Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.02.2022, Az. 12 W (pat) 75/19

12. Senat | REWIS RS 2022, 3183

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Gegenstand

Patentbeschwerdesache - "Spannelement zum Erzeugen einer Vorspannkraft einer Schraubverbindung" – Zur Frage, ob ein Hauptanspruch sämtliche wesentlichen Merkmale einer Erfindung enthalten muss – Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 026 457.1

hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Ing. Univ. [X.] sowie [X.], [X.]. [X.] und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Prüfungsstelle für [X.] vom 27. November 2018 und 8. Mai 2019 aufgehoben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1-15,

eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

Beschreibung Seiten 2/10 bis 6/10,

eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

Figuren 1-7 gemäß [X.] vom 12. Januar 2012.

2. Die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten [X.] wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der am 8. Juli 2010 beim [X.] eingegangenen Patentanmeldung 10 2010 026 457.1 mit der Bezeichnung „[X.], [X.] und Spannwerkzeug“.

2

Mit in der Anhörung vom 27. November 2018 verkündetem Beschluss hatte die Prüfungsstelle für [X.] die Patentanmeldung zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung vom 27. März 2019 hatte sie dazu angegeben, der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei nicht neu gegenüber der [X.] bzw. beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber der [X.] in Verbindung mit dem Wissen des Fachmanns und der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 enthalte nicht alle erfindungswesentlichen Merkmale.

3

Gegen diesen Beschluss richtete sich die erste Beschwerde der Anmelderin vom 23. April 2019, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses und Erteilung nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 oder 2, hilfsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und schließlich die Erstattung der Beschwerdegebühr beantragte.

4

Im weiteren Beschluss vom 8. Mai 2019 hat die Prüfungsstelle den Beschluss vom 27. November 2018 (Begründung vom 27. März 2019) aufgehoben, die Sache erneut in Behandlung genommen und ausgeführt, dass sie zum Hauptantrag und den [X.] 1 und 2 gleicher Auffassung sei wie im vorangegangenen Beschluss angegeben, und hat eine Anhörung angekündigt. Den Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr hat sie zurückgewiesen.

5

Gegen diesen weiteren Beschluss richtet sich die zweite Beschwerde der Anmelderin vom 11. Juni 2019.

6

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag,

7

1. die Beschlüsse der Prüfungsstelle für [X.] des [X.]s vom 27. November 2018 und vom 8. Mai 2019 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der im Tenor genannten Unterlagen zu erteilen,

8

2. die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten Beschwerdegebühr anzuordnen.

9

Der geltende Anspruch 1 lautet mit vom Senat hinzugefügten [X.] [X.] bis [X.].2:

[X.] [X.] (10)

zum Erzeugen einer axialen Vorspannkraft einer Schraubverbindung,

[X.] wobei das [X.] (10) einen ersten Schenkel (101)

und einen zweiten Schenkel (102) aufweist,

[X.].1 welche mittels eines Federelementes (103)

miteinander verbunden sind,

[X.].2 wobei der erste Schenkel (101) und der zweite Schenkel (102)

jeweils eine Durchgangsbohrung (105) aufweisen,

[X.].3 in welche eine Schraube (20) aufnehmbar ist,

[X.].4 und das Federelement (103) zumindest einen ersten Abschnitt (131)

und einen zweiten Abschnitt (132) enthält,

[X.].5 welche im entspannten Zustand einen Winkel (2α)

von etwa 30° bis etwa 5° einschließen,

[X.].2 dadurch gekennzeichnet,

dass zwischen [X.] (10) und Schraube (20)

eine Klemmung an drei Kontaktpunkten (108) ausbildbar ist,

wenn eine Schraube in beide Durchgangsbohrungen (105)

eingeführt ist,

wobei ein Kontaktpunkt (108) zwischen Federelement (103)

und Schaft (202) der Schraube (20) ausbildbar ist

und zwei Kontaktpunkte (108)

zwischen dem jeweiligen distalen Ende der Bohrungen (105)

und dem Schaft (202) der Schraube (20) ausbildbar sind.

