Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2000, Az. 1 StR 439/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 812

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[X.]/00vom19. Oktober 2000in der [X.] Nötigung u.a.- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 19. Oktober 2000 gemäߧ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Mai 2000 im Strafausspruch aufge-hoben.2.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung undsexuellen Mißbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheits-strafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Ange-klagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führtzu einer Einschränkung des [X.]s und infolgedessen zur [X.]; im übrigen ist es [X.] -I.1. Nach den Feststellungen des [X.]s hat der Angeklagte in [X.] von 1989 bis 1994 in acht Fällen sexuelle Handlungen an seiner [X.] 1979 geborenen Nichte M. M. vorgenommen. Diese Handlun-gen bestanden insbesondere darin, daß er die Brüste der Geschädigten [X.], mit einer Hand an der unbedeckten Scheide manipulierte und dabei biszum Samenerguß onanierte. In zwei Fällen ([X.] und 7. der Urteilsgründe)mußte die Geschädigte ihn selbst mit der Hand bis zum Samenerguß befriedi-gen. In zwei weiteren Fällen ([X.] und 8. der Urteilsgründe) legte sich der [X.] zusätzlich auf die Geschädigte und rieb seinen Penis an deren Schei-de.2. Der Angeklagte hat die sexuellen Handlungen bestritten. Das [X.] stützt sich bei seiner Überzeugungsbildung im wesentlichen auf die bela-stenden Bekundungen der Geschädigten, die es - in Übereinstimmung mit [X.] - für glaubhaft hält. Die Zeugin habe zwar - was [X.] Persönlichkeitsstörung zurückzuführen sei - mehrfach wahr-heitswidrig zu ihrem Nachteil begangene Straftaten - auch sexueller Art - beider Polizei angezeigt, und es habe sich auch die Darstellung der Zeugin alsunwahr herausgestellt, daß der Angeklagte mit mehreren Fingern oder mit [X.] in ihre Scheide eingedrungen sei. Im Umfang der getroffenen [X.] sei jedoch den Angaben der Zeugin auf Grund ihres Aussageverhal-tens, der im Gegensatz zu den vorgetäuschten Straftaten detailhaften Schilde-rungen und gewichtiger außerhalb der Zeugenaussage liegender Indizien [X.] 4 -II.1. Anklage und Eröffnungsbeschluß sind wirksam; insoweit wird auf diezutreffenden Ausführungen des [X.] in der [X.] genommen.2. Die von der Revision erhobene Sachrüge gibt keinen Anlaß zur Bean-standung des Schuldspruchs. Jedoch hat das [X.] die Frage, ob [X.] in den Fällen [X.], 7. und 8. zusätzliche Tatmodalitäten erfüllt hat,nicht rechtsfehlerfrei behandelt. Dieser Fehler berührt indessen nur [X.] und damit den Strafausspruch.Wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im [X.] davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteils-gründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entschei-dung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat(st.Rspr., vgl. nur [X.], 108). Das gilt besonders, wenn sichsogar die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt. Dann muß der [X.] regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtigeGründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im übrigen [X.] zu glauben (BGHSt 44, 153, 158; 44, 256, 257).a) Diesen erhöhten Anforderungen ist das angefochtene Urteil zwar zuder grundsätzlichen Frage, ob in den einzelnen zur Entscheidung stehendenFällen überhaupt sexuelle Übergriffe des Angeklagten gegenüber der [X.] M. stattgefunden haben, noch gerecht geworden.Die insoweit ausführliche Glaubwürdigkeitsprüfung läßt relevante Lük-ken nicht erkennen. Die [X.] hat insbesondere die hier durchaus na-heliegende Möglichkeit einer auf die histrionische Persönlichkeitsstörung der- 5 -Zeugin zurückzuführenden bewußt unwahren Aussage mit rechtlich nicht zubeanstandender Begründung ausgeschlossen. Sie begründet dies nicht nur mitdem [X.] der Zeugin in der Hauptverhandlung und den im Ge-gensatz zu den vorgetäuschten Straftaten detailhaften Schilderungen, sondernvor allem auch mit außerhalb der Zeugenaussage liegenden gewichtigen Indi-zien. Hierzu zählen die für glaubhaft erachteten Bekundungen des ZeugenA. M. über Angaben der Zeugin zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten, diediese ihm gegenüber bereits als Acht- oder Neunjährige und damit vor Ent-wicklung der Persönlichkeitsstörung gemacht hatte. Ferner hat die Kammer [X.] zu vergleichbaren Übergriffen auf die Zeugin [X.] und auf [X.], die Tochter der Zeugin S. H. ,herangezogen, die auf die Angaben der Zeugin [X.]zu derartigen Über-griffen und auf der - durch weitere Beweisanzeichen bestätigten - Aussage [X.]zu einem Bericht ihrer Tochter [X.]gestütztwerden. Weitere Indizien ergeben sich aus den Angaben der Zeugin Dr. Me. über Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch und des [X.]