Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.05.2019, Az. VIII R 7/16

8. Senat | REWIS RS 2019, 6827

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Gegenstand

Besteuerung laufender Kapitalerträge aus Vollrisikopapieren nach dem 31.12.2008


Leitsatz

1. Sog. BIP-gebundene Wertpapiere, die von gegen Argentinien-Anleihen eingetauschten festverzinslichen Schuldverschreibungen nach den Emissionsbedingungen automatisch abgekoppelt worden und mit einer eigenen Wertpapierkennnummer eigenständig handelbar sind, bei denen die Rückzahlung des Nennkapitals ausgeschlossen ist und die Zahlung eines Entgelts von der Entwicklung des argentinischen Bruttoinlandsprodukts sowie anderen variablen Größen abhängig ist, sind keine Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung. Es handelt sich um Kapitalanlagen mit ausschließlich spekulativem Charakter (sog. Vollrisikopapiere) .

2. Laufende Kapitalerträge aus solchen BIP-gebundenen Wertpapieren sind gemäß § 52a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG nach dem 31.12.2008 nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. steuerpflichtig, wenn die Wertpapiere vor dem 15.03.2007 erworben wurden .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17.02.2016 - 2 K 11398/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang laufende Zahlungen, die der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) aus sog. [X.] [X.] Wertpapieren erzielt hat, im Streitjahr (2011) der Besteuerung unterliegen.

2

Der Kläger hatte ursprünglich in festverzinsliche [X.]-Anleihen investiert. Er nahm im Jahr 2005 am öffentlichen Umtauschprogramm für diese notleidend gewordenen Anleihen teil und tauschte sie gegen [X.] 2005 (24-33) Disc. (sog. Discounts), die in [X.] Dollar ([X.]D) notiert und ebenfalls vom [X.] emittiert worden waren. Die Discounts waren mit einem festen Zinssatz zu verzinsen. Zwischen den Beteiligten ist die Besteuerung der im Streitjahr auf die Discounts ausgezahlten Kapitalerträge nicht mehr streitig.

3

Von den [X.] wurden nach den Emissionsbedingungen noch im Jahr 2005 [X.] 2005 (35) [X.] automatisch getrennt. Sie erhielten eine eigene Wertpapier-Kennnummer und waren getrennt handelbar. Bei diesen Wertpapieren handelte es sich um die streitbefangenen Wertpapiere (im Folgenden: BIP-gebundene Wertpapiere).

4

Den [X.] Wertpapieren war ein fiktiver Nennbetrag in [X.]D zugewiesen. Dieser entsprach dem Nennbetrag der vom Kläger eingetauschten festverzinslichen [X.]-Anleihen. Der Nennbetrag war nach den Emissionsbedingungen durch den [X.] bei Laufzeitende nicht an den Gläubiger zurück zu zahlen.

5

Zahlungen auf die [X.] Wertpapiere waren dem Grunde und der Höhe nach abhängig von der Entwicklung des sog. "verfügbaren [X.]" des Staates [X.] für das jeweils betrachtete Referenzjahr. Dieser Wert wurde multipliziert mit dem fiktiven Nennbetrag der [X.] Wertpapiere des Anlegers. Ob im jeweiligen Referenzjahr ein "verfügbarer [X.]" vorhanden war, hing davon ab, ob das sog. "tatsächliche BIP" das sog. "Basis BIP" des Staates [X.] überschritt. War dies der Fall, musste ferner das jährliche Wachstum des "tatsächlichen BIP" für das jeweilige Referenzjahr größer als die für dieses Jahr in den Emissionsbedingungen angegebene Wachstumsrate des "Basis BIP" sein. Zudem durften die früheren laufenden Zahlungen die Zahlungsobergrenze nicht überschritten haben.

6

Der Kläger hielt im Streitjahr in seinem Depot BIP-gebundene Wertpapiere mit einem Nennbetrag in Höhe von 3 Mio. [X.]D. In Höhe eines Nennbetrags von 2.089.575 [X.]D handelte es sich um BIP-gebundene Wertpapiere, die von den im Jahr 2005 getauschten und noch in seinem Depot befindlichen Discounts abgekoppelt worden waren. Zudem hatte der Kläger im Jahr 2006 BIP-gebundene Wertpapiere, die einen Nennbetrag in Höhe von 361.721 [X.]D auswiesen, und am 5. Januar 2009 weitere BIP-gebundene Wertpapiere zu einem Nennbetrag in Höhe von 548.704 [X.]D (jeweils ohne die zugrunde liegenden Anleihen, von denen diese abgetrennt worden waren) erworben.

