Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.02.2024, Az. VII ZR 171/22

7. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1512

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Gegenstand

Notwendigkeit der Zurückverweisung wegen Verfahrensfehlers; Ersatz von Mehrkosten aufgrund gekündigten Bauvertrags


Leitsatz

§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der ersten Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers, zu dem auch die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erstinstanzlichen Gerichts zählt, eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (Anschluss an BGH, Beschluss vom 17. März 2008 - II ZR 313/06, NJW 2008, 1672).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des21. Zivilsenats des [X.] vom 5. August 2022 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz von Mehrkosten nach mehreren [X.] des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags über die Ausführung von Bodenbelagsarbeiten.

2

Die Klägerin errichtete das R.                   in W.         . Mit [X.] vom 22. Dezember 2016 beauftragte sie den Beklagten auf der Grundlage eines entsprechenden Leistungsverzeichnisses und unter Einbeziehung der VOB/B mit diversen Bodenbelagsarbeiten, Parkettverlegearbeiten in [X.] 2 und Parkett-, Linoleum- und Teppichverlegearbeiten in [X.] 1 der Gebäude.

3

Nachdem der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 5. Juli 2017 mitgeteilt hatte, dass er bis spätestens zum 24. Juli 2017, dem im Terminplan genannten Beginn für die Bodenbelagsarbeiten, mit der Bauausführung beginnen werde, erschien er zu dem angegebenen Termin nicht auf der Baustelle. Mit Schreiben vom 26. Juli 2017 meldete er Bedenken bezüglich der Ausführung der Leistungen im Hinblick auf eine zu hohe Restfeuchte des Estrichs an. Mit Schreiben vom 1. August 2017 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos auf, mit den Bodenbelagsarbeiten im Bereich der Säle in [X.] 2 mit Frist bis zum 4. August 2017 zu beginnen. Die von der Klägerin beauftragte [X.](im Folgenden nur: B.  ) teilte am 4. August 2017 ihre Messergebnisse bezüglich des Estrichs mit und stellte die [X.] fest. Mit Schreiben vom 9. August 2017 forderte die Klägerin den Beklagten erneut auf, bis [X.] August 2017 mit den Bodenbelagsarbeiten in [X.] 2 zu beginnen und die Arbeiten bis zum 28. August 2017 fertigzustellen. Darin wies sie die Bedenkenanmeldung des Beklagten wegen zu hoher Restfeuchte des Estrichs unter Hinweis auf die Messergebnisse der [X.]zurück. Mit weiterem Schreiben vom 15. August 2017 setzte die Klägerin dem Beklagten eine weitere Frist für den Beginn der Verlegearbeiten und zur Lieferung des Eichenparketts für die Säle der [X.] 2 bis zum 17. August 2017 unter Hinweis auf die bestehende [X.]. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs kündigte die Klägerin an, den Vertrag insoweit zu kündigen und eine Drittfirma mit den Arbeiten zu beauftragen. Der Beklagte meldete mit Schreiben vom 16. August 2017 erneut Bedenken gegenüber der Ausführung der Arbeiten an. Mit Schreiben vom 18. August 2017 wies die Klägerin diese zurück und kündigte den Vertrag mit dem Beklagten in Bezug auf die [X.] in den Sälen der [X.] 2.

4

Mit Schreiben vom 13. September 2017 aktualisierte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die vereinbarten Ausführungstermine bezüglich der noch ausstehenden Arbeiten, denen der Beklagte mit Schreiben vom 4. Oktober 2017 zustimmte.

5

Nachdem es zu Verzögerungen hinsichtlich der Bodenbelagsarbeiten in [X.] 1 (Parkett in Salons) gekommen war, forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 auf, mit den Arbeiten bis spätestens zum 24. Oktober 2017 zu beginnen und diese bis zum 10. November 2017 fertigzustellen. Zugleich kündigte die Klägerin an, dem Beklagten im Falle des fruchtlosen Fristablaufs den Auftrag zu entziehen. Nachdem der Beklagte erneut Bedenken wegen bestehender Restfeuchte angemeldet hatte, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 26. Oktober 2017 den Vertrag hinsichtlich der restlichen [X.] in [X.] 1.

