Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 W (pat) 15/22

1. Senat | REWIS RS 2022, 5859

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Gegenstand

Patentbeschwerdesache – "Übertragung eines seriellen Datenrahmens" - Teilung aus einer europäischen Patentanmeldung – Unabdingbarkeit der deutschen Patentanmeldung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2020 007 537.1

(hier: Teilung aus einer [X.] Patentanmeldung)

hat der 1. Senat (Juristischer Beschwerdesenat) des [X.] am 13. September 2022 durch die Präsidentin [X.] und [X.] und Heimen beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Das Patent EP 16000837.1 mit der Bezeichnung

2

"Übertragung eines seriellen Datenrahmens"

3

wurde am 23. Februar 2007 beim [X.] ([X.]) angemeldet. Mit Antrag vom 8. Dezember 2020 hat die Anmelderin beim [X.] ([X.]) die Teilung der [X.] Stammanmeldung EP 16000837.1 erklärt.

4

Das [X.] hat die Anmelderin mit zwei Bescheiden vom 22. Dezember 2020 und vom 22. Februar 2021 darauf hingewiesen, dass Teilungen aus einer EP Patentanmeldung beim [X.] nicht zulässig seien. Die Anmelderin hat dem entgegengehalten, dass gemäß dem Wortlaut des Art. 66 EPÜ eine [X.] Patentanmeldung in den benannten Vertragsstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung besitze.

5

Mit [X.]uss vom 9. April 2021 hat das [X.] den Teilungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich die Wirkung des Art. 66 EPÜ darauf beschränke, einen Gleichlauf von [X.] und nationalen Anmeldungen im Hinblick auf das Prioritätsrecht zu schaffen, ein selbständiger Übergang ins nationale Patentverfahren werde dagegen nicht eröffnet. Vielmehr bestehe nur im Rahmen des Art. 135 EPÜ eine Möglichkeit, eine [X.] Anmeldung im nationalen Verfahren weiter zu betreiben.

6

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, mit der sie sinngemäß beantragt,

7

den [X.]uss aufzuheben bzw. die Sache an das [X.] mit der Aufgabe die Anmeldung substantiell zu prüfen, zurückzuverweisen.Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt sie insbesondere vor, Art. 66 EPÜ sehe ausdrücklich vor, dass eine [X.] Patentanmeldung in den benannten Vertragsstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung habe. Der vom [X.] diskutierte Gesetzestext besage nichts zur vorliegenden Fragestellung der Teilungsmöglichkeit. [X.] werde jedoch stets Art. 135 EPÜ bemüht, ohne dass in dem angefochtenen [X.]uss schlüssig begründet werde, warum dem Anmelder aus Art. 135 EPÜ die Möglichkeit der Teilung aus einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung verwehrt bleiben solle.

8

Der [X.] hat die Beschwerdeführerin durch [X.] vom 8. August 2022 auf die vorläufige Rechtsauffassung hingewiesen und angekündigt, im Fall einer Zurückweisung der Beschwerde die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Auf diesen [X.] hin hat die Beschwerdeführerin sinngemäß vorgetragen, dass der hier maßgeblichen [X.] Patentanmeldung unstreitig ein Anmeldetag zuerkannt worden und zudem [X.] benannt worden sei. Die [X.] Anmeldung richte sich somit darauf, ein nationales [X.] Patent zu erlangen. Nach Erteilung eines [X.] Patents werde auch vom [X.] selbsttätig eine entsprechende Mitteilung an die Vertreter übersendet. Insofern liege kein missverständlicher Wortlaut von Art. 66 EPÜ vor, vielmehr stelle die [X.] Patentanmeldung zweifelsfrei die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung als Grundlage für den § 39 [X.] dar. Die Frage, ob eine [X.] Anmeldung effektiv anhängig sei, könne bei dieser Sach- und Rechtslage dahingestellt bleiben, da hier lediglich die Wirkung der nationalen Anmeldung im Rahmen des § 39 [X.] beansprucht werde. Einer rechtsmittelfähigen Entscheidung werde entgegengesehen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Prüfungsstelle des [X.] hat in dem angefochtenen [X.]uss zutreffend festgestellt, dass durch den auf einer [X.] Patentanmeldung basierenden Teilungsantrag der Beschwerdeführerin keine [X.] Teilanmeldung entstanden ist.

1. Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Wertung, kann es vorliegend nicht dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt ihrer an das [X.] gerichteten Teilungserklärung tatsächlich eine Patentanmeldung beim [X.] anhängig war, vielmehr stellt die Anhängigkeit einer solchen Anmeldung eine unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit ihres [X.] dar.

2. Rechtsgrundlage für den gegenüber dem [X.] erklärten Teilungsantrag der Beschwerdeführerin ist § 39 [X.]. Danach kann der Anmelder die Anmeldung jederzeit teilen. Zwar wird der Begriff "Anmeldung" in Art. 39 [X.] nicht ausdrücklich definiert, aus der systematischen Einordnung der Vorschrift in einen Abschnitt des [X.]es, in dem es um das Verfahren der beim [X.] eingereichten Patentanmeldungen geht, ergibt sich jedoch, dass mit "Anmeldung" im Sinne von § 39 [X.] solche Erfindungen gemeint sind, die gemäß § 34 [X.] beim [X.] - oder bei einem Informationszentrum nach § 34 (2) [X.] - zur Erteilung eines Patents angemeldet wurden (vgl. hierzu etwa [X.] [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl. 2015, § 34 Rn. 136). Hierzu zählen neben [X.]n Patentanmeldungen auch [X.], die in die nationale [X.] Phase eingetreten sind. [X.] Patentanmeldungen werden von § 39 [X.] dagegen nicht erfasst, unabhängig davon, ob dabei auch die Bundesrepublik [X.] benannt wurde (so bereits B[X.], [X.]. vom 28. Juli 2021 – 7 W (pat) 5/19 = [X.] 2021, 22240). Der von der Beschwerdeführerin hervorgehobene Umstand, dass nach einer - mit Wirkung für die Bundesrepublik [X.] erfolgten - Erteilung eines [X.]n Patents, vom [X.] eine entsprechende Bibliografie-Mitteilung mit dem daraufhin vergebenen [X.]n Aktenzeichen übersendet wird, ist ersichtlich nicht geeignet, diese Wertung in Frage zu stellen.

3. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, es könne letztlich dahingestellt bleiben, ob beim [X.] eine [X.] Anmeldung effektiv anhängig sei, da die Anhängigkeit einer [X.] Stammanmeldung gleichzeitig die parallele Anhängigkeit einer nationalen (hier: [X.]n) Patentanmeldung in den benannten Mitgliedsstaaten bewirke, findet im [X.] und [X.]n Patentrecht keine Rechtsgrundlage. Die Beschwerdeführerin stützt ihre gegenteilige Rechtsansicht darauf, dass Art  66 EPÜ festlege, dass eine [X.] Patentanmeldung mit zuerkanntem Anmeldetag in den benannten Vertragsstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung habe. Entgegen ihrer Ansicht kann jedoch weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus deren Sinn und Zweck abgeleitet werden, dass Art. 66 EPÜ in den benannten Mitgliedsstaaten die tatsächliche, parallele Anhängigkeit einer nationalen Patentanmeldung begründen würde (vgl. hierzu auch Singer/[X.]/Bremi, EPÜ, 7. Aufl., Art. 66, Rn. 3 m. w. N.). Vielmehr beschreibt Art. 66 EPÜ im Sinne einer Rechtsfiktion lediglich die rechtliche Wirkung einer [X.] Patentanmeldung, mit der das Prioritätsrecht einer [X.] Patentanmeldung im Sinne der [X.] sichergestellt werden soll, indem die [X.] Patentanmeldung lediglich "in ihren Wirkungen" einer nationalen Anmeldung gleichgestellt ist, also insbesondere im Hinblick auf die Sicherung eines frühen nationalen [X.] für den Fall späterer nationaler Erteilungsverfahren, um so zu Gunsten der Anmelder sicherzustellen, dass zwischenzeitliche Beschreibungen und Benutzungen bei der Prüfung der Schutzfähigkeit nicht mehr als Stand der Technik relevant werden können (vgl. hierzu [X.]Osterrieth EPÜ, 3. Aufl. 2019, EPÜ Art. 66 Rn. 3, 7). Da aus Art. 66 EPÜ somit nicht die tatsächliche Anhängigkeit einer nationalen Patentanmeldung abgeleitet werden kann, ist die Norm nicht geeignet, für eine [X.] Patentanmeldung den Anwendungsbereich der Teilung nach [X.]m Recht nach § 39 [X.] zu eröffnen.

4. Dies wird auch durch die Art. 135 ff. EPÜ verdeutlicht, die (nur) für den Fall, dass das Verfahren für die [X.] Patentanmeldung mit der Zurückweisung oder der Rücknahme der Anmeldung endet, vorsehen, dass der Anmelder über einen [X.] und unter Wahrung der Priorität der [X.] Patentanmeldung (Art. 66 EPÜ) eine nationale Patentanmeldung begründen und ein nationales Erteilungsverfahren in Gang setzen kann (vgl. hierzu etwa [X.] [X.]/Tochtermann, [X.], 11. Aufl. 2015, Internationaler Teil, Rn 143). Wäre jedoch bereits mit der Zuerkennung eines Anmeldetages für eine [X.] Anmeldung die parallele Anhängigkeit einer nationalen Anmeldung verbunden, wären die Regelungen der Art. 135 ff. EPÜ zur Umwandlung einer [X.] in eine nationale [X.] Anmeldung überflüssig und damit sinnwidrig (vgl. hierzu nochmals Singer/[X.]/Bremi, EPÜ, 7. Aufl., Art. 66, Rn. 3).

5. Nachdem für einen Teilungsantrag gemäß § 39 [X.] die Anhängigkeit einer [X.]n Patentanmeldung unabdingbar ist, eine solche durch die verfahrensgegenständliche [X.] Patentanmeldung jedoch nicht begründet wurde, geht die gleichwohl abgegebene Teilungserklärung der Beschwerdeführerin ins Leere. Die Prüfungsstelle hat den Teilungsantrag der Beschwerdeführerin somit zu Recht zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde war zurückzuweisen.

6. Auf die Anfrage des [X.]s, ob einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren auf Basis des übermittelten [X.]s zugestimmt werde, hat die Beschwerdeführerin schriftsätzlich mitgeteilt, dass einer rechtsmittelfähigen Entscheidung entgegengesehen werde. Dies war als Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage im schriftlichen Verfahren und damit als Rücknahme des ursprünglichen Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu werten. Der [X.] hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall ebenfalls nicht für erforderlich gehalten.

7. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zuzulassen, da es sich bei der Frage der Teilung nach § 39 [X.] aus einer [X.] Patentanmeldung um eine grundsätzliche Rechtsfrage handelt, zu der noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert.

Meta

1 W (pat) 15/22

13.09.2022

Bundespatentgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 39 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 W (pat) 15/22 (REWIS RS 2022, 5859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5859

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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