Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.06.2020, Az. VIII R 7/17

8. Senat | REWIS RS 2020, 3321

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Gegenstand

Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von "Gold Bullion Securities" Inhaberschuldverschreibungen


Leitsatz

1. Der Gewinn aus der Veräußerung an der Börse gehandelter Inhaberschuldverschreibungen, die einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieften und den aktuellen Goldpreis abbildeten (z.B. "Gold Bullion Securities"), ist jedenfalls dann nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, wenn die Emittentin verpflichtet ist, das ihr zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig zum Erwerb von Gold einzusetzen (Anschluss an Senatsurteil vom 12.05.2015 - VIII R 35/14, BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834).

2. Dies gilt auch dann, wenn nach den Emissionsbedingungen der Inhaber bei der Kündigung der Schuldverschreibungen statt der Lieferung des verbrieften Goldes die Auszahlung des Erlöses aus dem Verkauf des für ihn hinterlegten Goldes verlangen kann. Auch in diesem Fall wird primär eine Sachleistung geschuldet (entgegen BMF-Schreiben vom 18.01.2016 - IV C 1-S 2252/08/10004:017, BStBl I 2016, 85, Rz 57).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27.06.2017 - 2 K 60/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

2

Der Kläger erwarb im Jahr 2008 "[X.]" ([X.]) Inhaberschuldverschreibungen, die er im [X.] mit einem Gewinn in Höhe von 9.248,97 € an der Börse veräußerte.

3

Bei den "[X.]" handelte es sich nach den Emissionsbedingungen um durch physisches Gold besicherte, unbefristete Schuldverschreibungen ohne Verzinsung und ohne Endfälligkeit. Dabei verbriefte jede einzelne "Gold Bullion Security" Schuldverschreibung einen effektiven Anspruch auf Gold. Das den Wertpapieren zugewiesene physische Gold wurde im Namen der Emittentin durch den Verwahrer treuhänderisch in [X.] in [X.] als identifizierbare Goldbarren aufbewahrt. Die Haftung der Emittentin war auf das hinterlegte Gold beschränkt. Die Emittentin hinterlegte für gezeichnete Schuldverschreibungen einen aus 430 Unzen Gold bestehenden "Swing Amount" beim Treuhänder, um sicherzustellen, dass den noch nicht physisch abgedeckten Schuldverschreibungen ein entsprechender Gegenwert in Gold beim Treuhänder gegenüberstand. Die Emittentin war danach verpflichtet, das ihr zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig zum Erwerb von Gold einzusetzen. Der Zeichner hatte nach einer jederzeit möglichen Kündigung das Recht, die Auslieferung des Goldes auf ein Konto bei einem [X.]er Bullion-Händler zu verlangen. Alternativ hatte er die Möglichkeit, das Gold auf dem [X.]er Goldmarkt veräußern und sich den dabei erzielten Veräußerungserlös auszahlen zu lassen. Nach den Emissionsbedingungen konnten die Schuldverschreibungen grundsätzlich nicht der Emittentin zurückgegeben werden, sondern mussten über die Börse verkauft werden.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) legte im Einkommensteuerbescheid für 2011 den von dem Kläger erzielten Gewinn aus dem Verkauf der "[X.]" in Höhe von 9.248,97 € der Besteuerung als Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugrunde. Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid machten die Kläger geltend, dass die Inhaberschuldverschreibungen wie physisches Gold zu behandeln seien und der Gewinn daher wegen des Ablaufs der einjährigen Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerfrei sei. Der Einspruch wurde mit der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2015 zurückgewiesen.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage mit Urteil vom 27.06.2017 - 2 K 60/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 110) statt.

6

Zur Begründung seiner Revision macht das [X.] geltend, dass das Urteil § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG verletze. Wegen des Wahlrechts hinsichtlich der Rückzahlungsart seien die Inhaberschuldverschreibungen als Kapitalforderungen zu qualifizieren. Der Streitfall sei nicht mit den [X.] zu den XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibungen vom 12.05.2015 - VIII R 35/14 ([X.], 71, [X.], 834), [X.] ([X.]NV 2015, 1559) und [X.] ([X.], 75, [X.], 835) vergleichbar, da nach den Emissionsbedingungen der "[X.]" gegen die Emittentin der Inhaberschuldverschreibungen nicht nur ein Anspruch auf die Lieferung von Gold, sondern wahlweise auch ein Anspruch auf Auszahlung des [X.] in Geld bestanden habe.

