Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2012, Az. II ZR 35/10

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6277

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR 35/10
Verkündet am:

22. Mai 2012

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 529, 533, 596; [X.]
a)
Auch nach der Neugestaltung des Berufungsverfahrens durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.
Juli 2001 ([X.], [X.]
[X.]
1877) ist das Abstehen vom [X.] im Berufungsverfahren wie eine Klageänderung zu behandeln und daher nach §
533 ZPO zulässig, wenn die beklagte [X.] einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (An-schluss an [X.], Urteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
110/09, [X.]Z 189, 182).
b)
Mit dem zulässigen Rechtsmittel gelangt der gesamte aus den Akten ersicht-liche Streitstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz, so dass das Berufungsgericht [X.]vorbringen, das vom erstinstanzlichen Gericht für un-erheblich erachtet worden ist, auch dann berücksichtigen darf, wenn es im [X.] keine Erwähnung gefunden hat.
[X.], Urteil vom 22. Mai 2012 -
II ZR 35/10 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-
Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 22.
Mai 2012 durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann, die Richterin
Caliebe
und die Richter
Dr.
[X.], [X.] und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 27.
Zivilsenats des [X.] vom 4.
Februar 2010 aufgehoben.

[X.] wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der [X.] trat mit Beitrittserklärung vom 5.
September 2005, die am
21. September 2005 angenommen wurde, der Klägerin, einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei. Unter den im Beitrittsformular angebotenen Möglichkeiten wählte er das Beteiligungspro-gramm Multi
B und verpflichtete sich zu einer Einmalzahlung in Höhe von 28.000

% Agio sowie für die Dauer von 18
Jahren zu monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von 550

% Agio (Vertragssumme: 154.140

ste Rate waren am 15.
Oktober 2005 fällig.
1
-
3
-
Das Beitrittsformular enthält folgende, von dem [X.]n [X.] Widerrufsbelehrung:

Widerrufsbelehrung
Ich bin an meine auf den Abschluss der oben genannten Beitrittserklärung ge-richtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei [X.] widerrufe. Die M.

GbR verzichtet auf ein etwaiges vor-zeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen (§§
312
d Abs.
3, 355 Abs.
3 [X.]). Mit dem Widerruf meiner Willenserklärung kommt auch meine Beteiligung an der M.

GbR nicht wirksam zustande.
Form des Widerrufs
Der Widerruf muss in Textform (z.B. Brief, Fax) erfolgen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten.
Fristablauf
Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem ich diese [X.] unterschrieben habe und [X.]

ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und

mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der [X.] bzw. meines [X.] zur Verfügung gestellt wurden.
Zur
Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Adressat des Widerrufs
Der Widerruf ist zu senden an die M.

GbR c/o Privatbank R.

GmbH
&
Co.
[X.], G.

.str.
54,

M.

, Telefon: (0

)
6

, Fax: (0

) 6
Widerruf bei bereits erhaltener Leistung
Habe ich vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits Leistungen von der M.

GbR und/oder der Privatbank R.

GmbH
&
Co.
[X.] erhalten, so kann ich mein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Widerrufe ich in diesem Fall, so muss ich empfangene Leistungen jedoch binnen 30 Tagen an die M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
Co. [X.] zurückgewäh-ren und der M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
Co.
[X.] die von [X.] aus den Leistungen gezogenen Nutzungen her-ausgeben. Die Frist beginnt mit Absendung des Widerrufs.
2
-
4
-
Kann ich die von der M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
Co.
[X.] [X.] gegenüber erbrachten Leistungen ganz oder teilweise nicht zurückgewähren -
beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erhalte-nen Leistungen ausgeschlossen ist
-, so bin ich verpflichtet, insoweit Werter-satz zu leisten. Dies gilt auch für den Fall, dass ich die von der M.

GbR bzw. Privatbank R.

GmbH
&
Co.
[X.] erbrachten Leistun-gen bestimmungsgemäß genutzt habe. Die Verpflichtung zum Wertersatz kann ich vermeiden, wenn ich die Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nehme.

