Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.06.2017, Az. 2 ARs 46/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9838

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Gegenstand

Bußgeldverfahren: Örtlich zuständiges Gericht für die Entscheidung über den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid der „Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt Außenstelle Nord“


Tenor

Die Untersuchung und Entscheidung der Sache wird dem

Amtsgericht Kiel

übertragen.

Gründe

I.

1

Die „[X.] und Schifffahrt Außenstelle Nord“ mit Sitz in [X.] erließ am 7. Februar 2014 „gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 des [X.]“ einen [X.] über eine Geldbuße von 150 Euro nebst Kosten gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit, die er auf dem Ostseefahrwasser [X.]begangen haben soll. Es liege ein Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 25 Abs. 2 Nr. 2, 61 Abs. 1 Nr. 3 und [X.] vor. Der Bescheid wies darauf hin, dass mit Organisationserlass des [X.], Bau und Stadtentwicklung vom 19. April 2013 die bisherigen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen in regionale Außenstellen der neu gegründeten [X.] und Schifffahrt umgewandelt worden seien. Sie nähmen jedoch ihre bisherigen Aufgaben vorerst als Außenstellen dieser Behörde weiter wahr.

2

Nach Einspruch des Betroffenen gegen den [X.] hat die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht [X.] die Sache dem Amtsgericht [X.] vorgelegt. Dieses Gericht hat sich durch Beschluss vom 26. August 2014 für unzuständig erklärt. Dazu hat es ausgeführt, der Sitz der Außenstelle Nord der [X.] und Schifffahrt in [X.] begründe keine Gerichtszuständigkeit; denn der Außenstelle sei die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nicht wirksam übertragen worden. Die [X.] und Schifffahrt habe ihren Sitz in [X.]. Auch wenn eine Außenstelle die Sache bearbeitet habe, sei der Sitz der Hauptstelle für die Gerichtszuständigkeit gemäß § 68 Abs. 1 OWiG maßgeblich. Anders wäre es nur, wenn der Außenstelle die Zuständigkeit zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gemäß § 36 Abs. 2 oder 3 OWiG übertragen worden wäre. Eine solche Übertragung sei aber nicht wirksam erfolgt. Dazu wäre eine Regelung durch Rechtsverordnung erforderlich. Der Organisationserlass des [X.], Bau und Stadtentwicklung vom 19. April 2013 genüge nicht. Die organisatorische Neugliederung der Behörden habe keine selbständige Behörde bei der Außenstelle geschaffen. Deren Zuständigkeit könne nicht allein durch ihre Selbstdarstellung im [X.] begründet werden.

3

Nach Vorlage der Sache an das Amtsgericht [X.] hat sich dieses Gericht durch Beschluss vom 31. Oktober 2014 für unzuständig erklärt und die Sache dem [X.] vorgelegt. Es hat ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richte sich nach dem Bezirk der Verwaltungsbehörde, die den [X.] erlassen habe. Der Begriff der Verwaltungsbehörde sei dabei in funktionellem Sinn zu verstehen. Zur Verwaltungsbehörde werde sie durch Übertragung der Eingriffsbefugnisse, die mit der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten verbunden seien. Daran gemessen habe die Außenstelle Nord der [X.] und Schifffahrt bei Erlass des [X.]s als eigenständige Behörde gehandelt. Auch aus der Sicht des Empfängers habe diese den Bescheid selbstständig erlassen. Zwar sei sie darin als Außenstelle der [X.] und Schifffahrt bezeichnet worden, jedoch habe sie die Anschrift des Hauptsitzes nicht angegeben.

II.

4

1. Der [X.] ist als gemeinsames oberes Gericht der Amtsgerichte [X.] und [X.] gemäß § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 14 StPO zur Entscheidung des [X.] berufen.

5

2. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG und in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (Gesetz über die Aufgaben des [X.] auf dem Gebiet der Seeschifffahrt - Seeaufgabengesetz - [X.] vom 24. Mai 1965, [X.] [X.], zuletzt in der Fassung vom 17. Juni 2016, [X.] I S. 1489) sowie § 61 Abs. 2 SeeSchStrO (Seeschifffahrtsstraßenordnung vom 6. Mai 1952, [X.] [X.], Neufassung vom 3. Mai 1971, [X.] I S. 641, Neubekanntmachung vom 22. Oktober 1998, [X.] I S. 3209, 3210) in der bis zum 3. Juni 2016 geltenden Fassung ist das Amtsgericht [X.] für die Entscheidung über den Einspruch gegen den [X.] zuständig.

6

a) Für die Entscheidung ist nach § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Gemeint ist damit die Verwaltungsbehörde, die den [X.] erlassen hat [X.], OWiG, [X.]., § 68 Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.], OWiG, 3. Aufl., [X.]., § 68 Rn. 2).

7

Die Verwaltungsbehörde hat ihren Sitz grundsätzlich dort, wo ihre Hauptstelle eingerichtet ist, also wo die betreffende Behörde den organisatorischen Mittelpunkt ihres Dienstbetriebs hat. [X.] eine Nebenstelle den [X.], ist für den Sitz der Behörde im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG grundsätzlich der Ort der Hauptstelle maßgeblich. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Aufgabe der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten der Außenstelle als eigenständiger Behörde zugewiesen wurde. Maßgeblich für die Abgrenzung ist nicht die Betrachtung des Auftritts der Verwaltungsbehörde. Bestimmt wird die Zuständigkeit vielmehr durch die rechtlichen Gegebenheiten (vgl. [X.]/[X.], OWiG, [X.]., § 68 Rn. 4; [X.]/[X.]/[X.] aaO).

