Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.07.2021, Az. 7 W (pat) 5/19

7. Senat | REWIS RS 2021, 3691

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Gegenstand

(Patentbeschwerdeverfahren – "Ohrhörer" – zum Begriff der "Anmeldung" im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 1 PatG – keine Anwendung des Teilungsrechts aus § 39 PatG auf europäische Patentanmeldungen, eine solche ergibt sich auch nicht aus Art. 66 EuPatÜbk)


Leitsatz

Ohrhörer

1. Mit dem Begriff „Anmeldung“ im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 1 PatG, wonach ein Anmelder die Anmeldung jederzeit teilen kann, ist ein beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängiges Erteilungsverfahren, das auf die Erteilung eines nationalen deutschen Patents gerichtet ist, gemeint. Diese Voraussetzung ist bei einer europäischen Patentanmeldung nicht gegeben.

2. Eine Anwendung des Teilungsrechts aus § 39 PatG auf europäische Patentanmeldungen ergibt sich auch nicht aus Art. 66 EPÜ (juris-Abkürzung: EuPatÜbk), wonach eine europäische Patentanmeldung, der ein Anmeldetag zuerkannt worden ist, in den benannten Vertragsstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung hat.

Tenor

In der Beschwerdesache

wegen Teilung aus einer europäischen Patentanmeldung

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] am 28. Juli 2021 durch die Vorsitzende [X.]in [X.]. die [X.]in [X.] und den [X.] Schell

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

[X.]

1

Am 11. Oktober 2018 hat die Anmelderin beim [X.] ([X.]) unter Erklärung der Teilung der [X.] Patentanmeldung 15179718.0 als [X.] und unter Beifügung von Anmeldeunterlagen und der Einzahlung von Gebühren die Erteilung eines [X.] Patents beantragt und [X.] gestellt. Zugleich ist eine [X.] Übersetzung des [X.] Anmeldetextes der [X.] Patentanmeldung 15179718.0 eingereicht worden mit der Anmerkung, dass diese noch beim [X.] anhängig sei und nach Art. 66 EPÜ die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen – [X.] – Hinterlegung habe. Diese [X.] Patentanmeldung 15179718.0 mit der Bezeichnung "Improved Earpiece" (verbesserter Ohrhörer) mit dem Anmeldetag 30. Mai 2008 und der Priorität einer [X.] Patentanmeldung vom 1. Juni 2007 ([X.]. [X.]) ist ihrerseits durch Teilung nach Art 76 EPÜ entstanden (aus 11188661.0/ 2 434 777 bzw. [X.]/ 2 177 0459).

2

Mit Bescheid vom 13. November 2018 hat die Prüfungsstelle 23 des [X.]s der Anmelderin unter dem Aktenzeichen 10 2018 008 650.0 mitgeteilt, dass diese keine rechtswirksame Teilungserklärung abgegeben habe. Eine Teilung nach § 39 [X.] setze das Vorliegen einer nationalen Anmeldung voraus, welche nicht vorliege. Ein wirksamer [X.] nach Art II § 9 [X.], Art. 135 EPÜ i. V. m. Art. 66 EPÜ liege auch nicht vor.

3

Hierauf hat die Anmelderin mit Eingabe vom 11. Januar 2019 mit näheren Ausführungen entgegnet, dass mit ihrer [X.] Patentanmeldung 15179718.0 aufgrund der durch Art. 66 EPÜ bestimmten Wirkung einer [X.] Patentanmeldung rechtlich eine nationale Anmeldung bzw. [X.] im Sinne von § 39 [X.] vorliege. Zudem sei auf die Möglichkeit der Abzweigung von Gebrauchsmustern auf Basis einer anhängigen [X.] Patentanmeldung sowie auf das Entstehen von Entschädigungsansprüchen aus einer veröffentlichten [X.] Patentanmeldung hinzuweisen. Die durch Art 135 bis 137 EPÜ geschaffene [X.] einer [X.] in eine nationale Patentanmeldung spreche ebenso wenig gegen die Möglichkeit einer [X.] Teilanmeldung auf Basis einer [X.] Patentanmeldung; denn die die dort genannten zwei Spezialfälle lägen nicht vor.