Der [X.] leistete die Einmalzahlung sowie die Raten bis einschließ-lich Juni 2006.

Die Klägerin verlangt mit der Klage, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, die rückständigen Raten von Juli 2006 bis März 2008 in Höhe von 12.127,50

Januar 2008 das Mahnverfahren eingeleitet und nach Widerspruch des [X.]n und Übergang in das streitige Verfahren mit der Anspruchsbegründung erklärt, im Wege der Urkundsklage vorgehen zu wollen.

Mit der Klageerwiderung vom 10.
Juni 2008 hat der [X.] den Wider-ruf seiner Beitrittserklärung erklärt.

Das [X.] hat die Klage als im [X.] statthaft angese-hen und sie als unbegründet abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die Abstandnahme vom [X.] erklärt. Der [X.] hat im Berufungs-verfahren mit [X.] vom 2.
September 2009 seine Beitrittserklärung auch noch wegen arglistiger Täuschung angefochten und die außerordentliche Kün-digung erklärt. Zur Begründung hat er sich auf falsche Angaben und eine Viel-zahl von Mängeln im Anlageprospekt berufen, die er schon erstinstanzlich [X.] hatte.
3
4
5
6
-
5
-

Das Berufungsgericht hat die Erklärung der Klägerin über die Abstand-nahme vom [X.] für unzulässig gehalten und ihre Berufung zu-rückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt unter Aufhebung der [X.] Entscheidung zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.].

A.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:

Die von der Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz erklärte Abstand-nahme vom [X.] sei aufgrund der neuen Funktionsbestimmung des zweiten [X.] durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.
Juli 2001 ([X.]
[X.]
1877) grundsätzlich unzulässig. Die Zahlungsklage sei im [X.] statthaft, aber unbegründet. Zwar habe dem [X.]n kein gesetzliches Widerrufsrecht zugestanden, da der Beitritt unstreitig nicht in einer sogenannten Haustürsituation erfolgt sei. Der [X.] habe seine Bei-trittserklärung jedoch aufgrund des ihm von der Klägerin vertraglich eingeräum-ten Widerrufsrechts wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist sei nicht in Gang gesetzt worden, da die Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des §
312 7
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9
10
-
6
-
Abs.
2 [X.] genüge. Infolge des Widerrufs habe sich das Beteiligungsverhältnis des [X.]n in ein Abwicklungsverhältnis gewandelt mit der Folge, dass die Klägerin die rückständigen Raten nicht mehr isoliert geltend machen könne (sogenannte [X.]). Die Klägerin könne nicht mit Erfolg die Feststellung begehren, dass die rückständige Einlageforderung in die
Auseinandersetzungsrechnung einzustellen sei, da ein derartiger Feststel-lungsantrag im [X.] unzulässig sei.

B.

Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

[X.] Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.

Das Berufungsgericht hat die Zulassung der -
im Tenor uneingeschränkt zugelassenen
-
Revision damit begründet, dass die Frage der Zulässigkeit der Abstandnahme vom [X.] in der Berufungsinstanz grundsätzliche Bedeutung habe.

Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des
Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könn-te. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchs-grundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (siehe nur [X.], Urteil vom 3.
Juni 1987 -
IVa
ZR
292/85, [X.]Z 101, 276, 278; Urteil vom 20.
Mai 2003 -
XI
ZR
248/02, [X.], 1240, 1241). Danach kann hier nicht 11
12
13
14
-
7
-
davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht die Zulassung auf die Rechtsfrage der Zulässigkeit der Abstandnahme beschränken wollte.

I[X.] Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klage sei unbegründet, weil die Klägerin nicht mehr auf Zahlung, sondern wegen des Widerrufs des [X.]n nur noch auf Feststellung klagen könne und dies im [X.], von dem die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr habe Abstand nehmen können, unstatthaft sei, beruht auf durchgreifenden Rechtsfehlern.

1. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren gemäß §
596 ZPO erklär-te Abstandnahme vom [X.] war entgegen der Ansicht des [X.]s nicht grundsätzlich unzulässig. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, ist auch nach neuem Recht das Abstehen vom [X.] im Berufungsverfahren wie eine Klageände-rung zu behandeln und daher nach §
533 ZPO zulässig, wenn der [X.] einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält ([X.], Urteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
110/09, [X.]Z 189, 182 Rn.
24
ff.). Das Berufungsgericht hätte daher den seiner Ansicht nach gegebenen, als Minus im Zahlungsantrag ent-haltenen Feststellungsantrag nicht ohne Prüfung der Zulässigkeit der in der Ab-standnahme liegenden Klageänderung abweisen dürfen.

2. Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, der [X.] habe seine Bei-trittserklärung mit [X.] vom 10.
Juni 2008 wirksam widerrufen, da ihm von der Klägerin ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt worden sei und die Widerrufsfrist wegen der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung nicht in Gang gesetzt worden sei, ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht frei von Rechtsfeh-lern.

15
16
17
-
8
-
a) Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum kann ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen bestehen, sondern grundsätzlich auch im Vereinbarungswege festgelegt werden. Danach können Vertragspartner -
als Ausprägung der Vertragsfreiheit
-
ein Widerrufsrecht [X.] vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung sowie die Rechtsfolgen auf die §§
355, 357 [X.] verweisen (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2004], §
355 Rn.
11; [X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., Vorb v §
355 Rn.
5; [X.]/
[X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
355 Rn.
4; NK-[X.]/[X.], 2. Aufl., §
355 Rn.
26; zur vertraglichen Vereinbarung einer Verlängerung der Widerrufsfrist vgl. [X.], Urteil vom 13.
Januar 2009 -
XI
ZR
118/08, WM
2009, 350 Rn.
16
f.).
b) Ob einer Widerrufsbelehrung, die keine Beschränkung darauf enthält, dass sie nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen gelten soll, die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrecht entnommen werden kann, kann hier dahin-gestellt bleiben (vgl. zu dieser Problematik [X.], Urteil vom 15.
Oktober 1980 -
VIII
ZR
192/79, WM
1980, 1386, 1387, insoweit in [X.]Z
78, 248 nicht abge-druckt; Urteil vom 30.
Juni 1982 -
VIII
ZR
115/81, WM
1982, 1027; Urteile vom 6.
Dezember 2011 -
XI
ZR
401/10, ZIP
2012, 262 Rn.
17 und -
XI
ZR
442/10, juris Rn.
24; [X.], Urteil vom 19.
Juni 2009 -
11
U
210/06, juris Rn.
121; [X.], Urteil vom 22.
Juli 2009 -
27
U
5/09, juris Rn.
22
f.; Münch-Komm[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
360 Rn.
15; [X.], NJW
2011, 1029, 1030
f.; [X.], [X.], 3. Aufl., Rn. 486 f.; Münscher, WuB
I G
1.5.03; [X.], EWiR
2009, 243, 244; [X.], [X.], 88). Denn der [X.] hätte ein ihm vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht jedenfalls nicht fristgemäß ausgeübt.
aa) Der [X.] war -
ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht un-terstellt
-
nach der Widerrufsbelehrung berechtigt, seine Beitrittserklärung [X.] zwei Wochen zu widerrufen. Der Lauf der Frist hätte danach einen Tag, 18
19
20
-
9
-