6

Ferner setzte sie dem Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tag eine Nachfrist bis zum 30. Oktober 2017, um mit Verlegearbeiten hinsichtlich des Teppichs und des [X.] in [X.] 1 (break out Räume und Büros) zu beginnen, und drohte die Entziehung des Auftrags an. Nachdem die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen war, kündigte sie den Vertrag gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 2. November 2017 auch hinsichtlich dieser Arbeiten.

7

Mit Schreiben vom 2. November 2017 setzte sie dem Beklagten eine weitere Frist für die Vornahme der Bodenarbeiten im Bereich Backstage, Lager und Technikräume bis zum 7. November 2017, die der Beklagte nicht einhielt. Nachdem der Beklagte das Verhalten der Klägerin gerügt und [X.] angezeigt hatte, kündigte die Klägerin den Vertrag hinsichtlich der genannten Arbeiten mit Schreiben vom 10. November 2017.

8

Hinsichtlich der verbleibenden Restarbeiten, Linoleumboden in [X.] 2 sowie weiterer Kleinflächen in [X.] 2, setzte die Klägerin dem Beklagten für den Beginn der Arbeiten eine Nachfrist bis zum 16. November 2017 und kündigte den Vertrag nach erfolglosem Fristablauf auch insoweit mit Schreiben vom17. November 2017.

9

Die Klägerin beauftragte anschließend verschiedene Drittunternehmer mit den nicht ausgeführten Arbeiten. Sie behauptet unter Vorlage einer Rechnungsaufstellung (Anlage K 8), ihr seien dadurch Mehrkosten in Höhe von insgesamt 155.032,23 € entstanden. Die Arbeiten seien ausgeführt und von ihr bezahlt worden. Nach Abzug eines in einem vorausgegangenen Mahnverfahren mit Vollstreckungsbescheid gegenüber dem Beklagten titulierten Betrags in Höhe von 58.042,64 €, dem das Abrechnungsschreiben vom 13. Oktober 2017 zugrunde liegt, stehe ihr noch ein Anspruch in Höhe von [X.] zu. Dieser ist Gegenstand der Klage.

Das [X.] hat nach Übertragung der Sache auf den Einzelrichter mit Beschluss vom 19. März 2020, der nur von zwei Mitgliedern der Kammer unterzeichnet worden ist, der Klage bis auf einen Teil des geltend gemachten [X.] in voller Höhe stattgegeben. Die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebt hat, ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]eklagten ist unbegründet.

I.

Das [X.]erufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in [X.], 93 veröffentlicht ist, hat zur [X.]egründung der Entscheidung - soweit für die Revision von Interesse - Folgendes ausgeführt:

Das [X.] habe im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender [X.]egründung, die sich das Gericht ergänzend zu eigen mache, den [X.]eklagten zur Zahlung in Höhe von [X.] verurteilt. Der Klägerin stehe gegen den [X.]eklagten ein Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Mehrkosten aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VO[X.]/[X.] mit § 5 Abs. 4 Fall 1 sowie § 5 Abs. 4 Fall 3, Abs. 3 VO[X.]/[X.] zu. Denn die Klägerin habe aufgrund des jeweils fruchtlos verstrichenen [X.]aubeginns außerordentliche [X.] aussprechen dürfen. Insbesondere habe dem [X.]eklagten nach den ausdrücklichen Anweisungen der Klägerin zur Aufnahme der Arbeiten kein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite gestanden, ohne dass es auf die Höhe der Restfeuchte oder des Vorhandenseins von Schüsselungen ankäme. Nach den ausdrücklichen und nachhaltigen Hinweisen der Klägerin sei die Haftung des [X.]eklagten für die aus den Anweisungen resultierenden Mängel entfallen.

