Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.05.2015, Az. VIII R 35/14

8. Senat | REWIS RS 2015, 11258

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Gegenstand

Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen


Leitsatz

Der Gewinn aus der Veräußerung einer an der Börse gehandelten Inhaberschuldverschreibung, die einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieft und den aktuellen Goldpreis abbildet, ist jedenfalls dann nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, wenn die Emittentin verpflichtet ist, das ihr zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig zum Erwerb von Gold einzusetzen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. Juni 2014  9 K 4022/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr (2010) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb im September 2008 Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen (Xetra-Gold), die er im März 2010 mit einem Gewinn in Höhe von 623.834 € veräußerte.

2

Bei Xetra-Gold handelte es sich um ein börsenfähiges Wertpapier in Form einer nennwertlosen, in ihrer Laufzeit unbefristeten Inhaberschuldverschreibung. Jede Teilschuldverschreibung von Xetra-Gold gewährte dem Inhaber das Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold, das jederzeit unter Einhaltung einer Lieferfrist von zehn Tagen gegenüber der Bank geltend gemacht werden konnte. Daneben bestand die Möglichkeit, die Wertpapiere an der Börse zu veräußern.

3

Zur Besicherung und Erfüllbarkeit der [X.] war die Inhaberschuldverschreibung jederzeit durch Gold gedeckt. Dabei überschritt der tatsächlich physisch eingelagerte Goldbestand stets die gemäß Anleihebedingungen vorgegebene Mindestgrenze von 95 %. Der verbleibende Teil wurde durch kurzfristige Lieferansprüche auf Gold gesichert. Eine Kapitalrückzahlung war nach den Emissionsbedingungen ausgeschlossen. Lediglich Anleger, die durch Gesetz, Verordnung, Satzung oder Anlagerichtlinien nicht in den Besitz physischen Goldes gelangen durften, konnten Xetra-Gold an das [X.] zurückgeben, welches das für die Wertpapiere hinterlegte Gold am Markt verwertete.

4

Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) den von dem Kläger erzielten Gewinn aus dem Verkauf der Xetra-Gold als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) der Besteuerung zugrunde. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht ([X.]) der dagegen gerichteten Klage mit Urteil vom 23. Juni 2014  9 K 4022/12 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2014, 1791) stattgegeben.

5

Mit der --vom [X.] zugelassenen-- Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Nach dem Willen des Gesetzgebers erfasse § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG Veräußerungsgewinne sämtlicher an der Börse gehandelter Wertpapiere, und zwar unabhängig von einer Haltedauer. Bei der nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG erforderlichen wirtschaftlichen Betrachtung sei die Inhaberschuldverschreibung Xetra-Gold als sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizieren, so dass der Gewinn aus deren Veräußerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sei. Sollte dies zu verneinen sein, würde aufgrund der enormen Umsätze mit Xetra-Gold im Wertpapierhandel eine erhebliche [X.] entstehen, die im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht gerechtfertigt wäre.

6

Das [X.] beantragt,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Der von dem Kläger erzielte Gewinn aus der Veräußerung der [X.] führt nicht zu steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, da die Schuldverschreibung nicht als sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu beurteilen ist.

a) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach letztgenannter Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG).

b) Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach diesen Regelungen im Streitfall nicht gegeben sind, da die von dem Kläger veräußerten [X.] keine Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind.

aa) Unter den Begriff der Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (vgl. Senatsurteile vom 5. November 2014 VIII R 28/11, [X.], 5, [X.], 276; vom 4. Dezember 2007 VIII R 53/05, [X.], 339, [X.], 563; vom 26. Juni 1996 VIII R 67/95, [X.] 1997, 175; vom 12. September 1985 VIII R 306/81, [X.], 320, [X.] 1986, 252, jeweils m.w.[X.]; [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 20 Rz 100). Nicht darunter fallen indes Ansprüche auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine Sachleistung gerichtete Forderungen ([X.]/[X.] in Korn, § 20 EStG Rz 280; [X.] in [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 326; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 20 Rz C/7 98; [X.] in [X.], EStG, [X.] 2011, § 20 Rz 160; [X.]/ [X.] in [X.], EStG, § 20 EStG Rz 392, 423; Blümich/ [X.], § 20 EStG Rz 308; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 20 EStG Rz 295, Stichwort: Lieferschuldverschreibungen mit physischer Deckung; Haisch, Betriebs-Berater 2014, 2333, 2334 f.; a.A. Schreiben des [X.] vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004, [X.], 94, und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013, [X.], 953, jeweils Rz 57; [X.], Der Betrieb 2014, 2312, 2314 f.).

