Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.06.2015, Az. 4 StR 59/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 9486

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Gegenstand

Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht: Straftatenbegehung in mehreren Altersstufen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. September 2014 im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

3

a) [X.] hat nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die in den Fällen [X.] und 11 der Urteilsgründe abgeurteilten versuchten schweren Bandendiebstähle im Alter von 19 bzw. 20 Jahren und damit als Heranwachsender (§§ 1, 105 [X.]) begangen hatte. Das [X.] hätte deshalb prüfen müssen, ob der Angeklagte zur [X.] dieser Taten nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, so- dass an sich Jugendstrafrecht anzuwenden wäre.

4

b) Auch die für die übrigen Taten verhängten Einzelstrafen können nicht bestehen bleiben. Zwar ergeben die Feststellungen zu den weiteren vollendeten oder versuchten schweren Bandendiebstählen, dass der Angeklagte bei Begehung dieser Taten das 21. Lebensjahr vollendet hatte. Sollte die nun entscheidende [X.] in den Fällen [X.] und 11 der Urteilsgründe zur Anwendung von Jugendstrafrecht gelangen, so würde die Verurteilung teils zu Jugend- teils zu [X.] gegen § 32 i.V.m. § 105 Abs. 1 [X.] verstoßen. Danach ist es nicht statthaft, bei gleichzeitiger Aburteilung von Taten, auf die teils Jugendstrafrecht, teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, sowohl auf Jugendstrafe als auch auf [X.] zu erkennen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 1979 - 1 [X.], [X.]St 29, 67; Beschluss vom 7. Oktober 1997 - 4 StR 389/97, [X.]R [X.] § 32 Schwergewicht 4); vielmehr ist entsprechend dem Schwergewicht der Taten entweder nur nach Jugendstrafrecht oder nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen.

5

Welches Recht einheitlich auf mehrere in verschiedenen Altersstufen begangene Taten anzuwenden ist, richtet sich danach, wo deren Schwergewicht liegt. Dies hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden ([X.], Urteile vom 8. Januar 1986 - 3 [X.], [X.], 219, vom 22. Juni 1988 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 32 Schwergewicht 1, vom 31. August 1999 - 1 [X.] und vom 18. Juni 2009 - 3 [X.]; Beschluss vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 570/99). Lässt sich nicht eindeutig erkennen, dass das Schwergewicht bei den vom Angeklagten als Heranwachsender begangenen und nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Straftaten liegt, so ist für alle Taten allgemeines Strafrecht anzuwenden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Oktober 1997 - 4 StR 389/97, [X.]R [X.] § 32 Schwergewicht 4 mwN, vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 570/99 und vom 27. Mai 2008 - 4 [X.], [X.], 324). Werden - wie hier - entsprechende Überlegungen deshalb nicht angestellt, weil der Tatrichter übersehen hat, dass die Anwendbarkeit des Jugendgerichtsgesetzes überhaupt im Raum steht, können nicht eigene Erwägungen des [X.] an deren Stelle treten ([X.], Beschluss vom 18. März 1996 - 1 [X.], [X.], 250).

6

2. Das angefochtene Urteil ist daher im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben und in diesem Umfang an die zuständige [X.] zurückzuverweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 1996, aaO S. 251).

Sost-Scheible                                 Cierniak                             [X.]

                           Mutzbauer                               [X.]

Meta

4 StR 59/15

18.06.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 1. September 2014, Az: 39 KLs 12/14

§ 1 JGG, § 32 JGG, § 105 Abs 1 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.06.2015, Az. 4 StR 59/15 (REWIS RS 2015, 9486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9486

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Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 428/23

3 StR 378/18

4 StR 511/22

3 StR 317/19

4 StR 59/15

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