Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2013, Az. IV ZR 52/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1938

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 52/12

Verkündet am:

16. Oktober 2013

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] a.F. § 8 Abs. 4 Satz 1 und 4 in der Fassung vom 17. Dezember 1990; [X.] § 2 Abs. 1 Satz 2 und 4 in der Fassung vom 16. Januar 1986; VerbrKrG § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 in der Fassung vom 17. Dezember 1990

1.
Die Kündigung eines Versicherungsvertrages steht einem späteren Widerruf [X.] dann nicht entgegen, wenn der Versicherungsnehmer über sein Wider-rufsrecht nicht ausreichend belehrt wurde.

2.
Das Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 [X.] a.F. erlischt bei analoger Anwendung der Regelungen in §§ 7 Abs.
2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs.
1 Satz 4 [X.] nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung.

[X.], Urteil vom 16. Oktober 2013 -
IV ZR 52/12 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 16.
Oktober 2013

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
Fe-bruar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines [X.].

Dessen Abschluss beantragte er bei der [X.] im März 1993 mit Wirkung ab April 1993. Auf der zweiten Seite des vom Kläger unter-zeichneten Antragsformulars ist am Ende eines Absatzes mit Hinweisen
zu verschiedenen Punkten eine Widerrufsbelehrung abgedruckt. [X.] diesem Absatz und der Unterschriftszeile befindet sich ein weite-rer Absatz mit anderen Informationen. Beide Absätze sind im Antrags-formular nicht durch die Schriftgröße, aber insgesamt durch Fettdruck hervorgehoben.
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3
-

Nachdem der Kläger ab Vertragsbeginn sieben Jahre lang die mo-natlichen Prämien gezahlt hatte, kündigte er im Februar 2000 die Le-bensversicherung, woraufhin die Beklagte 3.240,17
DM als Rückkaufs-wert auszahlte. [X.] ließ der Kläger durch anwaltliches Schreiben vom 15.
Februar 2010 erklären, dass "dem Vertragsabschluss

5a [X.] a.F. widersprochen"
werde, und die Rückzahlung [X.] geleisteten Prämien zuzüglich Anlagezinsen abzüglich des [X.] Rückkaufswertes fordern.

Der Kläger meint, in dem Widerspruch liege ein wirksamer Wider-ruf nach §
8 Abs.
4 [X.] in der vom 1.
Januar 1991 bis zum 28.
Juli 1994 gültigen Fassung. Die Belehrung im Antragsformular sei nicht [X.], da nicht gewährleistet sei, dass der Antragsteller hiervon Kennt-nis nehme. Daher habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen; die Berufung des [X.] ist vom [X.] zurückgewiesen worden. Hiergegen rich-tet sich die Revision des [X.], der auf Widerruf seiner Vertragserklä-rung gestützte Bereicherungsansprüche weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

[X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der [X.] nicht wirksam widerrufen worden. Ein Widerrufsrecht ergebe sich 3
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-
4
-

nicht aus dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren §
8 Abs.
4 [X.] in der vom 1.
Januar 1991 bis zum 28.
Juli 1994 gültigen Fassung, da die Widerrufsfrist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Antrags abgelaufen sei. Der Kläger sei über sein Widerrufsrecht ord-nungsgemäß belehrt worden. Eine besondere drucktechnische Gestal-tung der Belehrung sei nach §
8 Abs.
4 [X.] a.F. nicht erforderlich. Sie müsse, um ihren Zweck zu erreichen, umfassend, unmissverständlich und aus Sicht des Versicherungsnehmers eindeutig sein. Diesen [X.] genüge die Belehrung, die im Antragsformular in Fettschrift unmittelbar über der Unterschriftszeile abgedruckt sei. Auf die Frage der Rechtsfolgen einer unterbliebenen Belehrung komme es daher nicht an.

Offen bleiben könne auch, ob mit dem Versicherungsvertrag eine Zahlungserleichterung im Sinne des bis zum 31.
Dezember 2001 gültigen §
1 Abs.
2 VerbrKrG verbunden gewesen sei, da nach §
7 Abs.
2 Satz
3 VerbrKrG das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erloschen sei.