Auf diesen Anspruch sind die [X.] 2 bis 5 rückbezogen.

Der nebengeordnete Anspruch 6 lautet:

Schraube (20) mit einem [X.] (10)

nach einem der Ansprüche 1 bis 5.

Auf diesen Anspruch ist der [X.] rückbezogen.

Der ebenfalls nebengeordnete Anspruch 8 lautet mit vom Senat hinzugefügten [X.] [X.] bis [X.].2 und [X.] bis [X.].5:

[X.] [X.] (30)

enthaltend eine erste Schelle (301) und eine zweite Schelle (302),

in welche jeweils eines der zu verbindenden Rohre (311, 312)

einführbar ist,

[X.].1 wobei die Schellen (301, 302) jeweils

übereinander angeordnete Bohrungen aufweisen,

[X.].2 in welche jeweils eine Anordnung aus einer Schaftschraube

und einem vorgespannten [X.] (10) eingeführt

und mit jeweils einer Mutter verschraubt ist,

[X.] wobei das [X.] (10)

zum Erzeugen einer axialen Vorspannkraft

[X.] einen ersten Schenkel (101) und einen zweiten Schenkel (102)

aufweist,

[X.].1 welche mittels eines Federelementes (103)

miteinander verbunden sind,

[X.].2 wobei der erste Schenkel (101) und der zweite Schenkel (102)

jeweils eine Durchgangsbohrung (105) aufweisen,

[X.].3 in welche die Schraube (20) aufgenommen ist,

[X.].4 dadurch gekennzeichnet, dass das Federelement (103) zumindest

einen ersten Abschnitt (131) und einen zweiten Abschnitt (132)

enthält,

[X.].5 welche im entspannten Zustand einen Winkel (2α)

von etwa 30° bis etwa 5° einschließen.

Auf diesen – unabhängigen – Nebenanspruch sind die [X.] 9 bis 12 rückbezogen.

Der weitere nebengeordnete Anspruch 13 lautet mit vom Senat hinzugefügten [X.] [X.] bis [X.].2:

[X.] Spannwerkzeug (40) zur Vormontage eines [X.]es (10)

nach einem der Ansprüche 1 bis 5,

[X.].1 mit einem Halteelement (410), mit welchem

der zweite Schenkel (102) des [X.]es (10) fixierbar ist,

[X.].1.1 wobei das Halteelement (410) an seinem distalen Ende (415)

einen Überstand (412) aufweist, welcher

mit der Stirnseite (106) des zweiten Schenkels (102)

in Eingriff bringbar ist

[X.].1.2 und wobei das Halteelement (410)

eine Durchgangsbohrung (411) aufweist,

in welche eine Schraube (20) aufnehmbar ist,

[X.].2 und mit einem Presselement (420), mit welchem eine Kraft

auf den ersten Schenkel (101) aufbringbar ist,

so, dass der Winkel (β) zwischen dem ersten Schenkel (101) bzw.

dem zweiten Schenkel (102) und der Symmetrieachse

verringerbar ist.

Auf diesen Anspruch sind die [X.] 14 und 15 rückbezogen.

Im Verfahren sind die folgenden Entgegenhaltungen:

[X.] [X.] 62 026 A1

D2 WO 87/00252 A1

D3 [X.] 3,161,086

D4 [X.] 29 14 080 A1

D5 [X.] 10 2006 002 031 B4

D6 EP 1 505 330 B1

[X.] [X.] 10 2004 056 684 A1

[X.] [X.] 3,185,418

[X.] [X.] 75 00 913 U

Die [X.] bis [X.] wurden von der Prüfungsstelle im Prüfungsverfahren, die [X.] und [X.] vom Senat im Beschwerdeverfahren eingeführt.

Wegen des Wortlauts der weiteren Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die nunmehr geltenden Ansprüche sind zulässig, und ihre Gegenstände sind patentfähig nach den §§ 1 bis 5 [X.]. Sie sind insbesondere neu entsprechend § 3 [X.] und erfinderisch entsprechend § 4 [X.], da sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.

