe „Vorher Nachhair“ unschwer und ohne weiteres Nachdenken eine wortspielerische Bezugnahme auf die Aussage „[X.]her“ erkennen. Die Endsilbe „hair“ übermalt nämlich die nahezu klangidentische [X.] Silbe „her“.

[X.] hat daher zu Recht geprüft, ob die Streitmarke eine Abwandlung einer beschreibenden Angabe darstellt, d. h. ob es sich bei der zugrundeliegenden Angabe „[X.]her“ um eine beschreibende, nicht unterscheidungskräftige Aussage handelt und ob die Abweichung durch das Wortspiel individualisierend, mithin schutzbegründend wirkt (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rn. 194 ff).

c) [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die zugrundeliegende Wortfolge „[X.]her“ auf dem hier relevanten Dienstleistungssektor eine werbeübliche und dienstleistungsbezogene Aussage darstellt.

Das Wort „vorher“ bedeutet „vor einem bestimmten, diesem Zeitpunkt, Ereignis, Geschehen“ und das Wort „nachher“ „[unmittelbar] nach einem bestimmten Geschehen, danach“ (vgl. [X.] unter www.duden.de).

In der hier betroffenen Beauty-Branche wird durch die Kombination dieser Adverbien in werbesprachlich-prägnanter Form darauf hingewiesen, dass durch die Inanspruchnahme der Dienstleistungen das Aussehen angepasst auf die Kundenwünsche und -bedürfnisse verändert bzw. verbessert wird. Die Rechercheunterlagen der Markenabteilung belegen die ohnehin selbstverständliche Erkenntnis, dass Friseurleistungen wie auch Dienstleistungen von Schönheitssalons eine solche Typ- bzw. Aussehensveränderung bezwecken und – wie die weiteren Anlagen im angegriffenen Beschluss zeigen und auch nur zeigen sollen – hiermit vielfach geworben wird. Anders als die Beschwerdeführerin meint, sind die Belege insoweit daher nicht unbehelflich. Schließlich ist es üblich, dass Friseure und (andere) Dienstleister aus der Beauty-Branche z. B. durch eine Fotogalerie auf ihrer Internetseite entsprechende [X.] zur werblichen Anpreisung ihrer Leistungen bereitstellen. Dies zeigen ergänzend zu der Recherche der Markenabteilung auch die vorab übersandten Belege des Senats (vgl. [X.] 4 zur Ladung vom 11.03.2020).

Wegen der vielfachen Verwendung und Üblichkeit dieser „[X.]her“-Aussage und dem damit verbundenen Sachhinweis, dass die Inanspruchnahme der Leistungen des Aussehens der Kundschaft (positiv) beeinflusst, wird das angesprochene Publikum der Wortfolge auch nur diese werbliche Anpreisung beimessen.

Der Umstand, dass [X.] nicht spezifisch mit Friseur- und Schönheitsdienstleistungen einhergehen, wie die Beschwerdeführerin einwendet, sondern in vielerlei Dienstleistungsbereichen zu finden sind, wie z.B. im Bereich von Diäten, Schönheits-Operationen oder Möbelaufarbeitung, Restaurierung etc., spielt keine Rolle, denn die beschwerdegegenständliche Marke ist nicht isoliert, sondern in Bezug auf die hier in Rede stehenden Dienstleistungen zu beurteilen.

d) [X.] hat des Weiteren durch ihre Recherche-Ergebnisse nachgewiesen, dass im hier maßgeblichen Dienstleistungssektor die Ersetzung von Silben durch das [X.] Wort „hair“ (beispielsweise auch in den Aussagen „[X.] nachhair Galerie“ oder „VOR[X.] [X.] [X.]“) häufig in Gebrauch ist und war und bereits zum Anmeldezeitpunkt nicht nur in der Werbesprache zum Standard gehörte. Der Einwand der Beschwerdeführerin, den Recherchebelegen des [X.] sei nicht zu entnehmen, dass diese bereits vor dem Anmeldezeitpunkt existierten, verfängt nicht. Bei ihrer Recherche hat die Markenabteilung die Suchfunktion derart voreingestellt, dass nur Ergebnisse vor dem 16. Januar 2013 angezeigt werden; dem entsprechend zeigen die Treffer überwiegend konkrete Verwendungen mit einem Datum vor dem genannten Zeitpunkt.

Ergänzend zu den Nachweisen in dem angegriffenen Beschluss wird die Üblichkeit des [X.] belegt durch einen Artikel aus dem [X.] (vgl. Anlage 1 zur Ladung vom 11.03.2020), der sich mit Namen für Friseursalons beschäftigt. Dort wird u. a. folgendes erläutert: „Jedenfalls wird das [X.]aar mit den sich (halbwegs) reimenden Worten oder auch nur Buchstaben „her“, „air“, „[X.]err“, „A“, „[X.]“ vermengt, auf das etwas Lustiges herauskomme!“. Neben vielen weiteren finden sich in dem Bericht Namen, die mit den Angaben „[X.]aar“/„[X.]air“ spielen und die sprachliche und werbliche Üblichkeit der Ersetzung von Silben verdeutlichen, wie z. [X.], Austrian [X.]airlines, Bel [X.]air, Coiffeur [X.]airlich, Die 4 [X.]aareszeiten, element.[X.]AAR, Friseur [X.]aartürlich, Friseur [X.]airmony, [X.]aarakiri, [X.]aarchitektur, [X.]airkules, [X.]aireinspaziert u.v.m. Auch ein Bericht aus der [X.] vom 17. Juni 2011 unter dem Titel „Wie hairlich“ thematisiert kuriose Namen und Wortspiele rund um Friseursalons, beispielsweise über das [X.]aarstudio „[X.]air.cooles“ (Anlage 2 zur Ladung vom 11.03.2020).