Im Übrigen stehe einem Widerruf entgegen, dass sich der Kläger für die Durchführung des Vertrages und die Inanspruchnahme der [X.] entschieden habe; damit sei sein Wahlrecht erlo-schen.

I[X.] Das Berufungsurteil hält
im Ergebnis der rechtlichen [X.] stand. In dem Widerspruch "gemäß §
5a [X.] a.F."
liegt kein wirk-samer Widerruf nach §
8 Abs.
4 [X.] in der vom 1.
Januar 1991 bis zum 28.
Juli 1994 gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.).
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10
-
5
-

1.
Zu Recht ist das Berufungsgericht
von der Anwendbarkeit des §
8 Abs.
4 [X.] a.F. ausgegangen. §
5a [X.] in der ab dem 29.
Juli 1994 gültigen Fassung findet nach Art.
16 §
11 des [X.] zum [X.] vom 21.
Juli 1994 ([X.] [X.], S.
1630) keine Anwendung auf Versicherungsverträge, die

wie hier

bis zum 31.
De-zember 1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungs-bedingungen geschlossen wurden.

2.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war allerdings die in §
8 Abs.
4 Satz
1 [X.] a.F. bestimmte Widerrufsfrist von zehn Ta-gen ab Unterzeichnung des [X.] zum Zeitpunkt des Widerrufs im Februar 2010 noch nicht abgelaufen, da der Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
4 [X.] a.F. belehrt worden war. Die Widerrufsfrist beginnt in entsprechender Anwendung der Rege-lungen in §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.]
in der Fassung vom 16.
Januar 1986
und §
7 Abs.
2 Satz
2 VerbrKrG in der Fassung vom 17.
Dezember 1990 erst mit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Beleh-rung über das Widerrufsrecht.

a) Der Kläger ist nicht im Sinne des §
8 Abs.
4
Satz
4 [X.] a.F. über sein Widerrufsrecht belehrt worden.

aa) Ihrem Wortlaut nach enthält die Vorschrift zwar keine über die Schriftlichkeit hinausgehenden Vorgaben zur Form der Belehrung. In zwei Beschlüssen vom 16.
November 1995 hat der [X.] jedoch zu §
8 Abs.
4 Satz
4 [X.] a.F. klargestellt, dass eine gesetzlich angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher 11
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-

eindeutig sein muss. Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes "Belehrung"
entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen [X.] zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden ([X.], Beschlüsse vom 16.
November 1995

I
ZR 25/94, [X.], 221 unter [X.] und [X.], [X.], 313 unter [X.]; ebenso [X.], 98; zustimmend: [X.]/
[X.] in [X.], [X.] 8.
Aufl. Bd.
3 Anm. E7
S.
302; ähnlich [X.], 202, 204; für eine drucktechnisch deutlich gestaltete Belehrung: [X.] in [X.]/[X.], [X.]
25.
Aufl. §
8 Anm.
10; [X.],
[X.] 1991, 360, 363; [X.],
[X.]
1991, 632, 635; [X.],
NJW 1991, 2793, 2798; a.A.: [X.],
[X.], 725, 729).

bb) Die Form der Belehrung im Antragsformular genügt diesen An-forderungen nicht; sie ist zur Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Widerrufsrecht nicht geeignet. Die Belehrung ist am Ende eines län-geren Absatzes abgedruckt, der weitere Informationen, unter anderem
über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über die Unzweckmä-ßigkeit der Aufgabe einer bestehenden Versicherung, über die Verwen-dung der Beiträge und
über die Entwicklung der Rückkaufswerte enthält. Innerhalb dieses Absatzes ist der Hinweis auf das Widerrufsrecht nicht hervorgehoben; vielmehr ist der Absatz insgesamt fettgedruckt. Der [X.] steht nicht unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungs-nehmers, sondern ihm folgt noch ein weiterer, ebenfalls fettgedruckter Absatz mit Hinweisen auf die auf der Rückseite abgedruckten Erklärun-gen und Informationen zu den einzelnen Versicherungsarten. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen 15
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7
-

daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten.