4

Durch Beschluss vom 10. Mai 2019 hat die Prüfungsstelle 23 des [X.]s die Teilungserklärung der Beschwerdeführerin vom 11. Oktober 2018 als nicht statthaft mit der Begründung verworfen, der Teilungserklärung fehle die erforderliche Rechtsgrundlage. Einer [X.] Patentanmeldung, der ein Anmeldetag zuerkannt worden und in der ein nationaler Vertragsstaat benannt worden sei, in dem das zu erteilende Patent Wirkung entfalten solle, komme zwar nach Art. 66 EPÜ die Wirkung einer im nationalen Vertragsstaat eingereichten Patentanmeldung zu. Diese Regelung diene nach der Auslegung, wie die Prüfungsstelle unter Bezugnahme auf die "Travaux Préparatoires" zum EPÜ 1973 und auf die Gesetzesbegründung zum [X.] näher ausführt, aber allein dem Zweck, für die besonderen Fälle der Umwandlung einer [X.] in eine nationale Patentanmeldung nach Art. 135 EPÜ Rechtsnachteile für den ([X.]) Anmelder hinsichtlich des [X.] zu vermeiden. Ein selbständiger Übergang ins nationale Patenterteilungsverfahren sei mit Art. 66 EPÜ nicht eröffnet worden. Überdies beziehe sich § 39 [X.] nicht auf [X.] Anmeldungen. Die Vorschriften des Patentgesetzes bezögen sich grundsätzlich auf nationale Patentanmeldungen bzw. nationale Patente, ohne dass dies ausdrücklich formuliert sei; Abweichungen hiervon seien nur durch besondere Bestimmung (z. B. § 3 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) oder höchstrichterliche Rechtsprechung eröffnet. Auch aus der Möglichkeit einer Gebrauchsmusterabzweigung aus einer anhängigen [X.] Patentanmeldung könne keine Möglichkeit zur Teilung einer [X.] Anmeldung nach § 39 [X.] hergeleitet werden, denn § 5 Abs. 1 [X.] enthalte anders als § 39 [X.] eine entsprechende Formulierung. Die Entschädigungsansprüche aus einer veröffentlichten [X.] Patentanmeldung betreffende Vorschrift des Art. II § 1 [X.] beruhe auf einer eigenständigen Regelung, die ihre Grundlage in Art. 67 EPÜ habe und ohne Bezug zum Teilungsrecht des § 39 [X.] sei.

5

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde und beantragt,

6

den Beschluss der Prüfungsstelle 23 des [X.]s vom 10. Mai 2019 aufzuheben, die Erklärung der Teilung der [X.] Patentanmeldung 15179718.0 als statthaft anzuerkennen und die [X.] Patentanmeldung 10 2018 008 650.0 zur weiteren Bearbeitung an das [X.] zurückzuverweisen.

7

Sie regt zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde an zur Frage der [X.] einer Patentanmeldung gemäß § 39 [X.] aus einer anhängigen [X.] Patentanmeldung.

8

Zur Begründung führt die Anmelderin aus, die Kommentarliteratur ([X.]/[X.], EPÜ, 7. Aufl., Art. 66 Fußnote 3) zu Art. 66 EPÜ schließe die Möglichkeit von [X.] Teilanmeldungen aus anhängigen [X.] Patentanmeldungen nicht explizit aus. Die Auslegung des Art. 66 EPÜ könne und dürfe nicht nur im Kontext von Art. 135 EPÜ erfolgen und darauf beschränkt werden. Die in dem angefochtenen Beschluss geäußerte Auffassung, dass sich die Wirkung des Art. 66 EPÜ darauf beschränke, hinsichtlich des [X.] einen Gleichlauf zu nationalen Anmeldungen zu schaffen, und zwar konkret für den Fall der Umwandlung gemäß Art. 135 EPÜ, sei weder den zitierten "Travaux Préparatoires" zum EPÜ 1973 noch der Begründung zum [X.] zu entnehmen.

