Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2013, Az. 3 AZR 68/11

3. Senat | REWIS RS 2013, 7028

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Gegenstand

Betriebliche Altersversorgung - Auslegung eines Tarifvertrags


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2010 - 9 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von Gas- und Stromkosten iHv. [X.] freizustellen.

2

Der im Dezember 1948 geborene Kläger war seit dem 1. März 1976 bei der [X.] (im Folgenden: [X.]) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich ua. nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag ([X.]) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen; daneben fanden die für die Angestellten des Arbeitgebers geltenden sonstigen Tarifverträge und betrieblichen Vereinbarungen Anwendung.

3

Am 26. September 1975 hatte der damalige Vorstand der [X.] eine allgemeine Regelung zu einem [X.] für Energieleistungen erlassen. Diese Vorstandsverfügung bestimmte auszugsweise:

        

„Neufassung der Verfügung Nr. 5 vom [X.] vom 26.9.1975

        

Betrifft : [X.]

        

0       

Bezugsberechtigte

                 

00    

Für den gemessenen Haushaltsbezug von elektrischer Energie und Gas wird auf Antrag eine Ermäßigung eingeräumt:

                          

000     

vollbeschäftigten Betriebsangehörigen,

                          

001     

ehemaligen Betriebsangehörigen,

                          

002     

Witwen ehemaliger Betriebsangehöriger für die Dauer des [X.],

                          

…       

        
        

1       

Voraussetzungen für die Gewährung des [X.] sind:

                 

10    

der eigene Haushalt,

                 

11    

die ununterbrochene Beschäftigungszeit bei den [X.] / [X.] bzw. - vor dem [X.] - den Städt. [X.] der

                          

110     

Betriebsangehörigen von mindestens 6 Monaten,

                          

111     

ehemaligen Betriebsangehörigen von mindestens 5 Jahren bis zu ihrer Inruhesetzung,

                 

12    

der Bestand der Ehe während der aktiven Betriebszugehörigkeit des verstorbenen Ehemannes.

        

…       

        
        

3       

Wohnen außerhalb des Versorgungsbereichs der [X.]

                 

Bezugsberechtigte, die nicht im Versorgungsbereich der [X.] wohnen, erhalten - sofern ihr Verbrauch an elektrischer Energie und Gas von ihrem Versorgungsunternehmen im Währungsgebiet der [X.] zu einem höheren Preis abgerechnet wird, als er nach dem [X.] zur Verrechnung kommen würde - den Unterschiedsbetrag zwischen dem von ihnen bezahlten Rechnungsbetrag und dem nach dem [X.] zu verrechnenden Betrag erstattet.

        

…       

        
        

5       

Tarife

                 

Ab 1.1.1976 erhalten die Bezugsberechtigten 25 % Rabatt auf die allgemeinen Tarife für die Versorgung mit elektrischer Energie und Gas sowie auf Sondervertragspreise für Raumheizung und sonstigen Haushaltsbedarf.

        

6       

Besitzstand

                 

Hinsichtlich der auf dieser Verfügung beruhenden Ansprüche wird kein Besitzstand begründet.

        

7       

Kündigung

                 

Der Anspruch auf [X.] kann - auch mit Wirkung gegenüber ehemaligen Betriebsangehörigen - unter Aufheben oder Ändern dieser Verfügung mit einer Frist von 3 Monaten zum jeweiligen Jahresende gekündigt werden.

        

8       

Die Verfügung Nr. 5 vom [X.] (alte Fassung) wird am 31.12.1975 ungültig.“

4

Ab dem 1. Januar 2005 fand auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe ([X.]) Anwendung. Dieser bestimmt in § 2 Abs. 1:

        

„Der Arbeitsvertrag wird schriftlich unter Angabe der [X.] abgeschlossen. Nebenabreden sind schriftlich zu vereinbaren.“

5

[X.] wurden die mit der Erstellung zentraler Dienstleistungen befassten Organisationseinheiten der [X.] abgespalten und im Wege der Aufnahme nach §§ 123 ff. [X.] auf die Beklagte übertragen. Diese ist weder Erzeuger noch Lieferant von Strom und Gas. Im Zuge der zum 1. Januar 2007 erfolgten Umwandlung wies die [X.] den Kläger darauf hin, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergehen und diese in seinen Arbeitsvertrag eintreten werde.