b) Mangels ordnungsgemäßer Belehrung hatte der Lauf der [X.] nicht mit Antragsunterzeichnung begonnen.

aa) In §
8 Abs.
4 [X.] a.F. findet sich zu den Folgen einer fehlen-den oder nicht ausreichenden Belehrung keine Regelung. Dagegen hatte der Gesetzgeber in dem am selben Tag in [X.] getretenen §
7 Abs.
2 Satz
2 und 3 VerbrKrG ausdrücklich bestimmt, dass der Lauf der [X.] erst mit Aushändigung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung beginnt (Satz
2) und dass bei Fehlen der Be-lehrung das Widerrufsrecht erst nach beiderseits vollständiger Erbrin-gung der Leistung, spätestens jedoch ein Jahr nach Abgabe der
auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des [X.] erlischt
(Satz
3). Auch nach §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.] in der vom 1.
Mai 1986 bis 30.
September 2000 gültigen Fassung setzt der Lauf der Widerrufsfrist die ordnungsgemäße Belehrung voraus; nach §
2 Abs.
1 Satz
4 [X.] erlischt das Widerrufsrecht bei Fehlen der Beleh-rung erst einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung.

bb) Zu
der Frage, ob auch in Fällen des §
8 Abs.
4 Satz
4 [X.] a.F. der Beginn der Widerrufsfrist von einer Belehrung abhängt, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Ein Teil der Literatur legt diese Vorschrift dahin aus, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der schriftlichen ordnungsgemäßen [X.] beginnt ([X.] in [X.]/[X.], [X.]
25.
Aufl. §
8 Anm.
10; 16
17
18
19
-
8
-

[X.]/[X.] in [X.], [X.]
8.
Aufl. Bd.
3 Anm.
E7 S.
303; [X.],
[X.], 725, 729; ohne Begründung [X.],
[X.], 488, 489). Zur Begründung dieser Rechtsfolge wird auch auf eine ent-sprechende Anwendung des §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.] und des §
7 Abs.
2 Satz
2 VerbrKrG zurückgegriffen (Sieg,
[X.], 1; wohl auch [X.],
[X.] 1991, 632, 635
f.) oder der Einwand der Fristversäumung als treuwidrig angesehen ([X.],
[X.] 1991, 360, 363). Eine Verbin-dung zwischen ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung und Lauf der [X.] wird weiter daraus abgeleitet, dass §
8 Abs.
4 Satz
4 [X.] a.F. eine vorvertragliche Informationspflicht des Versicherers normiere, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Versicherungs-nehmers aus Verschulden bei Vertragsschluss auslöse. Da der Versiche-rungsnehmer einen Anspruch habe, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung stünde, könne er sein Widerrufs-recht auch nach Ablauf der Widerrufsfrist noch ausüben ([X.],
NJW 1991, 2793, 2798
f.).

Demgegenüber folgern andere aus dem Fehlen einer Regelung zu den Auswirkungen der unterlassenen bzw. nicht ordnungsgemäßen Be-lehrung in §
8 Abs.
4 [X.] a.F.unter Berücksichtigung der Regelungen im Haustürwiderrufsgesetz
und im damals neuen [X.], dass die Regelungslücke vom Gesetzgeber gewollt sei, so dass eine analoge Anwendung des §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.] oder des §
7 Abs.
2 Satz
2 VerbrKrG nicht in Betracht komme ([X.] VersR 1995, 1037, 1038; zustimmend [X.] in [X.]/Langheid, [X.] 1.
Aufl.
§
8 Rn.
68; [X.] [X.], 558; AG Köln [X.], 41, 42).

cc) Die zuerst genannte Meinung
ist zutreffend. Nur eine Anknüp-fung des Beginns der Widerrufsfrist an eine ordnungsgemäße Belehrung 20
21
-
9
-

wird dem Zweck der Widerrufsbelehrung gerecht. Aus der Gesetzesbe-gründung zu §
8 Abs.
4 [X.] a.F. lässt sich entnehmen, dass durch die Regelung eine Verbesserung des Verbraucherschutzes erreicht und zu diesem Zweck

im Hinblick
auf die Bereichsausnahme für das [X.] in §
6 Nr.
2 [X.]

