Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2021, Az. 6 StR 387/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 1095

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Gegenstand

Wiedereinsetzung im Strafverfahren: Beiordnung eines Pflichtverteidigers für die Anfertigung der Revisionsbegründung bei bestehendem Mandat des Wahlverteidigers


Tenor

Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der [X.] sowie seine Revision gegen das Urteil des [X.] vom 15. März 2021 werden als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen mehrfachen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte begehrt nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts.

2

1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

3

Gegen das Urteil des [X.]s legte der Angeklagte selbst am 18. März 2021 Revision ein. Am 27. April 2021 wurde das Urteil dem (Wahl-)Verteidiger des Angeklagten zugestellt. Mit Schreiben vom 30. April 2021 teilte der Angeklagte dem [X.] mit, dass er kein Vertrauen mehr in seinen Wahlverteidiger habe und ihn nicht bezahlen könne. Er beantragte, ihm für die Anfertigung der [X.] einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Unter dem 20. Mai 2021 teilte der Vorsitzende ihm mit, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erst erfolgen könne, wenn das Mandat des [X.] beendet und dies dem [X.] mitgeteilt sei. Mit Schreiben vom 17. Juni 2021 übermittelte das [X.] dem Angeklagten und seinem Verteidiger den Antrag der Staatsanwaltschaft, die Revision wegen Ablaufs der [X.] als unzulässig zu verwerfen. Am 21. Juni 2021 ging beim [X.] die Mitteilung des [X.] über die Mandatsniederlegung ein.

4

Am 24. Juni 2021 beauftragte der Angeklagte Rechtsanwalt   M.    mit seiner weiteren Vertretung. Noch innerhalb der „Stellungnahmefrist“, die der Vorsitzende antragsgemäß bewilligt hatte, führte dieser mit Schriftsatz vom 13. Juli 2021 aus, seinem Mandanten sei aufgrund unverschuldeter Fristversäumnis „von Amts wegen“ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und Frist zur Fertigung der Revisionsbegründung einzuräumen. Zugleich begründete er die Revision „höchst vorsorglich“ mit der allgemeinen Sachrüge.

5

2. Das nach § 300 [X.] analog als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzusehende Ersuchen ist unzulässig.

6

Der [X.] hat ausgeführt:

„Nach § 45 Abs. 2 [X.] bedarf es einer Darlegung und Glaubhaftmachung der Tatsachen, die ein Verschulden des Verurteilten an der Versäumung der Frist des § 345 Abs. 1 [X.] ausschließen könnten. Die Begründung des Antrags erfordert daher grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Säumnis gekommen ist (vgl. KK/Maul, [X.], 8. Aufl. 2019, § 45 RdNr. 6 m. w. N.).

Dem Schreiben des Verteidigers Rechtsanwalt   M.     sind keine Ausführungen zu einem Hindernis, welches der Einreichung der [X.] entgegengestanden haben könnte, zu entnehmen. Ausweislich der ... Verfahrenstatsachen war der Angeklagte während des gesamten Laufs der [X.], nämlich von Dienstag, dem 27. April 2021, bis Donnerstag, den 27. Mai 2021, durch seinen Wahlverteidiger, Rechtsanwalt [X.]  , dem auch das Urteil zugestellt wurde, anwaltlich vertreten. Ereignisse, die eine fristgerechte Einreichung der [X.] gehindert haben könnten, sind nicht vorgetragen. Der Verweis auf ein ‚Abrücken‘ des Angeklagten von seinem Wahlverteidiger sowie einen weder im Schreiben des Angeklagten vom 30. April 2021 noch im Schriftsatz des Rechtsanwalts   M.   näher dargetanen und mithin nicht nachvollziehbaren Vertrauensverlust, genügen insoweit nicht.“

7

Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend:

8

Es sind keine Umstände mitgeteilt, die einen „offenkundigen Mangel“ der Verteidigung begründen könnten, dem das [X.] im Blick auf die Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c EMRK) hätte entgegenwirken müssen (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 28. Juni 2016 - 2 StR 265/15, [X.]R [X.] § 44 Verschulden 11; vom 18. Januar 2018 - 4 [X.], NStZ-RR 2018, 84).

9

Darüber hinaus hätte der Angeklagte - neben der Möglichkeit, die Revisionsbegründung eigenständig zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären, und im Unterschied zu Konstellationen, in denen ein von § 143a [X.] geregelter Wechsel des bestellten Pflichtverteidigers angestrebt wird, - selbst einen Verteidigerwechsel bewirken können, wie er es später auch getan hat. Er konnte nicht darauf vertrauen - worauf er sich auch nicht berufen hat -, das [X.] werde ihm aufgrund seines Antrags auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers trotz weiterhin bestehenden [X.] einen solchen bestellen; das gilt jedenfalls seit Erhalt des gerichtlichen Schreibens vom 20. Mai 2021. Dass ihm dieses nicht zugegangen sei, ist weder dargelegt noch gar glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich. Gleiches gilt für ein etwaiges, dem Angeklagten nicht zuzurechnendes Verschulden des damaligen [X.] im Kontext der dem [X.] erst Wochen später angezeigten Mandatsniederlegung.

Für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gelten keine geringeren Anforderungen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 [X.]; vgl. LR-[X.]/Graalmann-Scheerer, 27. Aufl., § 45 Rn. 30).

3. Die Revision des Angeklagten ist nach alldem wegen Versäumung der Frist des § 345 Abs. 1 [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 [X.]).

[X.]     

        

König     

        

Feilcke

        

Tiemann     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 387/21

15.11.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Ansbach, 15. März 2021, Az: KLs 1042 Js 3405/20

§ 44 StPO, § 45 Abs 2 StPO, § 140 StPO, §§ 140ff StPO, § 345 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2021, Az. 6 StR 387/21 (REWIS RS 2021, 1095)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1095

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 265/15

4 StR 610/17

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