7

Die depotführende Bank bescheinigte dem Kläger für das Streitjahr Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 133.416,12 €. Hiervon entfiel ein Betrag in Höhe von 101.001 € auf die [X.] Wertpapiere.

8

Der Kläger beantragte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr für die Kapitalerträge aus den [X.] Wertpapieren die Überprüfung des [X.] gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG). Er war der Auffassung, die Kapitalerträge aus den [X.] Wertpapieren seien in Höhe eines Betrags von 82.528 € nicht steuerbar. Es handele sich insoweit um sog. Vollrisikopapiere, die er vor dem 15. März 2007 erworben habe. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des Art. 1 des [X.] 2008 vom 14. August 2007 ([X.], 1912) --im Folgenden: EStG n.F.-- sei gemäß § 52a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 10 Sätze 6 bis 8 EStG für nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge aus solchen [X.] nicht anzuwenden, wenn die zugrunde liegende Kapitalforderung vor dem 15. März 2007 erworben worden sei. Eine andere Rechtsgrundlage für die Besteuerung der laufenden Kapitalerträge aus den [X.] Wertpapieren sei nicht gegeben.

9

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr hingegen die auf die [X.] Wertpapiere im Streitjahr empfangenen Zahlungen in vollem Umfang gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. als steuerpflichtige Kapitalerträge. Den hiergegen erhobenen Einspruch des [X.] wies das [X.] als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit Urteil vom 17. Februar 2016 - 2 K 11398/14 statt. Die Begründung des [X.] ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2016, 1347 mitgeteilt.

Mit seiner Revision macht das [X.] geltend, die aus den [X.] Wertpapieren im Streitjahr erzielten Erträge seien in vollem Umfang steuerpflichtig.

Die [X.] Wertpapiere stellten sog. [X.] gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG dar, sodass die gezahlten Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. steuerpflichtig seien. Folge man dem nicht, verletze das angefochtene Urteil § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG und § 52a Abs. 10 Sätze 6 bis 8 EStG.

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision des [X.] als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das [X.] hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass die Kapitalerträge des [X.] aus den [X.] Wertpapieren in Höhe von 82.528 € im Streitjahr nicht der Besteuerung unterliegen. Es hat die [X.] Wertpapiere zu Recht als eigenständige Kapitalanlagen beurteilt (s. unter [X.]). Zudem hat es zutreffend eine Steuerpflicht der streitigen Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG verneint (s. unter II.2.). Ferner hat das [X.] rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitigen Kapitalerträge im Streitjahr im Ergebnis auch nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. steuerpflichtig sind. Diese Regelung ist gemäß § 52a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG auf die streitigen Kapitalerträge nicht anzuwenden, da die zugrunde liegenden [X.] Wertpapiere vom Kläger vor dem 15. März 2007 erworben wurden (s. unter II.3.).

1. Die [X.] Wertpapiere sind für die ertragsteuerliche Qualifikation als eigenständige Kapitalanlagen zu beurteilen.

a) Die [X.] Wertpapiere sind für Zeiträume nach der automatischen Abkopplung von den zugrunde liegenden Schuldverschreibungen [X.] von den ursprünglichen Schuldverschreibungen getrennt und mit eigener Wertpapierkennnummer separat handelbar. Auf dieser Grundlage ist die vom [X.] geforderte Einordnung der [X.] Wertpapiere nach den Verhältnissen im Emissionszeitpunkt ([X.]), als die [X.] Wertpapiere unselbständige Bestandteile der mit ihnen verbundenen Schuldverschreibungen waren, nicht sachgerecht.

b) Mit dieser eigenständigen Betrachtung der [X.] Wertpapiere weicht der [X.] entgegen der Sichtweise des [X.] nicht von den im [X.]surteil vom 24. Februar 2015 - VIII R 54/12 ([X.], 228, [X.], 693) aufgestellten Grundsätzen ab. Zwar sind nach diesem [X.]surteil die im Rahmen des öffentlichen Umtauschprogramms des Staates [X.] erhaltenen Schuldverschreibungen (dort sog. "Par-Schuldverschreibungen") samt der mit diesen verbundenen [X.] Wertpapieren grundsätzlich nach den Verhältnissen des Emissionszeitpunkts als einheitliche [X.] mit einer variablen Verzinsung i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG a.F. zu qualifizieren; die spätere Abkopplung der [X.] Wertpapiere hat nach der Entscheidung für diese Typuseinordnung grundsätzlich keine Bedeutung. Dem [X.]surteil in [X.], 228, [X.], 693 lässt sich aber nicht der Grundsatz entnehmen, dass die Schuldverschreibungen und die [X.] Wertpapiere für die ertragsteuerrechtliche Behandlung wegen ihrer Verbindung im Emissionszeitpunkt stets als einheitliche Kapitalforderung mit variabler Verzinsung zu qualifizieren sind. Der [X.] hat in seiner Entscheidung bei der Beurteilung der Veräußerung einer "Par-Schuldverschreibung" [X.] (nach Abkopplung der [X.] Wertpapiere) nur auf die Ausgestaltung der Schuldverschreibung im Veräußerungszeitpunkt abgestellt, diese als festverzinsliche und nicht mehr als variable Kapitalforderung behandelt und damit eigenständig beurteilt.