eine versicherungsvertragsrechtliche Spezialnorm geschaffen werden sollte. Dort heißt es weiter: "Wegen der Bedeutung der Belehrung über das Widerrufsrecht bedarf die Belehrung der Schriftform"
(BT-Drucks. 11/8321, S.
12). Mit dem Ziel des Verbrau-cherschutzes und der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Bedeutung der Widerrufsbelehrung, die in der ausdrücklichen Normierung des [X.] einer schriftlichen Belehrung zum Ausdruck kommt,
lässt sich eine Folgenlosigkeit ihres Fehlens nicht vereinbaren. Das in §
8 Abs.
4 Satz
1 [X.] a.F. eingeräumte Recht, den [X.] nach Unterzeichnung des Versicherungsantrags zu widerru-fen, lässt sich nur realisieren, wenn der Versicherungsnehmer hiervon auch Kenntnis erlangt
oder
zumindest die Möglichkeit der [X.] hat. Ein Verweis des Versicherungsnehmers auf einen [X.] ist für einen effektiven Verbraucherschutz nicht [X.], da dem Versicherungsnehmer der Nachweis obläge, dass die Verletzung der Pflicht zur Widerrufsbelehrung ursächlich für den [X.] bzw. das Festhalten am Vertrag geworden und dass ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Septem-ber 2006

[X.], [X.]Z 169, 109 Rn.
43).

Einer derartigen teleologischen Auslegung steht zwar
der Wortlaut des §
8 Abs.
4 Satz
1 [X.] a.F. entgegen, der den Lauf der Widerrufsfrist allein an die Unterzeichnung des Antrags knüpft. Das Gesetz enthält an-gesichts der mit ihm bezweckten Stärkung der [X.] aber eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwen-22
-
10
-

dung der Regelungen des
§
7 Abs.
2 Satz
2 VerbrKrG und des
§
2 Abs.
1 Satz
2 [X.], die ebenfalls einen effektiven Verbraucherschutz [X.] sollen, geschlossen werden kann. Beide Regelungen sehen vor, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer ordnungs-gemäßen Belehrung beginnt. Der zugrunde liegende Gesetzeszweck, dass ein Widerrufsrecht nur dann zum Verbraucherschutz geeignet ist, wenn der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Erfüllung der Verpflichtung zur Belehrung über dieses Recht beginnt, lässt sich auf das Widerrufsrecht nach
§
8 Abs.
4 [X.] a.F. übertragen.

3.
Das Widerrufsrecht ist jedoch nach beiderseits vollständiger Er-bringung der Leistung im [X.] erloschen.

a) Allerdings schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages den
späteren Widerruf nicht
aus. Zwar vertreten Teile der
Rechtsprechung und des Schrifttums die Auffassung, dass
die Kündigung eines Vertrages einem
späteren Widerruf generell
entgegenstehe, wie Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums meinen (so: [X.] r+s 2013, 483; [X.], Urteil vom 2.
Februar 2012

8 U 125/11, juris Rn.
45; [X.], Beschluss vom 31.
August 2011

20 U 81/11, juris Rn.
15
f.; [X.], Beschluss vom 6.
Juni 2011

10 U 162/11, nicht veröffentlicht; [X.],
[X.], 786 Rn.
4; [X.], Urteil vom 30.
September 2011

9 S 266/11, S.
6
ff., nicht veröffentlicht; [X.], Urteil vom 18.
August 2010

26 S 39/09, S.
7
f., nicht veröffentlicht; a.A.: [X.], Urteil vom 11.
Februar 2011

9 O 231/10, S.
10
f., nicht veröffentlicht). Dies ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall abzu-lehnen, in dem der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kün-digung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein 23
24
-
11
-

Widerrufsrecht
nicht sachgerecht ausüben konnte. Bei Fehlen einer [X.] Belehrung über das Widerrufsrecht ist nicht sicherge-stellt, dass dem Versicherungsnehmer zur [X.] bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor-
und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen
zu können.