9

Die durch Art. 135 EPÜ geschaffene Möglichkeit einer expliziten Umwandlung einer [X.] in eine nationale [X.] Patentanmeldung spreche nicht gegen die Möglichkeit einer Einreichung von [X.] Teilanmeldungen gemäß § 39 [X.] auf Basis einer anhängigen [X.] Patentanmeldung. Art. 135 EPÜ betreffe nämlich ausschließlich Spezialfälle, in denen die [X.] Patentanmeldung nach Art. 77 Abs. 3 EPÜ als zurückgenommen gelte und in denen eine [X.] Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen sei oder als zurückgenommen gelte oder das [X.] Patent widerrufen worden sei. Hier sei keiner dieser Spezialfälle gegeben, so dass Art. 135 Abs. 1 EPÜ i. V. m. Art. II § 9 [X.] keine Anwendung finde.

Schließlich beträfen die in dem angefochtenen Beschluss zitierten Textpassagen aus den "Travaux Préparatoires" zum einen die Frage, inwieweit die Priorität einer [X.] Patentanmeldung in Anspruch genommen werden kann. In Anlehnung an Art. 4 A Abs. 2 [X.] solle klargestellt werden, dass die [X.] Patentanmeldung als vorschriftsmäßige nationale Hinterlegung im Sinne der [X.] anzusehen ist und damit ein Prioritätsrecht für Anmeldungen in Drittstaaten begründen könne. Zum anderen befassten sich die zitierten Bemerkungen der "Travaux Préparatoires" mit dem Verbot eines Doppelschutzes dergestalt, dass grundsätzlich verboten werden müsse, ein und demselben Patenanmelder für ein und dieselbe Erfindung ein [X.]s Patent und gleichzeitig ein oder mehrere einzelstaatliche Patente zu erteilen. Allerdings werde an keiner Stelle der "Travaux Préparatoires" auf ein mögliches Verbot oder den Ausschluss der Möglichkeit einer Einreichung von [X.] Teilanmeldungen gemäß § 39 [X.] i. V. m. Art. 66 EPÜ auf Basis einer vorschriftsmäßig hinterlegten, anhängigen [X.] Patentanmeldung eingegangen.

Bei der vorliegenden, am 11. Oktober 2018 eingereichten [X.] Teilanmeldung handele es sich nicht um eine aus einem [X.] hervorgegangene Patentanmeldung. Ausschließlich diese Fälle würden jedoch durch Art. II § 9 [X.] in Verbindung mit Art. 135 EPÜ geregelt. Des Weiteren könne der Begründung zu Art. I[X.] § 9 [X.] entnommen werden, dass diese Vorschrift keinen Gebrauch von der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b EPÜ dem nationalen Gesetzgeber vorbehaltenen Möglichkeit mache, die Umwandlung auch für die Fälle vorzusehen, in denen die [X.] Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wurde oder als zurückgewiesen oder zurückgenommen gilt. Im vorliegenden Fall befinde sich die [X.] [X.] 15179718.0 im Prüfungsverfahren und sei weder zurückgewiesen noch zurückgenommen worden oder gelte als zurückgewiesen oder zurückgenommen mit der Folge, dass Art. II § 9 [X.] keine Anwendung finde.

Auf einen Hinweis des Senats mit Schreiben vom 24. April 2020, wonach die Beschwerde voraussichtlich keinen Erfolg haben dürfte, hat die Anmelderin ihre Argumentation wiederholt und vertieft. Art. 66 EPÜ i. V. m. § 39 [X.] eröffne die Möglichkeit einer nationalen [X.] Teilungserklärung auf Basis einer anhängigen, [X.] Patentanmeldung. Ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung hat sie mit Schriftsatz vom 25. Juni 2020 zurückgenommen.

