Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2013, Az. I ZB 76/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3482

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]/10
vom

14. August
2013

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:

nein
[X.]R:

nein

Zwangsmittelfestsetzung
ZPO § 185 Abs. 1, § 575 Abs. 4 Satz 2, § 888 Abs. 1
Dem Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln gemäß § 888 Abs. 1 ZPO wegen Nichterbringung einer Auskunft fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Schuldner unbekannten Aufenthalts ist und ihm deshalb sämtliche im [X.] und im Vollstreckungsverfahren zuzustellenden Schriftsätze und gerichtliche Entscheidungen durch öffentliche Bekanntmachung im Sinne von § 185 Abs. 1 ZPO zugestellt worden sind.
[X.], Beschluss vom 14. August 2013 -
I [X.]/10 -
Kammergericht

[X.]

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am
14. August
2013
durch [X.]
Dr.
Dr.
h.c. [X.] und die Richter
Pokrant,
Prof. Dr.
Büscher, Dr.
Koch und Dr.
Löffler
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der
Beschluss des 26.
Zivilsenats
des Kammergerichts vom 8.
März 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurück-verwiesen.

Gründe:
[X.] Die Schuldnerin war Miteigentümerin eines in [X.] belegenen Grundstücks, das aufgrund eines Restitutionsbescheids des Landesamts zur [X.] offener Vermögensfragen der Gläubigerin übertragen wurde. Die Gläubige-rin nahm die Schuldnerin vor dem [X.] im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über die im Zeitraum vom 1.
Juli 1994 bis zum 2.
Mai 2003 im Hinblick auf das Restitutionsgrundstück erzielten Einnahmen und entstandenen Forderungen sowie auf Zahlung des sich nach Auskunftserteilung ergebenden [X.] in Anspruch.

1
-
3
-

Die Schuldnerin hatte
ihren letzten bekannten Aufenthalt
in [X.], US-Bun-desstaat [X.]. Nachdem
der Versuch des [X.]s
fehlgeschlagen war, die Klage und die im Verfahren vor dem [X.] ergangenen richterlichen Ver-fügungen im Wege der förmlichen Auslandszustellung gemäß Art.
2 des [X.]s über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schrift-stücke im Ausland in Zivil-
oder Handelssachen vom 15.
November 1965 (nach-folgend [X.]) zuzustellen, ordnete das [X.] mit Beschluss vom 2.
Oktober 2007 die öffentliche Zustellung sowie zusätzlich gemäß
§
187 ZPO die Benachrichtigung in
der [X.] unter "Amtliche Bekanntmachungen" an. Es erging sodann am 11.
Dezember 2007 ge-gen die Schuldnerin ein Teil-Versäumnisurteil
im schriftlichen Verfahren, mit dem die Schuldnerin zur Auskunftserteilung verurteilt wurde. Das Urteil wurde ebenfalls öffentlich zugestellt.
Die Gläubigerin hat beantragt, gegen die Schuldnerin wegen
Nichterbringung der Auskunft ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft
festzusetzen. Dieser [X.] ist vom [X.] zurückgewiesen
worden. Die
gegen die Zurückweisung gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen
Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln weiter.
I[X.] Das Beschwerdegericht hat angenommen,
der Gläubigerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Anordnung von [X.]. Sowohl die Klage als auch das Versäumnisurteil des [X.]s seien der Schuldnerin, die unbekannten Aufenthalts sei und offenbar in [X.] gelebt habe oder noch lebe, öffentlich zugestellt worden. Die Gläubigerin mache insoweit auch nicht gel-tend, dass ihr der Aufenthalt der Schuldnerin inzwischen bekannt sei. Wenn aber eine Vollstreckung des Zwangsgeldes im Hinblick auf eine bereits anfänglich nicht vorhandene Kenntnis vom Aufenthaltsort des Schuldners höchst unwahrscheinlich 2
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oder wohl unmöglich sei, sei
es eine leere, lediglich Kosten verursachende Förme-lei, gegenüber
dem Schuldner
ein Zwangsgeld nach §
888 ZPO zu verhängen.
II[X.] [X.] hat Erfolg.
1. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO) und auch sonst zulässig (§
575 ZPO). Insbesondere ist das Zustellerfordernis gemäß §
575 Abs.
4 Satz
2 ZPO er-füllt. Die [X.] vom 30. April 2010 sowie die Rechtsbeschwer-debegründung vom 19. Juli 2010 sind der Schuldnerin durch öffentliche Bekannt-machung gemäß § 185 f. ZPO zugestellt worden, nachdem ihr Aufenthaltsort nicht ermittelt werden konnte.
2. Entgegen der
Annahme des
Beschwerdegerichts
fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis.
a) Allerdings ist der Antrag auf Zwangsmittelfestsetzung nur bei bestehen-dem Rechtsschutzbedürfnis zulässig ([X.] in MünchKomm.ZPO, 4.
Aufl., §
888 Rn.
19). Nach allgemeinen Grundsätzen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine Klage oder
ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger oder Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren ir-gendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann ([X.], Urteil vom 28.
März 1996

