Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2013, Az. V ZR 103/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6681

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BUNDESGERI[X.]HTSHO[X.]

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
103/12
Verkündet am:

12. April 2013

Lesniak

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 745 Abs. 2; [X.] § 21 Abs. 3
a)
Stimmen einzelne Wohnungseigentümer einer Veräußerung von Teilen des ge-meinschaftlichen Grundstücks nicht zu, können sie nicht durch einen Mehrheits-beschluss dazu verpflichtet werden; weil die
Veräußerung die sachenrechtlichen Grundlagen der [X.] betrifft, stellt sie keine Verwaltung im Sinne von §
21 Abs. 3 [X.] dar und kann auch nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein.
b)
Ein [X.] kann nicht auf §
745 Abs. 2 [X.] gestützt werden, weil diese Vorschrift durch das Wohnungseigentumsgesetz verdrängt wird; er kann sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen aus der Treuepflicht der [X.] ergeben.
[X.], Urteil vom 12. April 2013 -
V [X.] -
LG Bamberg

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann,
[X.]
Lemke, Prof.
Dr.
[X.]-Räntsch und Dr.
Roth und die Richterin Dr.
Brückner

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 28. März 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Mitglied die Beklagte ist. Das im Miteigentum der Wohnungseigentümer stehende Grundstück ist ca. 5.500 qm groß. Der [X.] errichtete Mitte der Grundstücke; ein Teilstück der Mauer setzte er versehentlich auf das [X.] der Wohnungseigentümer. Nachdem dieser Umstand bekannt geworden war, beschlossen die Wohnungseigentümer am 2. Juli 2003 mehrheitlich, die durch die Mauer abgetrennte gemeinschaftliche Teilfläche von ca. 7 qm für

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Am 29. April 2005 schlossen der [X.] und die Verwalte-rin als Vertreterin der Wohnungseigentümergemeinschaft einen notariellen Grundstückskaufvdie erforderliche Genehmigung des Vertrags durch alle Wohnungs-
und Teilei-gentümer hingewiesen wurde. Mit Ausnahme der [X.] genehmigten alle Eigentümer den Verkauf. Die Beklagte befürchtet, dass der Verkauf es dem Nachbarn erleichtern könnte, den bislang unverstellten Blick aus ihrer Wohnung .

e-schlossen die Wohnungseigentümer, den Verkauf zu vollziehen und -
sofern der Mehrheitsbeschluss für die Vollziehung im Grundbuch nicht ausreiche -
die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer gegebenenfalls gerichtlich in [X.] zu nehmen. Das Grundbuchamt lehnte die Umschreibung ab.
Die Klage, mit der die Klägerin die Beklagte zu
der Erteilung der Geneh-migung zu dem Kaufvertrag vom 29. April 2005 verurteilen lassen will, hat vor dem Amtsgericht Erfolg gehabt. Auf die Berufung der [X.] hat das Land-gericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will die Klägerin die Zu-rückweisung der Berufung erreichen.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht sieht den Beschluss vom 2. Juli 2003 als nichtig an. Es fehle an der erforderlichen Beschlusskompetenz. Die Veräußerung von Grundstücksflächen, die im Miteigentum stehen, diene nicht der Verwaltung des verbleibenden Eigentums und stelle aus diesem Grund schon begrifflich keine 2
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Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dar. Jedenfalls handele es sich
nicht um eine Maßnahme laufender Verwaltung; erforderlich sei ein einstimmi-ger Beschluss. Der Anspruch könne auch nicht auf §
745 Abs. 2 [X.] gestützt werden, weil diese Norm durch die Bestimmungen des [X.] verdrängt werde. Soweit ein Anspruch aus dem [X.]sver-hältnis der Miteigentümer hergeleitet werden könne, sei bereits die Aktivlegiti-mation der Klägerin fraglich. Jedenfalls könne die Zustimmung zu der [X.] nur dann verlangt werden, wenn andernfalls ein nicht unerheblicher Nach-teil für die [X.] drohe; dafür gebe es keine Anhaltspunkte.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Allerdings sind die Zweifel des Berufungsgerichts an der Prozessfüh-rungsbefugnis der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft unbegründet. Diese ist auch insoweit gegeben, als sich die Klägerin auf [X.] stützt, die den Wohnungseigentümern als Individualansprüche gegen die Beklagte zustehen.
Denn durch den Beschluss vom 27. Mai
2009, der vorsieht, dass der Verkauf vollzogen werden soll und nicht zustimmende Miteigentümer gegebenenfalls gerichtlich in Anspruch genommen werden sollen, sind solche etwaigen Ansprüche dem Verband zur Ausübung übertragen worden; weil der erforderliche [X.]sbezug besteht, ist die Klägerin gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 2 [X.] prozessführungsbefugt (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juni 2010