b) [X.] [X.] aus §
8 Abs.
4 Satz
1 [X.] a.F. folgt jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von §
7 Abs.
2 Satz
3 VerbrKrG bzw. §
2 Abs.
1 Satz
4 [X.]. Danach [X.] ein Widerrufsrecht nach beiderseits
vollständiger Leistungserbrin-gung.

aa) Allerdings ist streitig, ob das Widerrufsrecht nach §
8 Abs.
4 [X.] a.F. bei Fehlen einer ausreichenden Belehrung unbegrenzt ist (so [X.] in [X.]/[X.], [X.] 25.
Aufl. §
8 Anm.
10) oder nach vollständi-ger Leistungserbringung (so [X.],
[X.], 725, 729; [X.],
[X.] 1991, 632, 636).

bb) Letzteres trifft zu. Die Regelungslücke des §
8 Abs.
4 [X.] a.F. hinsichtlich der Folgen der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Wi-derrufsbelehrung (s.o. unter [X.])
ist nicht allein durch die [X.] Anwendung der §
7 Abs.
2 Satz
2 VerbrKrG und §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.] beseitigt, wonach der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der [X.] Belehrung beginnt. Dies führte bei Fehlen der [X.] zu einem grundsätzlich zeitlich unbegrenzten Widerrufsrecht bei im Zeitraum vom 1.
Januar 1991 bis 28.
Juli 1994 geschlossenen Versicherungsverträgen, während die im selben Zeitraum gültigen Rege-lungen des Haustürwiderrufsgesetzes
und des
Verbraucherkreditgeset-25
26
27
-
12
-

zes
ein solches zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht nicht vorsahen. Die planwidrige Regelungslücke erstreckt sich daher auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht bei fehlender Beleh-rung erlischt.

Diese Regelungslücke ist
durch eine analoge Anwendung der an §
7 Abs.
2 Satz
2 VerbrKrG und §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.] anknüpfenden Regelungen in §
7 Abs.
2 Satz
3 VerbrKrG und
§
2 Abs.
1 Satz
4 [X.] zu schließen, wonach das Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung erlischt (vgl. zu §
2 Abs.
1 Satz
4 [X.]: [X.], Urteil vom 10.
November 2009
XI ZR 252/08, [X.]Z 183, 112 Rn.
15
ff.). Der diesen Erlöschenstatbeständen zugrunde liegende Rechtsgedanke lässt sich auf das Widerrufsrecht nach §
8 Abs.
4 [X.] a.F. übertragen. Mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung wollte der Gesetzgeber [X.] schaffen (so zu §
2 Abs.
1 Satz
4 [X.]: [X.], Urteil vom 18.
Oktober 2004

II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 unter II 5
zu; [X.][X.], [X.] 2.
Aufl. §
2 Rn.
57); ein insgesamt abgeschlos-sener Sachverhalt sollte nicht rückwirkend wieder aufgegriffen werden ([X.] aaO). Die Regelungen beruhen auf der Überlegung, dass für einen Widerruf deshalb kein Anlass mehr besteht,
weil das Schuldverhältnis durch einen "lückenlosen"
Leistungsaustausch zwischen den Parteien abgewickelt worden ist ([X.]/[X.], BGB 13.
Aufl. §
7 Ver-brKrG Rn.
48; ähnlich [X.]/[X.], 3.
Aufl. §
7
VerbrKrG Rn.
31; [X.], VerbrKrG
2.
Aufl. §
7 Rn.
38a). Zwar kann der Widerrufsberechtigte auch nach Beendigung eines Vertrages und Erlö-schen der beiderseitigen Leistungspflichten noch ein Interesse an einer Rückabwicklung des Vertrages haben; daher schließt die Kündigung ei-nen späteren Widerruf nicht generell aus (s.o. unter a). Die im [X.]
-
13
-

türwiderrufsgesetz und [X.] geregelten Erlöschens-tatbestände basieren jedoch auf dem Gedanken, dass bei beiderseits vollständiger Leistungserbringung dieses Interesse des Widerrufsberech-tigten gegenüber dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zurücktreten soll.