Der [X.]eklagte habe innerhalb der gesetzten Fristen mit den ihm obliegenden Arbeiten nicht begonnen. Auf die Gültigkeit des [X.] komme es nicht an. Denn aufgrund der Zusage des [X.]eklagten, mit den Arbeiten am 24. Juli 2017 zu beginnen, beziehungsweise mit der nach Vorlage des geänderten Terminplans erfolgten Zusage des [X.]eklagten vom 4. Oktober 2017, mit den Arbeiten fristgerecht zu beginnen, hätten sich die Parteien auf diese Fristen für den [X.]eginn der Arbeiten geeinigt. Der [X.]eklagte sei der [X.]ehauptung der Klägerin, er habe keinerlei Arbeiten bis zum Ablauf der jeweils gesetzten Nachfristen durchgeführt, nicht entgegengetreten. Ein Verschulden werde regelmäßig vermutet. Es habe dem [X.]eklagten oblegen, Gründe für sein fehlendes Verschulden vorzutragen.

Ferner vermöge der [X.]eklagte mit seinen gegen die [X.] gerichteten Angriffen nicht durchzudringen. Soweit der [X.]eklagte insoweit eine Überraschungsentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts rüge, versäume er bereits, näher darzulegen, was er auf einen entsprechenden Hinweis hin vorgetragen hätte. Dann aber bleibe es bei der zutreffenden Feststellung des [X.]s, der [X.]eklagte habe die nachvollziehbar dargestellten Mehrkosten der Klägerin nicht substantiiert bestritten, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Dabei fehle es dem Vortrag der Klägerin auch nicht an einer Nachvollziehbarkeit, weil die Klägerin vorgerichtlich einen niedrigeren Schaden geltend gemacht habe.

Eine Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens an das [X.] komme nicht in [X.]etracht. Zwar sei das angefochtene Urteil entgegen den gesetzlichen Vorschriften vom Einzelrichter und nicht von der Kammer gefasst worden. Der Verstoß gegen den gesetzlichen [X.] sei von Amts wegen zu berücksichtigen. Er sei dadurch begründet, dass gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.]uchst. c ZPO grundsätzlich die Zuständigkeit der Kammer gegeben sei, hingegen der Einzelrichter entschieden habe. Zwar habe die Kammer einen Übertragungsbeschluss auf den Einzelrichter gemäß § 348a Abs. 1 ZPO gefasst. Den [X.]eschluss hätten aber nur zwei von drei Kammermitgliedern unterschrieben. Der Übertragungsbeschluss sei aus diesem Grund nicht wirksam geworden. Die fehlende Unterschrift sei auch nicht mehr nachholbar.

Eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] komme schon deswegen nicht in [X.]etracht, weil das Verfahren entscheidungsreif sei. Auch die Systematik der Vorschrift spreche gegen eine Aufhebung und Zurückverweisung. Denn das Gesetz sehe in den weiteren Fällen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 7 ZPO eine Zurückverweisung auch dann vor, wenn keine umfangreiche und aufwändige [X.]eweisaufnahme erforderlich sei. Gleichwohl habe der Gesetzgeber den Fall des Verstoßes gegen den gesetzlichen [X.] nicht einem solchen Fall gleichgestellt. Vielmehr gehe das Gesetz gemäß § 538 Abs. 1 ZPO im Grundsatz davon aus, dass das [X.]erufungsgericht die notwendigen [X.]eweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden habe.

Das [X.]erufungsgericht habe die erstinstanzlichen Verfahrens- und Entscheidungsmängel grundsätzlich selbst zu beheben. Ziel sei es, den Aufwand einer mehrfachen [X.]earbeitung gering zu halten und Verfahrensverzögerungen durch [X.] und [X.] von Fällen zwischen den Instanzen zu vermeiden. Entsprechend sei der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 538 Abs. 2 ZPO eng zu gestalten.