6

Im Zuge der Umstrukturierung der [X.] schlossen die [X.] und die der [X.]-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte zählt, einerseits und die [X.] [X.] andererseits den Tarifvertrag zur Sicherung der [X.] Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der [X.] Unternehmensgruppe vom 10. November 2006 (im Folgenden: [X.]). Dieser bestimmt ua.:

        

Präambel

        

Die [X.], ein einheitliches und sich mehrheitlich im Eigentum der [X.] befindliches Versorgungs- und Verkehrsunternehmen, wird durch eine grundlegende Umstrukturierung in mehrere Unternehmen geteilt. Dieser Tarifvertrag wird zur Sicherung der [X.] Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der [X.]-Unternehmensgruppe abgeschlossen.

                 
        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten der diesen Tarifvertrag abschließenden oder beitretenden Unternehmen, sofern der Geltungsbereich für einzelne Regelungen dieses [X.] nachstehend nicht abweichend festgelegt wird.

        

(2) Der § 4 I dieses [X.] gilt nur für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 2 III.

        

(3) Der Tarifvertrag bindet und verpflichtet die ihn abschließenden und die ihm beitretenden Unternehmen und Parteien.

        

§ 2     

        

Definitionen

        

(1) Der Begriff ‚[X.]-Unternehmensgruppe’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint folgende bestehende, sich in Gründung befindliche bzw. zu gründende Unternehmen:

        

[X.] Holding GmbH (Arbeitstitel),

        

[X.] Verkehr GmbH (Arbeitstitel),

        

[X.] und die

        

[X.] Netz GmbH.

        

(2) ‚Stichtag’ im Sinne dieses [X.] ist:

        

       

für die [X.] Holding GmbH und die [X.] Verkehr GmbH der Tag, an dem die ersten Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der [X.] durch Betriebsübergang auf eines der beiden Unternehmen übergehen.

        

       

für die [X.] der Tag, auf den der spätere der beiden oben genannten Stichtage fällt.

        

(3) Der Begriff ‚heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer’ im Sinne dieses Tarifvertrags meint alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, die

        

       

am jeweiligen Stichtag in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe stehen werden und

        

       

am Vortag des oben genannten [X.] in einem Arbeitsverhältnis mit der [X.] standen.

        

Die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind ausgeschlossen.

        

§ 3     

        

Tarifbindung

        

(1) Die Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe führen die bei der [X.] am Vortag des [X.] geltenden Tarifverträge - ausdrücklich einschließlich des [X.] ‚Tarifvertrag vom 17. Januar 2005 zur Einführung des [X.] bei der [X.] ([X.] AG)’ - in ihrer jeweils gültigen Fassung weiter und erklären ihren Willen, den Abschluss identischer Tarifverträge beim [X.] zu beantragen. Die [X.] ([X.]) erklärt sich schon jetzt zum Abschluss dieser Tarifverträge bereit.

        

(2) Die Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe werden die Mitgliedschaft im [X.] beantragen, sofern dadurch die Regelungen in Absatz 1 keine Einschränkungen erfahren.

        

§ 4     

        

Kündigungsschutz

        

(1) Der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen ist gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis zum 31.12.2020 unzulässig. Ausnahmsweise ist der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen gegenüber allen heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jedoch auch innerhalb des Zeitraums bis zum 31.12.2020 zulässig, wenn sich die jeweilige betriebliche Geschäftsgrundlage (durch [X.] drohenden Verlust von Leistungen, Genehmigungen oder Aufträgen) so ändert, dass das jeweilige Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe zu Maßnahmen greifen muss, die es zur Anzeige gemäß § 17 I KSchG verpflichtet.

        

…       

        

§ 5     

        

Materielle Sicherung

        

(1) Die Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe treten zum Stichtag in die am Vortag des [X.] bei der [X.] bestehenden und im Zuge des Betriebsübergangs jeweils auf die Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe übergegangenen Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse ein. Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung der Eingruppierung und Einstufung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Streichung von Entgeltbestandteilen und auch keine andere Veränderung des derzeitigen Entgelts vorgenommen.

        

(2) Die zum Vortag des [X.] bei der [X.] gewährten betrieblichen Sozialleistungen werden für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe fortgeführt. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag ihr Arbeitsverhältnis bei einem Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe beginnen, werden die bis zum Vortag des [X.] bei der [X.] gewährten betrieblichen Sozialleistungen bis zu einer Neuregelung in den Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe fortgeführt.