2. Zu Recht hat das [X.] eine Steuerpflicht der streitigen Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 2 EStG verneint. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach dieser Regelung zwar auch Kapitalerträge aus der Einlösung von Zinsscheinen und Zinsforderungen durch den ehemaligen Inhaber der Schuldverschreibung. Der Kläger ist aber weder "ehemaliger" Inhaber der [X.] eingetauschten Schuldverschreibungen, von denen die [X.] Wertpapiere abgekoppelt wurden, da sich diese im Streitjahr noch in seinem Depot befanden, noch ist er ehemaliger Inhaber derjenigen Schuldverschreibungen, von denen die in den Jahren 2006 und 2009 vom Kläger separat erworbenen [X.] Wertpapiere abgekoppelt wurden.

3. Zu Recht hat das [X.] die streitigen laufenden Kapitalerträge aus den [X.] Wertpapieren im Ergebnis auch nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. als steuerpflichtig angesehen, da der Kläger die zugrunde liegenden [X.] Wertpapiere vor dem 15. März 2007 erworben hat.

a) Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. die laufenden Kapitalerträge aus den [X.] Wertpapieren tatbestandlich erfasst. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG n.F. sind steuerpflichtig Erträge aus sonstigen [X.] jeder Art, wenn die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Der Gesetzgeber hat durch den Austausch des früheren Merkmals "gewährt" gegen das  Merkmal "geleistet" Erträge aus sonstigen [X.], bei denen sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Höhe der Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängt, bewusst in die Steuerpflicht einbezogen (BTDrucks 16/4841, S. 54; [X.] 220/07, S. 89). Trotz der nach den Emissionsbedingungen ausgeschlossenen Kapitalrückzahlung und der Abhängigkeit der Zahlung des Entgelts von der ungewissen Entwicklung des [X.] BIP und anderen variablen Größen genügt es demnach für die Steuerbarkeit von Kapitalerträgen aus den [X.] Wertpapieren, dass der Kläger diese im Streitjahr tatsächlich vereinnahmt hat.

b) Das [X.] hat im Ergebnis § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. aber zu Recht als nicht anwendbar angesehen, soweit die im Streitjahr vereinnahmten Kapitalerträge in Höhe von 82.528 € aus [X.] Wertpapieren stammen, die der Kläger vor dem 15. März 2007 angeschafft hat. Dies hat es im Ergebnis rechtsfehlerfrei aus den maßgeblichen Anwendungsbestimmungen in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG und § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG hergeleitet.

aa) Gemäß § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erstmals auf laufende Kapitalerträge anzuwenden, die dem Gläubiger nach dem 31. Dezember 2008 zufließen. Dies gilt nach der in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG enthaltenen Rückausnahme aber nur "vorbehaltlich der Regelungen in Absatz 10 Satz 6 bis 8". § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG hat folgenden Wortlaut: "Bei [X.], die zwar nicht die Voraussetzungen von § 20 Absatz 1 Nummer 7 in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung, aber die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 14. August 2007 ([X.]) [= § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.] erfüllen, ist § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 in Verbindung mit § 20 Absatz 1 Nummer 7 vorbehaltlich der [im Streitfall offensichtlich nicht einschlägigen] Regelung in Absatz 11 Satz 4 und 6 auf alle nach dem 30. Juni 2009 zufließenden Kapitalerträge anzuwenden, es sei denn, die Kapitalforderung wurde vor dem 15. März 2007 angeschafft."

bb) Das [X.] hat die Voraussetzungen der Rückausnahme gemäß § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG zu Recht als erfüllt angesehen.

aaa) Bei den [X.] Wertpapieren handelt es sich um (verbriefte) [X.], die gemäß § 52a Abs. 10 Satz 8 Halbsatz 1 EStG zwar nicht die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung, aber die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erfüllen.

(1) Der Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung unterfielen [X.], bei denen --Alternative 1-- entweder die Kapitalrückzahlung zugesagt, aber die Zahlung eines Entgelts dem Grunde und der Höhe nach ungewiss war oder --Alternative 2-- die Kapitalrückzahlung nicht zugesagt war, aber dem Gläubiger für die Kapitalüberlassung ein Entgelt zugesagt oder gewährt wurde, wobei die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen konnte.