Auch der Umstand, dass der Verfahrensfehler zu einer nicht vorschriftsmäßigen [X.]esetzung des erkennenden Gerichts und damit zu einem absoluten Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 ZPO geführt habe, erfordere keine Aufhebung und Zurückverweisung. Das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds führe nicht zwingend zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, wie etwa ein Verstoß gegen § 547 Nr. 6 ZPO zeige. Die gegenteilige Auffassung des [X.] ([X.] 2011, 1257) überzeuge nicht.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Klägerin kann von dem [X.]eklagten die ihr infolge der [X.] entstandenen Mehrkosten in Höhe von [X.] gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VO[X.]/[X.] mit § 5 Abs. 4 Fall 1 VO[X.]/[X.] erstattet verlangen.

1. Die Klägerin hat den Vertrag mit dem [X.]eklagten vom 22. Dezember 2016 über die Ausführung von [X.]odenbelagsarbeiten durch die von ihr ausgesprochenen [X.] gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VO[X.]/[X.]. § 5 Abs. 4 Fall 1 VO[X.]/[X.] insgesamt wirksam gekündigt.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts hatten die Parteien für alle in verschiedenen Teilbereichen der Gebäude zu erbringenden Leistungen verbindliche Vertragsfristen für den [X.]eginn der Ausführung vereinbart, zu denen der [X.]eklagte mit den ihm obliegenden Arbeiten nicht begonnen hat. Die Klägerin hat dem [X.]eklagten unstreitig vor jeder einzelnen Teilkündigung erfolglos eine Frist zur Vertragserfüllung gesetzt, verbunden mit der Androhung einer Kündigung des Auftrags.

Dem [X.]eklagten stand entgegen der Auffassung der Revision kein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil der Estrich jeweils eine zu hohe Restfeuchtigkeit aufwies. Der [X.]eklagte hatte gegenüber der Klägerin insoweit zwar mehrfach schriftlich [X.]edenken gegen die Ausführung der Leistung gemäß § 4 Abs. 3 VO[X.]/[X.] mitgeteilt. Ein Leistungsverweigerungsrecht scheidet, wie das [X.]erufungsgericht zutreffend ausführt, jedoch deswegen aus, weil die Klägerin den [X.]eklagten jeweils ausdrücklich angewiesen hatte, mit den Arbeiten zu beginnen. Die Klägerin hat danach das Risiko einer mangelhaften Ausführung, die auf einer zu hohen Restfeuchtigkeit beruhte, übernommen. Die Angriffe der Revision gegen die dahingehende Auslegung der Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 9. August 2017 durch das [X.]erufungsgericht greifen nicht durch. Ein Ausnahmefall, der den [X.]eklagten berechtigte, die Ausführung der Leistung trotz der von der Klägerin ausgesprochenen ausdrücklichen Anweisung, die Leistung vorzunehmen, und der vorliegenden Haftungsübernahmeerklärung zu verweigern (vgl. dazu nur: [X.]/[X.]/[X.], VO[X.] Teile A und [X.], 22. Aufl., § 4 Abs. 1 VO[X.]/[X.] Rn. 87 m.w.N.), liegt nicht vor. Die vom [X.]eklagten in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, sie jedoch nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

Die Annahme des [X.]erufungsgerichts, die jeweils auf bestimmte Teile des Auftrags beschränkten [X.] seien wirksam, begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen [X.]edenken und wird insoweit von der Revision nicht angegriffen. Es kann daher dahinstehen, ob hinsichtlich der [X.]odenarbeiten im [X.]ereich der Säle im [X.] in [X.] 2 auch der Kündigungsgrund nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VO[X.]/[X.]. § 5 Abs. 4 Fall 3, Abs. 3 VO[X.]/[X.] erfüllt ist.

2. Die Klägerin hat den mit der Klage geltend gemachten Mehrkostenerstattungsanspruch entgegen der Auffassung der Revision hinreichend dargelegt.