Der im [X.] vom 27. November 2018 weiterhin von der Prüfungsstelle angegebene Grund, die Anmeldung genüge nicht den Anforderungen des § 34 Abs. 3 [X.] an die Angaben, die in den Ansprüchen enthalten sein müssten, erweist sich als nicht zutreffend.

Ferner war die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten Beschwerdegebühr anzuordnen.

1. Ein Gegenstand der Anmeldung ist, siehe den Absatz 0001 der Offenlegungsschrift ([X.]), ein [X.] zum Erzeugen einer Vorspannkraft einer Schraubverbindung.

Bekannte [X.]e in Form von Schraubenfedern weisen gemäß Abs. 0004 [X.] den Nachteil auf, dass sie während des Montagevorgangs herunterfallen können und dass außerdem das Innere der Schraubenfeder nur schwer für eine Reinigung zugänglich ist.

Dementsprechend ist als Aufgabe der Erfindung angegeben, siehe Abs. 0005 [X.], ein [X.] bereitzustellen, welches in einfacher Weise montierbar ist und mit geringerem Aufwand gereinigt werden kann.

Laut Abs. 0007 [X.] ist das erfindungsgemäße [X.] mit zwei über ein Federelement verbundenen [X.] ausgestattet, welche jeweils eine Durchgangsbohrung aufweisen. Weiter ist das [X.] erfindungsgemäß so ausgeführt, dass es sich durch die Federkraft des [X.] am Schaft der Schraube verklemmt.

Weitere Gegenstände der Anmeldung sind eine [X.] mit einer Anordnung aus einer Schaftschraube und einem vorgespannten [X.] und ein Spannwerkzeug zur Vormontage eines erfindungsgemäßen [X.]s.

2. Als Fachmann für diesen Gegenstand ist ein Diplom-Ingenieur oder Bachelor des Maschinenbaus (FH/HAW) mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von [X.]en zuständig.

3. Die geltenden Ansprüche sind zulässig.

Die Merkmale [X.] bis [X.].3 des Anspruchs 1 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1, Merkmale [X.].4 und [X.].5 aus dem ursprünglichen Anspruch 4. Das – gegenüber dem im Prüfungsverfahren geltenden Anspruch 1 nach Hauptantrag – zusätzlich aufgenommene Merkmal [X.].2 ergibt sich aus dem letzten Absatz auf Seite 9 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Abs. 0031 [X.]).

Die Ansprüche 2 bis 4 ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4, der Anspruch 5 aus dem zweiten Absatz auf Seite 9 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Abs. 0030 [X.]) und [X.]uren 2a und 2b.

Die Ansprüche 6 und 7 ergeben sich aus [X.]uren 2a und 3 in Verbindung mit dem letzten Absatz auf Seite 9 der Beschreibung (Abs. 0031 [X.]).

Die Merkmale [X.] bis [X.].2 des nebengeordneten Anspruchs 8 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 6 in Verbindung mit den drei ersten Absätzen und dem ersten Satz des vierten Absatzes auf Seite 12 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Absätze 0037 bis 0040 [X.]) und der [X.]ur 5. Die weiteren Merkmale [X.] bis [X.].5 entsprechen inhaltlich denjenigen des Anspruchs 1.

Die Ansprüche 9 bis 11 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 6 mit seiner Rückbeziehung auf die ursprünglichen Ansprüche 2 bis 4, der Anspruch 12 aus dem zweiten Absatz auf Seite 9 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Abs. 0030 [X.]).

Die Merkmale [X.], [X.].1 und [X.].2 des Anspruchs 13 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 7, die im Merkmal [X.] angegebene Eignung zur Vormontage aus [X.]ur 7 mit Beschreibung ab Mitte der Seite 14 der Beschreibung (Absätze 0046, 0047 [X.]). Das Merkmal [X.].1.1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 8 und das gegenüber dem im Prüfungsverfahren geltenden Anspruch 10 nach dortigem Hauptantrag zusätzlich aufgenommene Merkmal [X.].1.2 aus dem ursprünglichen Anspruch 9.

