Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2015, Az. V ZR 61/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3098

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 61/15
vom
29. Oktober 2015
in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 29. Oktober 2015 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.]
Czub, die Richterin Weinland, [X.] Kazele und die Richterin Haberkamp
beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird der Be-schluss des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 9.
Februar 2015 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt

Gründe:
I.
Mit notariellem Vertrag vom 14. September 2011 verkaufte der Beklagte, der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Wohnungsgenossenschaft ist, mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke an die Klägerin. Die [X.] waren zum größten Teil vermietet; viele standen jedoch auch leer. Der wirt-schaftliche Übergang erfolgte gemäß der vertraglichen Regelung am 1.
Dezember 2011. Nach dem Kaufvertrag gingen von diesem Zeitpunkt an die Nutzungen und die Lasten auf die Klägerin über.
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Der Beklagte ließ eine sog. Erwerberabrechnung über die im [X.] bis Ende
November 2011 von ihm aufgebrachten Nebenkosten und über die von ihm vereinnahmten Vorauszahlungen erstellen, aus der sich ein Über-schuss der Vorauszahlungen der Mieter über die verauslagten Kosten von

dem Kaufvertrag von dem Besitzübergang an alle Rechte und Pflichten gegenüber den Mietern wahrzunehmen hatte, ließ durch eine von ihr beauftragte Verwalterin die Ne-benkostenabrechnungen erstellen. Die Ergebnisse daraus stellte sie in einer Liste über die Einzelabrechnungen zusammen (Anlage [X.]). Unter [X.] auf diese hat sie vorgetragen, dass Rückzahlungsansprüche der Mieter [X.] zuviel gezahlter Vorauszahlungen von insgesamt 38.003,42

h-lungsansprüche gegen die Mieter von 19.221,26

rgestanden hätten.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten eine Klage auf Zahlung in Höhe Klageforderung setzt sich aus zwei Teilbeträgen zusammen. Die Klägerin [X.] 17.186,96 -rechnungen für das [X.] -
anteilig für 334 von 365 Tagen. Zusätzlich ver--von 365 Tagen. Das [X.] hat der Zahlungsklage stattgegeben; das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück-gewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungs-beschwerde.
II.
Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus dem Kaufvertrag zu. Das sei eine Rechtsfolge der Ab-2
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rechnungspflicht des Erwerbers mit den Mietern und entspreche auch dem kaufvertraglichen [X.]. Die Ansprüche aus der Betriebskostenab-rechnung beträfen denjenigen Vertragspartner, der die Vorauszahlungen habe vereinnahmen können und die Nebenkosten habe tragen müssen.
Es liege keine Doppelberechnung vor, da die Abrechnungsübersicht der Klägerin die Zahlungen ausweise, die diese an die Mieter habe zahlen müssen, während Gegenstand der Erwerberabrechnung die von dem Beklagten im Jah-re 2011 vereinnahmten Zahlungen und geleisteten Ausgaben seien. Der [X.] zeige auch nicht auf, dass die in den [X.] vorgenommene Berechnung unrichtig wäre. Konkrete Einwendungen gegen die Richtigkeit der Berechnung der Klägerin habe er nicht vorgebracht.
III.
Das angefochtene Berufungsurteil ist auf die [X.] des Beklagten nach § 544 Abs. 7
ZPO aufzuheben, weil das Berufungsge-richt dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entschei-dungserheblicher Weise verletzt hat.
1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, [X.] des Vorbringens der [X.] zu erfassen und -
so-weit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft -
in den Gründen zu bescheiden (vgl. [X.], [X.], 1762, 1763; [X.], Beschluss vom 21.
Mai 2007 -
II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5; Beschluss vom 28.
November 2008 -
LwZR 2/08, [X.] 2009, 117 Rn. 5; Beschluss vom 9.
Februar 2009 -
II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 4). Von einer Verlet-zung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der [X.] erfassenden Wahrneh-5
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mung beruht ([X.], Beschluss vom 20. Oktober 2008 -
II ZR 207/07, NJW-RR 2009, 178 Rn. 4; Beschluss vom 9. Februar 2009 -
II ZR 77/08, NJW-RR 2009, 2137 Rn. 3). Setzt sich das Gericht mit dem [X.]vortrag nicht inhaltlich ausei-nander, sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (Senat, Beschluss vom 10. Januar 2008 -
V [X.], Grundeigentum 2008, 983, 984; [X.], Beschluss vom 21. Mai 2007 -
II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5).
2. So verhält es sich hier hinsichtlich der die
Höhe des Anspruchs be-treffenden Einwendungen des Beklagten über einen (teilweise) doppelten An-satz derselben Aufwendungen und Einnahmen und zur Unschlüssigkeit des Vorbringens der Klägerin auf der Grundlage ihrer eigenen Aufstellung über die Nebenkostenabrechnungen.
a) Das Berufungsgericht hat zwar den Inhalt der Einzelabrechnungs-übersicht der Klägerin und der von dem Beklagten aufgestellten Erwerberab-rechnung richtig beschrieben. Die darauf beschränkte Begründung übergeht jedoch das Vorbringen, in die
Nebenkostenabrechnungen der Klägerin seien (auch) die Ausgaben und Einnahmen des Beklagten aus den ersten 11 Mona-ten eingeflossen. Müsste der Beklagte der Klägerin nicht nur das (zeitanteilige) Defizit aus den Nebenkostenabrechnungen ausgleichen, sondern zusätzlich den Überschuss aus den von ihm vereinnahmten Vorauszahlungen der Mieter und den von ihm getragenen Nebenkosten an die Klägerin auskehren, könnte die Klägerin einen Teil des an die Mieter auszukehrenden Betrags für sich als Gewinn vereinnahmen.