Die Klägerin ist, nachdem der mit dem [X.]eklagten geschlossene [X.]auvertrag durch mehrere [X.] insgesamt beendet worden ist, nicht verpflichtet gewesen, den auf Erstattung der infolge der Kündigungen entstandenen Mehrkosten gerichteten Anspruch hinsichtlich der jeweils ausgesprochenen [X.] im Einzelnen aufzuschlüsseln. Es ist zur bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend, die infolge der [X.]eendigung des Vertrags infolge der Kündigungen entstandenen Mehrkosten - unter [X.]erücksichtigung der im Vorprozess bereits titulierten Forderung - insgesamt darzulegen. Eine Zuordnung der Mehrkosten zu den durch die einzelnen [X.] jeweils ausgelösten Leistungen der Drittunternehmer wäre nur erforderlich, wenn die Klägerin - was nicht der Fall ist - lediglich eine Teilforderung geltend machen würde.

Diesen Anforderungen genügt der Klägervortrag. Die Klägerin hat die ihr durch die [X.]eauftragung von [X.] für die Ausführung der von dem [X.]eklagten noch zu erbringenden Leistungen entstandenen Kosten im Einzelnen dargelegt und hiervon die von dem [X.]eklagten hierfür nach dem Vertrag zu beanspruchende Vergütung in Abzug gebracht. Aus der von der Klägerin vorgelegten Rechnungsaufstellung Anlage [X.] ist in hinreichender Weise zu ersehen, welche Kostenpositionen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag mit den von den [X.] in Rechnung gestellten Kosten korrespondieren.

Die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Forderung auf Erstattung der infolge der Kündigung entstandenen Mehrkosten ist auch hinreichend von der im Vorprozess geltend gemachten Forderung in Höhe von 58.042,64 €, über die rechtskräftig entschieden worden ist, abgegrenzt. Die Klägerin hat sich zur [X.]erechnung der ihr insgesamt entstandenen Mehrkosten auf die von den [X.] in Rechnung gestellten Kosten gestützt, die sich mit den Kosten decken, die bereits zur [X.]erechnung der Mehrkosten herangezogen wurden, die Gegenstand des [X.] gewesen sind. Die Klägerin hat danach die mit der Klage begehrten Mehrkosten jeweils auf derselben Grundlage berechnet. Lediglich die Abzüge, die im Hinblick auf die von dem [X.]eklagten nach dem Vertrag zu beanspruchende Vergütung vorzunehmen sind, differieren. Die im Vorprozess titulierte Teilforderung stellt sich danach als Teil der von der Klägerin insgesamt errechneten Erstattungsforderung wegen der ihr durch die Kündigungen entstandenen Mehrkosten dar und ist daher von den errechneten Mehrkosten über insgesamt 155.032,23 € in Abzug zu bringen.

Soweit die Klägerin zur [X.]erechnung der im Vorprozess geltend gemachten Forderung über insgesamt 58.042,64 € zugunsten des [X.]eklagten teils höhere Abzüge vorgenommen hat, als sie ihrer abschließenden Forderungsberechnung zugrunde gelegt hat, begegnet die durch die nunmehr geltend gemachte Klageforderung vorgenommene teilweise Erweiterung des Anspruchs hinsichtlich der durch die erste Teilkündigung entstandenen Mehrkosten keinen rechtlichen [X.]edenken. [X.]ei der im Vorprozess geltend gemachten Erstattungsforderung handelte es sich um eine durch das Schreiben der Klägerin an den [X.]eklagten vom 13. Oktober 2017 detailliert dargelegte Teilforderung auf der Grundlage einer von einem Drittunternehmer erteilten Abschlagsrechnung, die Nachforderungen der Klägerin nicht ausschloss.

Soweit die Klägerin den im Vorprozess titulierten [X.]etrag in Höhe von 58.042,64 € in voller Höhe von dem von ihr errechneten [X.] in Höhe von 155.032,23 € in Abzug gebracht hat, auch wenn die bereits titulierte Forderung in dieser Höhe nicht vollständig in die [X.]erechnung der nunmehr errechneten Mehrkosten mit eingeflossen ist, beeinträchtigt dies die Schlüssigkeit der Darlegung nicht. Im Übrigen wirkt sich dies lediglich zugunsten des [X.]eklagten aus.