Der Anspruch 14 ergibt sich aus dem ersten Absatz auf Seite 14 der Beschreibung (Absatz 0044 [X.]), Anspruch 15 aus dem ursprünglichen Anspruch 10.

4. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche sind patentfähig. Sie sind insbesondere neu und ergeben sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (§§ 3, 4 [X.]).

4.1 Die Entgegenhaltung [X.] zeigt eine Rohrschelle 10, die den Angaben der Merkmale [X.] bis [X.].5 des Anspruchs 1 entspricht.

Die in dem unten links wiedergegebenen Ausschnitt aus [X.]ur 3 der [X.] mit den Bezugszeichen 12, 13 bezeichneten Schenkel entsprechen den Merkmalen [X.], [X.].2 und [X.].3.

Der verbleibende Bereich der Rohrschelle von Bezugszeichen 15 bis Bezugszeichen 16 bildet ein Federelement entsprechend dem Merkmal [X.].1, mit Abschnitten, die einen Winkel entsprechend den Merkmalen [X.].4 und [X.].5 einschließen, wie unten vom Senat eingezeichnet.

Die Schenkel 12, 13 der Rohrschelle 10 können, wie in dem unten rechts wiedergegebenen Ausschnitt aus [X.]ur 4 der [X.] dargestellt, mittels einer Schraubverbindung 22, 24 zusammengezogen werden, wodurch die Rohrschelle 10 zugleich auch eine Vorspannkraft auf die Schraubverbindung ausübt und deshalb als ein [X.] entsprechend dem Merkmal [X.] bezeichnet werden kann.

Abbildung

[X.], Ausschnitte aus [X.]. 3 und [X.]. 4

Jedoch findet sich weder in [X.] noch im gesamten weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik eine entsprechende Offenbarung oder auch nur eine Anregung dazu, ein [X.] so zu gestalten, dass zwischen dem [X.] und einer Schraube eine Klemmung an drei Kontaktpunkten (108) ausbildbar ist, wie sie in dem im Beschwerdeverfahren zusätzlich aufgenommenen Merkmal [X.].2 des Anspruchs 1 beschrieben sind (siehe [X.]uren 3, 4 aus [X.] unten).

Abbildung

4.2 Die Entgegenhaltung [X.] offenbart auch keine [X.] entsprechend dem Anspruch 8. Die aus der [X.] bekannte Rohrschelle 10 entspricht zwar den Angaben der Merkmale [X.] bis [X.].5. Sie ist jedoch zur Befestigung eines Rohres oder einer Leitung z.B. an einer Decke oder Wand vorgesehen. Damit ist weder offenbart, noch ergibt sich daraus oder in Verbindung mit dem weiteren Stand der Technik im Verfahren eine Anregung, diese Rohrschelle 10 als [X.] in einer [X.] mit zwei Schellen zur Verbindung zweier Rohre entsprechend den Merkmalen [X.] bis [X.].2 des Anspruchs 8 einzusetzen.

4.3 Die Entgegenhaltung [X.] offenbart, siehe den unten wiedergegebenen Ausschnitt aus [X.]ur 2 der [X.], eine Auswuchtgewichtzange mit einem Halteelement 11a entsprechend den Merkmalen [X.].1 und [X.].1.1 und einem Presselement 10a entsprechend dem Merkmal [X.].2 des Anspruchs 13.

Abbildung

Jedoch findet sich weder in [X.] noch im gesamten weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik eine Offenbarung oder auch nur eine Anregung dazu, eine solche Zange mittels einer Schrauben-Durchgangsbohrung im Halteelement entsprechend dem im Beschwerdeverfahren zusätzlich aufgenommenen Merkmal [X.].1.2 so auszubilden, dass sie entsprechend dem Merkmal [X.] des Anspruchs 13 als Spannwerkzeug zur Vormontage eines [X.]s nach einem der Ansprüche 1 bis 5 geeignet ist (vgl. unten gezeigte [X.]. 7 [X.]).

Abbildung

4.4 Die jeweiligen rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5, 6 mit 7, 9 bis 12, 14 und 15 werden von den Ansprüchen 1, 8 und 13 getragen.

