Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.03.2021, Az. 5 StR 575/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 8174

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Gegenstand

Revisionsverfahren: Wirksame Einlegung der Revision bei nicht behebbaren tatsächlichen Zweifeln an der Einhaltung der Einlegungsfrist und unrichtiger Angaben in der Revisionsschrift


Tenor

Die Revision des Angeklagten ist zulässig.

Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die [X.] zu gewähren, wird verworfen.

Gründe

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen diverser sexueller Missbrauchstaten zu Lasten von Kindern zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten sowie von sechs Jahren verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.

2

Der Beschwerdeführer hat mit dem an das [X.] gerichteten Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Juli 2020 „Revision gegen das am 23.07.2020 ergangene Urteil des Amtsgerichts [X.]“ unter dem Aktenzeichen „ER 10 [X.]“ – wobei es sich um ein Aktenzeichen aus dem vorangegangenen Ermittlungsverfahren handelt – eingelegt. Die [X.] ist per Fax um 13:38 Uhr und im Original durch Einwurf in den Nachtbriefkasten am 29. Juli 2020 beim [X.] eingegangen. Spätestens am 6. August 2020 hat sie dem Vorsitzenden der [X.] vorgelegen; ein Eingangsstempel war nicht aufgebracht. Ob sie rechtzeitig, nämlich bis zum 30. Juli 2020 beim [X.] eingegangen ist, hat sich nicht aufklären lassen.

3

Mit dem am 25. August 2020 beim [X.] Leipzig eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers hat der Beschwerdeführer (erneut) Revision gegen das Urteil des [X.]s Leipzig vom 23. Juli 2020 eingelegt und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er davon ausgehe, der Schriftsatz vom 29. Juli 2020 habe nicht rechtzeitig dem [X.] vorgelegen.

4

2. Die Revision ist entgegen dem Antrag des [X.] zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

5

a) Es liegt eine wirksame Revisionserklärung nach § 341 Abs. 1 StPO vor. Denn der Schriftsatz vom 29. Juli 2020 enthielt die Person des Beschwerdeführers und ließ eindeutig seinen Willen erkennen, gegen ein im Strafverfahren gegen ihn ergangenes Urteil vom 23. Juli 2020 „Revision“ einzulegen. Dem steht die fehlerhafte Bezeichnung des zuständigen Gerichts (Amts- statt [X.] Leipzig) und eines unzutreffenden, jedoch dem (Ermittlungs-)Verfahren zuzuordnenden Aktenzeichens nicht entgegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Mai 1999 – 3 StR 200/99; vom 2. Oktober 2008 – 3 [X.]; vom 4. November 2010 – 1 [X.]). Anhand der mitgeteilten Kennzeichen des Strafverfahrens ließ sich die Rechtsmitteleinlegung dem angefochtenen Urteil zuordnen, was der Eingang bei der zuständigen [X.] des [X.]s belegt.

6

b) Die Revision ist auch als fristgerecht zu behandeln. Der Schriftsatz vom 29. Juli 2020 ist zwar beim [X.] eingegangen, jedoch nicht mit einem Eingangsstempel versehen worden. Aus nicht vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Gründen lässt sich deswegen der Tag des Eingangs und mithin die Rechtzeitigkeit der Revision nicht mehr aufklären.

7

Bestehen aber nicht behebbare tatsächliche Zweifel an der Einhaltung oder Versäumung der Einlegungsfrist, wirken sich diese zugunsten des Beschwerdeführers aus ([X.], Beschlüsse vom 29. November 2018 – 3 [X.]; vom 11. Oktober 2017 – 5 [X.]; vom 2. Mai 1995 – 1 [X.]; vgl. auch [X.] NJW 1997, 1770, 1771). So verhält es sich hier.

8

Eine fristwahrende Weiterleitung der Revisionsschrift vom Amts- an das [X.], mithin zwischen Justizbehörden eines [X.] innerhalb einer Stadt, ist – anders als der [X.] in seiner Antragsschrift vertreten hat – nicht ausgeschlossen. Die Angaben in der [X.] ließen unter gewöhnlichen Umständen ohne aufwendige Nachforschungen die zeitnahe Zuordnung des Schreibens zum richtigen (Straf-)Verfahren erwarten, da zudem ein Aktenzeichen aus dem vorangegangenen Ermittlungsverfahren angegeben war. Auf Mutmaßungen des Beschwerdeführers zum (verspäteten) Eingang seiner Revisionsschrift im Rahmen des [X.] kommt es insoweit nicht an, weil auch er über keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten verfügte.

9

3. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig und war zu verwerfen, weil die Revision als rechtzeitig eingelegt zu behandeln ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. Oktober 2017 – 5 [X.]; vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 553/11 mwN).

4. Angesichts des Antrags des [X.], die Revision als unzulässig zu verwerfen, war die Zulässigkeit der Revision durch den Senat festzustellen, um dem Verfahren sachgerecht Fortgang geben zu können.

[X.]     

      

Berger     

      

Gericke

      

Köhler     

      

Resch     

      

Meta

5 StR 575/20

04.03.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Leipzig, 23. Juli 2020, Az: 436 Js 53120/19 - 2 KLs jug

§ 341 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.03.2021, Az. 5 StR 575/20 (REWIS RS 2021, 8174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8174

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 463/23

Zitiert

3 StR 388/18

4 StR 553/11

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