8

Die Zuständigkeit der Behörden für den Erlass von [X.]en folgt gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuvörderst aus dem Gesetz, das den [X.] und im Zusammenhang damit die Verfolgungszuständigkeit der Behörde regelt. Wenn eine solche Regelung nicht vorhanden ist, bleibt der Fachminister zuständig (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 OWiG); dieser kann gemäß § 36 Abs. 2 oder 3 OWiG eine Aufgabenübertragung durch Rechtsverordnung vornehmen.

9

§ 15 Abs. 1 Nr. 2 [X.] enthält eine Verordnungsermächtigung zur Zuständigkeitsbestimmung durch Rechtsverordnung. Auf dieser Grundlage hat § 61 Abs. 2 SeeSchStrO in der bis zum 3. Juni 2016 geltenden Fassung die Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten der hier in Rede stehenden Art auf „die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest“ übertragen. Die [X.], welche die Aufgabe der Gewährleistung der Sicherheit und der Leichtigkeit des Verkehrs auf den [X.]wasserstraßen der [X.] [X.], der schleswig-holsteinischen [X.], der [X.] und ihren Zuflüssen, dem [X.], der [X.], der [X.] und der [X.] hatte, war nach dieser Rechtslage zur Zeit des Erlasses des [X.]s örtlich und sachlich zuständig.

Der Umstand, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des [X.] durch Erlass des [X.]ministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 19. April 2013 ([X.]. 2013, [X.] ff.) neu geordnet worden ist (vgl. die Begründung der späteren gesetzlichen Regelung in vgl. [X.]. 497/15 S. 25 ff.) und die „[X.]“ nicht mehr diese Bezeichnung trägt, sondern als „[X.] und Schifffahrt Außenstelle Nord“ bezeichnet ist, berührt die ursprünglich durch Rechtsverordnung in § 61 Abs. 2 SeeSchStrO begründete Zuständigkeit nicht. Sie umfasst auch Fälle der Rechtsnachfolge oder geänderten Behördenbezeichnung (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2014 - 3 A 223/13, [X.] 2015, 117, 118 f.). Soweit § 61 Abs. 2 SeeSchStrO in der bis zum 3. Juni 2016 geltenden Fassung bestimmt hat, die Zuständigkeit werde auf die „[X.] und Nordwest“ übertragen, handelt es sich daher um eine Zuständigkeitsregelung, welche auch die „[X.] und Schifffahrt Außenstelle Nord“ einschließt.

Der Erlass des [X.]ministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 19. April 2013 hat insoweit keine Übertragung einer Zuständigkeit bewirkt, sondern die bereits bestehende Zuständigkeit aufrechterhalten. Durch den Erlass sind die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zwar organisatorisch in die neu geschaffene [X.] und Schifffahrt eingegliedert worden. Ihre Auflösung erfolgte aber nicht. Ihnen blieben vielmehr bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung der Zuständigkeiten von [X.]behörden an die Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des [X.] ([X.] - [X.]) vom 24. Mai 2016 ([X.] I S. 1217 ff.) und der Verordnung zur Anpassung von Zuständigkeiten von [X.]behörden an die Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des [X.] ([X.] - [X.]) vom 2. Juni 2016 ([X.] I S. 1257, 1728) die bisherigen Aufgaben zugewiesen. Der Erlass bestimmte nämlich, dass für die den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zugewiesenen Aufgaben die hiermit funktional identischen Außenstellen der [X.] und Schifffahrt zuständig bleiben, eigenverantwortlich handeln und unmittelbar der Fachaufsicht des [X.], Bau und Stadtentwicklung unterliegen. Die Außenstellen blieben danach in der Übergangszeit bis zur gesetzlichen Neuregelung selbständige Behörden (vgl. [X.], DVBl. 2014, 156, 161). Dies galt auch, soweit sie nicht mehr unter der alten Behördenbezeichnung auftraten.

b) Die Tatsache, dass nach Erlass des angefochtenen [X.]s die Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 61 Abs. 1 SeeSchStrO durch dessen Absatz 2 in der ab dem 4. Juni 2016 geltenden Fassung auf die [X.] und Schifffahrt übertragen wurde, ändert nichts an der bereits begründeten Gerichtszuständigkeit (vgl. [X.]/[X.], OWiG, 4. Aufl., § 68 Rn. 7; [X.]/[X.]/[X.] aaO, § 68 Rn. 2).

Krehl     

       

Eschelbach     

       

Zeng   

       

Bartel     

       

Grube     

       

Meta

2 ARs 46/15

07.06.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 36 Abs 1 Nr 1 OWiG, § 36 Abs 1 Nr 2 OWiG, § 36 Abs 2 OWiG, § 36 Abs 3 OWiG, § 68 Abs 1 S 1 OWiG, § 15 Abs 1 Nr 2 BSeeSchG, § 61 Abs 2 SeeSchStrO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.06.2017, Az. 2 ARs 46/15 (REWIS RS 2017, 9838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9838

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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