5. Der von der Prüfungsstelle in ihrer Begründung vom 27. März 2019 zum Zurückweisungsbeschluss vom 27. November 2018 angegebene Zurückweisungsgrund, der dem jetzt geltenden Anspruch 8 insoweit entsprechende Anspruch 1 des [X.] genüge den Anforderungen des § 34 [X.] nicht, besteht nicht.

Die Prüfungsstelle hatte die Auffassung vertreten, die Anmeldung müsse aufgrund des Fehlens eines offensichtlich erfindungswesentlichen Merkmals in dem auf die [X.] gerichteten Anspruch zurückgewiesen werden. Dabei fehlte im [X.] jedoch bereits eine Definition des Begriffs „erfindungswesentliche Merkmale“, hierzu wurde lediglich ohne weitere Ausführungen auf „[X.], [X.], 10. Auflage, § 34 Rdn 164“ verwiesen.

Die dort vertretene Auffassung, der [X.] müsse als wesentliche Merkmale der Erfindung „alle Merkmale enthalten, die zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe notwendig“ seien, findet allerdings keine Stütze im [X.].

Denn das [X.] fordert in § 34 Abs. 3 Nr. 3 [X.] nicht, dass in den Ansprüchen angegeben sein müsse, wie eine Aufgabe zu lösen sei, sondern dass in den Ansprüchen angegeben sein muss, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Der von der Prüfungsstelle weiterhin zitierte § 9 [X.] regelt unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 3 Nr. 3 [X.], wie die Angaben in den Patentansprüchen zu dem, „was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 des [X.]es)“ zu fassen und zu gliedern sind, siehe § 9 Abs. 1 [X.]. In § 9 Abs. 4 [X.] heißt es dazu, „im ersten Patentanspruch ([X.]) sind die wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben“.

Im Ergebnis folgt somit aus § 34 Abs. 3 Nr. 3 [X.] in Verbindung mit § 9 [X.], dass im Haupanspruch als wesentliche Merkmale der Erfindung bzw. erfindungswesentliche Merkmale diejenigen Merkmale anzugeben sind, die erforderlich sind, damit für Außenstehende hinreichend sicher erkennbar ist, was unter Schutz gestellt werden soll.

Insofern ergibt sich aus der von der Prüfungsstelle beanstandeten Nichtaufnahme des Merkmals „Erfindungsgemäß sind der erste Schenkel, der zweite Schenkel und das Federelement einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen gefertigt“ in den Anspruch kein Mangel, vielmehr ist daran, dass dieses Merkmal nicht im Anspruch enthalten ist, für Außenstehende klar und eindeutig erkennbar, dass die im Anspruch angegebene [X.] unabhängig davon unter Schutz gestellt sein soll, ob der erste Schenkel, der zweite Schenkel und das Federelement des [X.]s einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen gefertigt sind oder nicht.

Soweit in der im [X.] in Bezug genommenen Stelle „[X.], [X.], 10. Auflage, § 34 Rdn 164“ auf [X.] verwiesen wird, und dort die Auffassung vertreten wird, die im Anspruch anzugebenden wesentlichen Merkmale seien „sämtliche Merkmale, die für den Fachmann erforderlich sind, um die Erfindung ausführen zu können“, findet auch dies keine Stütze im [X.], das in § 34 Abs. 4 ausdrücklich regelt, dass die Erfindung in der Anmeldung, die gemäß § 34 Abs. 3 unter anderem Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnungen umfasst – also nicht in den Ansprüchen oder gar dem [X.] allein –, so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Schließlich enthält die Begründung vom 27. März 2019 zum [X.] vom 27. November 2018 auch keine Ausführungen dazu, warum nach Auffassung der Prüfungsstelle die erfindungsgemäße Aufgabe mit einer [X.] mit einem nicht einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen gefertigten [X.] nicht gelöst werden könne oder warum der Fachmann eine erfindungsgemäße [X.] ohne die Angabe, dass das dazugehörige [X.] einstückig aus einem einzelnen Blechstreifen zu fertigen sei, nicht ausführen könne.