        

§ 6     

        

Immaterielle Sicherung

        

Im Zuge des jeweiligen Betriebsübergangs wird keine Veränderung des Tätigkeitsbereichs, des Arbeitsinhaltes und des Arbeitsortes der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgenommen. Eventuelle spätere Veränderungen in den vorgenannten Bereichen erfolgen auf der Grundlage der dann in dem jeweiligen Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe geltenden Regelwerke.

        

§ 7     

        

Betriebsvereinbarungen

        

(1) Die Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe treten in die am Vortag des [X.] bei der [X.] geltenden Betriebsvereinbarungen ein.

        

…       

        

§ 8     

        

Zusatzversorgung

        

Die Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe werden die Ansprüche aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 18 [X.], auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Altersvorsorge nach Maßgabe des [X.] über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - [X.] - ([X.]) oder des [X.] über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - [X.]) in ihrer jeweils geltenden Fassung, erfüllen.“

7

Am 24. September 2007 beschlossen der Vorstand der [X.] und die Geschäftsführungen der Beklagten und der [X.] mobil GmbH, dass künftig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der [X.]-Unternehmensgruppe angestellt werden, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ab dem 1. Oktober 2007 ihr Arbeitsverhältnis beenden und anschließend in den Ruhestand wechseln, [X.] iHv. [X.] erhalten, wenn die Energie von der [X.] bezogen wird.

8

Der Kläger schied mit Ablauf des 31. Dezember 2008 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und befindet sich seit dem 1. Januar 2009 im Ruhestand. Bis zum 31. Dezember 2008 gewährte ihm die Beklagte einen Energiekostenrabatt iHv. [X.]; seit dem 1. Januar 2009 erhält er nur noch einen Rabatt iHv. [X.].

9

Gegen diese Absenkung des Energiekostenrabatts hat sich der Kläger gewandt und von der Beklagten weiterhin die Freistellung von den abgerechneten Kosten für Strom und Gas iHv. [X.] begehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund betrieblicher Übung ein Energiekostenrabatt für Strom und Gas iHv. [X.] zu. Der Entstehung einer betrieblichen Übung stehe das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 [X.] und des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Bei der Vereinbarung des Personalrabatts handele es sich nicht um eine Nebenabrede. Die Zusage übertariflicher Sonderleistungen gehöre zu den vertraglichen Hauptpflichten. Im Übrigen stelle sich die Berufung der Beklagten auf die fehlende Schriftform als unzulässige Rechtsausübung dar. Die Vorstandsverfügung vom 26. September 1975 stehe der Begründung von Ansprüchen aus betrieblicher Übung nicht entgegen. Diese Verfügung sei ihm nicht bekannt. Im Übrigen sei ihm gegenüber ein Widerruf nicht erklärt worden. Schließlich stehe ihm der Anspruch auch aufgrund § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu.

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn von Forderungen der [X.] freizustellen, soweit diese vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2009 mehr als 75 % der gemessenen Energiekosten (Gas und Strom) gegenüber ihm abgerechnet hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn auf Lebenszeit, nach seinem Tod seine Witwe auf Lebenszeit, in Höhe von 25 % von den Kosten der Energielieferung (Gas und Strom) durch die [X.] AG oder einen [X.] freizustellen,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Energiepreisvergünstigung von 25 % entsprechend den bisherigen Bedingungen bei der Energielieferung durch die [X.] AG zu gewähren.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den Hauptanträgen stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht mit den [X.]n entsprochen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] Anspruch darauf, dass die Beklagte ihn auf Lebenszeit und ggf. nach seinem Tod seine Witwe auf deren Lebenszeit - jedenfalls für die Dauer ihres Witwenstands - von den Kosten für Strom und Gas iHv. [X.] der anfallenden Kosten freistellt.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die [X.] bedürfen der Auslegung.

a) Klageanträge sind der Auslegung durch das Revisionsgericht zugänglich. Dabei sind die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) heranzuziehen ([X.] 19. Februar 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 16, [X.]E 126, 26). Für das Verständnis eines Klageantrags ist deshalb nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Das Gericht hat vielmehr den erklärten Willen zu erforschen, wie er sich aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage ergibt. Im Zweifel ist das gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. etwa [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 25, [X.] 650 [X.]/[X.] § 16 Entgeltgruppe III Nr. 13; [X.] 12. Februar 2003 - [X.] - zu II 1 a der Gründe mwN, [X.] 2003, 1919).