Die hier als [X.] beanspruchte [X.] Patentanmeldung 15179718.0 hat mittlerweile zur Erteilung des [X.] Patents 3 016 406 geführt; gegen die Patenterteilung, die am 22. Januar 2020 veröffentlicht worden ist, ist derzeit ein Einspruchsverfahren beim [X.] anhängig.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

I[X.]

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das [X.] hat zutreffend eine Teilung nach § 39 [X.] auf Grundlage einer [X.] Patentanmeldung nicht als statthaft angesehen.

1. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann ein Patentanmelder die Anmeldung jederzeit teilen. Gegenstand der Teilungserklärung kann nur eine im Zeitpunkt der Teilungserklärung anhängige Anmeldung sein (vgl. [X.], 688 (II2a)
– Graustufenbild; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 39 Rdn. 16). Eine anhängige Anmeldung im Sinne dieser Vorschrift liegt hier nicht vor, denn die als zu teilende [X.] beanspruchte Patentanmeldung ist zum Zeitpunkt der Teilung nur beim [X.] anhängig gewesen.

a) "Anmeldung" im Sinne von § 39 Abs. 1 [X.] meint ein beim [X.] anhängiges Erteilungsverfahren, das auf die Erteilung eines nationalen [X.] Patents gerichtet ist. Auch wenn dies die Vorschrift selbst nicht ausdrücklich bestimmt, so ergibt sich dies aber ohne weiteres aufgrund ihrer systematischen Einordnung in einen Abschnitt des Patentgesetzes, in dem es um das Verfahren der beim [X.] eingereichten Patentanmeldungen geht. Diese Voraussetzung ist bei der von der Anmelderin als [X.] beanspruchten [X.] Patentanmeldung nicht gegeben, denn bei dieser handelt es sich um eine beim [X.] anhängige Patentanmeldung, die auf die Erteilung eines [X.] Patents gerichtet ist; ein Fall der Umwandlung der [X.] Patentanmeldung in eine nationale Patentanmeldung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a EPÜ i. V. m. Art. II § 9 [X.] liegt ersichtlich nicht vor.

Anhaltspunkte dafür, dass in der Anwendung des § 39 [X.] auf nur eine beim [X.] anhängige nationale Patentanmeldung eine planwidrige Regelungslücke vorläge, die durch analoge Anwendung auf eine [X.] Patentanmeldung geschlossen werden müsste, sind nicht zu erkennen. Vielmehr besteht für letztere die Möglichkeit zur Teilung nach den Bestimmungen des [X.] (Art. 76 EPÜ).

Dass eine [X.] Patentanmeldung nicht ohne weiteres in den Anwendungsbereich nationaler Vorschriften fällt, folgt im Übrigen schon aus der Eigenständigkeit des [X.], das als weiteres Recht neben die nationalen Rechte tritt (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EPÜ, 8. Aufl., Art. 1 Rdn. 4, Art. 2 Rdn. 6, 8). Nationales Recht kommt daher zur Anwendung, wenn das EPÜ ausdrücklich auf die ergänzende Anwendung nationalen Rechts verweist wie geschehen im Hinblick auf die ausschließlichen Rechtswirkungen des [X.] Patents (Art. 64 Abs. 1 EPÜ) und den einstweiligen Schutz einer [X.] Patentanmeldung (Art. 67 EPÜ, auf den Art. II § 1 [X.] Bezug nimmt) sowie die Verletzung des [X.] Patents (Art. 64 Abs. 3 EPÜ) und die [X.] Patentanmeldung als Gegenstand des Vermögens (Art. 74 EPÜ). Im Falle der Teilung einer [X.] Patentanmeldung gibt es eine solche Verweisung nicht.

b) Eine Anwendung des Teilungsrechts aus § 39 [X.] auf [X.] Patentanmeldungen ergibt sich auch nicht aus der von der Anmelderin herangezogenen Vorschrift des Art. 66 EPÜ, wonach eine [X.] Patentanmeldung, der ein Anmeldetag zuerkannt worden ist, in den benannten Vertragsstaaten die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung hat, gegebenenfalls mit der für die [X.] Patentanmeldung in Anspruch genommenen Priorität.