3. Das [X.]erufungsgericht war befugt, in der Sache selbst zu entscheiden.

a) Es kann dahinstehen, ob die Zivilkammer des [X.]s am 19. März 2020 wirksam einen [X.]eschluss gemäß § 348a Abs. 1 ZPO gefasst hat, mit dem der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.

aa) Allerdings war nach § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.]uchst. c ZPO die Kammer zur Entscheidung berufen, weil es sich um eine Streitigkeit aus einem [X.]auvertrag handelte, für die nach § 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG Spezialkammern bei den [X.]en bestehen. Gemäß § 348a Abs. 1 ZPO kann die Zuständigkeit des Einzelrichters begründet werden, wenn die Kammer die Sache durch [X.]eschluss auf den Einzelrichter überträgt.

bb) Eine [X.]eschlussfassung gemäß § 348a Abs. 1 ZPO setzt indes eine entsprechende interne Willensbildung der vollbesetzten Zivilkammer voraus, deren Vorliegen vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist. Diese Prüfung hat das [X.]erufungsgericht nicht hinreichend vorgenommen. Aus dem bei den Akten befindlichen schriftlichen Originalbeschluss, auf dem sich lediglich die Unterschriften der Vorsitzenden der Kammer und eines [X.]eisitzers befinden, geht nicht ohne weiteres hervor, ob dem [X.]eschluss eine entsprechende Willensbildung der vollbesetzten Zivilkammer zugrunde lag.

Dies bedarf jedoch ebenso wenig einer Klärung wie eine Entscheidung der vom [X.]erufungsgericht erörterten Fragen notwendig ist, ob eine Übertragung der Sache auf den Einzelrichter nach § 348a Abs. 1 ZPO formwirksam nur durcheinen von sämtlichen Kammermitgliedern unterschriebenen [X.]eschluss erfolgen konnte und ob die Nachholung der fehlenden Unterschrift eines [X.]eisitzers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht noch möglich gewesen wäre.

b) Selbst wenn unterstellt wird, dass mangels wirksamer Übertragung der Sache auf den Einzelrichter die angefochtene Entscheidung des [X.]s nicht von dem gesetzlich zur Entscheidung berufenen [X.] getroffen worden ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), war eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht geboten.

aa) § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der ersten Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers, zu dem auch die nicht vorschriftsmäßige [X.]esetzung des erstinstanzlichen Gerichts zählt (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 17. März 2008 - [X.], [X.], 1672), eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des [X.] außerdem eine umfangreiche und aufwändige [X.]eweisaufnahme notwendig ist. Ein in erster Instanz unterlaufener Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zwingt allerdings ausnahmsweise - ungeachtet der weiteren in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen - dann zur Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht, wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt keine Grundlage für das [X.]erufungsverfahren darstellen kann (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 17. März 2008 - [X.], [X.], 1672; OLG [X.]randenburg, Urteil vom 22. Dezember 2022 - 11 U 115/22, juris Rn. 24 ff.). Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht schon mit [X.]lick auf § 547 Nr. 1 ZPO vor, weil erkennendes Gericht - wie der [X.]undesgerichtshof bereits entschieden hat (vgl. [X.]GH, Urteil vom 25. November 2022 - [X.] 5/21 Rn. 7, [X.], 157 sowie Urteil vom 2. Juli 1986 - [X.], [X.] 1987, 40, juris Rn. 11; Urteil vom 30. Mai 1958 - [X.], NJW 1958, 1398 zu § 551 Ziff. 1 ZPO a.F.) - nur das [X.]erufungsgericht ist, dessen Entscheidung mit der Revision angegriffen wird.

bb) Nach diesen Maßstäben war eine Zurückverweisung der Sache durch das [X.]erufungsgericht an das [X.] gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht geboten.