Ungeachtet des Umstands, dass es sich bei den aufgeführten Beispielen vielfach um eine kennzeichenmäßige Verwendung handelt und unabhängig von der Frage, ob die der Abwandlung jeweils zugrundeliegende Aussage selbst beschreibend ist, zeigen die vorgenannten Beispiele jedenfalls deutlich, dass die Ersetzung klangidentischer oder klangähnlicher Silben durch „[X.]air“ werblich genutzt wird und dazu dient, auf einen sachlichen Zusammenhang mit Friseur-Dienstleistungen bzw. im weitesten Sinn mit [X.]aaranwendungen hinzuweisen.

Die [X.] lassen den sicheren Schluss auf ein solches Verkehrsverständnis zum Zeitpunkt der Markenanmeldung zu. Gleiches gilt auch für den Entscheidungszeitpunkt, denn das Wortspiel findet weiterhin breite Verwendung, so dass insoweit nicht ein erneuter Wandel bzw. eine (Zurück)Veränderung des [X.] stattgefunden hat, wie die Nachweise in Anlage 3 zur Ladung vom 11. März 2020 zeigen. Beispielsweise finden sich dort in der Zeitschrift [X.] bei Vorstellung der Frisurentrends für 2019 unter anderem folgende Ausführungen: „Unseren [X.]-Kollegen aus [X.] hat sie jetzt verraten, welche [X.] dieses Jahr behairschen werden.“. In einem Artikel vom Oktober 2019 über eine [X.]aarspendeaktion für krebskranke Menschen ist zu lesen: „Das ist [X.]ausragend! Toll, dass so viele Leute mitgemacht haben“.

Aus [X.] wird deutlich, dass es sich um ein gängiges und daher abgegriffenes Wortspiel in verschiedensten Worten bzw. Wortkombinationen handelt. Dem Publikum ist es so allgemein bekannt und nahegebracht, dass darin keine spezifische Besonderheit mehr zu sehen ist.

e) Angesichts der vielfachen Verwendung des [X.] schon vor dem Anmeldezeitpunkt und der Gewöhnung hieran wird der angesprochene Endverbraucher – ohne gedankliche Zwischenschritte oder analytische Betrachtung – in [X.] das Wortspiel im zweiten Bestandteil erkennen, ohne weiteres die Begriffsbildung als übliche Abwandlung der Aussage „[X.]her“ auffassen und zwanglos damit gleichsetzen. Er hat keinerlei Veranlassung, die Streitmarke mit „[X.]haare“ zu übersetzen, worauf die Markenabteilung zutreffend hingewiesen hat.

f) In Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen steht damit eine werblich anpreisende Sachaussage im Vordergrund. [X.] gibt einen [X.]inweis darauf, dass mit der Inanspruchnahme der Dienstleistungen eine positive Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes – insbesondere der [X.]aare – verbunden ist. Dies gilt nicht nur in Bezug auf Friseurdienstleistungen; gleiches gilt auch hinsichtlich der Dienstleistungen eines Schönheitssalons. Denn auch zu deren Leistungsangebot gehören üblicherweise verschiedene [X.]aarbehandlungen, wie Schnitt, Färbung und Styling (Einflechten von Kunsthaar, [X.] etc.).

g) Bei dem Markenwort handelt es sich nach alledem um eine Abwandlung, die als solche wahrgenommen und in welcher der Verkehr ohne weiteres die ihm geläufige sachbezogene und werbeübliche Angabe „vorher nachher“ wiedererkennen wird.

Von den von der Markeninhaberin zitierten Fällen zu schutzfähigen Abwandlungen unterscheidet sich die Streitmarke im [X.]inblick darauf, dass die „Abwandlung“ selbst gängig und werbeüblich ist und gerade nicht mehr individualisierend wirkt. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob die Abwandlung sowohl in visueller wie auch klanglicher [X.]insicht wahrgenommen werden muss, kann deshalb als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

h) Die Marke [X.] konnte und kann damit in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen ihre [X.]auptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen und ist nicht unterscheidungskräftig.

3. Da die angegriffene Marke hiernach bereits nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen war und ist, kann dahingestellt bleiben, ob weitere Löschungsgründe vorliegen.

C) Die Festsetzung des [X.] auf … Euro durch das [X.] begegnet keinen Bedenken. Die Markeninhaberin hat den Markenwert auf … Euro geschätzt. Zu Dauer und Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke hat die Markeninhaberin jedoch konkret nichts vorgetragen. Veranlassung, von dem im Regelfall angenommenen Schätzwert in [X.]öhe von … Euro abzuweichen, be- stand daher für die Markenabteilung nicht.

D) [X.]insichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind. Der [X.] der hier ohnehin unterlegenen Beschwerdeführerin war daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 8/18

14.05.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 158 Abs 8 MarkenG, § 50 Abs 2 MarkenG vom 12.03.2004

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.05.2020, Az. 30 W (pat) 8/18 (REWIS RS 2020, 80)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 80

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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