Diese Bestimmung beschreibt nach ihrem Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck eine rechtliche Wirkung der [X.] Patentanmeldung als nationale Anmeldung, hat aber nicht zur Folge, dass mit einer [X.] Patentanmeldung, die auch auf die Erteilung eines Patents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] gerichtet ist, die gleichzeitige tatsächliche Anhängigkeit einer nationalen [X.] Patentanmeldung verbunden ist.

aa) Eine Auslegung des Art. 66 EPÜ dahingehend, dass die Anhängigkeit einer nationalen Patentanmeldung begründet wird, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift.

In der [X.] und in der [X.] Fassung sehen sowohl Art. 2 Abs. 2 EPÜ als auch Art. 66 EPÜ lediglich vor, dass das [X.] Patent/die [X.] Anmeldung denselben Effekt wie die nationale Anmeldung/das nationale Patent haben ([X.] patent …a le mȇmes effets et soumis au mȇme régime qu` un brevet national délivré…). Der [X.] Text des Art. 66 EPÜ betont zudem die Gleichwertigkeit der [X.] gegenüber einer nationalen Anmeldung (…shall, in the designated contracting States, be equivalent to a regular national filing, vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EPÜ, 8. Aufl., Art. 66 Rdn. 2). Nach Art. 177 EPÜ ist der Wortlaut des [X.] in jeder der drei Sprachen gleichermaßen verbindlich. Im Lichte der [X.] und [X.] Fassung wird deutlich, dass es bei der in Art. 66 EPÜ bestimmten Wirkung um die Gleichwertigkeit und damit Gleichstellung der [X.] Patentanmeldung mit einer nationalen Patentanmeldung geht. Aus dem Wortlaut ist dagegen nicht zu entnehmen, dass dies auch bedeutet, dass jede [X.] Patentanmeldung zugleich als eine vor dem nationalen Patentamt anhängige Patentanmeldung zu betrachten ist. Diese in Art. 66 EPÜ angeordnete Wirkung einer [X.] Patentanmeldung hat Bedeutung für den Fall, dass die [X.] Patentanmeldung in eine nationale Patentanmeldung umgewandelt wird (vgl. [X.], 31 – Roll- und Wippbrett).

bb) Dass es bei der Vorschrift des Art. 66 EPÜ um eine Wirkung im Sinne einer Rechtsfiktion geht, wird bestätigt durch die schon von der Prüfungsstelle zutreffend aus den "Travaux Préparatoires" zum EPÜ 1973 zitierten Stellen (URL: [X.]). So heißt es zu dem damaligen Art. 67c des Entwurfs (der lautete "Die [X.] Patentanmeldung hat die Bedeutung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung in den Vertragsstaaten.") in dem auf der angegebenen Website des [X.] aufrufbaren Dokument "Haertel-Entwurf Art. 1-100" unter dem 2. August 1961 (pdf-Datei Seiten 359 ff.) zu Art. 67 bis 67 c (dortige Seite 2, pdf-Datei Seite 361): "[X.] Die Artikel 67 bis 67 c behandeln die Inanspruchnahme von Prioritäten auf Grund der [X.]." Weiter heißt es (dortige Seite 28, pdf-Datei Seite 394): "Artikel 67 c will der [X.] Patentanmeldung die Wirkung einer vorschriftsmäßigen Hinterlegung in den Vertragsstaaten geben. Damit soll zweierlei erreicht werden: a) In Anlehnung an Artikel 4 A Absatz 2 der [X.] soll damit klargestellt werden, daß die [X.] Patentanmeldung als vorschriftsmäßige nationale Hinterlegung im Sinne der [X.] anzusehen ist und damit ein Prioritätsrecht für Anmeldungen in Drittstaaten begründen kann. b) Ferner hat die Bestimmung den Zweck, klarzustellen, daß die für das Gebiet aller Vertragsstaaten eingereichte [X.] Patentanmeldung zugleich die Wirkung von nationalen Anmeldungen in den einzelnen Vertragsstaaten hat. Welche Folgerungen aus dieser Wirkung zu ziehen sind – etwa die Möglichkeit der Umwandlung einer zurückgezogenen oder zurückgewiesenen [X.] Patentanmeldung in nationale Patentanmeldungen gleicher Priorität –, wird an anderer Stelle des [X.] zu behandeln sein."