b) Mit den [X.]n begehrt der Kläger trotz der Formulierung als (unbezifferte) [X.] die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von den Kosten für Strom und Gas iHv. [X.] für die [X.] vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Oktober 2009 (Hauptantrag zu 1) und für die [X.] ab dem 1. November 2009 bis zu seinem Tod sowie ggf. für die Dauer des Witwenstands seiner Ehefrau (Hauptantrag zu 2) freizustellen. Dieses Verständnis seiner Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

2. In dieser Auslegung sind die [X.] zulässig.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Klage muss sich dabei nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen. Es reicht, wenn sie sich auf einzelne sich daraus ergebende Rechte oder Folgen beschränkt, sofern dafür ein Feststellungsinteresse besteht ([X.] 13. Dezember 2011 - 3 AZR 852/09 - Rn. 14).

b) Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung der Verpflichtung der [X.], ihn von den Forderungen der [X.] oder eines [X.] aus dem Bezug von Strom und Gas iHv. [X.] der tatsächlich angefallenen Kosten in der [X.] ab dem 1. Januar 2009 freizustellen. Hierbei handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Da die Beklagte die vom Kläger begehrte Freistellungsverpflichtung leugnet, steht dem Kläger auch ein Feststellungsinteresse zur Seite. Der Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit der Feststellungsanträge nicht entgegen. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn auf diesem Weg eine sachgemäße, einfache Erledigung der auftretenden Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. [X.] 28. Juni 2011 - 3 [X.]/09 - Rn. 17; 23. August 2011 - 3 [X.]/09 - Rn. 31, [X.] [X.] § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA [X.] § 1 Betriebliche Übung Nr. 11). Dies ist hier der Fall.

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 5 Abs. 2 [X.] Anspruch auf die begehrte Freistellung von den Kosten für Strom und Gas. Bis zum 1. Januar 2007 gewährte die [X.] als Rechtsvorgängerin der [X.] allen Arbeitnehmern, die in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt des [X.] in einem Arbeitsverhältnis zu ihr standen, auch für die Dauer des Ruhestands und darüber hinaus nach ihrem Tod deren Witwen einen [X.] iHv. [X.] der gemessenen Verbrauchskosten für Strom und Gas. Hierbei handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung iSv. § 5 Abs. 2 [X.]. Nach dieser Tarifbestimmung ist es unerheblich, ob auf deren Gewährung in der Vergangenheit ein Rechtsanspruch bestanden hat. Entscheidend ist allein die tatsächliche Gewährung. Es kann deshalb dahinstehen, ob bei der Rechtsvorgängerin der [X.] eine betriebliche Übung auf die Gewährung eines [X.]s entstanden ist.

1. Der [X.] ist auf das Arbeitsverhältnis des [X.] kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden. Nach § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 10. Februar 1976 finden auf das Arbeitsverhältnis des [X.] die für Angestellte des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge Anwendung. Hierzu zählt auch der [X.]. Dieser gilt nach § 2 Abs. 1 [X.] für die Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte gehört.

2. § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] erfasst auch den von der [X.] an ihre Mitarbeiter und Betriebsrentner gewährten [X.] als betriebliche Sozialleistung. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Somit ist zunächst vom [X.] auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem [X.] ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., etwa [X.] 11. Juli 2012 - 10 [X.] - Rn. 12; 16. Juni 2010 - 4 [X.] - Rn. 18; 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 14, [X.]E 132, 162; 26. Januar 2005 - 4 [X.] - zu I 2 a [X.] (2) (c) ([X.]) der Gründe mwN, [X.]E 113, 291).

b) Danach erfasst § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch den von der Rechtsvorgängerin der [X.] spätestens seit 1975 tatsächlich gewährten [X.], ohne dass es darauf ankäme, ob hierauf ein Rechtsanspruch, etwa in Gestalt einer betrieblichen Übung, bestanden hat.

aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Danach werden die von der [X.] zum Vortag des Stichtags gewährten betrieblichen Sozialleistungen für heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe, somit auch im Unternehmen der [X.], fortgeführt.

