Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2001, Az. 1 StR 143/01

1. Strafsenat | REWIS RS 2001, 2781

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Nachschlagewerk: ja[X.]St: neinVeröffentlichung: ja_______________________§§ 46 Abs. 2 und 3 StGBGerät das Opfer einer Sexualstraftat durch das Bestreiten des [X.] - einesFamilienangehörigen - in eine familiäre und [X.] Isolierung, so dürfen [X.] entstandene psychische Folgen strafschärfend berücksichtigt werden. [X.] wird dem Angeklagten weder sein Verteidigungsverhalten angelastet [X.] eine verbotene Doppelverwertung vor.[X.], [X.]. vom 25. April 2001 - 1 [X.] - [X.] [X.]vom25. April 2001in der [X.] -wegenschweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.- 3 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 25. April 2001 beschlossen:Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. November 2000 wird verworfen.Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels und dieder Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs ei-nes Kindes in zwei Fällen und wegen schweren sexuellen Mißbrauchs [X.] in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechsMonaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrügeund die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hatkeinen Erfolg.1. Die Verfahrensrügen sind unbegründet:a) Die Behandlung des Antrags auf Einholung eines [X.] durch eine auf sexuellen Mißbrauch spezialisierte Kindergynäkolo-gin, die feststellen werde, daß vom behaupteten [X.] noch heute sicht-bare Verletzungen beim Tatopfer [X.]vorhanden sein müßten, läßtkeinen Rechtsfehler erkennen. Die [X.] hat mit der Bestellung des- 4 -Stationsarztes Dr. S. zum Sachverständigen nicht das [X.] [X.] reduziert. Dieser hatte das Tatopfer bereits drei Monate nach dem[X.] untersucht und keine Verletzungen mehr festgestellt. In der Be-stellung dieses Sachverständigen lag somit auch keine Teilablehnung einesBeweisantrages, worüber die [X.] durch [X.]uß nach § 244 Abs. 6StPO hätte befinden müssen.b) Die [X.] hat auch ohne Rechtsfehler den Hilfsbeweisantragauf Ladung der [X.] als weitere Sachverständige in den [X.] abgelehnt. Angesichts des begrenzten [X.] war die [X.] gegenüber dem sich im vierten Ausbildungsjahr zum Gynäkologenbefindlichen Stationsarzt Dr. S. keine Sachverständige einer anderenFachrichtung. Auch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO gebot nicht,die [X.] als weitere Sachverständige zu laden.2. Der Beschwerdeführer hat auch mit der Sachrüge, die in einem nach-gereichten Schriftsatz begründet worden ist, keinen Erfolg. Die Revision rügt,die [X.] habe zu Lasten des Angeklagten gewertet, es sei zu einer[X.]n Isolation der Geschädigten gekommen, weil sich Familie, Freunde [X.] nach dem Offenbaren der Taten von ihr abgewandt hätten.Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergebe sich, die Kammer habe [X.] der [X.]n Isolation darin gesehen, daß der Angeklagte die gegenihn erhobenen Tatvorwürfe bestritten habe. Damit werde ihm letztlich seinVerteidigungsverhalten angelastet, obwohl dieses nicht über die Grenzen einerangemessenen Verteidigung hinausgegangen sei. Dies trifft nicht zu.a) Das [X.] hat unter anderem dazu [X.] der Vater der Geschädigten von dem inkriminierten [X.] Angeklagten Kenntnis erhalten hatte, informierte er verschiedene Famili-enmitglieder. Bei einem Treffen spielte der Vater die [X.] mit[X.]s Bericht über die sexuellen Übergriffe des Angeklagten ab. Da der [X.] sich nicht für seine Taten entschuldigte, entschloß sich der Vater [X.] bei der Polizei. Das Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe ver-schaffte der Geschädigten zunächst zwar Erleichterung. Aufgrund des Offenba-rens der sexuellen Übergriffe des Angeklagten hat sich die Familie von [X.]abgewandt. Ihr wird von den Verwandten nicht geglaubt, vielmehr wird sie [X.] dargestellt und zum Teil auch beschimpft und von den