Die Vorschrift soll demnach das Prioritätsrecht einer [X.] Patentanmeldung im Sinne der [X.] sicherstellen. Zudem wird in dem oben zitierten Dokument die Wirkung einer [X.] Patentanmeldung als nationale Anmeldung im Zusammenhang mit einer möglichen Umwandlung in eine nationale Patentanmeldung in den Blick genommen. Dass diese Wirkung zugleich mit einer Anhängigkeit einer nationalen Patentanmeldung bei den Vertragsstaaten einherginge, ergibt sich hieraus nicht, denn sonst würde es keiner Überlegungen in Richtung einer Umwandlung in eine nationale Patentanmeldung bedürfen. Ebenso wenig ergibt sich dies aus den weiteren von der Prüfungsstelle aus den "Travaux Préparatoires" zitierten Stellen.

cc) Auch die Existenz der Bestimmungen der Art. 135 und 137 EPÜ, die die Umwandlung einer [X.] in eine nationale Patentanmeldung regeln und die durch Art. II § 9 [X.] für den Fall des Art. 135 Abs. 1 Buchst. a EPÜ in das [X.] Recht übernommen worden sind, lässt nur den Schluss darauf zu, dass eine [X.] Patentanmeldung nicht zugleich eine nationale Patentanmeldung darstellt (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a. a. [X.], Art. 66 Rdn. 3). [X.] mit der Zuerkennung eines Anmeldetages für die [X.] Patentanmeldung regelmäßig zugleich eine nationale Patentanmeldung, wären die bestehenden Regelungen zur Umwandlung insgesamt unnötig und ohne Bedeutung. Die derart entstandene nationale Patentanmeldung, mit der die nationale Behörde bereits befasst wäre, könnte dort in allen Fällen des Art. 135 EPÜ in irgendeiner Form "weiterbehandelt" werden, um die in dieser Vorschrift genannten Rechtswirkungen eintreten zu lassen, ohne dass es dazu einer Umwandlung bedürfte. Im Übrigen sind die in Art. 135 EPÜ genannten Fälle der Umwandlung nicht vollständig in das nationale Recht übernommen worden mit der Erwägung, worauf schon die Prüfungsstelle hingewiesen hat, dass kein Anlass dazu bestehe, "nationale Patenterteilungsverfahren zum Auffangbecken für fehlgeschlagene [X.] Patentanmeldungen zu machen." (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über internationale Patentübereinkommen, Bundestagsdrucksache 7/3712 vom 2. Juni 1975, Seite 21; [X.] 1976, 322, 328). Der nationale Gesetzgeber ist hierbei ersichtlich davon ausgegangen, dass mit der [X.] Patentanmeldung nicht schon stets die Anhängigkeit einer nationalen Patentanmeldung verbunden ist, sondern es hierzu einer ausdrücklich geregelten Umwandlung bedarf.

Der Einwand der Anmelderin, die in Art. 135 EPÜ vorgesehene Umwandlung komme nur in den dort näher bezeichneten Fällen in Betracht, wobei ein solcher Fall hier nicht vorliege, ändert an diesem folgerichtigen Schluss nichts. Gleiches gilt für ihren Hinweis auf die durch die [X.] nicht genutzte Möglichkeit, von den dem nationalen Recht vorbehaltenen Umwandlungsgründen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. b EPÜ Gebrauch zu machen.