(2) Die [X.] Wertpapiere fallen nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 1 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung, da eine Kapitalrückzahlung nach den Emissionsbedingungen vollständig ausgeschlossen war. Ihnen lag nur ein fiktiver Nennbetrag zugrunde.

(3) Auch die Voraussetzungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung sind nicht erfüllt. Es fehlt an der erforderlichen "Gewährung eines (ungewissen) Entgelts" i.S. der Vorschrift. Um das Merkmal zu erfüllen, ist nach der Rechtsprechung des [X.]s erforderlich, dass aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung die Höhe eines ([X.] aus der Kapitalanlage im Vorhinein sicher ist ([X.]surteile vom 4. Dezember 2007 - VIII R 53/05, [X.], 339, [X.], 563, unter [X.]d aa; vom 27. Oktober 2015 - VIII R 70/13, [X.], 736, Rz 30). Die Entgeltzahlung hing bei den [X.] Wertpapieren jedoch von der ungewissen Entwicklung des "verfügbaren BIP", der Entwicklung des "tatsächlichen BIP" und des "Basis BIP" im jeweiligen Referenzjahr sowie zusätzlich davon ab, ob die sog. Zahlungsobergrenze für laufende Kapitalerträge noch nicht erreicht war. Ein im Vorhinein "sicheres Mindestentgelt" ließ sich daher für die [X.] Wertpapiere nicht ermitteln.

(4) Zudem erfüllten die [X.] Wertpapiere die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. (s. unter II.3.a).

(5) Bei den [X.] Wertpapieren handelte es sich damit nicht um sonstige [X.] gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung, sondern um eine Kapitalanlage mit [X.] Charakter (sog. Vollrisikopapiere, vgl. auch [X.] Münster, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 11 K 457/11 E, E[X.] 2016, 374).

bbb) Aus dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG ist ferner entgegen dem [X.] abzuleiten, dass die Norm für [X.], welche die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung nicht erfüllen ("Vollrisikopapiere alten Rechts"), eine zeitliche Anwendungsbestimmung sowohl für Veräußerungsgewinne (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) als auch für laufende Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) enthält, wenn die Kapitalerträge nach dem 30. Juni 2009 zufließen.

§ 52a Abs. 10 Satz 8 Halbsatz 1 EStG gilt nach seinem Wortlaut für Kapitalerträge aus [X.] gemäß "§ 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 in Verbindung mit § 20 Absatz 1 Nummer 7". Da die Regelung sowohl die Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F.) als auch die Rechtsgrundlage für die Besteuerung laufender Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.) zitiert und generell auf "zufließende Kapitalerträge" abstellt, enthält die Vorschrift aufgrund des Verweises in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG auf § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG eine zeitliche Anwendungsbestimmung auch für laufende Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. Der Vorbehalt in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist so zu verstehen, dass für laufende Kapitalerträge aus [X.], die die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31. Dezember 2008 geltenden Fassung nicht erfüllen, die allgemeine Anwendungsregel gemäß § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG nicht gilt.

ccc) Ferner hat das [X.] die [X.] Wertpapiere zu Recht als [X.] eingeordnet, die der Kläger gemäß § 52a Abs. 10 Satz 8 Halbsatz 2 EStG zum Teil vor dem 15. März 2007 erworben hat. Der Kläger hat [X.] durch den Umtausch seiner ursprünglichen [X.]-Anleihen die Discount-Schuldverschreibungen erworben, von denen die [X.] Wertpapiere nach den Emissionsbedingungen noch [X.] automatisch abgekoppelt wurden. Der Umtauschzeitpunkt ist maßgeblicher Anschaffungszeitpunkt sowohl für die erhaltenen Discount-Schuldverschreibungen als auch für die später von diesen abgekoppelten [X.] Wertpapiere. Ferner hat der Kläger die im Jahr 2006 isoliert zugekauften [X.] Wertpapiere vor dem 15. März 2007 angeschafft.

ddd) Im Ergebnis hat das [X.] danach die streitigen Kapitalerträge aus den [X.] Wertpapieren in Höhe von 82.528 € zu Recht nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. als steuerpflichtig angesehen.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 7/16

28.05.2019

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 17. Februar 2016, Az: 2 K 11398/14, Urteil

§ 52a Abs 8 EStG 2009, § 52a Abs 10 S 8 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2002 vom 14.08.2007, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.05.2019, Az. VIII R 7/16 (REWIS RS 2019, 6827)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6827

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