Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2013, Az. IX ZR 6/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 549

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZR 6/13

vom

5. Dezember 2013

in dem
Rechtsstreit

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
die
Richter
Prof. Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und Grupp

am
5. Dezember
2013
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen den
die Berufung zurückweisenden
Beschluss des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 3. Dezember 2012 zugelassen.

Auf die Revision der Klägerin wird der vorbezeichnete Beschluss
aufgehoben und die Sache
zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-rufungsgericht
zurückverwiesen.

Der Wert für das Revisionsverfahren
wird auf 254.125,74

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die beklagte Steuerberatergesellschaft wegen fehler-hafter Beratung im Zusammenhang mit einer Verschmelzung zweier Gesell-schaften, die zur G.

Unternehmensgruppe gehörten, auf [X.] in Anspruch.
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3

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Mit notariellem Vertrag vom 22.
Februar 2007 beschlossen die damalige
T.

GmbH und die M.

GmbH ihre Verschmel-zung, wobei die T.

GmbH als übertragender Rechtsträger ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten im Wege der Verschmel-zung durch Aufnahme auf die M.

GmbH übertrug. Im Rahmen einer zugleich vereinbarten Satzungsänderung wurde der Name der überneh-menden Gesellschaft von M.

GmbH auf T.

GmbH -
jetzige Klägerin
-
geändert. Die Änderungen wurden am 26.
März 2007 (Umfirmierung) und am 2.
April 2007 (Verschmelzung) in das Handelsregister eingetragen.

Zum 31. Dezember 2006 bestanden für die ursprüngliche T.

GmbH Verlustvorträge bei der Körperschaftsteuer in Höhe von 1.194.785

n-über bestanden für die übernehmende Gesellschaft bei der Körperschaftsteuer keine Verlustvorträge und bei der Gewerbesteuer Verlustvorträge von lediglich 24.609

12 Abs.
3, §
4 Abs.
2 [X.] sind die Verlustvorträge der ursprünglichen T.

GmbH nicht auf die übernehmende Gesell-schaft übergegangen.

Die Klägerin macht diesen Verlust als Schaden geltend. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlan-desgericht unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 11.
Oktober 2012 mit Beschluss vom 3.
Dezember 2012 zurückgewiesen. Hiergegen [X.] sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

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4

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II.

[X.] ist statthaft (§
522 Abs.
3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2, §
544 ZPO, §
26 Nr.
8 EGZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg; sie führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Zulassung der Revision, Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulas-sungsbeschwerde rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht habe das Verfahrens-grundrecht der Klägerin
auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei Geltendmachung eines [X.] wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung habe die Schadens-berechnung des Mandanten auf der Grundlage der Differenztheorie durch einen Gesamtvermögensvergleich zu erfolgen. Der Geschädigte dürfe sich nicht [X.] beschränken, nur einzelne steuerliche Nachteile herauszugreifen. Diesen Anforderungen genüge der Sachvortrag der Klägerin nicht. Zwar stütze sie ihre Schadensberechnung nicht nur auf einen einzigen Steuernachteil -
die Körper-schaftsteuer
-
sondern habe auch den damit zusammenhängenden [X.] und die Gewerbesteuer einbezogen. Sie gehe aber selbst davon aus, dass es Ziel der Unternehmensumgestaltung gewesen sei, durch die [X.] und Vereinheitlichung der Gesellschaften in einem Betriebsunter-nehmen Kosten zu sparen und Synergie-Effekte zu nutzen. Diese Gesichts-punkte hätten in die Schadensberechnung eingestellt werden müssen. Bei der Verschmelzung einer Gesellschaft auf eine andere handele es sich um einen komplexen Vorgang. In einem sollen Fall genüge der Mandant, der seinen [X.] auf Schadensersatz in Anspruch nehme, seiner Verpflichtung zum Scha-densnachweis nicht dadurch, dass er einige
nachteilige Steuerfolgen heraus-5
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-
greife. Vielmehr müssten sämtliche Vor-
und Nachteile umfassend gegeneinan-der abgewogen werden. Hierzu fehlten die notwendigen Ausführungen der Klä-gerin.

