Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2009, Az. III ZR 73/09

III. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 285

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[X.]IM [X.]AME[X.] DES VOLKES URTEIL III ZR 73/09 Verkündet am: 3. Dezember 2009 Kirchgeßner Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2009 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 11. Februar 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger ist ein gemäß § 3 Abs. 1 [X.]r. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 [X.] zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach §§ 1, 2 [X.] be-rechtigter Verbraucherschutzverein. Die Beklagte bietet [X.] an. Über ihre Webseiten eröffnet sie Verbrauchern die Möglichkeit, [X.] per [X.] abzuschließen. Die von der Beklagten hierbei verwendete Widerrufsbelehrung enthielt unter anderem folgenden Passus: 1 "Ihr Widerrufsrecht erlischt vorzeitig, wenn [X.]mit der Ausfüh-rung der Dienstleistungen mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung - 3 - vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder Sie selbst diese veranlasst haben (z.B. durch [X.]utzung der [X.])." Der Kläger hat mit seiner im Oktober 2007 erhobenen Klage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von [X.] beim [X.] von Dauerschuldverhältnissen über die Erbringung von [X.] zu unterlassen, diese - nach Auffassung des [X.] mit § 321d Abs. 3 [X.]r. 2 BGB nicht zu vereinbarende - Belehrung über das Wider-rufsrecht abzugeben. § 312d Abs. 3 [X.]r. 2 BGB in der Fassung des Art. 1 [X.]r. 3 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Fi-nanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 ([X.] I S. 3102) lautet: "[X.] erlischt bei einer Dienstleistung auch in folgenden Fällen: – bei einer sonstigen Dienstleistung, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst." Der Kläger ist der Meinung gewesen, diese Vorschrift sei bei teleologischer Ausle-gung dahingehend zu reduzieren, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts uneingeschränkt nur für unteilbare Dienstleistungen bestehe. Bei teilbaren Leis-tungen gelte dies nur hinsichtlich des bereits erbrachten Teils. Im Übrigen be-stehe das Widerrufsrecht fort. Dies bedeute bei einem Mobilfunkvertrag, dass dieser bei einem Widerruf ex nunc ende. 2 Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat mit Urteil vom 11. Februar 2009 die dagegen gerichtete Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt er seinen Unterlassungsanspruch weiter. 3 - 4 - Im Laufe des Revisionsverfahrens ist § 312d Abs. 3 BGB mit Wirkung vom 4. August 2009 durch das [X.] unerlaubter Telefon-werbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Ver-triebsformen vom 29. Juli 2009 ([X.] I S. 2413) neu gefasst worden. [X.]ach der [X.]ovellierung erlischt das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung dann, wenn der [X.] auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Die Beklagte macht geltend, die vom Kläger beanstandete Widerrufsbelehrung nach der Gesetzesänderung nicht mehr zu verwenden. Demgegenüber be-hauptet der Kläger, die Beklagte informiere ihre Kunden weiterhin in der bishe-rigen Form über ihr Widerrufsrecht. [X.]och am Tag vor der mündlichen Verhand-lung des [X.]s sei die unveränderte Belehrung auf den Webseiten der Beklag-ten zu lesen gewesen. 4 Entscheidungsgründe Die zulässige Revision ist unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Gesetzesänderung begründet. 5 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt ([X.], 532), die von der [X.] verwendete Widerrufsbelehrung sei mit § 312d Abs. 3 [X.]r. 2 BGB (in der bis zum 3. August 2009 geltenden Fassung) vereinbar. Die Belehrung entspre-che dem Wortlaut dieser Vorschrift. Ein Bedürfnis zu ihrer teleologischen Re-duktion auf den Ausschluss des Widerrufsrechts bei unteilbaren [X.] - 5 - gen bestehe nicht. Weder gebe es ein gesteigertes Schutzbedürfnis des [X.] beim Abschluss eines längerfristigen Mobilfunkvertrags unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. [X.]och ergäben die Entstehungsgeschichte der Verbraucherschutzvorschriften oder die Richtlinie 97/7 [X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei [X.] im Fernabsatz einen Anhaltspunkt für die vom Kläger für richtig gehaltene Auslegung des § 312d Abs. 3 [X.]r. 2 BGB. I[X.] Diese Würdigung lässt sich nach der [X.]eufassung des § 312d Abs. 3 BGB durch das [X.] unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vom 29. Juli 2009 nicht mehr aufrechterhalten. 7 1. Bei der Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsan-spruchs des [X.] ist zu berücksichtigen, dass sich die Rechtslage während des Revisionsverfahrens durch das Inkrafttreten des [X.] unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vom 29. Juli 2009 am 4. August 2009 geändert hat, so dass die umstrittene Klausel an dem neu gefassten § 312d Abs. 3 BGB zu messen ist (vgl. z.B. [X.], 347, 350 f; 155, 189, 193 f; [X.], Urteile vom 13. Juli 2004 - [X.] - GRUR 2005, 62, 64 und 5. Februar 2004 - [X.]