nachdem er die Widerrufsbelehrung unterschrieben hatte und ihm ein Exemplar der Belehrung sowie sein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde bzw. seines Vertragsantrags zur Verfügung gestellt worden waren, begonnen. Diese [X.], die demnach am 6. September 2005 zu laufen begonnen hätte, wäre am 10. Juni 2008, als sein Prozessbevollmäch-tigter den Widerruf erklärte, längst abgelaufen gewesen.
bb) Für den Beginn der Widerrufsfrist kommt es nicht darauf an, ob die Widerrufsbelehrung den Anforderungen an eine Belehrung über ein gesetzli-ches Widerrufsrecht entspricht.
Den Formulierungen des [X.] lässt sich -
wenn man der Widerrufsbelehrung überhaupt die Einräumung eines [X.]en Widerrufsrechts entnehmen wollte
-
im Wege der Auslegung [X.] nicht entnehmen, die Klägerin habe dem [X.]n nicht nur ein vertragli-ches Widerrufsrecht mit der in der Widerrufsbelehrung beschriebenen Ausge-staltung einräumen wollen, sondern sich darüber hinaus auch verpflichtet, ihm gegenüber alle im Falle eines gesetzlichen Widerrufsrechts einzuhaltenden ge-setzlichen [X.] erfüllen zu wollen und ihm bei deren Nichteinhal-tung ein unbefristetes Widerrufsrecht einzuräumen.
(1) Bei der Auslegung der Vertragserklärung ist der Hintergrund der ge-setzlichen Widerrufsvorschriften in den Blick zu nehmen:
Die Fälle des gesetzlichen Widerrufsrechts, die eine Durchbrechung des Grundsatzes "pacta sunt servanda" darstellen, sind enumerativ und abschlie-ßend geregelt (§ 355 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und knüpfen an bestimmte gesetzli-che Merkmale an (siehe
insoweit auch [X.], Urteile vom 6.
Dezember 2011 -
XI
ZR
401/10, ZIP
2012, 262 Rn.
17 und -
XI
ZR
442/10, juris Rn.
24). Wird einem Vertragspartner vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt, das ihm nach dem Gesetz nicht zusteht, z.B. weil der Vertragsschluss außerhalb einer "Haus-21
22
23
-
10
-
türsituation"
erfolgt und es daher an der vom Gesetz typisierten Situation eines strukturellen Ungleichgewichts fehlt, kann nicht ohne weiteres davon ausge-gangen werden, dass sich die Vertragspartner gleichwohl in einer solchen Situ-ation begegnen. Sie sind vielmehr grundsätzlich als vom Gesetz gleichgewich-tig eingeschätzte Vertragspartner anzusehen. Dann bestimmt sich der Inhalt des Widerrufsrechts aber auch ausschließlich durch Auslegung ihrer vertragli-chen Vereinbarung.
(2) Vor diesem Hintergrund bedarf es dann, wenn ein Unternehmer ei-nem Verbraucher, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein, ein Widerrufsrecht eingeräumt hat, konkreter
Anhaltspunkte in der getroffenen Vereinbarung dafür, dass zwar das Widerrufsrecht als solches von den gesetzlichen Voraussetzun-gen (z.B. einer Haustürsituation) unabhängig sein soll, gleichwohl die für die Ausübung des Widerrufsrechts vereinbarte Frist nur dann in Gang gesetzt wer-den soll, wenn der Unternehmer dem Anleger zusätzlich eine Belehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht (hier: §§
312, 355 [X.] in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom
20.
November 2001,
[X.] [X.] 3138) entspricht.
Derartige Anhaltspunkte bestehen vorliegend nicht. Ein vernünftiger Empfänger der Erklärung der Klägerin konnte den Formulierungen der Wider-rufsbelehrung nicht entnehmen, dass die Klägerin sich für den Fall, dass ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, verpflichten wollte, dem Anleger [X.] ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumen zu wollen, wenn die von ihr in der Widerrufsbelehrung genannten Voraussetzungen des Widerrufsrechts nicht den vom Gesetz für ein gesetzliches Widerrufsrecht aufgestellten Anforde-rungen genügten.