IX
ZR 77/95, NJW 1996, 2035, 2037; [X.]
in MünchKomm.ZPO aaO Vor §§
253 ff. Rn.
11, jeweils mwN).

b) So liegt es im Streitfall jedoch nicht.
Für die Beurteilung des [X.] spielt es grundsätzlich
keine Rolle, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der gerichtlichen Entscheidung greif-bare Möglichkeiten zur Vollstreckung eines Titels erkennbar sind. So trägt im Er-5
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kenntnisverfahren regelmäßig bereits die Aussicht, dass der obsiegende Kläger einen Titel erhält, der seine etwaigen Ansprüche für die nächsten 30
Jahre vor der Verjährung bewahrt (§
197 Abs.
1 Nr.
3 BGB), die Annahme des [X.]. Denn es lässt sich nicht durchweg ausschließen, dass der Kläger in [X.] Gelegenheit findet, den Titel gegen den Beklagten zu vollstrecken ([X.], NJW 1996, 2035, 2037 mwN).
Entsprechendes
gilt im Hinblick auf die Anordnung von Zwangsmitteln nach §
888 Abs.
1 ZPO. Eine Zwangsmittelanordnung nach §
888 ZPO ist ein eigener Vollstreckungstitel im Sinne von §
794 Abs.
1 Nr.
3 ZPO, aus dem die Beitreibung des Zwangsgeldes und die Vollstreckung der ([X.] betrieben wer-den kann ([X.], Beschluss vom 3.
Juli 2008

I
ZB 87/06, [X.], 2919 Rn.
8 mwN).
Die Anordnung von Zwangsmitteln
gemäß § 888 Abs. 1 ZPO
ist auch dann
nicht
objektiv sinnlos, wenn der Schuldner -
wie im Streitfall -
unbekannten [X.] ist und ihm
im Erkenntnisverfahren die zuzustellenden Schriftsätze, die vollstreckbare gerichtliche Entscheidung sowie die Schriftsätze und Entscheidun-gen im Vollstreckungsverfahren durch öffentliche Bekanntmachung im Sinne von §
185 Abs. 1 ZPO zugestellt wurden. Zwar hat das Zwangsgeld den Zweck, den auf die Nichterfüllung gerichteten Willen des Schuldners zu beugen
([X.] in [X.]/Gaul/[X.]/[X.], Zwangsvollstreckungsrecht, 12.
Aufl., §
71 Rn.
2). Eine Einflussnahme auf die Willensbildung durch die Anordnung von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO ist aber auch im Hinblick auf einen
Schuldner nicht auszuschließen,
der während des Erkenntnisverfahrens und des Verfahrens auf Festsetzung von
Zwangsmitteln unbekannten Aufenthalts war. Es ist nicht un-möglich, dass
der Schuldner durch die Benachrichtigung gemäß § 186 Abs.
1 ZPO oder anderweitig tatsächlich Kenntnis von der titulierten Verpflichtung erhal-ten hat
oder erhalten wird. Ferner spricht
für die Annahme eines [X.] auch der Normzweck des [X.]. Damit 11
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hat der Gesetzgeber im Spannungsfeld zwischen dem Justizgewährungsanspruch
desjenigen, in dessen Interesse zugestellt wird, und dem Anspruch
des Zustel-lungsadressaten auf Gewährung rechtlichen Gehörs dem Gedanken des effizien-ten Rechtsschutzes den Vorrang eingeräumt (vgl. Musielak/Wittschier, ZPO, 10.
Aufl., § 185 Rn. 1). Die durch die Benachrichtigung gemäß § 186 Abs. 1 ZPO eröffnete Möglichkeit der Kenntnisnahme
ist
der tatsächlichen Kenntnisnahme im rechtlichen Ergebnis gleichgestellt. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist auch bei der Anwendung
des § 888 Abs. 1 ZPO zu beachten.
[X.] Danach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

[X.]
Pokrant
Büscher

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.04.2009 -
18 [X.]/06 -

KG Berlin, Entscheidung vom 08.03.2010 -
26 W 44/09 -

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Meta

I ZB 76/10

14.08.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2013, Az. I ZB 76/10 (REWIS RS 2013, 3482)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3482

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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