/01 - [X.]JW-RR 2004, 841, 842 und vom 25. Oktober 2001 - [X.] - GRUR 2002, 717, 718; siehe auch [X.]surteile [X.]Z 160, 393, 395 und vom 12. Februar 2009 - [X.]/08 - [X.]JW 2009, 1334, 1335 Rn. 11). Hiernach ist die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung, wie auch die Beklagte nicht be-8 - 6 - zweifelt, jedenfalls jetzt nicht mehr zulässig, da nunmehr ausdrücklich geregelt ist, dass das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung (nur) erlischt, wenn der [X.] beiderseits vollständig erfüllt ist, bevor er sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. 2. Der vom Kläger erhobene Unterlassungsanspruch setzt die Gefahr [X.], dass die Beklagte die hiernach unzulässige Belehrung weiter verwendet, mithin, dass eine Wiederholungsgefahr besteht (vgl. [X.]surteil vom 18. April 2002 - [X.]/01 - [X.]JW 2002, 2386). Ob dies der Fall ist, hängt von weite-ren Feststellungen ab, die das Berufungsgericht als Tatsacheninstanz zu treffen haben wird. 9 a) Die Verwendung von unzulässigen Klauseln begründet die tatsächli-che Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. An deren Beseiti-gung sind strenge Anforderungen zu stellen. Regelmäßig reichen weder die Änderung der beanstandeten Klausel noch die bloße Absichtserklärung des Verwenders, sie nicht weiter zu verwenden, aus, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen (z.B. [X.]Z 119, 152, 165 m.w.[X.].; [X.]surteil vom 18. April 2002 aaO; [X.], Urteil vom 12. Juli 2000 - [X.] - [X.]JW-RR 2001, 485, 487 m.w.[X.] ). Demgegenüber spricht es für das Fortbestehen dieser Gefahr, wenn der Verwender - wie hier - noch im Rechtsstreit die Zulässigkeit der früher von ihm benutzten Klausel verteidigt und nicht bereit ist, eine straf-bewehrte Unterlassungserklärung abzugeben ([X.] aaO; [X.], Urteil vom 12. Juli 2000 aaO m.w.[X.].). 10 - 7 - Für das Wettbewerbsrecht ist jedoch in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass die Vermutung, ein Wettbewerber werde sein in der Vergangenheit gezeigtes Verhalten auch in der Zukunft fortsetzen oder wiederholen, entfällt, wenn die Wettbewerbswidrigkeit des fraglichen Verhaltens in der Vergangenheit umstritten war, aufgrund einer Gesetzesänderung nun-mehr aber eindeutig zu bejahen ist. Denn es kann nicht angenommen werden, dass derjenige, der bei zweifelhafter Rechtslage sein Verhalten mit vertretbaren Gründen gegen den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verteidigt, auch dann auf einer Fortsetzung oder Wiederholung seines Handelns besteht, wenn der Ge-setzgeber die offene Frage eindeutig im Sinne des zuvor streitigen [X.] hat (vgl. [X.], Urteile vom 25. Oktober 2001 - [X.] - GRUR 2002, 717, 719; vom 30. Oktober 1997 - [X.] - GRUR 1998, 591, 592 f; vom 13. März 1997 - [X.] - GRUR 1997, 665 und vom 29. September 1988 - [X.] - [X.]JW-RR 1989, 101, 102; so auch [X.] in [X.]/ [X.], [X.], 26. Aufl., § 8 UWG Rn. 1.43; [X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rn. 22). Für Unterlassungsansprüche der hier in Rede stehenden Art gelten diese Erwägungen gleichermaßen. 11 b) Die Beklagte hat geltend gemacht, die beanstandete Widerrufsbeleh-rung nach der Gesetzesänderung nicht mehr zu verwenden. Der [X.] kann dieses Vorbringen berücksichtigen, obgleich neuer Sachvortrag in der [X.] grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO). Ist - wie hier - eine während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung bei der Entscheidung zu berücksichtigen (siehe oben [X.]ummer 1), sind auch neue [X.], die aufgrund des veränderten Rechts entscheidungserheblich gewor-den sind, im [X.] zu beachten ([X.] in [X.], 3. Aufl., § 559 Rn. 32; vgl. auch [X.]Z 104, 215, 221 f; 155, 189, 194; [X.], 12 - 8 - Urteil vom 13. Juli 2004 - [X.] - GRUR 2005, 62, 64). Sollte sie die im [X.] verwendete Information ihrer Kunden über das Widerrufsrecht umge-hend nach dem Inkrafttreten des [X.] unerlaubter Tele-fonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vom 29. Juli 2009 am 4. August 2009 der veränderten [X.] angepasst haben, würde dies nach den vorstehenden Grundsätzen genü-gen, um die Vermutung, sie werde die bisherige - jedenfalls nach der nunmeh-rigen Gesetzeslage unzulässige - Belehrung weiterhin verwenden, entfallen zu lassen. Sollte die Beklagte hingegen, wie der Kläger behauptet, die bisherige Widerrufsbelehrung weiterhin verwenden oder nach einer angemessenen kur-zen Umstellungsfrist noch verwendet haben, läge ein Verstoß jedenfalls gegen den neu gefassten § 321d Abs. 3 BGB vor, der die Vermutung der Wiederho- lungsgefahr begründen würde, die mangels Abgabe einer strafbewehrten Unter-lassungserklärung nicht widerlegt wäre. 13 - 9 - Die hiernach erforderliche Sachaufklärung bleibt dem Tatrichter überlas-sen. 14 [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.05.2008 - 12 O 414/07 - [X.], Entscheidung vom 11.02.2009 - 7 U 116/08 -

Meta

III ZR 73/09

03.12.2009

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2009, Az. III ZR 73/09 (REWIS RS 2009, 285)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 285

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