bb) Danach sind die von dem Kläger veräußerten [X.] keine sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da sie nicht einen Anspruch auf Geld, sondern auf eine Sachleistung verkörpern. Nach den Emissionsbedingungen hatte der Kläger gegen die Emittentin der Inhaberschuldverschreibungen ausschließlich einen Anspruch auf die Lieferung von Gold. Die Zahlung von Geld war ausgeschlossen. Zudem war die Emittentin nach den Emissionsbedingungen nicht berechtigt, über das von ihr bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibungen eingesammelte Kapital frei zu verfügen, da sie verpflichtet war, dieses zur Besicherung der verbrieften [X.] zu mindestens 95 % in physisches Gold zu investieren. Sie hatte danach kein eigenständiges Kapitalnutzungsrecht i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (vgl. [X.]/[X.] in Korn, § 20 EStG Rz 281).

cc) Der Anspruch des [X.] auf die Lieferung von Gold wird auch nicht dadurch zu einem Anspruch auf Geld, dass er nach den Emissionsbedingungen die Möglichkeit hatte, [X.] am Sekundärmarkt zu veräußern. Die Veräußerung begründet lediglich ein weiteres Rechtsverhältnis, das unabhängig vom schuldrechtlichen Lieferungsanspruch, der Gegenstand der Inhaberschuldverschreibung ist, zu beurteilen ist. Für rechtlich unerheblich erachtet der Senat in diesem Zusammenhang, dass --wie der [X.] eine Vielzahl von Anlegern [X.] und damit den Lieferanspruch am Sekundärmarkt veräußerten, um die Kosten für die Auslieferung des physischen Goldes zu sparen. Es steht jedem Steuerpflichtigen frei, sich für die nach seiner Auffassung für ihn günstigste Handlungsalternative zu entscheiden.

c) Da keine sonstige Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegt, sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nicht erfüllt. Aus der Gesetzesbegründung zur Neureglung dieser Vorschrift durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 ([X.], 1912) wird deutlich, dass Gewinne aus der Veräußerung von Ansprüchen auf Sachleistungen von der Vorschrift nicht erfasst werden sollen, da die Regelung als Auffangtatbestand gestaltet wurde, um "die Besteuerung des Vermögenszuflusses aus der Veräußerung, Abtretung oder Endeinlösung von sonstigen Kapitalforderungen zu sichern" (BTDrucks 16/4841, S. 56; [X.] 220/07, S. 89). Für diese Auslegung spricht auch die Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 6 bis 8 EStG, nach der § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden ist.

2. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG ist unabhängig davon, ob dessen Voraussetzungen vorliegend überhaupt erfüllt sind, ausgeschlossen, weil die Vorschrift nach der Anwendungsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 3 EStG erstmals auf Gewinne aus Termingeschäften anzuwenden ist, bei denen der Rechtserwerb nach dem 31. Dezember 2008 erfolgt ist. Der Kläger hat die in Rede stehenden Inhaberschuldverschreibungen im September 2008 erworben, d.h. vor diesem Zeitpunkt. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG findet daher in dem hier zu entscheidenden Fall schon zeitlich keine Anwendung.

3. Im Ergebnis sind der Erwerb und die Einlösung oder der Verkauf von [X.] wie ein unmittelbarer Erwerb und unmittelbarer Verkauf physischen Goldes zu beurteilen. Dass der Kläger nicht Eigentümer des Goldes war, sondern nur einen schuldrechtlichen Lieferanspruch besaß, ändert daran nichts. Der [X.] ([X.]) hat derartige "Goldgeschäfte" im Geltungsbereich der Vorgängerregelung stets als private Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen (vgl. [X.]-Urteil vom 24. Januar 2012 IX R 62/10, [X.]E 236, 362, [X.] 2012, 564; [X.]/[X.] in Korn, § 20 EStG Rz 280; [X.], in: [X.] [X.], a.a.[X.], § 20 Rz C/7 98; [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 295, Stichwort: Lieferschuldverschreibungen mit physischer Deckung; Blümich/[X.], § 20 EStG Rz 308). Im Streitfall ist die insoweit maßgebliche Jahresfrist zwischen Anschaffung und Veräußerung jedoch überschritten, so dass auch die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach dieser Vorschrift nicht erfüllt sind.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 35/14

12.05.2015

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 23. Juni 2014, Az: 9 K 4022/12, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 20 Abs 2 S 1 Nr 3 Buchst b EStG 2009, § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 52a Abs 10 S 3 EStG 2009, § 52 Abs 10 S 6 EStG 2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.05.2015, Az. VIII R 35/14 (REWIS RS 2015, 11258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11258

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