Bei dem [X.] handelt es sich um eine betriebliche Sozialleistung. Diese soll nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] „heutigen“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von der [X.] [X.] werden. Nach der Definition in § 2 Abs. 3 [X.] sind heutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Stichtag (§ 2 Abs. 2 [X.]), dem 1. Januar 2007, in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe stehen und am Vortrag des Stichtags, dem 31. Dezember 2006, in einem Arbeitsverhältnis mit der [X.] gestanden haben. Diese Arbeitnehmer sollen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] den [X.] auch weiterhin erhalten. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Arbeitnehmer, die erst nach dem Stichtag in ein Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe eintreten. Diesen Arbeitnehmern werden die bis zum Stichtag gewährten Sozialleistungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] nur bis zu einer Neuregelung in der [X.]-Unternehmensgruppe weiter gewährt. Die „heutigen“ Arbeitnehmer mussten nach der Tarifbestimmung nicht mit einer Neuregelung rechnen. Da der [X.] von der [X.] nicht nur während des aktiven Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Ruhestand gewährt wurde, ist der Rabatt den „heutigen“ Arbeitnehmern auch dann weiterzugewähren, wenn sie in den Ruhestand treten.

Nach dem [X.] kommt es für die Weitergewährung der betrieblichen Sozialleistung nicht darauf an, ob hierauf ein Rechtsanspruch bestand. Mit der Formulierung „gewährte betriebliche Sozialleistungen“ haben die Tarifvertragsparteien allein darauf abgestellt, dass die Sozialleistung von der [X.] tatsächlich erbracht wurde.

[X.]) Für diese Auslegung sprechen auch der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen und ihr Sinn und Zweck.

Der [X.] dient nach seiner Präambel der Sicherung der [X.] Rechte der Arbeitnehmer im Zuge der grundlegenden Umstrukturierung der [X.] und der damit verbundenen Schaffung der [X.]-Unternehmensgruppe. Diese Sicherung soll nach § 4 [X.] den kündigungsrechtlichen Bestandsschutz gewährleisten und nach § 5 Abs. 1 [X.] die Sicherung des Arbeitsentgelts einschließlich der Eingruppierung und Einstufung umfassen. Durch § 5 Abs. 2 [X.] sollen die gewährten betrieblichen Sozialleistungen gesichert werden und mit § 6 [X.] werden die bisherigen Tätigkeitsbereiche, Arbeitsinhalte und Arbeitsorte weitgehend gegen Veränderungen geschützt. Schließlich enthält § 8 [X.] Regelungen zur zusätzlichen Altersversorgung. Die tarifliche Regelung bezweckt damit, wie sich etwa aus § 6 [X.] ergibt, eine über den Schutz aus § 613a BGB hinausgehende Absicherung der von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer. Diesen sollten ihre bisherigen ([X.] und die ihnen tatsächlich gewährten Leistungen erhalten bleiben und durch den Tarifvertrag rechtlich abgesichert werden. Zu diesen tatsächlich gewährten Leistungen gehört auch der [X.], der auch im Ruhestand [X.] wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien bei den gewährten betrieblichen Sozialleistungen zwischen Leistungen an aktive Arbeitnehmer und an Versorgungsempfänger unterschieden haben, sind nicht ersichtlich. Ob auf den [X.] bereits gegenüber der [X.] ein Rechtsanspruch - ggf. aus betrieblicher Übung - bestand, ist daher ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die Beklagte selbst weder Gas noch Strom produziert oder liefert.

c) Der Kläger kann daher von der [X.] nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch während seines Ruhestands, nach seinem Tod seine Witwe für die Dauer des Witwenstands, Freistellung von den anfallenden Kosten für Strom und Gas iHv. [X.] verlangen. Er stand am 1. Januar 2007 in einem Arbeitsverhältnis mit der [X.], einem Unternehmen der [X.]-Unternehmensgruppe. Am Vortrag dieses Stichtags war er Arbeitnehmer der [X.]. Somit erfüllt er die tariflichen Voraussetzungen für die Weitergewährung des [X.]s in der bisherigen Höhe.

III. Der Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, denn er ist erkennbar nur für den Fall der Abweisung der [X.] gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

IV. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Lohre     

        

    [X.]     

                 

Meta

3 AZR 68/11

26.03.2013

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wuppertal, 13. November 2009, Az: 3 Ca 3051/09, Urteil

§ 1 BetrAVG, § 1 TVG, § 256 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2013, Az. 3 AZR 68/11 (REWIS RS 2013, 7028)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7028

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12 Sa 13/21 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


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