dd) Im Übrigen dient das [X.] dem Ziel, auf Grund einer [X.] Patentanmeldung "ein einheitliches Erteilungsverfahren vor dem [X.]" durchzuführen, "das mit der Erteilung eines [X.] Patents endet." (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über internationale Patentübereinkommen, Bundestagsdrucksache 7/3712 vom 2. Juni 1975, Seite 13; [X.] 1976, 322). Die Annahme, dass mit jeder [X.] Patentanmeldung zugleich ein nationales Erteilungsverfahren anhängig wäre, das nach den nationalen Vorschriften zu behandeln wäre, stünde diesem Ziel diametral entgegen.

ee) Schließlich vermag auch die nahezu wortgleiche Vorschrift des Art. 11 Abs. 3 PCT, wonach jede internationale Anmeldung, die die Erfordernisse der Ziffern i bis iii des Absatzes 1 erfüllt und der ein internationales Anmeldedatum zuerkannt worden ist, vorbehaltlich des Art. 64 Abs. 4 in jedem [X.] die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung mit dem internationalen Anmeldedatum hat, die Auffassung der Anmelderin nicht zu stützen. Dass aufgrund der internationalen Anmeldung auch ein nationales Erteilungsverfahren bei dem jeweiligen nationalen Patentamt des [X.] anhängig wird – beim [X.] als Bestimmungsamt nach Art. [X.] § 4 [X.] –, folgt schlicht daraus, dass ein Anmelder die sog. nationale Phase nach Art. 22 bzw. Art. 39 PCT einleiten muss, um im [X.] zu einem nationalen Patent zu gelangen; anderenfalls endet die in Art. 11 Abs. 3 PCT vorgesehene Wirkung der internationalen Anmeldung in einem [X.] mit denselben Folgen wie die Zurücknahme einer nationalen Anmeldung (Art. 24 Abs. 1 iii PCT bzw. Art. 39 Abs. 2 PCT). Eine derartige Notwendigkeit der Einleitung eines nationalen [X.] ist demgegenüber bei dem vor dem [X.] durchzuführenden einheitlichen Erteilungsverfahren nach dem EPÜ gerade nicht gegeben.

ff) Nachdem Art. 66 EPÜ nur eine Rechtswirkung regelt, aber nicht eine tatsächliche Anhängigkeit einer nationalen Patentanmeldung schafft (ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a. a. [X.], Art. 66 Rdn. 3), ist sie nicht geeignet, für eine [X.] Patentanmeldung den Anwendungsbereich der Teilung nach [X.]m Recht nach § 39 [X.] zu eröffnen.

Bei der Teilung nach § 39 [X.] geht es um die reale Aufteilung eines beim [X.] anhängigen [X.] in zwei selbständige Anmeldeverfahren, wobei es sich um einen der Prozesstrennung nach § 145 ZPO vergleichbaren Vorgang handelt (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.], § 39 Rdn. 10; Busse/Keukenschrijver, [X.], 9. Aufl., § 39 Rdn. 25). Wenn aber ein Patenterteilungsverfahren vor dem [X.] tatsächlich nicht anhängig ist wie bei der hier vorliegenden [X.] Patentanmeldung, läuft die Teilungserklärung ins Leere. Im Gegensatz dazu ist bei der von der Anmelderin in Bezug genommenen Möglichkeit der Gebrauchsmusterabzweigung aus einer [X.] Patentanmeldung nach § 5 [X.] ausdrücklich geregelt, dass dies möglich ist, wenn der [X.] mit "Wirkung für die [X.]" für dieselbe Erfindung bereits früher ein Patent nachgesucht hat. Eine entsprechende Regelung findet sich für die Teilung einer [X.] Patentanmeldung nicht.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zuzulassen, denn bei der Frage der Teilung nach § 39 [X.] aus einer [X.] Patentanmeldung handelt es sich um eine grundsätzliche Rechtsfrage.

Meta

7 W (pat) 5/19

28.07.2021

Bundespatentgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Art 66 EuPatÜbk, § 39 PatG, § 39 Abs 1 S 1 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.07.2021, Az. 7 W (pat) 5/19 (REWIS RS 2021, 3691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3691

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