cc) Das Erlöschen des Widerrufsrechts aus §
8 Abs.
4 Satz
1 [X.] a.F. nach vollständiger beiderseitiger Leistungserbringung verstößt nicht gegen Europarecht, insbesondere nicht gegen die Vorgaben der [X.]/619/[X.] des Rates vom 8.
November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) und der [X.]/[X.] des Rates vom 10.
November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung). Der Europäi-sche Gerichtshof
hat für Haustürgeschäfte die Regelung des §
2 Abs.
1 Satz
4 [X.] a.F. als richtlinienkonform angesehen ([X.],
Urteil vom 10.
April 2008, [X.].
[X.]/06, [X.], 1865 Rn.
40-45

"[X.]"). Die Befristung des Widerrufsrechts ab der vollständigen Erbringung der Leistung
sei auch bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung mit Art.
5 Abs.
1 der Richtlinie 85/577/[X.] des Rates vom 20.
Dezem-ber 1985 (Richtlinie über Haustürgeschäfte) zu vereinbaren, wonach der Verbraucher das Recht besitze, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten. Die Verwendung des Begriffs "Verpflichtung"
in der Richtlinie weise darauf hin, dass das Widerrufsrecht ausgeübt werden könne, es sei denn, dass für den Verbraucher aufgrund der vollständigen Durchführung des Vertrages keine Verpflichtungen aus dem Vertrag mehr bestünden ([X.] aaO Rn.
42). Anhaltspunkte, dass für vollständig abgewickelte Lebensversicherungsverträge ein weitergehendes Schutz-niveau gelten soll, ergeben sich weder aus der Richtlinie 90/619/[X.] noch aus der Richtlinie
92/96/[X.].
29
-
14
-

dd) Die Parteien hatten vor Erklärung des Widerrufs ihre beidersei-tigen Leistungen vollständig erbracht. Die Kündigung des [X.], die zum 1.
April 2000 wirksam wurde, hat die Verpflich-tung des [X.] zur Prämienzahlung beendet und den Anspruch auf den Rückkaufswert ausgelöst. Mit anschließender Auszahlung des [X.] haben die Parteien den Vertrag einvernehmlich beendet. Unerheblich ist, dass aufgrund der vorzeitigen Kündigung des [X.] die für die gesamte Vertragslaufzeit vereinbarten Pflichten, d.h. insbesondere die Pflicht des [X.] zur Beitragszahlung und die Pflicht der [X.] zur Auszahlung der Ablaufleistung, nicht vollständig erfüllt worden sind. Denn die Kündigung des [X.] und anschließende Auszahlung des Rückkaufswertes ist als eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung im Vertragsverhältnis ange-legt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zählt zu den vertraglich versprochenen Leistungen bei einer Lebensversicherung auch der [X.] nach Kündigung des Vertrages; das Recht auf den [X.] ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die [X.] (vgl. Senatsurteile vom 14.
Juli 2010

IV ZR 208/09, [X.], 1067 Rn.
13; vom 18.
Juni 2003

[X.], [X.], 1021 unter I[X.] b; vom 22.
März 2000

IV ZR 23/99, [X.], 709 un-ter II 3 a; so bereits [X.], Urteil vom 17. Februar 1966

[X.], [X.]Z 45, 162, 167). Von einer vollständigen Leistungserbringung ist [X.] dann auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer

wie hier

den Rückkaufswert akzeptiert
hat.

ee) Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob das Widerrufs-recht aus §
8 Abs.
4 Satz
1 [X.] a.F. entsprechend
§
7 Abs.
2 Satz
3 VerbrKrG unmittelbar nach beiderseitiger Leistungserbringung oder ent-30
31
-
15
-

sprechend §
2 Abs.
1 Satz
4 [X.] erst einen Monat später erlischt, da der Kläger den Vertrag erst zehn Jahre nach der einvernehmlichen Ab-wicklung widerrufen hat.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.05.2011 -
2 O 279/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.02.2012 -
8 [X.] -

Meta

IV ZR 52/12

16.10.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2013, Az. IV ZR 52/12 (REWIS RS 2013, 1938)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1938

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

20 U 56/14

20 U 73/14

Zitiert

IV ZR 52/12

IV ZR 208/09

Zitieren mit Quelle:
x

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