Schulkamera-den als Lügnerin bezichtigt. Hierdurch haben sich die Freunde und Schulkame-raden von ihr abgewandt. Mangels anderer Möglichkeiten muß sie ihre [X.] in einem Kinderhort für kleinere Kinder verbringen. Außer dem Vater [X.] niemand mehr. Seit acht Monaten befindet sie sich nun schon in psycholo-gischer Behandlung; ein Ende ist derzeit nicht abzusehen. Für das ursprüng-lich kontaktfreudige und umgängliche Kind ist es ein schwer erträglicher Zu-stand, der es zusätzlich belastet. All dies hat der Angeklagte verschuldet.b) Die durch die Tat verursachte familiäre und [X.] Isolierung der [X.] durfte das [X.] strafschärfend berücksichtigen.aa) Damit wird nicht auf das Verteidigungsverhalten des Angeklagtenabgestellt, denn ihm wird nicht angelastet, er habe durch sein Bestreiten [X.] die Aussage vor Gericht nicht erspart ([X.]R StGB § 46 Abs. 2 Verteidi-gungsverhalten 15; [X.]R StGB § 176 Abs. 1 Strafzumessung 4).Hier hat die [X.] zu Recht nicht nur die aus der [X.] entstandenen seelischen Folgen für das Tatopfer zur Schuldbe-messung herangezogen, sondern auf die [X.]n Folgen für [X.] abge-- 6 -stellt, die sich aus dem Bekanntwerden des Verdachts innerhalb des [X.] ergeben und die sich nach dem Scheitern von [X.] und dessen Anzeigenerstattung bei der Polizei im [X.] Strafverfahrens verstärkt haben. Bei Sexualstraftaten treten für das Ta-topfer zu den psychischen Folgen regelmäßig Beeinträchtigungen hinzu, diesich aus der verfahrensrechtlichen Behandlung dieser Delikte und dem [X.] bedingten Rollenverhalten von Familienmitgliedern und Freunden erge-ben, wenn dies nicht von vornherein durch ein umfassendes Geständnis des[X.] vermieden wird. Werden Familienmitglieder oder Freunde zu Zeugenoder Anhörpersonen, die in polizeilichen Vernehmungen oder in der [X.] zur Glaubhaftigkeit von Aussagen und damit letztlich zur [X.] oder des [X.] Stellung beziehen müssen, so wirkt sich dies in [X.] auch auf deren Verhalten gegenüber den unmittelbar Beteiligten aus.Die [X.] hat Feststellungen zu dem vom Vater der Geschädig-ten unternommenen Versuch einer Aufarbeitung des Geschehens innerhalbder Familie und zur Anzeige bei der Polizei getroffen. Sie hat die Entwicklungder Isolierung [X.]s im einzelnen dargelegt. Diese Umstände können hiernach § 46 Abs. 2 StGB als dem Angeklagten zurechenbare Folgen strafer-schwerend herangezogen werden. Denn dann werden ihm nicht das unterlas-sene Geständnis oder sein Prozeßverhalten vorgeworfen, was unzulässig wä-re, sondern die sich aus dem Bekanntwerden der Taten zwangsläufig ergeben-den Wirkungen der Durchführung des Strafverfahrens, die letztlich unabhängigdavon sind, ob die Beteiligung der Personen aus dem persönlichen Umfeld [X.] oder an der Hauptverhandlung wegen [X.] oderSchweigens des Angeklagten oder sogar trotz seines Geständnisses erforder-lich war (offen gelassen in [X.]. vom 4. Oktober 1994 - 5 StR 352/94). So-weit aus dem Urteil vom 18. Januar 1966 - 1 [X.] - (abgedruckt in [X.] 7 -1966, 894) eine andere Auffassung hergeleitet werden könnte, hält der [X.] diese nicht mehr aufrecht.bb) Derartige Folgen treten beim sexuellen Mißbrauch von [X.] Familienangehörige häufig ein und sind deshalb auch vorhersehbar. [X.] Berücksichtigung derartiger konkret festgestellter Folgen ver-stößt deshalb auch nicht gegen das Verbot der Doppelverwertung des § 46Abs. 3 StGB, denn sie sind nicht Merkmal des gesetzlichen Tatbestands. DieEntscheidungen des [X.] zur "Beeinflussung der Entwicklungdes jungen Menschen im seelischen Bereich" ([X.] StV 1998, 656 und 657;[X.]. vom 30. Juli 1998 - 4 StR 364/98) betreffen das geschützte Rechtsgutund sind deshalb nicht einschlägig.[X.] [X.] Schluckebier Kolz

Meta

1 StR 143/01

25.04.2001

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2001, Az. 1 StR 143/01 (REWIS RS 2001, 2781)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2781

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