24
25
-
11
-
Für die gegenteilige Auslegung reicht es nicht aus, dass sich die Klägerin bei den Formulierungen an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat. Dies ist ersichtlich lediglich dem Umstand geschuldet, dass die Widerrufsbelehrung für den Fall des Eingreifens einer gesetzlichen Verpflich-tung zur Belehrung in das Formular aufgenommen wurde, und besagt deshalb nichts für einen Willen der Klägerin, nicht bestehende [X.] übernehmen und erfüllen zu wollen. Ebenso wenig folgt aus der Tatsache, dass die Klägerin selbstverständlich beabsichtigte, im Falle des Eingreifens eines gesetzlichen Widerrufsrechts mit der Belehrung die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Anhaltspunkt [X.], dass er sein (möglicherweise vertragliches) Widerrufsrecht unter anderen als unter den formulierten Voraussetzungen werde ausüben können.
Auch aus dem Umstand, dass die
Klägerin unter Hinweis auf §
312d Abs.
3 [X.], §
355 Abs.
3 [X.] auf ein "etwaiges vorzeitiges Erlöschen" des Widerrufsrechts nach diesen Vorschriften verzichtet hat, folgt aus der maßgeb-lichen Sicht des Anlegers nicht, dass die Klägerin die gesetzlichen [X.] auch in dem Fall erfüllen wollte, dass der Vertragsschluss nicht in [X.] erfolgte. Es kann dahinstehen, ob der in der Widerrufsbe-lehrung erklärte Verzicht auf ein vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt dahin ausgelegt werden kann, er solle gegebenenfalls auch dann gelten, wenn die gesetzlichen Bestimmun-gen mangels Vorliegens
eines gesetzlichen Widerrufsrechts schon nicht an-wendbar sind und allenfalls ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht in Rede steht. Jedenfalls kommt in diesem Verzicht nicht zum Ausdruck, dem Anleger sämtliche Rechte, die das [X.] in der besonders schutz-würdigen Situation eines Geschäftsabschlusses in einer Haustürsituation ge-währt, selbst dann einräumen zu wollen, wenn eine solche Situation nicht ge-geben ist. Der Verbraucher kann der Erklärung allenfalls entnehmen, dass der 26
27
-
12
-
Unternehmer ihm damit ein Widerrufsrecht unter den in der Belehrung formu-lierten Voraussetzungen einräumt. Die Bezugnahme auf die gesetzlichen [X.] ist für ihn nur insoweit von Bedeutung, als das ihm gegenüber [X.] (dadurch) nicht eingeschränkt wird.
II[X.] [X.] ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1 ZPO).
1. In der wiedereröffneten Berufungsverhandlung wird sich das [X.] erneut mit dem Antrag der Klägerin auf Abstandnahme vom Ur-kundenprozess befassen müssen. Sollte der [X.] darin nicht einwilligen, wird es die Sachdienlichkeit der Abstandnahme zu prüfen haben. Bei dieser Prüfung wird es zu berücksichtigen haben, dass die Sachdienlichkeit nicht mit der Begründung verneint werden kann, dass die Überführung eines [X.] in ein ordentliches Verfahren in der Berufungsinstanz regelmäßig dazu führt, dass der gesamte Streitstoff und damit auch Teile, die ansonsten der Prüfung im Nachverfahren vorbehalten bleiben würden, zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht werden können ([X.], Urteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
110/09, [X.]Z 189, 182 Rn.
42
f.). Das Berufungsgericht wird dabei weiter zu berücksichtigen haben, dass nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Urteil vom 12.
März 2004 -
V
ZR
257/03, [X.]Z 158, 269, 278; Urteil vom 27.
September 2006 -
VIII
ZR
19/04, NJW 2007, 2414 Rn.
16)
mit dem zulässigen Rechtsmittel (ohnehin) der gesamte aus den Akten ersichtliche Streitstoff des ersten Rechtszugs in die Berufungsinstanz gelangt. Das Berufungsgericht darf daher auch schriftsätzlich angekündigtes, entschei-dungserhebliches [X.]vorbringen berücksichtigen, das von dem erstinstanzli-chen Gericht für unerheblich erachtet worden ist, auch wenn es im [X.] keine Erwähnung gefunden hat ([X.], Urteil vom 19.
März 2004 -
V
ZR
104/03, [X.]Z 158, 295, 309; Urteil vom 27.
September 2006 -
VIII
ZR
19/04, NJW 2007, 2414 Rn.
16).
28
29
-
13
-