(1) Zu Recht hat das [X.]erufungsgericht angenommen, die Voraussetzung für eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund des Verfahrensfehlers eine umfangreiche oder aufwendige [X.]eweisaufnahme erforderlich sei, liege nicht vor; der Rechtsstreit sei vielmehr zur Entscheidung reif. Dies stellt auch die Revision nicht in Frage.

(2) Das [X.]erufungsgericht selbst, das durch drei seiner Mitglieder entschieden hat, war bei der angefochtenen Entscheidung vorschriftsmäßig besetzt. Da es eine eigene Sachentscheidung unter Würdigung der vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen getroffen und sich nicht lediglich auf die Übernahme der Feststellungen des Einzelrichters beim [X.] beschränkt hat, ist das [X.]erufungsurteil auch nicht durch eine etwaige fehlerhafte [X.]esetzung des [X.]s beeinflusst worden (vgl. [X.]GH, Urteil vom 25. November 2022- [X.] 5/21 Rn. 7, [X.], 157; Urteil vom 2. Juli 1986 - [X.], [X.] 1987, 40, juris Rn. 11).

(3) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht überhaupt an einer Grundlage für das [X.]erufungsverfahren (a.A. [X.], Urteil vom 4. Juni 2010 - 5 U 1317/09, [X.] 2011, 1257, juris Rn. 9). Das [X.]erufungsgericht war aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen in der Lage, unter selbständiger Würdigung der festgestellten Tatsachen eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Die Zurückverweisung an das Erstgericht soll nach der Konzeption des Gesetzgebers ein Ausnahmefall bleiben (vgl. [X.]T-Drucks. 14/4722, [X.]). Das [X.]erufungsgericht hat nach § 538 Abs. 1 ZPO grundsätzlich die notwendigen [X.]eweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Die Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung an das Gericht erster Instanz ist deshalb für den Fall, dass das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), nur geboten, wenn eine umfangreiche oder aufwändige [X.]eweisaufnahme durch oder infolge der Korrektur des wesentlichen [X.] zu erwarten ist (vgl. [X.]GH, Urteil vom 22. Januar 2016 - [X.] Rn. 19, [X.] 2016, 1044; OLG [X.]randenburg, Urteil vom 22. Dezember 2022 - 11 U 115/22, juris Rn. 25), in deren Folge die Durchführung des Verfahrens in der [X.]erufungsinstanz ausnahmsweise zu noch größeren Nachteilen führen würde als die Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht (vgl. [X.]GH, Urteil vom 14. Mai 2019 - [X.] Rn. 17, [X.]GHZ 222, 44; Urteil vom 22. Januar 2016 - [X.] Rn. 19, [X.] 2016, 1044; Versäumnisurteil vom 16. Dezember 2004 - [X.], [X.], 590 = NZ[X.]au 2005, 224, juris Rn. 23).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

[X.]     

      

Graßnack

      

Sacher     

      

[X.]orris     

      

Meta

VII ZR 171/22

01.02.2024

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 5. August 2022, Az: 21 U 84/21, Urteil

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 348 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst c ZPO, § 348a Abs 1 ZPO, § 538 Abs 1 ZPO, § 538 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO, § 547 Nr 1 ZPO, § 72a Abs 1 Nr 2 GVG, § 5 Abs 4 Alt 1 BMVBS-B15-20060627-KF, § 8 Abs 3 Nr 1 S 2 BMVBS-B15-20060627-KF, § 8 Abs 3 Nr 2 S 1 BMVBS-B15-20060627-KF

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.02.2024, Az. VII ZR 171/22 (REWIS RS 2024, 1512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1512


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZR 171/22

Bundesgerichtshof, VII ZR 171/22, 01.02.2024.


Az. 21 U 84/21

OLG Frankfurt a.M., 21 U 84/21, 05.08.2022.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 393/18

V ZR 196/14

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