über Rufe der Geschädigten im Schlaf.Wenn die [X.] in der Gesamtschau dieser Indizien zur Glaub-haftigkeit der Angaben der Zeugin gelangt ist, läßt dies insoweit einen Rechts-fehler nicht erkennen, als es um die Frage geht, ob es in den zur [X.] überhaupt zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten ge-kommen ist.b) Das [X.] hält indessen über die Grundstruktur alle angeklag-ten Fälle - Betasten des nackten Körpers des Opfers und Onanieren - hinaus-gehend auch für erwiesen, daß in den Fällen [X.] und 7. M. M. zu-- 6 -sätzlich den Angeklagten mit der Hand befriedigen mußte und daß in den Fäl-len [X.] und 8. der Angeklagte sich zusätzlich auf M. M. legte undseinen Penis an deren Scheide rieb. Hierbei stützt es sich allein auf die [X.] der Geschädigten. Diese weitergehenden Tatmodalitäten erfahren in keineranderen Zeugenaussage eine Bestätigung. Die Zeuginnen [X.]und [X.]sprechen hinsichtlich der vergleichbaren anderen se-xuellen Übergriffe des Angeklagten gegenüber Kindern ausdrücklich nur voneinem Onanieren im Beisein des jeweiligen [X.]. Auch der Zeuge A. M. bestätigt nur, die Geschädigte habe ihm bereits früher erzählt, der [X.] habe sie "im Brustbereich betatscht und ihr zwischen die Beine ge-langt". Objektive Indizien für weitergehende sexuelle Handlungen fehlen.Das Urteil genügt daher insoweit nicht den für derartige [X.] Grundsätzen der Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung des[X.]s ist zudem widersprüchlich, wenn dieses keinen Zweifel an denweitergehenden, sich nur aus der Aussage der Geschädigten ergebendenTatmodalitäten hat, obwohl es selbst davon ausgeht, daß die Geschädigte imHinblick auf die histrionische Persönlichkeitsstörung bei der Schilderung dersexuellen Übergriffe zu Übertreibungen - insbesondere hinsichtlich der Inten-sität der Übergriffe - neigt ([X.] 22).Der aufgezeigte Fehler betrifft nicht den Schuldspruch insgesamt, son-dern nur den [X.]. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin hinsichtlich desGrundgeschehens aller acht sexuellen Übergriffe wird dadurch, daß ihr hin-sichtlich zum Teil weitergehender Tathandlungen nicht geglaubt werden kann,nicht in Frage gestellt.c) Daß in einer neuen Hauptverhandlung zu den Fällen [X.], 5., [X.] weitergehende Feststellungen getroffen werden können, kann ausgeschlos-- 7 -sen werden. Der [X.] sieht deshalb - was zudem auch dem Gedanken desOpferschutzes entgegenkommt ([X.], 178; BGHR StPO § [X.]. 1 Sachentscheidung 5) - von einer Aufhebung des Schuldspruchs [X.] in diesem Umfang und einer entsprechenden Zurückverweisung zur neuenVerhandlung zum Schuldspruch ab (vgl. [X.]sbeschluß vom 25. März 1997- 1 StR 93/97) und schränkt den [X.] dahin ein, daß dem Angeklag-ten nicht angelastet wird, daß in den Fällen [X.] und 7. die Geschädigte ihn mitder Hand befriedigen mußte und daß in den Fällen [X.] und 8. der [X.] sich auf die Geschädigte legte und seinen Penis an deren Scheide rieb.Da das [X.] diese weitergehenden Tatmodalitäten bei der Straf-zumessung zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, ist davon auszugehen,daß es bei einem geringeren [X.] mildere Strafen verhängt hätte.Diese sind, wie auch die Gesamtstrafe, neu zu [X.] -Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Der neue [X.] die Einzelstrafen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu denpersönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen haben, ohne gegebe-nenfalls an ergänzenden Feststellungen gehindert zu sein.Schäfer Nack Schluckebier Kolz Schaal

Meta

1 StR 439/00

19.10.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2000, Az. 1 StR 439/00 (REWIS RS 2000, 812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 812

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