Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.06.2021, Az. B 13 R 294/20 B

13. Senat | REWIS RS 2021, 5239

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Befugnis nach § 407a Abs 3 S 2 ZPO)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 4. November 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 4.11.2020 hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum [X.] eingelegt, die er mit Schriftsatz vom [X.] begründet hat. Er rügt eine Verletzung von § 118 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 407a Abs 3 ZPO. Das [X.] habe das im Berufungsverfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten des Sachverständigen S. nicht verwerten dürfen, weil der [X.], ein Testverfahren zur Früherkennung von Demenz, von einer im Gutachten namentlich nicht genannten Hilfsperson durchgeführt worden sei.

3

II. 1. [X.] ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung von ehrenamtlichen Richtern als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung vom [X.] genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] gebotenen Form. Der Kläger hat darin den allein geltend gemachten Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in der gesetzlich vorgesehenen Weise bezeichnet.

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 1 [X.] ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des [X.] zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB [X.] Beschluss vom 27.10.2010 - [X.] KR 2/10 B - juris Rd[X.] 5; [X.] Beschluss vom 9.12.2019 - B 13 R 259/19 B - juris Rd[X.] 4). Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In Bezug auf die Beweisaufnahme und -würdigung sind mithin allein Fehler im Verfahren der Beweisaufnahme mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügbar (vgl [X.] Beschluss vom 18.9.2003 - [X.] [X.]/03 B - [X.] 4-1750 § 407a [X.] 1 Rd[X.] 6; [X.] Beschluss vom [X.] R 397/16 B - juris Rd[X.] 8), denn auf eine fehlerhafte Würdigung erhobener Beweise nach § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] lässt sich eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision demnach nicht mit Erfolg stützen. Den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung vom [X.] nicht gerecht.

5

a) Der Senat geht unter Würdigung des Gesamtvorbringens des [X.] davon aus, dass eine Verletzung von § 118 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 407a Abs 3 Satz 2 ZPO gerügt wird. Danach hat der Sachverständige eine Person, deren Mitarbeit er sich bedient, namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Ein Sachverständigengutachten kann bei Fehlen der danach erforderlichen Angaben (Name und Qualifikation des mitarbeitenden Arztes sowie Umfang der Mitarbeit) unverwertbar sein, wenn das Gericht einen auf entsprechende Information gerichteten Antrag eines Beteiligten übergeht und dieser ein berechtigtes Interesse an den genannten Angaben hat ([X.] Beschluss vom 15.7.2004 - [X.] V 24/03 B - [X.] 4-1750 § 407a [X.] 2). Ein solches berechtigtes Interesse liegt vor, wenn die zugänglichen Informationen objektiv nicht darauf schließen lassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein weiterer Arzt an der Erstellung eines Gutachtens mitgearbeitet hat und über welche Qualifikation dieser verfügt ([X.] Beschluss vom 1.10.2014 - [X.] SB 53/14 B - juris Rd[X.] 10). Dass der Kläger gegenüber dem [X.] die Mitteilung von Name, Qualifikation und Umfang der Mitarbeit der Hilfsperson des Sachverständigen S beantragt und ein berechtigtes Interesse an diesen Informationen gehabt habe, wird in der Beschwerdebegründung indes nicht dargetan.