2. [X.] sieht mit Recht eine Verletzung des [X.] der Klägerin aus Art.
103 Abs.
1 GG darin, dass das Berufungsgericht ihr Vorbringen zur jeweiligen Auswirkung der Verschmelzung nach den beiden in Betracht kommenden Richtungen unberücksichtigt gelassen hat.

a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art.
103 Abs.
1 GG ([X.], [X.] vom 11.
Mai 2010 -
VIII
ZR
212/07, NJW-RR 2010, 1217 Rn.
10; [X.] vom 19.
Januar 2012 -
V
ZR
141/11, [X.], 164
Rn.
8; vom 6.
Februar 2013 -
I ZR 22/12, [X.] 2013, 430 Rn. 10). Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer [X.] gestellt hat. Es verschließt sich in einem solchen Fall der Erkenntnis, dass eine [X.] ihrer Darlegungslast schon dann genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Eine sol-che nur scheinbar das [X.]vorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Berufungsgerichts dar, in der nach Art.
103 Abs.
1 GG gebo-tenen Weise den [X.]vortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhalt-lich auseinanderzusetzen ([X.], Urteil vom 22.
Juni 2009 -
II
ZR
143/08, [X.], 2598 Rn.
2).

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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9
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6

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aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht die Grund-sätze über den Gesamtvermögensvergleich
herangezogen.
Danach ist im Rahmen der [X.] nicht auf Einzelpositionen (hier: einzelne Steuerverluste) abzustellen, sondern eine Gegenüberstellung der hypotheti-schen und der tatsächlichen Vermögenslage vorzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Januar 2006 -
IX
ZR 232/01, [X.], 927 Rn.
33; vom 7.
Februar 2008 -
IX
ZR 149/04, [X.], 946 Rn.
45; vom 19. Mai 2009 -
IX ZR 43/08, [X.], 1376 Rn. 18; vom 17.
März 2011 -
IX
ZR 162/08, [X.], 1529 Rn.
16).

[X.]) Den vom Berufungsgericht für maßgeblich angesehenen
Gesichts-punkten
einer Kostenersparnis und weiterer Synergie-Effekte
kommt hier keine eigenständige Bedeutung zu; weiterer Vortrag der Klägerin hierzu war nicht ge-boten. Hinsichtlich des geltend gemachten Beratungsfehlers geht es aus-schließlich um die Frage, in welche Richtung die Verschmelzung hätte vorge-nommen werden müssen. Nach dem Sachvortrag der Klägerin ist das ver-schmolzene Unternehmen nach jeder der beiden in Betracht kommenden Handlungsalternativen wirtschaftlich identisch mit dem nunmehr am Markt täti-gen Unternehmen.
Unter diesen Umständen ist nach dem Sachvortrag der Klä-gerin auch kein Anhalt für die Berücksichtigung weiterer Vorteilsausgleichungen in Form von Kosteneinsparungen und Synergie-Effekten
gegeben. Diesen Kerngehalt
des klägerischen Vortrags hat das Berufungsgericht verkannt. Aus seinen Erwägungen wird nicht deutlich, was die Klägerin noch hätte vortragen sollen, wenn die Verschmelzung in die andere Richtung erfolgt wäre.
Das [X.] hat damit verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an die [X.] der Klägerin gestellt.
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7

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III.

Der angefochtene Beschluss beruht danach auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn es den als unsubstantiiert behandelten Sachvortrag der Klägerin in die Entscheidungsfindung einbezogen und gegebenenfalls hierzu erforderlichen Beweiserhebungen nachgegangen wäre.

Kayser
Gehrlein
[X.]

Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.05.2012 -
1 O 423/11 -

O[X.], Entscheidung vom 03.12.2012 -
13 [X.] -

12

Meta

IX ZR 6/13

05.12.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2013, Az. IX ZR 6/13 (REWIS RS 2013, 549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 549

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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