[X.], NJW 2010, 2801 Rn. 7;
Urteil vom 15. Januar 2010

[X.], NJW 2010, 933 Rn. 7). Das gilt nach § 140 [X.] selbst dann, wenn der genannte Beschluss im Übrigen wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig sein sollte (Senat, Urteil vom 18. Juni 2010

[X.], [X.]O).
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2. Der notarielle [X.] sieht vor, dass er erst dann wirksam wird, wenn alle Miteigentümer ihre Genehmigung erteilt haben. [X.] ist daher, ob die übrigen Miteigentümer von der [X.] die Ertei-lung der Genehmigung verlangen können; dies verneint das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei.
a) Aus den
Beschlüssen vom 2. Juli 2003 und vom 27. Mai 2009 lässt sich ein solcher Anspruch nicht herleiten. Wenn die Beschlüsse

wie das Beru-fungsgericht meint

so auszulegen sind, dass die Beklagte zu der Erteilung der Zustimmung verpflichtet werden sollte, sind sie in Ermangelung einer Be-schlusskompetenz nichtig. Denn eine Veräußerung von Teilen des [X.] Grundstücks betrifft die sachenrechtlichen Grundlagen der [X.] und stellt schon aus diesem Grund

entgegen der Auffassung der Revision

keine Verwaltung im Sinne von §
21 Abs. 3 [X.] dar ([X.], [X.], 11. Aufl., §
20 Rn. 6 a.E.; [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl., §
20 [X.] Rn. 3; Vandenhouten in [X.]/Kümmel/Vandenhouten, [X.], 10.
Aufl., § 21 Rn.
5; Meikel/[X.], GBO, 10. Aufl., [X.]. [X.] Rn. 60; [X.], [X.] [2005],
§ 20 [X.] Rn. 7). [X.]olglich besteht auch für die [X.] Verpflichtung zu einer solchen Veräußerung keine Beschlusskompe-tenz.
b) Aus dem gleichen Grund kann der Anspruch nicht auf § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] gestützt werden. Nach dieser Bestimmung kann jeder [X.] eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung verlangen. Das Be-gehren der Wohnungseigentümer ist indes nicht auf die
Mitwirkung an einer Vereinbarung gerichtet. Mit einer Vereinbarung wird das [X.]sverhält-nis
der Wohnungseigentümer inhaltlich ausgestaltet. Eine vertragliche Rege-lung der sachenrechtlichen Zuordnung ist davon zu unterscheiden (vgl. § 5 Abs.
3, 4 [X.]; näher Senat, Urteil vom 4. April 2003

[X.], NJW 8
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2003, 2165, 2166). Sie kann nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein (vgl. Senat, Urteil vom 11. Mai 2012

[X.], NJW-RR 2012, 1036 Rn. 8; Ur-teil vom 4. April 2003

[X.], [X.]O; vgl. auch BT-Drucks. 16/887, [X.]), und zwar auch dann nicht,
wenn die Vereinbarung nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Mitwirkung an der Änderung der sachenrechtlichen Grundla-gen der [X.] begründet (Senat, Urteil vom 4. April 2003

[X.], [X.]O). Eine Veräußerung, wie sie hier beabsichtigt ist, betrifft nicht das [X.]sverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, sondern die Eigentumsverhältnisse und damit die sachenrechtlichen Grundlagen der [X.]. Einzelne Wohnungseigentümer können danach im Innenverhältnis eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen nicht im Wege
einer woh-nungseigentumsrechtlichen Vereinbarung erzwingen