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Dass die Positionen aus seiner Erwerberabrechnung als Teilmenge in den Abrechnungsübersichten der Klägerin enthalten sind, hat der Beklagte wiederholt vorgetragen. Mit diesem Einwand gegen die Schlüssigkeit der Klage haben sich die Tatsacheninstanzen inhaltlich nicht auseinandergesetzt, son-dern das Vorbringen mit Leerformeln beschieden.
b) Nicht anders verhält es sich bei dem Einwand des Beklagten gegen die Schlüssigkeit der Begründung der Höhe des auf die Zusammenstellung der Nebenkostenabrechnungen gestützten Teils der Forderung der Klägerin. [X.] ergibt sich zwar die vorgetragene Summe der Guthaben der Mieter von 38.003,43

-forderungen von
damit nicht der sich aus der Aufstellung ergebenden Differenz.
Auf die fehlende Schlüssigkeit des Vortrags der Klägerin zur [X.] hat der Beklagte schon in der ersten Instanz hingewiesen und sein [X.] in der Berufungsinstanz durch die von ihm erstellte Berechnung auf der Basis der
von der Klägerin vorgelegten Aufstellung substantiiert. Auch dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht mit der -
schon von dem erstinstanzlichen Gericht verwendeten -
Leerformel übergangen, dass konkrete Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abrechnungen der Klägerin nicht vorgebracht worden seien. Konkreter als von dem Beklagten ausgeführt, kann die (teilweise) Un-schlüssigkeit der Darlegungen eines Klägers zur Anspruchshöhe auf der Basis des von ihm selbst vorgelegten [X.] nicht dargelegt werden.
3. Die Verstöße gegen das Verfahrensgrundrecht betreffen entschei-dungserhebliche Punkte, da nach den bisherigen Feststellungen nicht feststeht, in welcher Höhe ein Anspruch der Klägerin besteht.
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IV.
Aus dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde zum Grund des Anspruchs ergaben sich keine Gründe für eine Zulassung der Revision. Soweit der Grund des Anspruchs nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht weiter streitig bleiben sollte, weist der Senat auf Folgendes hin:

Der von den [X.]en geschlossene Kaufvertrag enthält keine der [X.], wie sie bspw. in Notarhandbüchern für die Fälle des Verkaufs eines Mietshauses mit einem Besitzübergang innerhalb eines laufenden [X.] vorgeschlagen werden (vgl. nur [X.], Immobilienkaufverträ-ge in der Praxis, 7. Aufl. Rn. 2100). Für den Eigentumswechsel durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren bei einer bis dahin laufenden Zwangsver-waltung hat der [X.] entschieden, dass der Zwangsverwalter die bis zum Zuschlag noch an ihn geleisteten, von dem nach § 556 [X.] gegen-über den Mietern abrechnungspflichtigen Ersteher an diese zurückzugewäh-renden Vorauszahlungen an den Ersteher auszukehren hat, da diese Beträge nicht für die Kosten und die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen ([X.], Urteil vom 11. Oktober 2007 -
IX ZR 156/06, [X.], 100 Rn. 20
f.). Für die Fälle eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs wird im Schrifttum aus der Bestimmung des §
446 Satz 2 [X.] ein vertraglicher Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer auf Herausgabe derjenigen Nutzungen begründet, die dem Verkäufer nicht gebühren (vgl. [X.]/[X.]/Faust, [X.], 3. Aufl., §
446 Rn. 20; NK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 446 Rn. 18; [X.]/

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Beckmann, [X.] [1014], §
446 Rn. 44). Das dürfte Grundlage für einen An-spruch der Klägerin in Höhe des Überschusses jedenfalls in Höhe der von dem Beklagten aufgestellten Erwerberabrechnung sein.

Stresemann

Czub

Weinland

Kazele

Haberkamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.09.2014 -
3 O 3365/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 09.02.2015 -
5 U 1554/14 -

Meta

V ZR 61/15

29.10.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2015, Az. V ZR 61/15 (REWIS RS 2015, 3098)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3098

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 61/15

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