7

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] vom 27.06.2017 - 2 K 60/16 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der Gewinn aus der Veräußerung der "[X.]" unterliegt weder der Besteuerung nach § 20 EStG noch --wegen Ablaufs der [X.] nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

1. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Gewinn aus der Veräußerung der "[X.]" Inhaberschuldverschreibungen nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig ist, da die "[X.]" Inhaberschuldverschreibungen keine Kapitalforderungen, sondern jeweils einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieften. Der Umstand, dass sich der Kläger auch den Veräußerungserlös aus dem Verkauf des Goldes hätte auszahlen lassen können, führt zu keiner anderen Beurteilung.

a) Der von dem Kläger erzielte Gewinn aus der Veräußerung der "[X.]" Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von 9.248,97 € führte nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, da die Schuldverschreibungen nicht als sonstige Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu beurteilen sind. Unter den Begriff der Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 oder 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Nicht darunter fallen jedoch Ansprüche auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine Sachleistung gerichtete Forderungen (s. hierzu die Senatsurteile in [X.], 75, [X.], 835; in [X.]/NV 2015, 1559, und in [X.], 71, [X.], 834; s.a. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 06.02.2018 - IX R 33/17, [X.]E 260, 485, BStBl II 2018, 525). Danach sind die von dem Kläger veräußerten "[X.]" keine sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da sie keinen Anspruch auf Geld, sondern auf eine Sachleistung in Form des hinterlegten Goldes verkörpern.

b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nach den Emissionsbedingungen berechtigt war, zur Erfüllung des Lieferanspruchs statt der Auslieferung des Goldes die Auszahlung des Erlöses aus dem Verkauf des Goldes zu verlangen. Bei der Veräußerung des Goldes handelte es sich lediglich um eine Zusatzleistung zur Sachleistungspflicht, da diese erst nach der Lieferung des Goldes zu erfüllen war. Da der Anspruch primär auf die Lieferung physischen Goldes und somit auf eine Sachleistung gerichtet war, die mit einer Dienstleistung in Form der Veräußerung des Goldes verbunden war, liegt keine Kapitalforderung vor (anderer Ansicht Schreiben des [X.] --BMF-- vom 18.01.2016 - IV C 1-S 2252/08/10004:017, [X.], 85, Rz 57). Denn ob die Emittentin die Sachleistung in Gold direkt an den Gläubiger der Inhaberschuldverschreibung oder aufgrund dessen Weisung zum Verkauf des Goldes an einen Dritten erbringt, macht bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen Unterschied. In beiden Fällen wird die Emittentin als Schuldnerin um die Sachleistung entreichert und der Inhaber der Schuldverschreibung, der das Risiko aus der Veräußerung des Goldes zu tragen hatte, um den wirtschaftlichen Wert der Sachleistung bereichert. Die "[X.]" Inhaberschuldverschreibungen verbrieften danach keine auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, sondern jeweils einen Anspruch auf eine Sachleistung in Form von Gold.

c) Zu berücksichtigen ist auch, dass die Emittentin nach den Emissionsbedingungen nicht berechtigt war, über das von ihr bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen eingesammelte Kapital frei zu verfügen. Sie war verpflichtet, dieses zur Besicherung der verbrieften [X.] in physisches Gold zu investieren. Sie hatte danach kein eigenständiges Kapitalnutzungsrecht i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (s. hierzu die Senatsurteile in [X.], 75, [X.], 835, und in [X.], 71, [X.], 834).

d) Der Anspruch des [X.] auf die Lieferung von Gold wird auch nicht dadurch zu einem Anspruch auf Geld, dass er nach den Emissionsbedingungen die Möglichkeit hatte, die "[X.]" Inhaberschuldverschreibungen am Sekundärmarkt zu veräußern. Die Veräußerung begründet lediglich ein weiteres Rechtsverhältnis, das unabhängig vom schuldrechtlichen Lieferungsanspruch, der Gegenstand der Inhaberschuldverschreibungen ist, zu beurteilen ist (s. hierzu die Senatsurteile in [X.], 75, [X.], 835, und in [X.], 71, [X.], 834).

2. Der Veräußerungsgewinn unterliegt auch nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG. Unabhängig davon, dass die Vorschrift nach der Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 3 EStG im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da der Kläger die Inhaberschuldverschreibungen im [X.] und somit vor dem 01.01.2009 erworben hat, handelt es sich bei den "[X.]" Inhaberschuldverschreibungen nicht um ein als Termingeschäft ausgestaltetes Finanzinstrument (s. hierzu Senatsurteil in [X.], 75, [X.], 835).

3. Im Ergebnis ist der Verkauf der "[X.]" Inhaberschuldverschreibungen wie ein unmittelbarer Erwerb und unmittelbarer Verkauf physischen Goldes zu beurteilen. Dass der Kläger nicht Eigentümer des Goldes war, sondern nur einen schuldrechtlichen Lieferanspruch besaß, ändert daran nichts. Der [X.] beurteilt diese Goldgeschäfte auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer als private Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Senatsurteile in [X.], 75, [X.], 835; in [X.]/NV 2015, 1559, und in [X.], 71, [X.], 834; [X.]-Urteil in [X.]E 260, 485, BStBl II 2018, 525). Im Streitfall ist die insoweit maßgebliche Jahresfrist zwischen Anschaffung und Veräußerung überschritten, so dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt sind.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 7/17

16.06.2020

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 27. Juni 2017, Az: 2 K 60/16, Urteil

§ 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 22 Nr 2 EStG 2009, § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.06.2020, Az. VIII R 7/17 (REWIS RS 2020, 3321)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3321

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