2. Die Erklärung der Klägerin, vom [X.] Abstand zu [X.], ist unwiderruflich ([X.], Urteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
110/09, [X.]Z 189, 182 Rn.
17; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
596 Rn.
7; Musielak/Voit, ZPO, 9.
Aufl., §
596 Rn.
3). Sollte das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit gemäß §
533 ZPO bejahen, ist das Vorbringen des [X.]n, das in diesem Fall den Beschränkungen der §§
592, 595 ZPO nicht mehr unterliegt, entschei-dungserheblich. Das Berufungsgericht wird sich dann mit dem umfänglichen, beweisbewehrten Vortrag des [X.]n zu der Berechtigung der [X.] Kündigung seines [X.] zu befassen haben. Das Recht zur fristlosen Kündigung der Beteiligung, das dem unter Verletzung einer Aufklärungspflicht oder sogar unter arglistiger Täuschung zur Beteiligung [X.] Anleger zusteht, unterliegt nur der Verwirkung (st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 21.
Juli 2003 -
II
ZR
387/02, [X.]Z 156, 46, 53).

3. Gelangt das Berufungsgericht zur Feststellung der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung, kann die Klägerin nicht mehr Zahlung der rückständigen Raten verlangen.

a) Die außerordentliche Kündigung einer Beteiligung führt nach der stän-digen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und zur Ermittlung des Wertes des Geschäftsanteils des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters im Zeitpunkt seines Ausscheidens (siehe
nur [X.], Urteil vom 21.
Juli 2003 -
II
ZR
387/02, [X.]Z 156, 46, 53; [X.] vom 5.
Mai 2008 -
II
ZR
292/06, [X.], 1018 Rn. 9, 14 -
FRIZ I, [X.]. m.w.[X.]). Zwar wäre der [X.] mit Zugang der außerordentlichen Kündigung mit Wirkung "ex nunc" aus der Klägerin ausgeschieden, mit (u.a.) der Folge, dass er zur Zahlung rückständiger, noch nicht erbrachter ([X.] 30
31
32
-
14
-
an die Gesellschaft verpflichtet bliebe (st. Rspr.; siehe nur [X.], Beschluss vom 5.
Mai 2008 -
II
ZR
292/06, [X.], 1018 Rn.
9 m.w.[X.] -
FRIZ
I). Diesen [X.] kann die Klägerin jedoch
nicht mehr isoliert geltend machen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegen sowohl die Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft als auch die der [X.] zum Stichtag des Ausscheidens einer [X.]; die gegenseitigen Ansprüche werden zu unselbständigen Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung (siehe nur [X.], Urteil vom 15.
Mai 2000 -
II
ZR
6/99, [X.], 1208
f.; Urteil vom 2.
Juli 2001 -
II
ZR
304/00, [X.]Z 148, 201, 207
f.; Urteil vom 12.
Juli 2010 -
II
ZR
292/06, [X.]Z 186, 167 Rn.
12 -
FRIZ
II; Urteil vom 17.
Mai 2011 -
II
ZR
285/09, [X.], 1359 Rn.
14, 17). Der Senatsentscheidung vom 16. Dezember 2002 ([X.], [X.]Z 153, 214 ff.) ist nichts Abweichendes zu entnehmen.

b) Der Klageantrag der Klägerin wäre jedoch nicht abzuweisen. Wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend erkannt hat, enthält ein Zahlungsantrag im ordentlichen Verfahren, dem die [X.] entgegensteht, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne weiteres ein Feststellungsbegeh-ren, das darauf gerichtet ist, dass die entsprechende Forderung in die Ausei-nandersetzungsrechnung eingestellt wird (siehe nur [X.], Urteil vom 9.
März33
-
15
-
1992 -
II
ZR
195/90, NJW 1992, 2757, 2758; Urteil vom 15.
Mai 2000 -
II
ZR
6/99, [X.], 1208, 1210; Urteil vom 18. März 2002 -
II
ZR
103/01, [X.] 2002, 519).

Bergmann

Caliebe

[X.]

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.12.2008 -
5 [X.]/08 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 04.02.2010 -
I-27 U 14/09 -

Meta

II ZR 35/10

22.05.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2012, Az. II ZR 35/10 (REWIS RS 2012, 6277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6277

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 35/10

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