10 Abs.
2 Satz
3 [X.]); dies gilt erst recht für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Dritten, das auf eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen gerichtet ist.
c) Weil das Wohnungseigentumsgesetz danach ein abschließendes [X.] enthält, kann der Anspruch

wie das Berufungsgericht zutref-fend erkannt hat

auch nicht auf §
745 Abs. 2 [X.] gestützt werden. Während § 747 Satz 2 [X.], wonach eine Verfügung über das gemeinschaftliche [X.] nur gemeinschaftlich erfolgen kann, auch im Verhältnis zwischen [X.]n gilt, wird § 745 [X.] durch das Wohnungseigentumsgesetz verdrängt (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 [X.]; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., § 10 Rn. 49 f.; Merle
in Bärmann, [X.], 11. Aufl., § 21 Rn. 23). Schon aus die-sem Grund beruft sich die Revision ohne Erfolg auf die zu § 745 Abs. 1 und 2 [X.] ergangene Rechtsprechung, wonach einzelne Bruchteilseigentümer unter bestimmten Voraussetzungen an einer gemäß §
747 Satz 2 [X.] erforderlichen gemeinschaftlichen Verfügung über den einzelnen Gegenstand mitwirken [X.] ([X.], Urteil vom 4. Mai 1987

II
ZR 211/86, [X.]Z 101, 24 ff.; Urteil vom 16. November 1998

[X.], [X.]Z 140, 63, 68 f.; zu § 2038 Abs. 2 Satz 1 10
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i.V.m.
§ 745 Abs. 2
[X.] vgl. [X.], Urteil vom 28. September 2005

[X.], [X.]Z 164, 181, 184 ff.; Urteil vom 11. November 2009

[X.], [X.]Z 183, 131, 136 ff.).
d) Nach alledem kann sich der Anspruch auf Mitwirkung allein aus der Treuepflicht der [X.] ergeben, die im Verhältnis zu den übrigen [X.]n besteht.
[X.]) Nach der Rechtsprechung des Senats kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen aufgrund des [X.]sverhältnisses nach Treu und Glauben (§
242 [X.]) eine Verpflichtung der Miteigentümer zur Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der [X.] bestehen. Dies setzt [X.] voraus, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Verweige-rung der Zustimmung als grob unbillig und damit als Verstoß gegen den [X.] erscheinen lassen
(eingehend Senat, Urteil vom 11.
Mai 2012

[X.], NJW-RR 2012, 1036
Rn. 11 f.).
bb) Diese Voraussetzungen verneint das Berufungsgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei; es ist zwar von einem anderen
Prüfungsmaßstab ausgegan-h-nungseigentümer als ausreichend angesehen hat, hat aber sogar diese [X.] Anforderungen als nicht erfüllt angesehen. Außergewöhnliche Gründe, die einen
[X.] begründen könnten, sind nicht schon dann an-zunehmen, wenn eine Handlungsalternative sinnvoller als andere erscheint. Hier stehen den Wohnungseigentümern verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Ohne den Verkauf entgeht ihnen zwar eine Einnahme von 5.000

Klägerin steht zu Unrecht auf dem Standpunkt, dass die Teilfläche für ihre [X.] aufgrund der Errichtung der Mauer nutzlos geworden ist. Scheitert die
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Veräußerung, haben die Wohnungseigentümer nämlich auf Dauer die [X.], im Verhältnis zu dem Nachbarn von ihren Rechten als Eigentümer Ge-brauch zu machen. So können sie bei einer späteren Entfernung der Mauer auf der Einhaltung der Grundstücksgrenzen
bestehen; auch können sie unabhängig von nachbarrechtlichen Vorschriften eine Erhöhung der Mauer verhindern. [X.] besteht der Herausgabeanspruch gemäß §
985 [X.] unabhängig von der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs gemäß §
1004 [X.] und unterliegt gemäß §
902 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch nicht der Verjährung; selbst wenn der Beseiti-gungsanspruch gemäß § 1004 [X.] verjährt sein sollte, dürften die [X.] das Teilstück der Mauer selbst beseitigen (näher Senat, Urteil vom 28. Januar 2011

[X.], NJW 2011, 1068 Rn. 9; Urteil vom 28.
Januar 2011

[X.], NJW 2011, 1069
Rn. 18). Sprechen danach schon keine
außergewöhnlichen Umstände für das Begehren der übrigen Wohnungseigen-tümer, kommt es nicht darauf an, ob die Befürchtungen der [X.] hinsicht-lich einer möglichen Bebauung des Nachbargrundstücks sachlich begründet sind oder nicht.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann

Lemke

[X.]-Räntsch

Roth

Brückner

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.08.2011 -
105 [X.] 861/11 [X.] -

LG Bamberg, Entscheidung vom 28.03.2012 -
2 S 42/11 [X.] -

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Meta

V ZR 103/12

12.04.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2013, Az. V ZR 103/12 (REWIS RS 2013, 6681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6681

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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