Darauf kommt es jedoch nicht an, da – wie eingangs dargelegt – § 34 [X.] und § 9 [X.] weder fordern, dass im [X.] alle diejenigen Merkmale enthalten sein müssten, die zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe notwendig seien, noch dass im Haupanspruch sämtliche Merkmale angegeben sein müssten, die für den Fachmann erforderlich seien, um die Erfindung ausführen zu können.

Da sich somit ein Fehlen erfindungswesentlicher Merkmale bzw. wesentlicher Merkmale der Erfindung in dem auf die [X.] gerichteten Anspruch nicht feststellen lässt, bedarf der von der Prüfungsstelle gezogene Umkehrschluss, somit sei auch entgegen § 10 Abs. 2 Nr. 4 [X.] in der Beschreibung nicht die Erfindung angegeben, für die in den Ansprüchen Schutz begehrt werde, keiner Erörterung.

6. Die Rückzahlung der am 11. Juni 2019 gezahlten Beschwerdegebühr entspricht der Billigkeit.

Mit in der Anhörung vom 27. November 2018 verkündetem Beschluss hatte die Prüfungsstelle für [X.] die Patentanmeldung zurückgewiesen und dazu angegeben, der jeweilige Anspruch 1 nach Hauptantrag und den [X.] 1 und 2 sei nicht gewährbar. Gegen diesen Beschluss richtete sich die erste Beschwerde der Anmelderin vom 23. April 2019, mit der sie unter anderem die Erteilung nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 oder 2 und die Erstattung der Beschwerdegebühr beantragte.

§ 73 Abs. 3 [X.] legt fest, dass in diesem Fall die Prüfungsstelle, deren Beschluss angefochten wird, entweder der Beschwerde abzuhelfen hat, wenn sie sie für begründet erachtet, oder sie vor Ablauf von einem Monat ohne sachliche Stellungnahme dem Patentgericht vorzulegen hat.

Die Prüfungsstelle hat dagegen einen weiteren Beschluss vom 8. Mai 2019 erlassen, in dem sie ausgeführt hat, dass sie zum Hauptantrag und den [X.] 1 und 2 gleicher Auffassung sei wie im vorangegangenen Beschluss angegeben. Den Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr hat sie zurückgewiesen.

Nachdem die Prüfungsstelle demnach die Beschwerde sowohl hinsichtlich des [X.] als auch des [X.] und auch des [X.] und des Antrags auf Erstattung der Beschwerdegebühr nicht für begründet erachtet hat, war für diesen weiteren Beschluss kein Raum.

Unabhängig davon, dass die erforderliche Voraussetzung für einen Abhilfebeschluss nicht vorlag, auch nicht für eine isolierte Aufhebung des [X.]es (kassatorische Abhilfe) mit Fortsetzung des Verfahrens, ist mit dem weiteren Beschluss vom 8. Mai 2019 der Beschwerde auch nicht abgeholfen worden. Auch dass eine über den Hilfsantrag 2 hinaus durch Aufnahme weiterer Merkmale weiter einzuschränkende Fassung als grundsätzlich gewährbar bezeichnet wurde, siehe den Beschluss vom 8. Mai 2019, Seite 3 unten, in Verbindung mit der Begründung zum Beschluss vom 27. November 2018, Seite 5, vierter Absatz, stellt keine, auch keine teilweise Abhilfe dar.

Somit liegt ein Verfahrensfehler vor, der auch ursächlich dafür war, dass die Anmelderin und Beschwerdeführerin die zweite Beschwerde vom 11. Juni 2019 einlegen musste und eine zweite Beschwerdegebühr zahlen musste, um zu erreichen, dass die Prüfungsstelle, die die erste Beschwerde vom 23. April 2019 nicht für begründet erachtet hatte, die Beschwerde dem Patentgericht vorlegt wie in § 73 Abs. 3 [X.] vorgesehen.

Meta

12 W (pat) 75/19

17.02.2022

Bundespatentgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 34 Abs 3 Nr 3 PatG, § 9 PatV

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.02.2022, Az. 12 W (pat) 75/19 (REWIS RS 2022, 3183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3183

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