Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.11.2010, Az. V B 119/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 1173

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Gegenstand

Kein Abzug der Versicherungsteuer als Vorsteuer


Leitsatz

NV: Die Versicherungsteuer ist keine "gesetzlich geschuldete Steuer" i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und kann nicht als Vorsteuer abgezogen werden .

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet und hat daher keinen Erfolg. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

2

1. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob die gezahlte Versicherungsteuer auf seine Berufshaftpflichtbeiträge eine "gesetzlich geschuldete Steuer" i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) ist und als Vorsteuer abgezogen werden kann, ist nicht klärungsbedürftig.

3

a) Voraussetzung für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) unter anderem, dass eine durch den Streitfall aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Dies ist der Fall, wenn die Klärung der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Fortentwicklung des Rechts dient, etwa wenn es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handelt, deren Bedeutung sich nicht in der Entscheidung des konkreten (individuellen) Einzelfalls erschöpft ([X.]-Beschlüsse vom 27. Oktober 2008 [X.]/07, [X.]/NV 2009, 118; vom 1. September 2008 [X.], [X.]/NV 2009, 133; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, mit Nachweisen). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie eindeutig so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht ([X.]) in dem angefochtenen Urteil getan hat; sie muss dann nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden ([X.]-Beschluss vom 6. Mai 2004 [X.], [X.]E 205, 416, [X.] 2004, 748, unter II.2.).

4

b) Dies ist hier der Fall. Dem [X.] ist darin zuzustimmen, dass die Versicherungsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden kann.

5

aa) Die im Streitfall maßgebliche Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG  beruht auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]). Soweit der Steuerpflichtige (Unternehmer) Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, ist er nach dieser Bestimmung befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete "Mehrwertsteuer" für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Trotz der Unterschiede im Wortlaut entspricht das nationale Recht im Ergebnis Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.] (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. [X.]-Urteile vom 3. Juli 2008 [X.], [X.]E 222, 128, [X.] 2009, 213, unter [X.]; vom 6. Mai 2010 [X.], [X.]E 230, 263, [X.] 2010, 885).

6

bb) Die Versicherungsteuer ist bei [X.] Auslegung weder eine "Mehrwertsteuer" im Sinne der [X.]/[X.] noch eine "gesetzlich geschuldete Steuer" gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Damit eine Steuer "Mehrwertsteuer" im Sinne der [X.]/[X.] ist, müssen vier Merkmale erfüllt sein, nämlich (1) die allgemeine Geltung für alle sich auf Gegenstände oder Dienstleistungen beziehenden Geschäfte, (2) die Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält, (3) die Erhebung dieser Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze und (4) der Abzug der auf den vorhergehenden Produktions- und Vertriebsstufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer, so dass sich diese Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird (vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- vom 11. Oktober 2007 C-283/06 und [X.]/06, [X.] u.a., Slg. 2007, [X.]. 37; [X.]-Beschluss vom 27. November 2008 [X.]/08, Vollkommer, [X.], 223 Rdnr. 31 zur [X.] Grunderwerbsteuer; [X.]-Entscheidung vom 9. Oktober 2002 [X.], [X.]E 199, 507, [X.] 2002, 887).

7

Die Versicherungsteuer ist nach diesen Vorgaben keine Mehrwertsteuer in diesem Sinne, weil sie keine allgemeine Steuer ist, die alle wirtschaftlichen Vorgänge in [X.] erfasst. Steuergegenstand gemäß § 1 Abs. 1 des Versicherungsteuergesetzes ([X.]) vom 10. Januar 1996 ([X.] 1996, 22, in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung) ist nur die Zahlung des [X.] auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Der vom Kläger zitierten Regelung in Art. 33 Abs. 1 der [X.]/[X.] lässt sich überdies unmittelbar entnehmen, dass das Unionsrecht zwischen "Abgaben auf Versicherungsverträge" und "Mehrwertsteuern" unterscheidet. Der [X.] hat schließlich im Urteil vom 29. April 2004 [X.]/01, [X.]. ([X.]/NV Beilage 2004, 237 [X.]. 33, 35) die [X.] Versicherungsprämiensteuer nicht als Mehrwertsteuer im Sinne der [X.]/[X.] angesehen. Die Ausführungen des [X.] unter [X.]. 33, 35 des Urteils [X.] lassen sich auf die [X.] Versicherungsteuer übertragen. Weiter sieht das [X.] auch keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug vor. Die nach dem [X.] erhobene Steuer ist auch daher nicht als Mehrwertsteuer anzusetzen. § 15 UStG verweist auch nicht auf das [X.].

8

2. Die Beschwerde ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O unzulässig, soweit der Kläger vorbringt, die Nichtabzugsfähigkeit der Versicherungsteuer auf Grundlage der vorstehenden richtlinienkonformen Auslegung führe zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ([X.]). Das genügt den [X.] nicht, weil der Kläger nicht erläutert, aus welchen Gründen die von ihm angegriffene gleichheitswidrige richtlinienkonforme Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG, wenn der Senat seiner Sichtweise folgen sollte, in einem Revisionsverfahren zu einer zulässigen Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 [X.] an das [X.] ([X.]) und damit zur Klärung des behaupteten Verfassungsverstoßes führen könnte. Hierzu hätte im Streitfall Anlass bestanden, denn das [X.] übt seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Unionsrecht in [X.], das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten [X.]r Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik [X.] in Anspruch genommen wird, nicht mehr aus und überprüft dieses Recht mithin nicht am Maßstab der Grundrechte des [X.], solange die [X.], insbesondere die Rechtsprechung des [X.], einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleistet, der dem vom [X.] jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist (Beschluss des [X.] vom 13. März 2007  1 [X.], [X.]E 118, 79). Dies gilt nach dem vorstehenden Beschluss gerade auch für eine innerstaatliche Rechtsvorschrift (hier: § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), die eine Richtlinie in [X.]s Recht umsetzt, wenn das Unionsrecht (wie Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.]) keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht. Das [X.] hat den Kläger auf diese Rechtsprechung ausdrücklich hingewiesen. Er hat es dennoch in seiner Beschwerdebegründung unterlassen, hierzu Stellung zu nehmen.

Meta

V B 119/09

23.11.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 27. August 2009, Az: 3 K 4129/07, Urteil

§ 1 Abs 1 VersStG, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, Art 17 Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77, Art 33 Abs 1 EWGRL 388/77

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.11.2010, Az. V B 119/09 (REWIS RS 2010, 1173)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1173

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Wird zitiert von

XII ZR 6/20

Zitiert

1 BvF 1/05

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