6

Der Kläger bringt vor, ua der [X.] sei von einer [X.] durchgeführt worden, nach seiner Vermutung die Ehefrau des Sachverständigen S. Im Sachverständigengutachten fehle jedoch die Angabe, wer die psychologischen Tests durchgeführt habe. Dies habe er gegenüber dem [X.] mit Schriftsatz vom [X.] gerügt. Damit ist nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger im Berufungsverfahren zumindest sinngemäß den Antrag gestellt habe, ihm Informationen über die Qualifikation von [X.] - ihren Namen und ihre Heranziehung zur Durchführung des Tests sind ihm ausgehend von seinem Vorbringen bereits bekannt gewesen - zu übermitteln. Auch sein in der Beschwerdeschrift ausdrücklich in Bezug genommener Schriftsatz vom [X.] enthält keinen solchen Antrag, sodass es keiner weiteren Erwägung bedarf, ob der Kläger mit der Bezugnahme auf diesen Schriftsatz eine entsprechende Antragstellung anforderungsgerecht dargetan hätte (vgl zur nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen Bezugnahme auf vorinstanzlich eingereichte Schriftsätze zB [X.] Beschluss vom [X.] [X.] 21/09 B - juris Rd[X.] 8; [X.] Beschluss vom 15.3.1991 - 2 BU 20/91 - juris Rd[X.] 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 13a; [X.], [X.], 2. Aufl 2010, Rd[X.] 292). Der Kläger fragt im Schriftsatz vom [X.] nicht nach Frau [X.], sondern teilt im Gegenteil dem [X.] mit, nach eigenen Recherchen handele es sich um eine Heilpraktikern für Psychotherapie mit eigener Praxis für Verhaltenstherapie. Dabei kritisiert er im [X.], [X.] habe keine bloße Hilfstätigkeit durchgeführt, weil der [X.] nach seinem Dafürhalten einen hohen Stellenwert für das Gutachtenergebnis habe.

7

b) Falls der Kläger hingegen eine Verletzung von § 118 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 407a Abs 3 Satz 1 ZPO rügen will, ist auch insoweit kein Verfahrensmangel anforderungsgerecht bezeichnet. Nach letztgenannter Vorschrift ist ein Sachverständiger nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Der erwähnte § 407a Abs 2 Satz 2 ZPO erlaubt ihm allerdings, sich zur Erledigung des [X.] anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu eigen gemacht, er sei aufgrund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden ([X.] Beschluss vom 15.7.2004 - [X.] V 24/03 B - [X.] 4-1750 § 407a [X.] 2 Rd[X.] 7 mwN). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes oder sonstigen Mitarbeiters gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren [X.] von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert, ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt somit ein unverwertbares Gutachten vor. Weder die Durchführung der Untersuchung noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören dabei in jedem Fall zu diesen unverzichtbaren [X.]aufgaben, die der Sachverständige zwingend selbst wahrnehmen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird oder es auf seinen persönlichen Eindruck während der gesamten Untersuchung ankommt, reicht es vielmehr aus, wenn der Sachverständige die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht oder sich auf andere Weise einen persönlichen Eindruck verschafft. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (vgl zu alldem [X.] Beschluss vom 30.1.2006 - B 2 U 358/05 B - juris Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 308/18 B - juris Rd[X.] 4 ff mwN). Dass das [X.] hier von einer Übertragung eines wesentlichen Teils der Sachverständigentätigkeit auf [X.] habe ausgehen müssen oder die Übertragung aus anderen Gründen unzulässig gewesen sei, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan.

8

Wie er selber mitteilt, besteht der [X.] aus fünf Teilen, in denen eine vorgelesene Wortliste wiederholt wird; Zahlen in Zahlwörter umgewandelt werden und umgekehrt Zahlwörter in Zahlen; Dinge benannt werden, die im Supermarkt zu kaufen sind; vorgelesene Zahlenreihen rückwärts wiederholt werden und abschließend die Wortliste aus dem ersten Teil erneut wiederholt wird. Die Auswertung erfolge anhand einer Umrechnungstabelle. Damit beschreibt der Kläger selbst ein einfaches Testverfahren, dessen Ergebnis nach vorgegebenen Kriterien ausgerechnet wird. Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Darlegung bedurft, warum nach seinem Dafürhalten für die Testdurchführung oder -auswertung gleichwohl die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt werde oder es dabei auf dessen persönlichen Eindruck ankomme. Derartige Darlegungen fehlen. Das pauschale Vorbringen des [X.], der [X.] sei durchaus eine Untersuchung, bei der es zu Fehlern kommen könne, reicht insoweit nicht aus.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

2. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 [X.].

Meta

B 13 R 294/20 B

08.06.2021

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Koblenz, 14. Februar 2019, Az: S 5 R 993/16, Urteil

§ 118 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 407a Abs 3 S 1 ZPO, § 407a Abs 3 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.06.2021, Az. B 13 R 294/20 B (REWIS RS 2021, 5239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5239

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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